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    Plenarprotokoll 13/121 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 10807 A Absetzung von Tagesordnungspunkten 10807 B, 10894 A Nachträgliche Ausschußüberweisungen . 10807 C Begrüßung einer Delegation des Sozialausschusses des niederländischen Parlaments 10864 B Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 10807 D b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 10808A Rudolf Scharping SPD 10808A, 10865 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 10815 A Otto Schily SPD 10821 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10824 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 10831 A Dr. Christa Luft PDS 10834 A Dr. Gregor Gysi PDS 10837A, 10858 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 10840A Rudolf Scharping SPD 10843 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 10850 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 10852 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 10858C, 10864 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 10860 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . 10863B, C Ingrid Matthäus-Maier SPD 10864 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10865 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 10867 C, 10872 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10871 D Günter Verheugen SPD 10872 D Ulrich Irmer F.D.P 10878 C Rudolf Seiters CDU/CSU 10879 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 10881 B Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 10883 A Ulrich Irmer F.D.P 10884 D Wolfgang Thierse SPD 10886 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 10887 C Willibald Jacob PDS 10889 D Dr. Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 10890 D, 10893 C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10892 B Dr. R. Werner Schuster SPD 10892 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 10896 C Fritz Rudolf Körper SPD 10899 B Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 10902 D Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10905 A Ina Albowitz F.D.P. 10907 C Ulla Jelpke PDS 10910 B Uta Titze-Stecher SPD 10911 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 10913 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 10915 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 10916A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 10918 A Norbert Geis CDU/CSU 10921 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10923 C, 10925 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig 10925 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 10925 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 10927 A Manfred Kolbe CDU/CSU 10928 C Tagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. September 1976 über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Personenstandsbüchern (Drucksache 13/4995) 10894 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Naturkautschuk-Übereinkommen von 1995 (Drucksache 13/5019) 10894 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. November 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze (Drucksache 13/5020) . 10894 B d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. Juli 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Zusammenschluß der deutschen Autobahn A 6 und der tschechischen Autobahn D 5 an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke (Drucksache 13/5049) 10894 B e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 (Drucksache 13/5359) 10894 B f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (AHG-Änderungs-Gesetz) (Drucksache 13/5417) . 10894 C g) Antrag der Abgeordneten Antje Hermenau, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mögliche zweckwidrige Verwendung von Steuergeldern durch die Förderung eines Berufsbildungsprojektes in Montevideo (Uruguay) (Drucksache 13/5008) 10894 C h) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Milchquotenregelung in den neuen Ländern (Drucksache 13/4905) . . . 10894 D i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin-Mitte (Drucksache 13/5039) . . 10894 D j) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: Umwelttechnik und wirtschaftliche Entwicklung (Drucksache 13/5050) 10895 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Waffengesetzes (Drucksache 13/5493) 10895 A b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer (Drucksache 13/5504) . . . . 10895 B Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 14. Juni 1994 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (Drucksachen 13/4174, 13/5031) 10895 C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 9. Februar 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kirgisistan andererseits (Drucksachen 13/4173, 13/5032) 10895 D c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 6. März 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Weißrußland andererseits (Drucksachen 13/4172, 13/5033) 10895 D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses 10896 A - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung von öffentlichen Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung öffentlicher Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen (Drucksachen 12/8246, 13/725 Nr. 63, 13/3412, 13/3930 Nr. 1, 13/5294) . . . 10896A Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungbedürftige Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs (Drucksachen 13/5416, 13/5520) 10896 B Nächste Sitzung 10929 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10930*A 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 11. 9. 96 Bachmaier, Hermann SPD 11. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 11. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 11. 9. 96 * Borchert, Jochen CDU/CSU 11. 9. 96 Duve, Freimut SPD 11. 9. 96 Gansel, Norbert SPD 11. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 11. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 11. 9. 96 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 11. 9. 96 Karl-Hans Dr. Lucyga, Christine SPD 11. 9. 96 * Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 11. 9. 96 Hermann Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 9. 96 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 11. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Thieser, Dietmar SPD 11. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 11. 9. 96 Karsten D. Vosen, Josef SPD 11. 9. 96 Wieczorek-Zeul, SPD 11.9.96 Heidemarie Dr. Zöpel, Christoph SPD 11. 9. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Norbert Geis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann habe ich nicht den Eindruck, daß Sie die Lust an der Rechtspolitik verloren haben. Auch wir haben sie nicht verloren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ihre Bemerkung zur Staatsangehörigkeit will ich doch kurz aufgreifen. Für uns steht die Staatsangehörigkeit am Ende der Integration. Sie ist nicht direkt ein Mittel zur Integration, sondern sie steht, wie gesagt, am Ende eines solchen Vorganges. Deswegen haben wir Skepsis gegenüber einer doppelten Staatsangehörigkeit im Kindes- und Jugendalter, weil wir meinen, daß dies letztendlich doch zu einer endgültigen doppelten Staatsangehörigkeit führt. Wir überlegen uns derzeit Möglichkeiten und Wege, wie wir es so gestalten können, daß wir zwar den Kindern die Integration besser ermöglichen, als dies derzeit der Fall ist, daß aber am Ende nicht die Notwendigkeit steht, es zu einer doppelten Staatsangehörigkeit kommen zu lassen. Ihr Modell scheint uns ein wenig in diese Richtung zu gehen. Deswegen lehnen wir es ab.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist zweifellos richtig, daß wir uns Gedanken machen müssen - das ist bei beiden Vorrednern schon angeklungen -, wie wir die Justiz, um ein Schlagwort aufzunehmen, verschlanken. Es liegen bereits zwei Gesetzentwürfe des Bundesrates in dieser Richtung vor. Die VwGO haben wir schon verabschiedet.
    Diese Gesetzentwürfe des Bundesrates werden von den Überlegungen motiviert, daß man auch in der Justiz sparen müsse. Zweifellos muß man dies, und zweifellos gibt es auch Ansatzpunkte, in der Justiz zu sparen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß man von einer Kostenexplosion in der Justiz

    Norbert Geis
    nicht reden kann. Man muß auch ein wenig darauf achten, daß die Justiz eine wichtige Staatsaufgabe ist. Manchmal scheint mir das bei dieser Diskussion um die Verschlankung auch der Justiz verlorenzugehen.
    Die Justiz hat im Jahre 1991 in Bund und Ländern zusammen 11 Milliarden DM verbraucht. Das war genausoviel wie die wirtschaftspolitisch umstrittenen Subventionen für die Kohle. Im Jahre 1995 waren es 16 Milliarden DM. Zweifellos ein krasser Anstieg, aber er ist bedingt durch den Aufbau der Justiz in den neuen Bundesländern, die inzwischen natürlich auch Geld fordert.
    Also, von der Justiz zu sagen, sie stehe unbedingt unter Sparzwängen - wie das beispielsweise im gesundheitspolitischen Bereich der Fall ist, in dem man wirklich von einer Kostenexplosion reden und sich Gedanken darüber machen muß, wie man das in den Griff bekommt -, so weit, glaube ich, brauchen wir nicht zu gehen. Die 16 Milliarden DM sind nicht einmal 1 Prozent der Gesamtausgaben von Bund und Ländern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei dieser Debatte sollten wir, meine ich, auch auf diesen Gesichtspunkt hinweisen.
    Natürlich heißt das nicht, daß wir nicht reformieren sollten. Selbstverständlich müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Verfahrensgänge beschleunigen können, wie wir den Einzelrichter stärken können und wie wir vielleicht auch in bezug auf die Rechtsmittel Einschränkungen vornehmen können. Das ist zweifellos ein Thema. Das will ich gar nicht vom Tisch wischen.
    Es wird immer behauptet, die Justiz sei ein öffentlicher Dienstleistungsbetrieb für private Konflikte. Zweifellos ist es richtig, daß beide Parteien, die zur Justiz gehen und einen Zivilprozeß führen, diesen staatlichen Dienstleistungsbetrieb, wenn ich das einmal so salopp sagen darf, in Anspruch nehmen. Aber jedes Urteil wirkt ja nicht nur für und gegen eine Partei, sondern hat zugleich immer auch eine rechtspolitische Gesamtbedeutung, eine Bedeutung für die Gesellschaft überhaupt. Vor allen Dingen wenn es von einem Obergericht kommt und dort erstritten ist, schafft es Klarheit in einer umstrittenen Rechtsfrage. Das ist jedenfalls sehr oft der Fall. Das darf man nicht außer acht lassen, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie man Justiz verschlanken kann.
    Das führt dann dazu, daß man das Argument, es würden bei uns zu viele Prozesse geführt, relativ sehen muß. Es ist richtig, daß die Richter bei uns nicht über Arbeitsmangel zu klagen haben. Es werden bei uns viele Prozesse geführt, und es gibt bei uns auch viele Richter, mehr als in anderen europäischen Ländern. Das war zwar immer so, muß aber nicht immer so bleiben.
    Aber wenn es richtig ist, daß jedes Urteil im zivilprozessualen Bereich nicht nur zwischen den Parteien wirkt, sondern darüber hinaus für die gesamte Rechtsordnung Bedeutung hat, dann ist jedenfalls das Argument, bei uns würden zu viele Prozesse geführt, auch unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen. Ich will dieses Argument damit gar nicht wegwischen, aber ich möchte dieses Argument, das uns immer entgegengehalten wird, einmal unter diesem Blickwinkel beleuchten. Deswegen brauchen wir uns auch nicht so arg viele Sorgen darüber zu machen, wenn in einem bestimmten Rechtsgebiet plötzlich eine große Zahl von Prozessen geführt wird. Das ist meistens ein Zeichen von Unsicherheit im rechtlichen Bereich. Diese Unsicherheit kommt sehr oft durch Neuerungen und durch neue Erkenntnisse. Die Justiz versucht, in diesen Prozessen die Unsicherheit wieder einzufangen, sie in richtige Bahnen zu lenken und auf sie zu reagieren. Sie kann es oft viel besser als der Gesetzgeber, weil sie sensibler und auf den Einzelfall bezogen reagieren kann.
    Dennoch gibt es bei uns Prozesse, bei denen man sich fragen muß, warum sie geführt werden. Das sind viele. Es gibt Rechtsgebiete, die seit Jahren ausgepaukt sind. Denken wir einmal an den verkehrsrechtlichen Bereich. Dennoch haben wir im Jahre 1995 über 130 000 Prozesse im verkehrsrechtlichen Bereich gehabt. Man fragt sich natürlich, woher das kommt. Das kommt daher - das dürfen wir bei einer solchen Gelegenheit nicht verschweigen -, daß die Parteien die Kosten nicht zu scheuen brauchen, weil sie rechtsschutzversichert sind. Es kommt auch daher - auch das muß man bei einem solchen Bereich erwähnen -, daß die Anwälte hier und dort nicht immer richtig beraten.
    Vielleicht ist für diesen Bereich der Schlichtungsgedanke, die Schiedsgerichtsbarkeit, die Möglichkeit, einen Konflikt außerhalb der Gerichte zu regeln, der richtige Weg. Wir wollen diesen Gedanken jedenfalls unterstützen. Man braucht ihn nicht auf einen ausgepaukten Rechtsbereich zu begrenzen, sondern kann ihn auch auf Prozesse mit einem Streitwert von unter 500 DM ausdehnen. Das muß man gut abwägen. Aber den Schlichtungsgedanken, also die Möglichkeit der Konfliktbereinigung außerhalb des Gerichtes, wollen wir nachhaltig unterstützen. Dabei sind wir, Herr Minister, an Ihrer Seite.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Während wir in dieser Legislaturperiode im Bereich der Justizentlastung noch ganz am Anfang stehen, sind wir im Bereich des Kindschaftsrechts schon erheblich weitergekommen. Ich möchte Ihnen, Frau Kollegin, bei dieser Frage ein wenig widersprechen, weil ich meine, daß durch Ihre Ausführungen vielleicht ein falscher Akzent entstanden ist. Wir treten dafür ein, daß beide Elternteile, wenn eine Ehe geschieden wird, grundsätzlich auch nach der Scheidung Verantwortung für ihre Kinder übernehmen müssen. Ich bin sicher, darin sind wir einer Meinung.
    Deswegen, sagen wir, ist das gemeinsame Sorgerecht der richtige Weg. Aber ich stimme mit Ihnen überein: Wir wollen das nicht gesetzlich vorschreiben bzw. verordnen. Wir wollen es auch nicht auf einen Antrag im Prozeß ankommen lassen. Wir wollen aber der Notwendigkeit Rechnung tragen, das Thema im Prozeß zu erörtern. Es kann nicht einfach

    Norbert Geis
    stillschweigend darüber hinweggegangen werden. Sofern es um das Nichtbeachten geht, ist die massive Kritik, die an diesem Gedanken geübt worden ist, richtig. Wir wollen, daß das im Prozeß erörtert wird, weil wir meinen, daß das eine viel zu wichtige Frage ist, als daß sie der Richter einfach schweigend übergehen kann. Darin stimmen wir mit Ihnen überein.
    Ich möchte noch auf einen anderen wichtigen Bereich eingehen, obgleich ich gerne noch weitere Probleme des Kindschaftsrechts erörtert hätte. Dieser andere Bereich der Justizpflege ist die Bekämpfung der Kriminalität. Das ist eines der wichtigsten Gebiete unseres politischen Bemühens. Wir werden in Kürze die Möglichkeit haben, Gangsterwohnungen elektronisch überwachen zu können. Wir haben dann endlich das Mittel, das andere europäische Länder längst haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und dem BONDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Der organisierten Kriminalität geht es aber vor allen Dingen um den Gewinn, um das Geld. Deswegen werden wir das Geldwäschegesetz in seinen Tatbeständen erweitern. Ich habe sehr viel Verständnis dafür, wenn Sie sagen, daß wir den Zugriff auf das Verbrechergeld in einer Weise ermöglichen müssen, die die Polizei nicht dazu zwingt, stehenzubleiben, wenn sie auf jemanden mit einem Koffer Geld trifft. Aber wir haben doch - ich bitte um Verständnis dafür - rechtsstaatliche Bedenken, ob wir die Beweislastumkehr mitmachen sollen.

    (Beifall bei der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir denken daran, den Zugriff - die vorläufige Beschlagnahme, also die Möglichkeiten nach § 111 b der Strafprozeßordnung - zu erleichtern und die Bedingungen dafür nicht so scharf einzugrenzen, wie das im Augenblick der Fall ist. Dazu gibt es Vorschläge vom Justizminister. Ich hoffe, daß wir dem Anliegen gerecht werden, ohne daß wir dabei von rechtsstaatlichen Grundsätzen abweichen müssen.

    (Beifall des Abg. Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.])

    Wir werden in Kürze die Vorlage der Bundesregierung zur Bekämpfung der Korruption im Bundestag erörtern können. Ich meine, daß die Unkenrufe, hier komme die Koalition nicht zu Stuhle, falsch sind.
    Die Konferenz von Stockholm gegen Kindesschändung und die gleichzeitig bekanntgewordenen furchtbaren Verbrechen in Belgien haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt, und das ist gut so. Wir stimmen mit dem Justizminister überein, daß man überlegen muß, ob man nicht den Strafrahmen für die schweren Straftaten in diesem Bereich von zehn Jahren auf 15 Jahre und die Eingangsstrafen, also die unterste Strafmöglichkeit in leichteren Fällen, von sechs Monaten auf zwölf Monate erhöhen sollte. Insofern meinen wir, daß der Justizminister recht hat.
    Aber es muß uns vor allen Dingen um die Bekämpfung der Kinderpornographie gehen. Hier sind auch von seiten des Jugendministeriums, von Frau Nolte Vorschläge gemacht worden. Deswegen ist es nicht
    richtig, zu sagen, wir hätten nur im strafrechtlichen Bereich argumentiert. Vielmehr haben wir die gesamten Notwendigkeiten im Auge.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Schlußwort: In den Augusttagen ist bestätigt worden, daß das Urteil gegen Bonhoeffer schon 1946 durch ein bayerisches Gesetz aufgehoben worden ist. Gleichzeitig ist der Gedanke laut geworden, man sollte eine gesetzliche Regelung für ganz Deutschland finden. Dies ist sicherlich eine richtige Forderung. Aber wir müssen sehen, daß viele Länder in dieser Frage schon lange Regelungen getroffen haben. Der Bundestag hat zwar 1990 eine Regelung für die einstige englische Besatzungszone getroffen; wir haben aber keine Regelung für die neuen Bundesländer. Deswegen brauchen wir eine Regelung. Der Justizminister ist dabei. Ich hoffe, daß wir auch in dieser Frage in Kürze einen entsprechenden Vorschlag auf dem Tisch haben.
    Wir unterstützen den Haushalt. Wir unterstützen den Minister in seinen Bemühungen. Wir hoffen auf eine gute Zusammenarbeit, wie es sie immer im Rechtsausschuß gegeben hat, auch in Zukunft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Kollege Volker Beck, Sie haben das Wort.

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    Rede von Volker Beck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade zum letzten Punkt würde auch ich begrüßen, wenn wir bald eine politische Lösung fänden. Ebenso dringlich ist es, daß wir bei der Frage der Rehabilitierung der Deserteure noch in diesem Jahr endlich eine würdige Lösung für die Opfer der Wehrmachtsjustiz finden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Herr Schmidt-Jortzig, wir behandeln den Haushalt der Justiz am Ende der Tagesordnung. Ich glaube, das ist auch ein Ausdruck dafür, welche Wertschätzung Rechtsstaat und Bürgerrechte in dieser Koalition zur Zeit genießen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: So ein dummes Geschwätz! Das waren doch Ihre Geschäftsführer genauso!)

    Herr Minister, ich vermisse bei Ihrer Rechtspolitik Kreativität, Innovationskraft und Modernität. Mangelnde Kreativität kann man wiederum den Kollegen der CDU/CSU-Fraktion nicht vorwerfen. Da fordert Herr Geis nächtliches Ausgehverbot für Jugendliche. Herr Marschewski fordert, ausländische Sozialhilfeempfänger alle einmal als Verdächtige erkennungsdienstlich zu behandeln. Zu diesen Ungeheuerlichkeiten aus der Regierungskoalition schweigen Sie vornehm.
    Gleichzeitig gießen Sie den politischen Wunschzettel des Abschiebeministers Kanther in Gesetze. Sie sekundieren bei der Verschärfung des Landfriedensbruchsparagraphen, beim Soldatenehrenschutz,

    Volker Beck (Köln)

    beim großen Lauschangriff. Herr Schmidt-Jortzig, Sie haben das Justizministerium zur Rechtsabteilung von Herrn Kanther degradiert, anstatt im Kabinett als Anwalt von Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten aufzutreten.

    (Dr. Max Stadler [F.D.P.]: Oje!)

    Sie sehen als Justizminister Jortzig untätig zu, wie Bayern beim § 218 Bundesrecht bricht, während Sie als Abgeordneter Schmidt heftig für eine Verfassungsklage werben. Das kann man nur politische Schizophrenie nennen.
    Meine Damen und Herren, die Spardiskussion hat die Rechtspolitik erreicht. Herr Geis hat hierzu schon gesprochen. Gestern beim Treffen von Rechtsausschuß und Landesjustizministern sagte der saarländische Minister Dr. Walter: „Wir müssen den Gürtel des Rechtsstaates enger schnallen." Rechtspflegeentlastungsgesetz - das ist die Überschrift über dem Rechtsstaatssparpaket.
    Was in der Diskussion über den Sozialstaat gilt, ist auch hier richtig. Nur mit Reformen werden wir den sozialen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland erhalten können. Das entscheidende ist aber, wo wir mit Reformen ansetzen.
    Bündnis 90/Die Grünen haben immer wieder darauf aufmerksam gemacht, der Rechtsstaat verträgt keine weiteren Einschnitte in das Verfahrensrecht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Statt dessen müssen wir das Strafrecht als Ultima ratio, als letztes Mittel der Politik, auf die wirklich unverzichtbaren Bereiche konzentrieren.
    Im Bereich der Kleinkriminalität wollen wir mit dem Grundsatz „Wiedergutmachung vor Strafe" Entlastung durch Rückgriff auf zivilere und bürokratieärmere Konfliktlösungsmuster schaffen.
    Mit einer Wende in der Drogenpolitik durch ärztlich kontrollierte Abgabe harter Drogen wollen wir die Gesellschaft von Kriminalität entlasten. Hier liegt der Schlüssel für eine neue Kriminalpolitik und ein enormes Entlastungspotential in der Strafrechtspflege: Jeder zweite Kfz-Diebstahl, jeder dritte Einbruch und jeder fünfte Raub ist Beschaffungskriminalität.
    Auch beim Thema Korruption muß Prävention vor mehr Strafrecht gehen. Strafbarkeitslücken muß man schließen, aber Kronzeugenregelung, Telefonüberwachung, wie sie etwa vom bayerischen Justizminister gefordert werden, lehnen wir ab. Beim „Anfüttern", meine ich, sollte man ebenfalls vor der Diskussion über neue Straftatbestände erst einmal Präventionsmöglichkeiten wie Offenlegungspflichten und klare Verhaltensregeln für Beamte ausreizen.
    Nun zum Zivilrecht. Der Bundesrat wird uns jetzt ein Gesetz zur Entlastung in der Zivilrechtspflege vorlegen. Wir gehen sehr offen in diese Diskussion. Über eine maßvolle Ausweitung des Einzelrichterprinzips, wie von den Ländern vorgeschlagen, sind wir bereit zu reden. Wir sind aber entschieden gegen jede weitere Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit. Die Erfahrungen mit dem sogenannten
    vereinfachten Verfahren müssen hier sicher zu denken geben. Wir müssen jedes Urteil mit groben Rechtsfehlern, wie der Verwehrung rechtlichen Gehörs, rechtsmittelfähig machen. Hier steht die Rechtsgewährung für den kleinen Mann auf dem Spiel.
    Meine Damen und Herren, in den vergangenen Wochen wurden wir mit grauenhaften Berichten über sexuellen Mißbrauch von Kindern, über Kinderpornographie, Kinderprostitution und Kindersextourismus konfrontiert. Unser Strafrecht ist zwar für diese Verbrechen gerüstet, woran es aber eindeutig krankt, ist die mangelnde Aufklärung der Taten.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Das gesellschaftliche Tabu schützt immer noch die Täter. Der Kinderschutzbund fordert zu Recht „eine Ausweitung polizeilicher Ermittlungstätigkeit".
    Und wir müssen endlich beim Opferschutz im Strafverfahren weiterkommen. Stichwort Videovernehmung, Vermeidung von Mehrfachvernehmungen. Ich fordere die Bundesregierung auf, hierzu endlich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Stellung der Kinder im Ermittlungs- und Strafverfahren stärkt.
    Herr Justizminister, die beiden umfangreichen Reformwerke in Ihrer Amtszeit, die Kindschaftsrechtsreform und das Eheschließungsrechtsgesetz, sind meines Erachtens keine besonderen Würfe an Kreativität, an Innovationskraft.
    Zur Kindschaftsrechtsreform - ein Erbe übrigens von Ihrer Vorgängerin - wurden Sie von Karlsruhe getrieben. Bündnis 90/Die Grünen begrüßt die Möglichkeit gemeinsamer Sorge bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft und nach der Scheidung. Sie sind aber leider - und da gehen Ihre Ausführungen zu dem Gesetzentwurf in eine erfreulichere Richtung, Herr Geis - dem Lobbyismus der geschiedenen Männer erlegen, wenn Sie gemeinsame Sorge als Regelfall festschreiben. Das ist eine unnötige Verschlechterung der Rechtsposition der Frauen im Scheidungsverfahren.
    Beim Gesetz zum Eheschließungsrecht handelt es sich um eine reine Fleißarbeit. Da findet man wahrlich fundamentale Neuerungen wie die Streichung des Kranzgeldparagraphen und die Abschaffung des Aufgebotes. Es fehlt aber auch der leiseste Ansatz einer wirklichen Reform.
    Heribert Prantl hat dazu in der „Süddeutschen Zeitung" sehr richtig festgestellt:
    Wenn es um die Reform des Eherechtes geht, dann stehen heute ganz andere Dinge an. Wie etwa soll das Gesetz mit den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften umgehen? Wenn man ihnen die Eheschließung verweigert, soll es dann, wie in Skandinavien, rechtlich geschützte Partnerschaften geben? Und wie soll dieser Schutz aussehen?
    Hierüber schweigen Sie sich aus.
    Ich möchte weiter fragen: Wo bleibt Ihr Vorschlag zur rechtlichen Anerkennung nichtehelicher Le-

    Volker Beck (Köln)

    bensgemeinschaften, nachdem Sie nichteheliche Familien nun im Sorgerecht - zwar etwas widerwillig, aber doch - anerkennen? Wie erklären Sie, daß nichteheliche Eltern weiterhin zueinander in keinem Angehörigenverhältnis stehen? Wo sind Ihre Vorschläge, wie man Minderheiten vor Diskriminierung effektiver schützen kann?

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Hier ist überall Fehlanzeige. Dem Bundesjustizminister fehlen für die Modernisierung unseres Rechtes, für die Weiterentwicklung einer liberalen Bürgergesellschaft jede Idee und leider auch der Mut. Wir werden Sie weiter mit unseren Vorschlägen begleiten und hoffen, daß manches von dem trotzdem noch durch die Diskussion in Ihre Arbeit einfließen wird.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)