Rede von
Günter
Rixe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Es ist schon erstaunlich, wie selbst der Kanzler den Versprechungen der Wirtschaft wieder auf den Leim geht und die falschen Zahlen glaubt, die man ihm vorlegt.
Vielleicht sollte der Kanzler zu seinen Kanzlerrunden auch einmal die Gewerkschaften einladen - wenn sie überhaupt noch kommen wollen -, damit er auch deren Worte hören kann.
Ich habe in diesem Hause bereits mehrfach erklärt, daß der jährliche Streit um die Ausbildungsplatz- und Berufsberatungsstatistik müßig ist. Dieser Streit wird auf dem Rücken der betroffenen Jugendlichen ausgetragen, genauso wie das bei der aktuellen Diskussion über die Höhe der Ausbildungsvergütungen der Fall ist. Es ist beschämend und diffamierend, wenn man über die Ausbildungsvergütung diskutiert und sich Vertreter der Industrie hinstellen und sagen: Die müssen wir senken, sonst bilden wir nicht aus.
900 DM, 800 DM, 1 000 DM Ausbildungsvergütung - davon muß man Steuern und Sozialversicherungsabgaben bezahlen.
Wenn ich mir aber noch einmal die aktuellen Zahlen vornehme, dann ist mir völlig schleierhaft, Herr
Minister, wo Sie den Optimismus hernehmen, wenn Sie sagen: Alles nicht so schlimm; wir brauchen ja nur noch 20 000 betriebliche Ausbildungsplätze bis zum Ende des Jahres. Allein das Wort „nur" bezeichnet ja schon eine Katastrophe für diejenigen, die noch keinen Ausbildungsplatz haben. Sie wissen selbst, daß die Zahlen nicht stimmen, daß sie höher sind als 20 000.
Wir haben 117 064 Jugendliche und 69 600 offene Plätze. Daraus ergibt sich eine Differenz von 47 464. Sie sprechen von 20 000 fehlenden Plätzen. Ich frage Sie: Wo haben Sie denn die 20 000 gelassen? Gibt es denn dieses Jahr noch ein Sonderprogramm, zusätzlich zu dem, das Sie schon aufgelegt haben und das 14 000 Plätze schuf? Fragen Sie einmal Vertreter der neuen Länder! Dort kann man das nächste Sonderprogramm doch gar nicht mehr finanzieren. Der Bundeshaushalt kann ja auf EU-Mittel zurückgreifen, die auch eigentlich für andere Zwecke und nicht für die Ausbildung vorgesehen sind. Im letzten und im vorletzten Jahr haben Sie das gemacht.
So, wie Sie das machen, kann man aber mit einer Statistik nicht umgehen. Es geht hier doch um Menschen. Die Schönrechnerei der Bundesregierung ist unverantwortlich den Jugendlichen gegenüber. Was nützt einem Mädchen in Oldenburg, das Elektronikerin werden will, ein freier Ausbildungsplatz als Bäckerin in Passau?