Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 1997 sieht für den Etat des Bundesinnenministers, den Einzelplan 06, ein Volumen - das wurde hier schon öfter gesagt - von rund 8,8 Milliarden DM vor. Dies bedeutet nominell eine leichte Absenkung gegenüber dem Etat des laufenden Jahres um 309 Millionen oder 3,4 Prozent.
Dieser angebliche leichte Rückgang ist schnell entzaubert, wenn man genau hinschaut. Erste Bemerkung dazu: Der Anteil des Einzelplanes 06 am Bundeshaushaltsvolumen insgesamt - und das ist eigentlich der interessanteste Bezugsrahmen - stieg von 1,6 Prozent im Jahre 1989 auf erstmalig zwei Prozent im laufenden Jahr. Diese Marke wird auch in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2000 nicht mehr unterschritten, mit Ausnahme des Haushalts für das nächste Jahr.
In Zahlen: Der stramme Innenminister - ich meine das jetzt nicht physisch, Herr Innenminister - vermochte seinen Anteil am Steuerkuchen des Bundeshaushalts von 4,7 Milliarden DM im Jahre 1989 auf satte 9,1 Milliarden DM in diesem Jahr zu steigern und wird dieses Niveau in den kommenden Jahren verfestigen. Das ist für mich kein Grund für ein Sonderlob für kräftiges oder kontinuierliches Sparen.
Zweite Bemerkung: Ganz im Gegenteil, trotz Personalabbau bei drei großen Bundesbehörden - ich nehme an, ich sitze hier vor Fachleuten; deshalb begnüge ich mich mit den Stichpunkten -, nämlich
Uta Titze-Stecher
beim BAF1, bei der Gauck-Behörde und beim aufgelösten Bundesverband für den Selbstschutz, bleibt der Etat des Innenministers nahezu unverändert hoch.
Ich muß auch darauf aufmerksam machen, daß einige Etatabsenkungen, die dem Minister unverschuldet zufallen, ohne daß er den Rotstift ansetzen muß, folgende Bereiche betreffen: Die Entschädigung für ehemalige Kriegsgefangene sinkt erwartungsgemäß im nächsten Jahr um rund 153 Millionen DM, und zwar nur deshalb, weil der Geltungsbereich des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes für politische Häftlinge und Kriegsgefangene ausläuft.
Ebenso verhält es sich mit den Hilfen für politische Flüchtlinge, die von 70 Millionen DM in diesem Jahr auf rund 45 Millionen DM im nächsten Jahr sinken. Das ist also kein Ergebnis etwaiger Sparbemühungen.
Dritte Bemerkung - hier bitte ich, genau zuzuhören -: Der Innenminister hat nach dem Prinzip Hoffnung die Mittel für die Finanzierung der 17 500 sogenannten Kontingentflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien relativ leichtfertig von rund 40 Millionen DM in diesem Jahr auf nur noch 10 Millionen DM 1997 zusammengestrichen - eine echte Luftbuchung. Oder glauben Sie im Ernst, Herr Kanther, daß der Großteil der 17 500 Bürgerkriegsflüchtlinge im nächsten Jahr Knall auf Fall in die verlassene und zerstörte Heimat zurückgekehrt sein wird?
Falls dies nicht im erwarteten Umfang geschieht, wollen Sie dann die Länder zwingen, den bisher hälftigen Anteil an den Kosten zu 100 Prozent zu übernehmen? Damit sparen Sie auf dem Rücken von Ländern und Kommunen. Wir Haushälter nennen diese Art des Durchreichens der Kosten von einer Ebene der öffentlichen Hand auf die nächste schlichte Verschiebebahnhoftaktik; wir lehnen dies als unseriös ab, weil es eine Scheinlösung ist.
Die Kollegin Albowitz hat von dieser Stelle aus schon kritisch angemerkt, daß dem Etat des Innenministers eine globale Minderausgabe verpaßt wurde. Ich will dazu nur sagen: Ich teile diese Kritik sehr. Dieses Instrument ist nämlich nicht nur ein Ärgernis für den Minister - seine Sorgen sind nicht die meinen -; es ist eine glatte Aushöhlung des originären parlamentarischen Budgetrechts. Die Arbeit der Berichterstatter und des Parlaments schlechthin wird durch die Verhängung solch eines nicht differenzierenden Instrumentes entwertet, und, wie hier schon betont wurde, Haushaltsklarheit und -wahrheit bleiben auf der Strecke.
Daß sich die eben genannten Etatabsenkungen, die der Minister sich nicht als Sparbemühungen anrechnen lassen darf, nicht stärker auswirken, liegt daran, daß er die dadurch frei gewordenen Mittel an seine Lieblingskinder verfüttert. Er investiert in die hier bereits genannten zwei Schwerpunkte dieses Einzelplanes.
Zum einen handelt es sich um den Sicherheitsbereich. Auch das wurde bereits betont: Die Aufwendungen für den BGS steigen durch eine Aufstockung des Personals um 1200 Personen um runde 122 Millionen DM auf über 3 Milliarden DM. Das heißt, der BGS ist der größte Brocken im Etat des Innenministers. So weit, so gut. Die SPD hat dabei meistens mitgemacht. Für mich gilt es in diesem Zusammenhang nur zu kritisieren - diese Kritik bitte ich Sie, Herr Kanther, ernstzunehmen -, daß durch solch eine Praxis Haushaltszwänge geschaffen werden, bevor das sogenannte und hier auch schon erwähnte „BGS-Entscheidungskonzept" im parlamentarischen Raum hinreichend beraten und darüber entschieden worden ist.
Aber ich muß gestehen: Seit ich mit diesem Einzelplan befaßt bin, ist so etwas häufig vorgekommen. Der Minister für Ordnung und innere Sicherheit hat bereits bei der Reform der zivilen Verteidigung - Stichworte: Auflösung des Bundesverbandes für den Selbstschutz, „THW 2000"-Konzept - bewiesen, wie unbefangen und unbeeindruckt vom erforderlichen parlamentarischen Prozedere er an die Umsetzung von Konzepten geht, ehe diese abschließend beraten sind.
Ein zweiter Schwerpunkt, mit dem ich keine Schwierigkeiten habe - aber da muß man hinter die Kulissen schauen und sich diesen Schwerpunkt genauer angucken -, ist, belegt durch einen Zuwachs, der Bereich Kultur. Daran haben wir natürlich nichts auszusetzen; Kultur ist für uns das zivilisatorische Kleid der Menschen.
Schaut man allerdings genauer hin auf das, was unter der Definition „Kultur" gefördert wird, und darauf, mit jeweils wieviel Steuergeldern und vor allem mit welcher Begründung das geschieht, so gerät man in gelinde Verzweiflung. Allein im Kulturbereich
- ja, Kleid und Hose; damit Sie sich beruhigen - werden 1997 an 55 Institutionen Zuwendungen in Höhe von knapp 600 Millionen DM geleistet. Um Ihnen die Größenordnung klarzumachen: 83 Prozent der Gelder sind damit institutionell gebunden. Der Spielraum des Ministers für Projektförderungen schrumpft auf 16,6 Prozent. Dieser Spielraum ist extrem eng.
Wir bieten Ihnen, Herr Minister, Hilfe an, dieses Ungleichgewicht dadurch zu beseitigen, daß man die Zuwenderstruktur, die über Jahrzehnte entstanden ist, die betoniert und nur durch einen Kraftakt auf zu-lösen und neu zu formieren ist, durch eine Verschiebung der Gewichte verändert, nämlich weg von der institutionellen Förderung, hin zur Projektförderung. Das bietet auch die Chance, genauer Einfluß zu nehmen und das Augenmerk genauer auf das zu lenken, was man da eigentlich fördert.
Uta Titze-Stecher
In diesem Zusammenhang stellt die SPD die Frage, die meiner Meinung nach mehr als berechtigt ist, warum 50 Jahre nach Kriegsende die institutionelle Förderung von 18 Einrichtungen, die mit der Kulturförderung für Vertriebene und fremde Volksgruppen zu tun hat, noch zeitgemäß ist - abgesehen davon, daß eine behutsame Umstellung von der institutionellen auf die Projektförderung - wie ich eben ausgeführt habe - auch der Sache dienlicher wäre.
Damit keine falschen Töne hineinkommen: Wir sind durchaus der Meinung, daß landsmannschaftliches Brauchtum und landsmannschaftliche Kultur gepflegt werden müssen. Wir sind allerdings der Meinung, daß durch die Verschiebung von der institutionellen zu der Projektförderung auch kulturelle Aktivitäten, die der Integration der unter uns lebenden Ausländer dienen, eine Chance der Förderung haben sollten.
Ausgerechnet in der aktuellen Haushaltsdebatte - ich bin sicher, Sie alle haben hier in den ersten sechs Stunden sehr aufmerksam zugehört, entweder live oder über den Hauskanal -, ausgerechnet in dieser Lage, die ich nicht breit auswalzen will, fällt der Regierung nichts Besseres ein, als im Kulturbereich - ich habe speziell diesen Punkt gewählt, weil es in meiner zehnminütigen Redezeit eine Schwerpunktsetzung geben muß - eine Bundesstiftung Otto von Bismarck aufzulegen.
Trotz leerer Staatskassen und trotz des Mottos „Alle müssen den Gürtel enger schnallen" sind bereits 7,5 Millionen DM Steuergelder für den Ausbau des Bahnhofs Friedrichsruh bereitgestellt; so lautet die Antwort des zuständigen Staatssekretärs auf die schriftliche Anfrage aus den Kreisen der SPD-Bundestagsfraktion.
Beinahe hätte es die konservative Seite geschafft, kurz vor der Sommerpause die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs ganz unbemerkt und zu nachtschlafender Zeit, Herr Kollege Marschewski, über die Bühne zu bringen - wäre da nicht durch die Kleine Anfrage der SPD Sand ins Getriebe gekommen.
Die Bundesstiftung scheint Ihrem Geschrei nach zu urteilen ein Herzenswunsch der Konservativen zu sein.
Selbst der ehemalige Innenminister Zimmermann signalisierte schon damals bei den ersten Kontakten Zustimmung. Nur hat es bis heute gedauert - angesichts des veränderten Wertebewußtseins -, das zu wagen. Der Bund ehrt bisher mit vier Bundesstiftungen vier große politische Staatsmänner,
und zwar solche, die durchweg demokratisch gewählt worden sind und durchweg an der Spitze
demokratischer Staatswesen standen. Ich nenne sie für Unkundige: den ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, den Bundespräsidenten Theodor Heuss sowie die beiden Bundeskanzler - wohlbekannt - Konrad Adenauer und Willy Brandt.
Unzweifelhaft war Otto von Bismarck ein großer, ein originärer Staatsmann, der Gründer des Deutschen Reiches.
Ich habe vorhin begründet, warum dieser Staatsmann nicht in die Reihe der bisher mit Bundesstiftungen Gewürdigten hineinpaßt.
Die Fragen der SPD sind auf keinen Fall erschöpfend und befriedigend beantwortet. Mit welcher Begründung - -