Herr Kollege, ich danke Ihnen für diese Frage. Woran liegt es denn, daß die ostdeutschen Kommunen keine Chance haben, die notwendigen Komplementärmittel aufzubringen?
Die Bundesregierung hat doch durch ihre Gesetze dazu beigetragen, daß sie sich selbst finanziell entlastet - Stichwort: Sozialhilfe, Stichwort: Flüchtlinge - und die Kommunen die Last der Veränderung tragen müssen und dann keine Chance mehr haben, für Wirtschaftsförderung zu sorgen.
Deswegen haben wir gestern immer wieder angemahnt - und wer etwas von der Sache versteht, weiß das auch -, daß wir eine Gemeindefinanzreform brauchen. Es kann doch nicht sein, daß durch Ihre Politik und auch durch Ihre jetzigen Maßnahmen - Sie tun so, als wenn Sie mit dem Arbeitsförderungsgesetz keine Leistungen abbauten - die Menschen plötzlich keine Leistungen mehr bekommen sollen oder können. Diese Menschen rutschen doch alle in die Sozialhilfe, und die steigenden Sozialhilfekosten machen es den Kommunen unmöglich, überhaupt noch investiv tätig zu sein. Das ist der zweite Teufelskreis, von dem wir hier immer wieder sprechen müssen.
Ihr Haushalt bietet keine Anreize für die Dynamisierung der wirtschaftlichen Entwicklung. Ich will das noch einmal sagen, ohne zu wiederholen, was mein Kollege Schwanhold bereits gesagt hat. Sie machen genau das Gegenteil dessen, was jetzt nötig wäre: Sie kürzen dort, wo die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung liegt, Sie kürzen dort, wo Jugendliche eine Chance hätten, Sie kürzen dort, wo Frauen eine Chance hätten.
Es geht nicht nur um die ökonomische Entwicklung, sondern auch um die Frage, mit welcher Einstellung, mit welcher Geisteshaltung wir demokratische Strukturen in unserem Lande gestalten wollen.
Herr Gerhardt hat gestern gesagt - ich fand das wirklich beachtenswert -, jeden Tag solle man in den Spiegel gucken und fragen, was man für sich selbst tut. Das ist Gefälligkeitsdemokratie für Egoisten.
Das ist das Markenzeichen der F.D.P. Da bleiben christliche Nächstenliebe, soziales Miteinander, Solidarität auf der Strecke. Sie sind ein Markenzeichen dafür, daß die Entsolidarisierung bei uns auf der Tagesordnung steht. Das ist wirtschaftspolitisch falsch, meine Damen und Herren, und es ist finanzpolitisch falsch.
Deswegen möchte ich mich mit Herrn Geißler gern über seine Aussage unterhalten, wir bräuchten eine neue Geisteshaltung. Wir müssen uns dazu bekennen, daß Profitmaximierung nicht die einzige Werteorientierung in unserer Gesellschaft sein kann,
daß es nicht die Wirtschaftsverbände sein dürfen, die vorgeben, wie Politik gemacht wird, sondern daß die Frage beantwortet werden muß, wie wir mit den Herausforderungen fertigwerden. Sie können doch nicht so tun, als sei die Globalisierung nur ein Schreckgespenst, sondern die Frage lautet, wie wir die globalisierte Wirtschaft gestalten, wie wir in den europäischen Binnenmarkt eintreten, der aber nicht nur aus Geld bestehen darf, sondern auch aus Arbeitsplätzen, aus kultureller Entwicklung und daraus, wie wir miteinander Europa gestalten, wie wir mit unserer Werteorientierung wettbewerbsfähig sind und bleiben gegenüber dem Dollarraum und gegenüber dem Yen. Das sind doch die Fragen, und deswegen ist Globalisierung eine Gestaltungsaufgabe. Sie, meine Damen und Herren, machen den Fehler, daß Sie angst vor der Globalisierung machen, statt sie als Gestaltungsaufgabe zu begreifen.