Rede von
Anke
Fuchs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Geißler, Sie kommen mit dieser Argumentation nicht durch.
Ich sage Ihnen noch einmal: Hohe Ausgaben für Soziales sind kein Markenzeichen für einen Sozialstaat, wenn sie durch Arbeitslosigkeit begründet werden. Das ist doch ein Markenzeichen Ihrer Politik.
Wenn Sie sich im Ausland umschauen, dann stellen Sie fest, daß unsere Frage, mit welcher Philosophie wir in die Europäische Union gehen, welche Kriterien der sozial richtig verstandenen Marktwirtschaft, ökologisch gestaltet, wir dort einbringen, entscheidend ist. Deswegen ist doch nicht jede einzelne Maßnahme, die Sie morgen beschließen, so verhängnisvoll, sondern verhängnisvoll ist der gesamte Weg, der - wie immer in den letzten Jahren - heißt: Oben wird gegeben, und unten wird genommen. Unsicherheit wird verbreitet, Armut nimmt zu, und die christliche Nächstenliebe läßt grüßen, Herr Geißler. Das ist der Vorwurf, den wir erheben.
Sie kommen aus dieser Diskussion nicht heraus! Wir werden es nicht zulassen, daß Sie unter dem Druck der Koalition auch von Ihnen an sich nicht mitgemachte Gedankenketten akzeptieren und morgen diesem schrecklichen Paket zustimmen wollen.
- Ja, Sie werden es erleben. Nur keine Sorge!
Wir haben in diesen Tagen unsere Projekte vorgelegt. Ich kann Ihnen das Papier von Ingrid MatthäusMaier gern noch einmal erläutern. Sie haben wieder nicht zugehört. Ich habe in der Haushaltsberatung aller Ressorts gesessen und feststellen können, daß in keinem dieser Haushalte eine Zukunftsorientierung steckt, daß überall dort gestrichen wurde, wo man eigentlich Investitionen bräuchte. Deswegen können Sie mit Ihrer Haushaltspolitik auch gar nicht erwarten, daß Dynamik ausgelöst wird, die wir dringend brauchen, um Wachstum und Beschäftigung zu erreichen.
Mein letzter Gedanke, meine Damen und Herren. Sie mißbrauchen die Globalisierung, und Sie miß-
Anke Fuchs
brauchen die internationalen Verflechtungen, um sich vor den Hausaufgaben hier zu drücken.
Die Globalisierung rechtfertigt zum Beispiel nicht, daß Sie Frauen Teilzeitarbeitsplätze für 590 Mark anbieten und sie auf Dauer ihres Lebens ausbeuten, meine Damen und Herren.
Die Globalisierung rechtfertigt nicht, daß Sozialdumping stattfindet. Die Globalisierung rechtfertigt nicht, daß wir kein ordentliches Entsendegesetz haben, meine Damen und Herren, und das könnten wir
machen.
Die Globalisierung rechtfertigt nicht, daß wir im übrigen so tun, als ob Flexibilität in den Betrieben nur Arbeitnehmerrechteabbau bedeuten müßte. Sie wissen genau wie ich: In der Tarifpolitik tut sich sehr viel mehr, als die unternehmerische Wirtschaft wahrhaben will. Bei uns kann es gehen, daß wir nicht heuern und feuern wie in Amerika, sondern daß wir durch Flexibilität in den Betrieben, durch Flexibilität in den Tarifverträgen dafür sorgen, daß die Arbeitszeiten wirtschaftlich vernünftig verteilt werden.
Mit der Globalisierung hat es nichts zu tun, daß es nicht gelingt, die überproportionalen Überstunden abzubauen.
Deswegen sage ich: Wer sich auf den Weg macht, über Europa für eine beschäftigungsorientierte Politik zu sorgen - ich füge hinzu: auch für wirtschaftliche Dynamik und Haushaltskonsolidierung -, wer sich über Europa auf den Weg macht, die Globalisierung der Wirtschaft auch als ein Gestaltungsprojekt anzusehen, der muß zunächst einmal in seinem eigenen Haus Ordnung schaffen. Das tun Sie mit Ihrer Politik nicht. Ihr Haushalt ist kontraproduktiv, ihr Haushalt ist sozial ungerecht, und er wird, wie Sie ja selbst sagen, mehr Arbeitslosigkeit produzieren als zum Abbau von Arbeitslosigkeit beitragen.