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ID1312211800

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    Plenarprotokoll 13/122 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 122. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. September 1996 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Bundeswirtschaftsministers Dr. Günter Rexrodt 10931 B Begrüßung des Präsidenten der Handwerkskammer Budapest und des stellvertretenden Fraktionsführers der sozialistischen Partei im ungarischen Parlament 11008 B Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 10931 A b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 10931 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 10931 B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . . 10932 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . 10933 A Ernst Schwanhold SPD . . . . 10934B, 10958 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 10937 D Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10939 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 10942B, 109558 Rolf Kutzmutz PDS 10944 B Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU . 10945D, 10949A, 10950B Eckart Kuhlwein SPD 10947 D Rolf Schwanitz SPD 10948 C Dr. Christa Luft PDS 10949D Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . 10951A, 10956B Ulrich Petzold CDU/CSU 10953 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 10953D, 10954 B Friedhelm Ost CDU/CSU . . . 10956D, 10959A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 10959 D Ingrid Matthäus-Maier SPD . 10960D, 10981A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10961C Ulrike Mascher SPD 10963 A Ottmar Schreiner SPD 10964 C Dr. Gisela Babel F.D.P 10965 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 10967 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10970B Dr. Barbara Hendricks SPD . 10970D, 10983 B Dr. Barbara Höll PDS 10971 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10971 C Dr. Gisela Babel F.D.P 10973C, 10976A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10975 D Petra Bläss PDS 10976 B Dr. Konstanze Wegner SPD 10978 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU 10979 D Ottmar Schreiner SPD . . . . 10980C, 10982 B Volker Kauder CDU/CSU 10982 B Leyla Onur SPD 10984 B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 10986A Edelgard Bulmahn SPD . . . 10987C, 11006C Edelgard Bulmahn SPD 10990 B Steffen Kampeter CDU/CSU 10993 D Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10996 B Franz Thönnes SPD 10996 D Simone Probst BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10997 C Jürgen Koppelin F.D.P 10998 D Dr. Ludwig Elm PDS 11001A Günter Rixe SPD 11002 C Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 11003D, 11004A Werner Lensing CDU/CSU 11004 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 11006A Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11008 C Jörg Tauss SPD 11009D Jürgen Koppelin F.D.P 11010B Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 11011D Heidemarie Lüth PDS 11013A Christel Hanewinckel SPD 11014 D Johannes Singhammer CDU/CSU . 11015C Peter Jacoby CDU/CSU 11017A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11018C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 11020A, 11021C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11021B Rosel Neuhäuser PDS 11021 D Maria Eichhorn CDU/CSU 11022 D Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11023 C Siegrun Klemmer SPD 11024 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 11026C Klaus Kirschner SPD 11030 D Horst Seehofer CDU/CSU . . 11033A, 11033 C Hubert Hüppe CDU/CSU . . . 11036B, 11038D Waltraud Lehn SPD 11036 C Dr. Wolfgang Wodarg SPD 11037 A Editha Limbach CDU/CSU 11037 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11038B Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11039A Dr. Dieter Thomae F.D.P 11040C Klaus Kirschner SPD . . . . 11041D, 11044 D Dr. Ruth Fuchs PDS 11042 B Editha Limbach CDU/CSU 11043A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11043C Waltraud Lehn SPD 11045 B Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär BML 11046A Horst Sielaff SPD 11048 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU 11050 D Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 11051B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11053D Wolfgang Gröbl CDU/CSU 11054 D Ulrich Heinrich F D P. 11055 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 11056B Dr. Günther Maleuda PDS 11056 D Ilse Janz SPD 11057 D Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 11059B Nächste Sitzung 11059 D Berichtigung 11059 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11060 * A 122. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. September 1996 Beginn: 9.02 Uhr
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    Berichtigung 121. Sitzung, Seite 10886D, vorletzter Absatz, Zeile 9: Das Wort „nicht" ist durch das Wort „doch" zu ersetzen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 12. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 12. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Borchert, Jochen CDU/CSU 12. 9. 96 Graf von Einsiedel, PDS 12. 9. 96 Heinrich Glos, Michael CDU/CSU 12. 9. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 12. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 12. 9. 96 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 12. 9. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nitsch (Rendsburg), BÜNDNIS 12. 9. 96 Egbert 90/DIE GRÜNEN Regenspurger, Otto CDU/CSU 12. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 12. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schütz (Oldenburg), SPD 12. 9. 96 Dietmar Thieser, Dietmar SPD 12. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 12. 9. 96 Karsten D. Dr. Zöpel, Christoph SPD 12. 9. 96
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Annelie Buntenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Halbwertszeit von sogenannten Sparprogrammen dieser Regierung wird immer kürzer. Wenn Sie, Herr Blüm, vorhin gesagt haben, daß hier Chaosdiskussionen entstünden und daß das sehr schädlich sei, dann haben Sie völlig recht. Nur, haben Sie diesen Vorwurf eindeutig an die falsche Adresse gerichtet. Denn dieser Vorwurf muß eindeutig an die Regierungsfraktionen gerichtet werden.
    Kaum liegt der Haushaltsentwurf vor, überschlagen sich die Pressemeldungen welche zusätzlichen Einschnitte in bezug auf die soziale Sicherung und die Arbeitsförderung noch nachgereicht werden sollen. Da schwadronieren die Haushälter der Regierungsfraktionen über das Ende der Arbeitsmarktpolitik - denn nichts anderes heißt es ja, wenn der Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit ganz gestrichen wird -, über das Vorziehen des AFRG, über ganz neue Maßnahmen, die sofort verabschiedet werden sollen. Sie bezeugen damit mangelnden Respekt vor diesem Parlament und vor dem Bundesrat; denn schon der Haushaltsentwurf basiert auf Gesetzen, die noch gar nicht verabschiedet sind, geschweige denn, daß irgend jemand ernstlich ihre Wirkung beziffern könnte.
    Wie sehr diese Logik einer Politik ohne gesetzliche Grundlage nach unten durchschlägt, das zeigt sich, wenn die Bundesanstalt für Arbeit schon einmal im Vorgriff auf eine beabsichtigte gesetzliche Regelung die Höhe der Anschlußarbeitslosenhilfe kürzt. Ihre Prognosen, die dem Haushalt zugrunde liegen, sind unseriös. Aber das ist ja keine Ausnahme; das hat der Kollege Fuchtel vorhin für andere Bereiche auch zugegeben. Gerade hat Herr Waigel 12,5 Milliarden DM für die Bundesanstalt für Arbeit und für die Arbeitslosenhilfe nachbewilligen müssen. Das haben wir aus den Reihen der Opposition Ihnen übrigens schon letztes Jahr vorausgesagt. Mit Ihrer Politik, die draußen niemand mehr durchschauen kann, verunsichern Sie die Betroffenen und demonstrieren die Konzeptionslosigkeit dieser Regierung.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Als am Wochenende wieder 250 000 Menschen gegen diese Politik auf die Straße gegangen sind, hat Herr Bohl gesagt, Demonstrationen würden keine Arbeitsplätze schaffen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Dieser Satz verrät zwar auch ein fehlendes Verständnis für politische Kultur und belegt - genau wie die Ausführungen von Kanzler Kohl gestern - die Arroganz der Macht. Aber es stimmt natürlich: Durch Protestaktionen werden keine Arbeitsplätze geschaffen. Das ist auch gar nicht ihre Aufgabe.
    Es wäre allerdings die zentrale Aufgabe der Regierung und müßte Ziel dieses Haushaltes sein, bei ei-

    Annelie Buntenbach
    nem historischen Höchststand von Arbeitslosigkeit Arbeitsplätze zu schaffen. Statt dessen demonstrieren Sie Konzeptionslosigkeit bei der Bekämpfung von Erwerbslosigkeit. Sie vertrösten die Menschen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, wenn es um Arbeitsplätze und sozial erträgliche Lebensbedingungen geht. Sie vertrösten sie auf den Tag, an dem Ihre Geschenke an Unternehmer und Besserverdienende sich endlich in Wachstum und Arbeitsplätzen auszahlen. Daß diese Rechnung nicht aufgeht, haben die letzten 14 Jahre, in denen Sie genau diese Politik betrieben haben, deutlich gezeigt - immer ist der Aufschwung am Arbeitsmarkt völlig vorbeigegangen und hat die Menschen auf der Straße stehengelassen; Unternehmensgewinne steigen, während gleichzeitig Massenentlassungen stattfinden. Neuer Armut steht neuer Reichtum gegenüber. Politikverdrossenheit und soziale Konflikte sind die zwangsläufige Folge dieser Politik.
    Nun sagen Sie: Die Opposition kümmert sich ausschließlich um die Verteilung und nicht um die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Sie wissen genau, daß dieser Vorwurf völlig aus der Luft gegriffen ist; denn wir sind uns darin einig, daß neue Arbeitsplätze dringend her müssen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, verpassen doch die notwendigen Strukturveränderungen und Innovationen, zum Beispiel den ökologisch-sozialen Umbau, zum Beispiel die dringend nötige Einführung der Ökosteuer. Aber Sie können sich auch nicht vor der Frage der Verteilung drücken. Denn das können Sie nicht allein der Planwirtschaft überlassen und sagen: Hier ist dafür kein Platz. Das ist eine Armutserklärung und ein Versagen vor einer ganz zentralen Aufgabe. Denn die Verteilung von Reichtum, von Arbeit und von Zugangsmöglichkeiten zu sozialer Sicherheit in der Bundesrepublik ist zutiefst ungerecht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Aber genau da wollen Sie nicht ansetzen; gegen wirklich zukunftsfähige Vorschläge sperren Sie sich. Eine Arbeitszeitverkürzung, die wir in großem Umfang brauchen, können Sie sich nicht einmal als Abbau von Überstunden zum Zweck von Neueinstellungen vorstellen.
    Statt eine bedarfsorientierte Grundsicherung als Schutz vor Armut einzuführen, lassen Sie immer mehr Leute durch die Lücken der Sozialversicherungen fallen, die Sie mit jedem neuen Gesetz noch vergrößern. Statt der Flucht aus den Sozialversicherungen einen Riegel vorzuschieben und die sozialen Sicherungen für die Menschen wieder kalkulierbar zu machen, fördern Sie diese Flucht schon seit Jahren durch Ihre Deregulierungspolitik.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Der ungedeckte Wechsel auf eine rosige Zukunft, mit dem Sie versuchen, Zustimmung in der Bevölkerung zu mobilisieren, wird jetzt und auf der Stelle bezahlt, und zwar von den Erwerbslosen und denjenigen, die Sozialhilfe beziehen, von den unteren Einkommensgruppen, kurz: vom unteren Drittel.
    Wenn Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, zu jedem neuen Waigel-Abgrund, der sich im Haushalt auftut, nichts anderes einfällt, als aus diesem schon völlig ausgewrungenen Einzelplan 11 weitere Mittel zu streichen, dann sagen Sie aber auch klar, daß genau das Ihre politische Linie ist, und geben Sie das nicht noch als sogenannten Sachzwang aus.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)

    Schließlich nehmen Sie sich leider auch die Freiheit, auf zusätzliche Einnahmen für den Haushalt zu verzichten, zum Beispiel durch Besteuerung der Veräußerungsgewinne, Vermögen- und Erbschaftsteuer, Besteuerung von Flugbenzin.
    Die Kürzung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Ost, wie im AFRG vorgesehen und im Haushalt eingestellt, ist für die fünf neuen Länder eine schlichte Katastrophe. Allein in Sachsen-Anhalt sind 17,2 Prozent Erwerbslose im August 1996 registriert; und wir alle wissen, daß die wirklichen Erwerbslosenzahlen erheblich höher liegen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sind mit Ihrer Wirtschafts- und Strukturpolitik Ost offensichtlich gescheitert. Gießkannensubventionen, die oft genug bei den Westkonzernen hängenbleiben, sind keine Lösung.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Solange die Arbeitslosigkeit so dramatisch hoch ist, sind besondere Anstrengungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik absolut zwingend. Statt dessen wollen Sie in einer solchen Situation in Ostdeutschland in den nächsten Jahren noch zirka 300 000 Menschen zusätzlich in die Arbeitslosigkeit entlassen. Das ist absolut unverantwortlich.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich will die Probleme der Arbeitsmarktpolitik gerade im Osten gar nicht schönreden - neben vielen sinnreichen und interessanten Projekten läuft zweifellos einiges schief. Aber die entscheidende Frage ist doch, welche Konsequenzen man daraus zieht. Wir wollen, daß die Konzepte in der Arbeitsmarktpolitik verbessert werden. Sie wollen sie alternativlos streichen.
    Sie behaupten, der zweite Arbeitsmarkt im Osten sei schuld daran, daß der erste nicht funktioniert. Sie wissen genau, daß das eine Umkehrung der Fakten ist. Im Bereich der sozialen Infrastruktur beispielsweise gibt es zur Zeit kaum einen ersten Arbeitsmarkt. Dauerhafte Aufgaben der öffentlichen Hand werden von den Kommunen, die viel zuwenig Geld haben, über Arbeitsmarktmittel finanziert, zum Beispiel in der Jugendarbeit und in der Altenbetreuung.
    Wenn Sie die AB Ost so wie derzeit geplant zusammenstreichen, dann wird die soziale Infrastruktur in den Kommunen einbrechen. Das hat der DPWV ein-

    Annelie Buntenbach
    drucksvoll belegt. Er hat auch einen interessanten Vorschlag zur Abhilfe mitgeliefert, mit dem wir uns in den Ausschußberatungen gründlich auseinandersetzen sollten, nämlich weg von der schrägen Finanzierung über Arbeitsmarktmittel, die dann für andere Projekte der Arbeitsförderung frei würden, hin zu einer Finanzierung dieser dauerhaft erforderlichen Stellen über Steuermittel.
    Wenn Sie die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Ost so zusammenstreichen, wie Sie das zur Zeit vorhaben: Was meinen Sie damit eigentlich wirklich zu sparen? Die Menschen werden nicht im ersten Arbeitsmarkt unterkommen. Sie werden auch nicht nur ihrer Regierung zuliebe aufhören zu essen. Irgendwovon müssen Sie leben: Arbeitslosengeld? Arbeitslosenhilfe? Sozialhilfe?
    Das, was Sie in diesem unsoliden Haushalt alles an Einsparungen kalkulieren, ist doch eine einzelbetriebliche Milchbubenrechnung. Was aus dem Bundeshaushalt nicht mehr bezahlt werden muß, muß entweder die Bundesanstalt für Arbeit bezahlen oder die Kommunen, die schon jetzt finanziell am Ende sind.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Haben Sie die Logik schon mal umgedreht?)

    Ihre ganze sogenannte Arbeitslosenhilfereform ist ein glänzendes Beispiel für den Verschiebebahnhof von Kosten, den Sie veranstalten, weil Sie nicht willens und imstande sind, statt bornierter Kurzfristkalkulationen eine gesamtgesellschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung in den Blick zu nehmen und daraus die vernünftigen Problemlösungen zu entwickeln.
    Was Sie bei dieser Kostenschieberei kurzfristig allerdings einsparen, ist das, was Sie den Betroffenen durch die Kürzung der Leistungen direkt aus der Tasche ziehen. Zusätzlich überziehen Sie die Leute mit einer andauernden Mißbrauchsdebatte, mit ständig schärferen Kontrollen und Weiterdrehen an der Zumutbarkeitsschraube. Unter dem politischen Kampfbegriff „Mißbrauchsbekämpfung" haben Sie sogar Minderausgaben in Milliardenhöhe im Haushalt eingestellt, die komplett spekulativ sind und jeder sachlichen Grundlage entbehren.
    Mit solchem Vorgehen bauen Sie Pappkameraden für die Stammtischdiskussionen auf.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Sie scheinen wirklich nicht zu wissen, wie es in der Arbeitswelt aussieht!)

    Leider haben Sie wohl aus der Asyldebatte wenig gelernt. Bei zirka 7 Millionen fehlenden Arbeitsplätzen ist doch nicht der Mißbrauch von Leistungen das Problem, sondern daß so viele gezwungen sind, sie zu gebrauchen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Einen Etatposten habe ich bei der Durchsicht des Haushalts gefunden, der höher angesetzt ist. Das ist die Öffentlichkeitsarbeit des Bundesarbeitsministeriums, deren Etat um 11 Millionen DM auf 34 Millionen DM erhöht worden ist.

    (Beifall des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU] Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU]: Das ist auch gut so!)

    Wenn Sie den Vandalismus, den die Regierung hier veranstaltet, Herr Minister Blüm, der Öffentlichkeit verkaufen wollen, werden Sie mit diesem Betrag kaum auskommen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich gebe der Abgeordneten Dr. Gisela Babel das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gisela Babel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Generaldebatte über den Haushalt 1997 hat das Thema Arbeitslosigkeit nach ganz vorn geschoben, als Wurzel für die Finanzprobleme des Bundeshaushalts und weil es ein bedrükkendes gesellschaftliches Problem darstellt.
    Die Tatsache, daß beim Einzelplan 11 nach wie vor ein Drittel aller Ausgaben angesiedelt ist, wird oft als Zeichen dafür herangezogen, daß wir einen wohlausgestatteten Sozialstaat haben. Meine Damen und Herren, diesen haben wir auch. Aber in meinen Augen weist viel Geld im Sozialetat auch auf große Probleme hin. Ein plötzliches Absacken der zur Verfügung stehenden Mittel in diesem Bereich würde vielleicht zeigen, daß wir die Probleme gelöst hätten. Davon sind wir in der Tat noch weit entfernt.
    Weit entfernt sind Regierung und Opposition von einer Übereinstimmung, wenn es gilt, Fragen zu beantworten: Woher kommt die hohe Arbeitslosigkeit? Wem ist sie anzulasten? Was ist zu tun? Darin, daß es mehrere, ineinandergreifende Ursachen für den Verlust von Arbeitsplätzen gibt, stimmen wir vielleicht überein. Aber die Opposition widerspricht hartnäckig - egal, ob es sich um die ehrwürdige alte SPD oder um die neue dynamische Fraktion Bündnis 90/Die Grünen handelt -, daß es die Kosten für die Arbeit sind. Sie sagen nicht, daß sie zu hoch sind, eher sind es Währungsprobleme oder unfähige Unternehmer. Ihr Lieblingsargument ist die falsche Finanzierung der Wiedervereinigung, die nämlich über Steuern statt über Beiträge hätte finanziert werden sollen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: So haben Sie hohe Abgabenlasten!)

    Sie sagen aber nie, wie hoch die Steuerlast Ihrer Meinung nach sein müßte. Davor flüchten Sie.
    In Deutschland gehen Arbeitsplätze nicht allein wegen der Arbeitskosten verloren, sie gehen zum Beispiel auch wegen der Dauer von Genehmigungsverfahren verloren. Wenn in Deutschland das Einholen einer Baugenehmigung für industrielle Produktionsstätten Jahre dauert und in den USA nach drei

    Dr. Gisela Babel
    Monaten erteilt wird, dann ist doch die Standortentscheidung klar.

    (Peter Conradi [SPD]: Dann ändern Sie es doch!)

    - Versuchen Sie, solche Regelungen mit der SPD zu vereinfachen.

    (Zurufe von der SPD)

    Sicher gehen Firmen auch ins Ausland, weil sie dort neue Märkte erobern können und weil sie die Währungsrisiken kleinhalten. Aber die hohen Arbeitskosten in Deutschland sind zumindest auch ein Grund für die Arbeitslosigkeit. Sie können doch einem Patienten, der an Grippe erkrankt ist, die Medikamente nicht mit der Begründung verweigern, er liege ja im Bett, weil er sich das Bein gebrochen hat.
    Es sind die Arbeitskosten - Löhne und Lohnnebenkosten -, die wir senken müssen. Nur auf diese Weise lassen sich die Chancen im Wettbewerb verbessern. Dazu dienen nun einmal die Maßnahmen, die wir uns im Paket für Wachstum und Beschäftigung vorgenommen haben.
    Diese Politik, die übrigens in anderen Ländern ähnlich, früher und effektiver durchgesetzt wurde, findet auch bei unseren Bürgern zumindest Verständnis. Ich will ja nicht erwarten, daß sie jubeln. Aber unsere Politik findet Verständnis.
    Die SPD gaukelt den Leuten immer noch vor, es sei alles nicht nötig. Sie will zum Beispiel versicherungsfremde Leistungen, das Hoffnungsgebilde vieler Sozialpolitiker, aus der Arbeitslosenversicherung herausnehmen, in die Steuerfinanzierung hineinnehmen, natürlich durch den Bund, und die Steuern heraufsetzen. Sie will ein 150-Milliarden-DM-Beschäftigungsprogramm auflegen. Sie will alle Probleme mit Wohltaten lösen, nie den schmerzlichen Kaufpreis erörtern. Das ist eine Art politischer Zechprellerei.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ohne Sparen und ohne Einschnitte ist das Ziel „Senkung der Arbeitskosten" nicht zu erreichen.
    Den schlichtesten aller Vorschläge habe ich auf einem Transparent gelesen, das bei der Gewerkschaftsdemonstration im Sommer relativ lange über der Autobahn angebracht war - es ist wirklich von bewunderswerter Kürze -: „Reiche raus! "

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Die gehen doch schon raus!)

    Das ist wirklich wunderbar. Reiche raus, dann sind die Armen unter sich, und keiner stört. Das ist vielleicht der soziale Friede, der Ihnen vorschwebt. Ich dagegen würde sagen: Reiche rein! Das sind nämlich Investoren, die in Deutschland Arbeitsplätze schaffen können. Das sollten wir versuchen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich würde mich mit dem Ruf anschließen: Reiche
    hierbleiben!, damit sie nicht woanders hingehen und
    unsere Arbeitsplätze verlorengehen. Ich habe kaum
    die Hoffnung, daß Sie eine solche Forderung einmal auf Gewerkschaftstagungen vorbringen können.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die Gewerkschaft ist doch nicht für jedes Plakat verantwortlich!)

    Die Opposition hat zu dem erklärten Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken, die hämische Bemerkung gemacht, das Gegenteil träfe doch derzeit zu. Ich gebe zu, Lohnnebenkosten steigen.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Durch die Politik der Bundesregierung!)

    Aber wir wissen doch alle genau, die Pflegeversicherung mit ihren 0,7 Beitragspunkten für dieses Jahr ist dafür verantwortlich, daß wir diesen Anstieg haben. Ich habe von Sozialdemokraten noch nie gehört, daß sie bereit gewesen wären, die Pflegeversicherung zu verschieben, um diesen Anstieg zu verhindern.
    Zweiter Punkt sind die Rentenversicherungen. Wir wissen, daß der finanzielle Druck in der Rentenversicherung durch das gigantische Maß der Frühverrentung hervorgerufen worden ist.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Wer hat das denn gemacht?)

    Das ist einer der wichtigsten Zahler der Arbeitslosenversicherung. Hätten wir also früher die Reform bei der Rentenversicherung einleiten müssen? Ich meine, ja. Aber die Opposition ist am wenigsten berechtigt, sich hier die Hände zu reiben. Die Kehrtwende ist jetzt beschlossen.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Sie haben doch den Frühruhestand beschlossen!)

    Die Frühverrentung wird gestoppt, die Altersgrenzen werden heraufgesetzt, die Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten werden reformiert - alles Maßnahmen, die im Paket für mehr Wachstum und Beschäftigung stehen. Diese Maßnahmen werden erst nach einer bestimmten Zeit wirken. Deswegen entsteht der Eindruck - gegen ihn möchte ich hier noch einmal ganz klar angehen -, wir würden permanent Sparmaßnahmen beschließen, die alle nicht wirken. Nein, meine Damen und Herren, die Maßnahmen, die wirken, sind erst am Freitag beschlossen und werden dann wirken. Das muß man hier ganz deutlich sagen, damit nicht von Ihnen ein Nebel ausgebreitet wird.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ein Wort noch zur Besteuerung der Renten. Die F.D.P. möchte, daß Steuern gesenkt werden. Sie schließt sich dem Vorschlag und der Einschätzung der Bareis-Kommission an, daß das eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage voraussetzt. Dazu gehören auch Renten. Aber eines muß klar sein: Der Staat darf nicht zweimal zugreifen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Dr. Gisela Babel
    Wenn Beiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt werden, darf der Staat nicht bei Renten noch einmal versteuern. Das verschmälert also den Zugriffsraum, der bei den Renten überhaupt vorhanden ist. Beiträge werden heute noch größtenteils aus versteuertem Geld bezahlt. Eine Reform, die das berücksichtigt, muß den Grundsatz des Vertrauensschutzes natürlich wahren, das will ich hier noch einmal sagen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Zu den Einsparungen bei ABM. Ich bin der Meinung, daß wir weniger daran denken sollten, die Zahl derer, deren Beschäftigung im Osten heute über eine ABM abgesichert ist, zu verringern. In der Tat sehe ich, daß wir dies, solange wir nicht reelle Chancen für Beschäftigung geschaffen haben, nicht können. Aber bei der Frage der Bezahlung der AB-Maßnahmen bin ich in der Tat der Meinung, daß wir uns umorientieren sollten. Heute sind die AB-Maßnahmen an Tariflöhne geknüpft. Tariflöhne haben mit der Realität im Osten nichts mehr zu tun. Auch das wissen Sie. Die meisten Beschäftigten haben einen unter Tarif gezahlten Lohn. Es ist nicht einsehbar, daß dieser unter Tarif gezahlte Lohn den Anreiz, in einer ABM zu verharren, verstärkt. Es muß hier eine Umkehr dahin gehend stattfinden, daß eine AB-Maßnahme einen Abstand zu dem gezahlten Lohn hat, der heute in den neuen Bundesländern Realität wird.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, mir ist klar, daß wir damit das Thema des Flächentarifvertrags mit aufwerfen. Die Tarifpartner müssen begreifen, daß sie einen Flächentarif nur dann retten können, wenn sie ihn flexibel ausgestalten, wenn sie den Betrieben gewisse Möglichkeiten geben.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Er ist flexibel auszugestalten! Schauen Sie sich das doch einmal an!)

    - Ich habe diesen wunderbaren Prozeß gegen Vissmann im eigenen Wahlkreis miterlebt. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn es so ist, daß rechtswidrig handelt, wer für eine Belegschaft die Arbeitsplätze sichert, haben wir ein sehr seltsames Verständnis von solchen Bindungen.

    (Beifall bei der F.D.P. Zuruf des Abg. Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD])

    Jeder Arbeitsplatzbesitzende ist ein potentieller Arbeitsloser. Ich glaube, das wird mittlerweile begriffen. Wir wollen in den Verträgen Arbeitsplätze sichern, aber sie nicht gefährden.
    Ich darf resümieren: Die SPD hat sich als eine Partei dargestellt, die dem Volk vorgaukelt, es müsse nicht sparen, es brauchte keine Einschnitte zu geben.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das stimmt nicht! Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Genauso ist es!)

    Man müsse nur über Steuern, die irgendwelche Reichen zahlen, entsprechende Finanzierung bereitstellen, um Beschäftigungsprogramme zu finanzieren.
    Bei den Grünen, die sich zumindest vom Alter her dynamischer geben, sehe ich überhaupt keinen Ansatz, daß sie sich den Reformanforderungen unserer Gesellschaft stellen.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Sie sehen das ja bei der Ladenschlußdebatte - für mich ein Zeichen, daß sich die Grünen geradezu als Ladenhüter der verkrusteten Gesellschaft gerieren, anstatt daß sie sich für neue Forderungen öffnen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wenn ich für die Regierung und die Koalition vielleicht nicht behaupten kann, daß wir die Probleme alle gelöst haben; aber ich bin tief durchdrungen davon, daß nur wir die richtigen Wege weisen.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)