Jetzt verliere ich jede Zuversicht. Wenn selbst Frau Mascher für diesen Vorschlag Sympathie aufbringen kann - -
- Na gut, dann bin ich schon wieder beruhigt. - Beitragsfinanziert heißt in den Niederlanden: Für einen Sozialhilfeempfänger, der keinen Beitrag bezahlen kann, muß der Staat Beitrag zahlen. Nennen Sie mir einmal ein System, in dem jemand Beitrag zahlen kann, der kein Geld hat.
- Das ist eine Steuer. Sie heißt nur Beitrag. - Liebe Frau Mascher, bleiben Sie Ihren besten Prinzipien treu, gehen Sie nicht auf Schröders Linie. Das ist eine Schlangenlinie, um nicht etwas Schlimmeres zu sagen. Es ist eine Linie, die um alle Sachverhalte herumkurvt.
- Ja, wir brauchen eine Weiterentwicklung. Wir müssen Antwort geben auf demographische Veränderungen. Die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich geändert. Viele fliehen aus der Solidarität in die Scheinselbständigkeit. 35 Prozent der Jüngeren suchen einen Zweitjob. Das ist ein bequemer Fluchtweg. Das kann die Solidarkasse nicht tragen: Die Guten ins Kröpfchen und die Schlechten ins Töpfchen - so geht das nicht.
Ich stimme Ihnen zu, daß wir viel zu hohe Fremdleistungen haben, aber nicht ohne darauf hinzuweisen, daß der Bund der Rentenversicherung 80 Mil-harden DM gibt.
Besteuerung der Rente wird gefordert.
- Ich möchte es doch nur klarstellen. - Besteuerung ginge doch nur, wenn die Beiträge steuerfrei wären. Zweimal besteuern geht doch nicht.
Da die Beiträge der Rentner aber nicht steuerfrei waren, geht das nicht.
- Ich will das doch nur klarstellen, liebe Frau Fischer. Ich gebe mir jetzt Mühe, in das Chaos der Debatte - das ist nämlich ein Chaos - etwas Linie zu bringen.
Ich gebe sogar zu, daß sich manche von uns daran beteiligt haben.
Ich bemühe mich, Schneisen in diesen Urwald von Vorschlägen zu schlagen. Liebe Leute, seid mal vernünftig: Es muß nicht alle 24 Stunden ein neuer Vorschlag gemacht werden. Das muß wirklich nicht sein.
Diese Art von Kreativität hat nur eins zur Folge: große Rentenunsicherheit. Ich bin dafür verantwortlich
- lassen Sie mich ausreden! -, daß die Rentner nicht von einer Chaosdiskussion in die Angst gestürzt werden. Dafür bin ich verantwortlich. Lachen Sie also nicht zu früh!
Deshalb bemühen wir uns, in den Regierungskommissionen und auch in den Fraktionen über die Weiterentwicklung des Systems zu sprechen. Ich lade alle ein - wir haben doch eine gute Tradition -: Laßt uns, wenn der Pulverdampf vorbei ist, versuchen, die Fäden wieder zusammenzubringen. Ich lade im Sinne der Vertrauensbildung ausdrücklich dazu ein. Wir streiten uns viel. Es ist auch gut, daß gestritten wird. Aber es lohnt jede Anstrengung, den Rentenkonsens nicht erlahmen zu lassen. Darum bitte ich Sie bei allem Streit.
Wenn wir das Rentenniveau jetzt bei einem Beitrag von 20 Prozent festschreiben würden, dann hätten wir im Jahre 2030 einen Mehrbedarf an Bundes-
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
zuschuß von 350 Milliarden DM. Wenn wir den Beitrag festschreiben und den Bundeszuschuß einfrieren, hätten wir ein Rentenniveau von 45 Prozent. Würden wir den Bundeszuschuß und das Rentenniveau festschreiben, hätten wir einen Beitrag von 26 Prozent. - Sie sehen, die drei Varianten sind alle keine realistischen Varianten. Deshalb lade ich zu einer realistischen Weiterentwicklung unseres Systems ein.
Ich glaube, daß die Demokratie auf Streit angelegt ist - das ist ja auch das Schöne an der Demokratie. Aber wir müssen uns nicht über alles streiten. Laßt uns über die Weiterentwicklung der Rente diskutieren, aber laßt uns versuchen, im Sinne der Vertrauensbildung den Konsens neu anzugehen. Denn die Rentenversicherung lebt von der Lebensplanung. Sie lebt nicht von der Hand in den Mund. Sie muß ja auch Regierungswechsel überleben, selbst wenn der nächste noch in weiter Ferne ist -
- oder wäre, um Frieden zu stiften.
Ich will diese Stunde nutzen. Sparen ohne Einschränkungen geht nicht. Nennen Sie doch endlich einmal Ihre Sparvorschläge für das Sozialsystem. Ich muß kein Ökonom sein, es genügt mir der gesunde Menschenverstand, um festzustellen: Die Beiträge sind zu hoch. Wenn Sie beklagen, daß die Beiträge noch höher steigen, dann erwidere ich Ihnen: Je weniger wir sparen, um so höher steigen sie. Wenn Sie beispielsweise das Zustimmungsgesetz verhindern, in dem 1,4 Milliarden DM für die Rentenversicherung lockergemacht werden, dann steigt der Beitrag um mindestens einen Prozentpunkt. Wie hoch er letztlich wirklich steigt, das habe nicht ich in der Hand, sondern das hängt von der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ab, und die Beiträge für das jeweils nächste Jahr setzen wir immer im Oktober fest.
Also, es gibt für den Sozialstaat nichts Besseres als Arbeit. 100 000 Arbeitslose kosten den Sozialstaat 3 Milliarden DM an Arbeitslosengeld. 100 000 Beschäftigte verdienen 4,5 Milliarden DM und zahlen noch 2 Milliarden DM an Beitrag. Was ist also besser als Arbeit? Hier muß folglich eine Kostenentlastung greifen. Ich sage ja nicht, daß Kostenentlastung das einzige wäre. Sie ist ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige. Initiative, Innovation, Entbürokratisierung und vernünftige Lohnpolitik gehören dazu. Aber einen Teil haben auch wir Sozialpolitiker zu verantworten.
Bevor ich anderen Vorwürfe mache, möchte ich gerne sagen können: Wir haben unsere Hausaufgaben erfüllt. Unsere Hausaufgabe im Hinblick auf diesen Haushalt - damit ist nicht alles erledigt - ist, einen Beitrag zur Entlastung der Beitragszahler und zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu leisten - um der Arbeitslosen willen. Darum geht es.