Rede von
Rolf
Kutzmutz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Rexrodt, Sie haben wie der Herr Bundeskanzler und der Finanzminister behauptet, der Kurs der Bundesregierung fördere Investitionen, Innovationen und sichere Arbeitsplätze. Die OECD wird dabei sozusagen als Kronzeuge zitiert. Sie vergaßen dabei aber, zu erwähnen, daß auch die OECD 1997 in der Bundesrepublik mit weiterhin vier Millionen registrierten Arbeitslosen rechnet. Wirtschaftspolitisch gegengesteuert wird mit einem Etat des Wirtschaftsministeriums, der - trotz aller verbaler Bekundungen zur Wirtschaftsförderung - im kommenden Jahr um 9 Prozent sinken soll.
Wie aber soll sich die ostdeutsche Wirtschaft Märkte insbesondere in Osteuropa, die Anfang der 90er Jahre nicht zuletzt durch die Politik dieser Regierung leichtfertig verspielt wurden, erschließen, wenn die Absatzförderung um ein Viertel gekürzt wird?
Über die Notwendigkeit der engen Verzahnung von Forschung und Produktion in ostdeutschen Unternehmen bei der Schaffung weltmarktfähiger Erzeugnisse wird oft geredet. Der entsprechende Haushaltstitel soll aber um 40 Millionen DM „verschlankt" werden.
Über 6,5 Milliarden DM stecken Bund, Länder und EU in den Topf der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Nicht wenig Geld! Aber unter vielen Mühen und mit teilweise noch mehr Streit wurden in Westdeutschland die Fördergebiete neu abgesteckt. Wenn nach diesem Aufwand ganze 350 Millionen DM Bundesmittel im gesamten Altbundesgebiet eingesetzt werden, so ist das makaber.
In Arbeitsmarktregionen wie Wilhelmshaven, Helmstedt oder Pirmasens, demnächst wohl auch in Bremerhaven, ist die Situation mittlerweile dramatischer als in Leipzig oder Dresden. Mit den dafür bereitstehenden Fördermitteln kann man aber nur arbeiten wie mit einer Gießkanne in der Sahara, oder man betreibt als Minister oder als Abgeordneter Klientelpflege.
Die geplanten westdeutschen GA-Bundesmittel „erarbeitet" der Bundesfinanzminister 1997 im Osten: Um exakt jene 350 Millionen DM sollen sie für die neuen Bundesländer schrumpfen. Kritikern dieses Kurses wird entgegengehalten, daß schließlich im vergangenen Jahr 681 Millionen DM der eingeplanten Bundesmittel nicht genutzt wurden. Angesichts des faktischen Stillstands der Wirtschaftsentwicklung im Osten ganz sicher eine alarmierende Entwicklung!
Sie spricht aber nicht gegen das Volumen der GA-Förderung an sich, sondern erstens gegen die Wirtschafts- und Steuerpolitik dieser Regierung. Die Binnennachfrage wurde systematisch abgewürgt. Unternehmen vertagten geplante und beantragte Investitionen oder gingen mittlerweile gar pleite. Ihre GA-Anträge wurden damit hinfällig.
Zweitens zeugt diese Entwicklung von der Misere der öffentlichen Finanzen in Ländern und Kommunen, die nicht zuletzt der Bundesfinanzminister mit zu verantworten hat.
Denn abgesehen von der in Thüringen unter Verantwortung von Herrn Waigels Parteifreund Schuster verschleppten GA-Antragsbearbeitung fehlt es anderswo - so in Brandenburg und zahllosen Kommunen - schlicht an geforderten Komplementärmitteln.
Ich plädiere hier keinesfalls für die Erschließung weiterer Gewerbegebiete auf der grünen Wiese. Aber für notwendige Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere an innerörtlichen Einzelstandorten, muß weiter Geld vorhanden sein.
Bisher betrug die Förderhöhe zumeist 90 Prozent. Wie sich im letzten Jahr zeigte, sind aber immer weniger Kommunen in der Lage, selbst diese läppischen 10 Prozent Eigenmittel aufzubringen. So hat die Stadt Rheinsberg mittlerweile 13 Förderanträge mit einem Gesamtvolumen von 33 Millionen Mark zurückgezogen. Mit dem neuen, ab 1997 geltenden Rahmenplan wird nun der geforderte Eigenanteil gar noch auf 20 Prozent verdoppelt.
Viele Kommunen im Osten sind jedoch schon heute kaum noch kreditwürdig. Ähnlich dramatisch ist die Lage in den Ländern. So hat das Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg für 1997 sechs
Rolf Kutzmutz
Landesförderprogramme ersatzlos gestrichen, um die erforderlichen Komplementärmittel für die GA zusammenkratzen zu können. Auf diesem Weg kann man natürlich auch den kritisierten Fördermitteldschungel auslichten. Nur, es wird wirtschaftspolitisch fatal, wenn dabei Zuschüsse zur Reststoffverwertung auf der Strecke bleiben oder neben der Technologieförderung des Bundes nun auch die des Landes gekürzt wird.
Ich kann darin beim besten Willen keine innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen für den sogenannten Standort Deutschland sehen, von denen die Koalitionsvertreter hier pausenlos gesprochen haben.
Indem man die Einnahmen, insbesondere die der Kommunen, weiter beschneidet und zugleich deren Eigenanteil bei Investitionen erhöht, kann man natürlich die GA-Förderung für wirtschaftsnahe Infrastruktur gegen Null fahren und dabei noch die Hände in Unschuld waschen.
Der „außerplanmäßige" Rückgang der GA-Mittel ist gleichsam ein Wetterleuchten des sich abzeichnenden Zusammenbruchs der öffentlichen Finanzen in Ländern und Kommunen wie auch der traditionellen Wirtschaftsförderung. Die Gruppe der PDS wird in den nächsten Monaten diesem Haus konkrete Vorschläge zur grundlegenden Reform der kommunalen Finanzen und der Wirtschaftsförderung unterbreiten.
Eine Pleitewelle rollt durchs Land. Im Mai waren bundesweit 20 Prozent mehr Betriebe als im Vorjahr betroffen. Die Hermes Kreditversicherungs-AG rechnet auch für die nächsten Monate mit einem weiteren Anstieg - im Osten bis zu 40 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als erstaunlich, daß die Zinszuschüsse und vor allem die Erstattung von Darlehensausfällen beim Eigenkapitalhilfeprogramm um fast 123 Millionen DM gesenkt werden.
Wird hier vielleicht - wie schon in anderen Einzeletats nachgewiesen - der Grundsatz der Haushaltswahrheit von vornherein gebrochen?
Ich möchte an dieser Stelle auf ein weiteres Detail verweisen, wie im Wirtschaftsetat die Zukunftsfähigkeit dieses Landes verspielt wird. Mit Zukunftsfähigkeit meine ich nicht die platte Wachstumsideologie der Regierung - mehr Absatz, koste es, was es wolle -, sondern eine tatsächliche Verbesserung der Lebensqualität hier und anderswo.
Während die Absatzhilfen für Flugzeuge, nachgewiesenermaßen die am wenigsten umweltverträglichen Verkehrsträger, von 120 auf 160 Millionen DM erhöht werden, wird die Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien auf ganze 20 Millionen DM zusammengestrichen. Erst seit reichlich einem Jahr wird beispielsweise die Installation von Sonnenkollektoren gefördert. Vor einem halben Jahr - Herr Schwanhold wies bereits darauf hin - schloß die letzte Photovoltaikfertigungsstätte in diesem Land. Am Montag wurde bekannt, daß in Wedel bei Hamburg wieder ein kleiner Neuanfang gewagt wird. Aber statt den Übergang zur Großproduktion durch entsprechende Beihilfen zu unterstützen, kürzt man die dafür bereitstehenden Gelder um ein Drittel.
Natürlich kosten Veränderungen dieser Politik Geld. Wir stellen dabei aber keine ungedeckten Schecks aus, wie Herr Finanzminister Waigel behauptete. Einmal abgesehen von den Sparmöglichkeiten bei der Selbstdarstellung des Bundeswirtschaftsministeriums möchte ich nur auf unseren Vorschlag aus dem vergangenen Jahr verweisen, die Rohölreserve des Bundes im Salzstock Etzel aufzulösen. Die Wartung der offenbar mittlerweile altersschwachen Anlagen soll noch einmal eine halbe Million DM mehr als im laufenden Jahr verschlingen. Beim schrittweisen Verkauf des Öls ließe sich hingegen mindestens i Milliarde DM erlösen. Die Reserven der Bundesrepublik Deutschland lägen auch dann noch mit 104 Bedarfstagen über jenen unserer Nachbarn wie Frankreich mit 99 Tagen und der Niederlande mit 90 Tagen.
Vorschläge, die nicht von ihm selbst stammen, nimmt aber das Kabinett in selbstherrlicher Weise offenbar nicht mehr zur Kenntnis. Kollege Adolf Roth würdigte vorgestern, daß die Regierung Kohl bereits den 15., Herr Waigel persönlich den 8. Haushalt einbrachte. Mit dieser Art der Kontinuität habe ich meine Probleme; das liegt auch an meiner eigenen Vergangenheit. Schließlich bleibt so Erneuerung aus.
Dieser Entwurf, den Sie, meine Damen und Herren, vorgelegt haben, spricht dafür, daß man Herrn Kohl und Herrn Waigel nicht mehr allzuoft die Gelegenheit geben sollte, einen Haushaltsentwurf vorzulegen.