Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich weiß, wir sind in der Haushaltsdebatte, aber wenn man dieser Debatte folgt, gewinnt man manchmal den Eindruck, als bestünde Wirtschaftspolitik nur aus Geldausgeben oder nicht Geldausgeben. Ich bin dankbar, daß der Bundeswirtschaftsminister das nicht so gesehen hat. Auch das ist einer der Gründe, warum wir uns darüber freuen, daß er wieder hier ist. Wir brauchen ihn in seiner Funktion als Bundeswirtschaftsminister. Gut, daß Sie wieder da sind, Herr Rexrodt.
Ich bedanke mich, Herr Schwanhold, für die Freundlichkeit, die Sie besessen haben. Ich widerspreche den Unfreundlichkeiten, die Sie anschließend hinzugefügt haben.
Ich bedanke mich vor allem im Namen der F.D.P.-Fraktion beim Koalitionspartner, bei der Opposition und bei den Medien für ihre durchgehend faire Haltung während der Krankheit des Bundeswirtschaftsministers. Ich fand, das war ein gutes Beispiel dafür, wie wir uns auch benehmen können.
Es treibt mich und wohl auch andere Monat für Monat um: eine Rekordmeldung über die positive Entwicklung des Arbeitsmarkts in den USA nach der anderen, aber jeden Monat eine schlechtere Meldung über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Die Zahl von 4 bis 5 Millionen, die gestern auch der Bundeskanzler aufgegriffen hat, habe ich schon vor Monaten an diesem Pult erwähnt. Es ist überhaupt nichts Neues, daß wir leider immer noch auf dem Weg zu 5 Millionen Arbeitslosen sind.
Der Bundeskanzler, der SPD-Vorsitzende und sogar der Sprecher der Grünen haben in unserer Debatte im Januar gemeint, wir sollten uns die USA in diesem Bereich etwas näher ansehen. Inzwischen können wir feststellen, daß auch in einem kleinen Land, in Neuseeland - lesen Sie den „Spiegel"-Bericht der letzten Woche -, Liberalisierung, Deregulierung und Steuersenkungen zur Halbierung der Arbeitslosenquote geführt haben, und das unter einer Labour-Regierung.
Verehrte Kollegen von der SPD, in Holland und Schweden gehen sozialdemokratische Regierungschefs entschlossen den Weg zu mehr Marktwirtschaft. Hat Deutschland es wirklich verdient, eine wirtschaftspolitisch weder lernfähige noch lernwillige Opposition zu haben?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund streitet darum, ob er die Marktwirtschaft nicht völlig aus seinem Grundsatzprogramm streichen soll. Seine Demonstrationen, mit denen übrigens kein einziger Arbeitsplatz geschaffen wird, erschöpfen sich im Nein zu allen Vorschlägen der Koalition. Das ist ein Nein zu den Arbeitslosen, das ist ein Nein zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Das Tarifkartell von Arbeitgebern und Gewerkschaften hat zu dieser Arbeitslosigkeit beigetragen. Da brauchen wir gar keine Meinungsverschiedenheiten zwischen Herrn Gerhardt und dem Bundeskanzler. Dieses Tarifkartell hat sich überlebt. Es geht dem Ende entgegen, da kann einer reden und wünschen, was er möchte.
Einige von Ihnen aus der Opposition versuchen, die Probleme einfach wegzureden. Standortwettbewerb könne nicht die Lösung sein, meinte Oskar Lafontaine in einem Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" . Gestern hat er dasselbe hier wiederholt. Ich frage mich: Wo lebt dieser Mann eigentlich?
- Im Saarland, das stimmt. Da fällt mir immer Goethe zu Lafontaine ein:
Dr. Otto Graf Lambsdorff
Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der eine, kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur, was er vermag.
- Aber Goethe im Zettelkasten ist doch in Ordnung, Frau Fuchs. Was wollen Sie denn noch?
Glaubt er, Deutschland könne auf einen Knopf drücken und sich aus dem internationalen Wettbewerb abmelden? Er beklagt die Globalisierung, und er tut dabei so, als sei das eine Entscheidung der Bundesregierung. Die SPD und die Gewerkschaften versuchen, vor den Problemen davonzulaufen. Das endet wie im Märchen von Hase und Igel.
Und die Grünen? Da gab es in der Sommerpause Stimmen, die den Eindruck erweckten, der Abschied von grünen Voodoo-Economics komme näher. Herr Metzger forderte tiefere Haushaltseinschnitte, mehr Konsolidierung, Frau Scheel überraschte mit Steuerreformvorschlägen. Alles wieder vorbei! Links und radikal sind wir, so Joschka Fischer. Von seinem Freunde Trittin ganz zu schweigen. Eine Steuersenkung dürfe Spitzeneinkommen nicht entlasten, so Herr Fischer. Übrigens hat er gestern eine schlimme Rede gehalten.
- Nein, schlimm für Herrn Scharping.
Ein solches Steuermodell, wie Herr Fischer es vorschlagen wollte, gibt es denklogisch nicht. Hat er noch nie gehört, daß der Gesellschafter einer Personengesellschaft, der bekanntlich Einkommensteuer zahlt, genauso entlastet werden muß wie die Aktiengesellschaft oder die GmbH, wenn das Investieren und die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtert werden sollen?
Bundesregierung und Koalition setzen auf eine Politik für Wachstum und Beschäftigung. Sie ist schmerzhaft, das wissen wir. Aber nur ein Schelm gibt auf Dauer mehr aus, als er hat. Die größte Ansammlung von Schelmen im Lande sind übrigens die „alternaiven'' Wirtschaftswissenschaftler:
Steuern erhöhen und 150 Milliarden DM kreditfinanziertes Beschäftigungsprogramm!
Herr Schwanhold, Sie haben gesagt, das Wirtschaftsministerium sei ein Steinbruch für Kürzungen. Das ist der ganze Bundeshaushalt. Wenn Sie konsolidieren wollen und müssen, bleibt überhaupt nichts anderes übrig. Wenn Sie Vorschläge für zusätzliche Ausgaben machen, dann machen Sie wenigstens Deckungsvorschläge. Ich habe keinen gehört.
Meine Damen und Herren, die Diskussion bei uns ist unsäglich, nicht nur hier im Hause: Umverteilung nach oben, Umverteilung nach unten. Wer so denkt, kommt mir vor wie ein Mensch, der sein Hemd von oben falsch zuknöpft. Wenn er am letzten Knopf ankommt und das Versehen feststellt, dann bleibt nämlich nur, von ganz oben wieder neu anzufangen. So denken Sie bitte einmal neu nach. Ihre Analysen stimmen nicht, und wenn die Analysen nicht stimmen, taugen Ihre Therapievorschläge auch nichts. Herr Schwanhold, Sie sagen, Konsolidierung und Wachstum gingen nicht zusammen. Ging das nicht nach 1983 ganz vorbildlich zusammen?
Herrn Scharping und Herrn Schwanhold sage ich das nur am Rande, damit sie sich bitte besser informieren - sagen Sie das auch Ihrem Fraktionsvorsitzenden! -: Das Thema Sozial- und Arbeitsstandards in der WTO in der Singapur-Konferenz ist längst erledigt. Die ILO und die WTO haben sich längst darauf verständigt, daß das keinen Sinn macht und nicht stattfinden wird. Ihr Erkenntnisstand ist hinter der außenwirtschaftlichen Diskussion weit zurück.
Die Bundesrepublik Deutschland ist zu hoch besteuert, sie ist überreguliert, sie ist immobil, und sie ist inflexibel. Dem wollen und dem müssen wir mit einer mutigen Politik entgegenwirken.
Wir waren daran gewöhnt, jährlich Zuwächse zu verteilen. Das ist vorbei. Wir waren an die Devise gewöhnt: weniger arbeiten und mehr verdienen. Jetzt heißt es: mehr arbeiten und weniger verdienen. Das fällt uns schwer, versteht sich. Aber versinken wir denn in Armut und Elend - ich greife einmal ein Jahr heraus; darüber können Sie diskutieren -, wenn wir auf den Einkommens- und Lebensstandard von 1986 zurückgehen? Ist das wirklich zuviel verlangt, wenn wir damit die Arbeitslosigkeit abbauen können?
- Wir sind ja gerade dabei, es zu versuchen. Wir sind auf dem Wege dahin. Sie hindern und blockieren uns bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, und kommen mit keinem einzigen eigenen Vorschlag, wie es gemacht werden soll.
Meine Damen und Herren, es hieß, die F.D.P. vertrete Kapitalismus pur. Herr Kollege Eppelmann, wenn Sie Kapitalismus pur sehen wollen, dann gehen Sie zu Ihren konservativen Gesinnungsfreunden in der Tschechischen Republik. Da können Sie ihn finden, bei uns nicht.
Das Soziale in der Marktwirtschaft werde abgebaut. In einem Land, das fast ein Drittel seines Bruttosozialprodukts für soziale Zwecke ausgibt, ist es lächerlich, so etwas zu behaupten.
Überall regiere der Markt, so tönen einige. Überall regiert der Markt? Im Arbeitsmarkt? In der Landwirtschaft? In der Energiewirtschaft? Im Steinkohlenbergbau? Machen wir doch die Augen auf. Wir haben tief in marktwirtschaftliche Abläufe und Wirkungsweisen eingegriffen. Weit mehr als 50 Prozent unserer Volkswirtschaft sind inzwischen dem Markt
Dr. Otto Graf Lambsdorff
entzogen. Dann kommen die Löschtrupps, die vorher den Brand gelegt haben, und fordern weitere Staatseingriffe.
Die F.D.P. steht zur Sozialen Marktwirtschaft. Aber sie weiß, daß man nur verteilen kann, was vorher erwirtschaftet wurde.
Für Sozialdemokraten und Grüne war zwei plus zwei schon immer fünf. Herr Metzger, Sie wissen das.
Wir bleiben bei der Realität, und die heißt: Deutschland muß sich anstrengen. Deutschland muß sich auch einschränken. Deutschland muß wettbewerbsfähiger werden. Aber sie heißt eben auch: Deutschland kann es schaffen. Deutschland hat alle Voraussetzungen dafür. Deutschland hat nicht nur Standortschwächen, es hat auch bedeutende Standortvorteile. Wir sollten uns auf unsere Stärken besinnen und unsere Schwächen bekämpfen. Wenn wir das unter Führung dieser Regierung und dieser Koalition tun, dann geht es auch wieder nach oben.
Vielen Dank.