Rede von
Ina
Albowitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Such, meine Phantasie ging gerade mit mir durch, und ich habe Sie mir als neuen BKA-Präsidenten vorgestellt. Ich habe meinen Kollegen gesagt: Und den armen Herrn Körper als Vize. Das wäre in dieser Republik eine spannende Variante. Aber das wollen wir denen doch nicht antun. Ihre Rede war eine Zumutung, um das in allem Ernst zu sagen.
Es wäre das gute Recht und die Aufgabe der Opposition, sich den Regierungsentwurf zum Haushalt - darüber reden wir, glaube ich - vorzunehmen, Kritikpunkte herauszuarbeiten und Alternativen vorzuschlagen. Aber was in der letzten Woche zu lesen war und was wir auch heute gehört haben, sind die übliche pauschale Miesmacherei, die In-die-EckeStellerei und eine gehörige Portion haushalts- und finanzpolitischer Unredlichkeit. Hier werden dem Finanzminister Milliardenrisiken vorgeworfen, die die SPD durch ihre Blockadepolitik im Bundesrat mitverursacht.
- Sie tun es doch ununterbrochen. Das müssen Sie schon ertragen können. Jetzt haben Sie noch die ganze Woche Zeit, damit Sie es bis zum Wochenende auch richtig drin haben.
Im gleichen Atemzug fordern Sie milliardenschwere Mehrausgaben. Das Schönste ist: Herr Metzger erklärte gestern morgen in der ARD, die Opposition stecke im Dilemma. - Wohl wahr, Herr Kollege. Vielleicht können Sie ihm das sagen, Frau Kollegin Wolf. Aber von dem Dilemma der Opposition und der Blockade der SPD haben die Menschen in Deutschland überhaupt nichts. Hier werden Vorschläge und Alternativen erwartet. Diese hätten wir gerne heute von Ihnen gehört.
Mit 8,8 Milliarden DM, die 1997 für den Etat des Innenministers vorgesehen sind, wird der Ansatz um rund 300 Millionen DM geringer eingestellt als für das laufende Jahr; und das, obwohl er Ausgabenblöcke enthält, bei denen mehr staatliches Engagement erforderlich wird und deshalb größere Ausgaben nötig sind. Herausragendes Beispiel - auch ich will das gerne bestätigen; es ist heute schon erwähnt worden - ist der Bundesgrenzschutz, für den das Volumen auf über 3 Milliarden DM gestiegen ist. Damit wird, wie auch schon in den Jahren zuvor, den veränderten Anforderungen und den erheblich gewachse-
Ina Albowitz
nen Aufgaben des BGS Rechnung getragen. Im übrigen kommen noch eine ganze Reihe von Aufgaben in Zukunft hinzu, auch nach der Auflösung der Bereitschaftspolizei im größten Bundesland, in Nordrhein-Westfalen.
Es ist eigentlich paradox, aber es ist so: Durch den Wegfall der innerdeutschen Grenze und der Binnengrenzen in Europa ist die Bedeutung des Bundesgrenzschutzes stark gewachsen. An den deutschen Außengrenzen und Flughäfen muß der Kampf gegen eine immer erbarmungsloser und rücksichtsloser agierende organisierte Kriminalität intensiviert werden. Das ist in diesem Hause völlig unbestritten. Schwerpunkte und Strukturen des BGS unterlagen in den letzten Jahren tiefgreifenden Veränderungen. Im Jahre 1992 haben wir ihm die Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit übertragen. Inzwischen ist aus einer früheren hauptsächlich in Verbänden organisierten Bundespolizei eine stark im einzeldienstlichen Aufgabenbereich tätige Polizeiorganisation geworden.
Um diesen veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen und um die Effizienz und Flexibilität des Grenzschutzes zu erhöhen, hat der Innenminister im Juni ein Konzept zur Neustrukturierung des BGS vorgelegt.
Die Effektivierung des personellen und materiellen Mitteleinsatzes ist grundsätzlich zu begrüßen.
Ich frage allerdings - das werden wir noch intensiv zu diskutieren haben -, ob es im Zeitalter des Schengener Abkommens und eines zusammenwachsenden Europas wirklich notwendig ist, die Anzahl der an der deutschen Westgrenze ständig postierten Beamten auf knapp 1 000 zu vervierfachen. Wenn ich mir das Gesamtstellensoll für 1997 ansehe - das sind rund 35 000 Mitarbeiter beim Grenzschutz -, dann drängt sich mir der Eindruck auf, daß diese Bundespolizei Schritt für Schritt eine Personalstärke erreicht, die ganz grundsätzliche Überlegungen in diesem Hause notwendig macht.
- Das werden wir dann zu diskutieren haben, Herr Kollege Penner. Damit gingen wir heute über den Rahmen meiner Redezeit hier im Plenum hinaus. Das werden wir dann im Innenausschuß und im Haushaltsausschuß intensiv machen.
Die innere Sicherheit ist ein Kernbereich der Innenpolitik und eine der wichtigsten Verpflichtungen, die der Staat gegenüber seinen Bürgern hat. Die Menschen in unserem Land haben Anspruch auf bestmöglichen Schutz gegen Kriminelle jeder Art. Kriminalität ist ein Verstoß gegen die Zivilisation. In der Art und Weise, wie ein Staat diese Aufgabe wahrnimmt, zeigt sich aber auch sein Demokratie- und Freiheitsverständnis.
Für uns Liberale heißt das, daß Sicherheit nicht auf Kosten der Freiheit gehen darf. Ohne Freiheit gibt es
keine Sicherheit; ohne Sicherheit gibt es aber auch keine Freiheit.
Die illegale Zuwanderung ist für uns nach wie vor ein drängendes Problem, und wir haben noch nicht alle Probleme gelöst. Sie kann aber nicht in staatlicher Abschottung gegen Menschen anderer Abstammung und Herkunft bestehen. Wir Liberalen treten für eine Gesellschaft ein, die offen ist für eine von uns zu bestimmende Zuwanderung und für kulturelle Einflüsse von außen, die aber das Maß ihrer Offenheit auch selbst bestimmt und festen Regeln unterwirft.
Deutschland hat und braucht Zuwanderung. Wir brauchen eine systematische und kontrollierte Einwanderungs- und insbesondere Eingliederungspolitik, deren Ziel es ist, die Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Sie darf auch nur soweit eingeschränkt werden, wie es unbedingt erforderlich ist.
Vermeintliche Sicherheit darf auch nicht als Vorwand mißbraucht werden, um eine unfreie Gesellschaft zu schaffen. Mit Blick auf den gerade in Arbeit befindlichen Gesetzentwurf zum Lauschangriff versichere ich Ihnen, daß wir Liberalen mit Argusaugen darauf achten werden, daß die Grundrechtseingriffe auf das absolut notwendige Muß beschränkt bleiben. Mit uns gibt es kein unnötiges Draufsatteln und auch keine Beweislastumkehr, Herr Körper.
- Ja, wir werden da schon dabeisein. Das verspreche ich Ihnen hier.
Wenn ich höre, Herr Körper, wie Sie Ihren Parteitagsbeschluß hier verteidigen, kann ich erstens nur sagen: Mein Gott, was ist aus dieser SPD geworden! Und zweitens: Wir können ja noch froh sein, gegen Sie ist Herr Stoiber ein wahrer Liberaler!
Ein weiterer Schwerpunkt, bei dem auch in Zukunft intensives staatliches Engagement erforderlich ist, ist die Kultur.
- Herr Körper, Sie sollten Ihre Rede wirklich einmal nachlesen. Ich weiß nicht, ob Sie sie nur gehalten haben, aber Sie sollten wissen, wie sie sich anhört.
- Das mag sein. Haben Sie es ihm. aufgeschrieben?
Ina Albowitz
In Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten und knapper öffentlicher Kassen ist die Kultur leider allzuoft im Visier von Kürzungsbestrebungen.
Selbstverständlich hat auch die Kultur wie alle anderen staatlichen Bereiche ihren Beitrag zu den Sparbemühungen zu leisten. Sie hat dies in den letzten Jahren auch in erheblichem Umfang getan.
Ich wende mich deshalb auch heute entschieden gegen diejenigen, die Kultur für überflüssigen Luxus halten und die ihr in schwierigen Zeiten einfach die Existenzberechtigung und die Luft zum Atmen nehmen wollen. Kultur, meine Damen und Herren, ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Die Übereinstimmung des Bürgers mit dem Staat, in dem er lebt, resultiert auch daraus, daß er sich in seinem Land kulturell und geistig gefordert und gefördert fühlt. Gemeinsame Pflege von Sprache, Literatur, Musik, bildender Kunst und Geschichte ist eine Klammer in unserer Gesellschaft, eine tragende Säule unseres demokratischen föderalen Staates.
Eine Politik, die vergißt, daß der Mensch auch andere Grundbedürfnisse hat als Essen und Trinken, wäre kurzsichtig und dumm. Deshalb werden die Ausgaben des Bundes zur Förderung von Kunst und Kultur im Inland von den allgemeinen Kürzungen ausgenommen und statt dessen um 57 Millionen DM auf insgesamt 1,26 Milliarden DM steigen.
Für die klassische Kulturförderung ist der Plafond in Höhe von 690 Millionen DM festgeschrieben, und das ist auch gut so. Ich danke dem Innenminister und dem Finanzminister ausdrücklich für ihre Bereitschaft, dies zu tun.
Öffentliche Mittel, meine Damen und Herren, müssen zielgerichtet vergeben werden. Das heißt, es darf weder mit dem Rasenmäher gekürzt noch mit der Gießkanne gefördert werden. Man muß sinnvolle Prioritäten setzen. Kulturelle Institutionen müssen ihren Mitteleinsatz optimieren und manchmal auch - das würden wir uns wünschen - neue Geldquellen erschließen. Ich nenne die Stichworte Kultursponsoring und Mäzenatentum, aber ich nenne auch Veränderungen im Steuerrecht, für die wir noch Hausaufgaben zu machen haben.
Große kulturelle Ereignisse stehen in den kommenden Jahren in der Bundesrepublik an. Ich erinnere an die Europäische Kulturhauptstadt Weimar 1999 und an die „Expo 2000". Diese beiden Ereignisse bieten eine große Chance zur Selbstdarstellung der Kulturnation Deutschland.
Allerdings habe ich bei der Vorbereitung und Planung der „Expo 2000" das Gefühl, daß noch nicht
alle, vor allen Dingen in den Gesellschaften, erkannt
haben, welche hervorragenden Möglichkeiten zur Selbstdarstellung Deutschlands sich hier auftun.
- Das hoffe ich sehr.
Meine Damen und Herren, der Etat des Bundesministers des Innern enthält für das Jahr 1997 eine globale Minderausgabe in Höhe von 55,6 Millionen DM. Das ist ein Novum und ein weiterer Ausdruck des strikten Sparwillens der Regierung. Allerdings wüßte ich als Haushaltspolitikerin auch gerne, wo diese 55,6 Millionen DM eingespart werden sollen. Das Instrumentarium der globalen Minderausgabe ist als solches nicht befriedigend. Um den Grundsätzen der Haushaltswahrheit, -klarheit und -vollständigkeit gerecht zu werden, erwarte ich sowohl vom Innen- als auch vom Finanzminister klare Vorstellungen, wo diese globale Minderausgabe erbracht werden soll.
Einsparpotentiale sind auch durch neue Konzepte der Mittelvergabe zu erreichen, wie die Modellversuche Budgetierung und Flexibilisierung der verschiedenen kleinen Behörden im nachgeordneten Bereich zeigen. Sie sind außerordentlich erfolgreich. Das sollte uns gemeinsam freuen, weil es zum Thema schlanker Staat gehört.
Es zeigt sich ganz besonders - das sollten wir an dieser Stelle würdigen -, daß sich die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter auszahlt. Ich kann dem Bundesfinanzminister nur empfehlen, weitere Etatbereiche in das Modellprogramm zu entlassen und so mutig zu sein, Verantwortung zu delegieren.
Ein letztes Wort zu den Personalausgaben. Sie betragen für 1997 knapp 50 Prozent bzw. rund 4 Milliarden DM allein für den Geschäftsbereich des Innenministers. Das ist für sich gesehen schon außerordentlich bedenklich. Der Kollege Uelhoff hat schon darauf hingewiesen. Wenn man den Gesamtpersonalbestand des Bundeshaushaltes einschließlich seiner Folgekosten bewertet, kann einem angst und bange werden.
Deshalb ist es zwingend erforderlich, daß wir das Dienstrechtsreformgesetz umgehend verabschieden und den längst überfälligen Versorgungsbericht vorgelegt bekommen. Der Gesetzgeber, der die politische Verantwortung für die Versorgungsleistungen mittragen soll und muß, hat ein Recht auf vollständige und umgehende Information durch die Bundesregierung. Herr Minister, es nützt nichts, wenn wir die unangenehmen Dinge verschieben.
Ich bin ein bißchen irritiert - ich sage das in dieser Offenheit, weil Sie wissen, daß ich Sie außerordentlich schätze - über den Duktus, den Sie in die Debatte gebracht haben
Ina Albowitz
- ich meine, in der Politik kann man auch offen miteinander reden -, indem Sie eben von einer törichten Terminplanung gesprochen haben. Ich denke, so sollten Exekutive und Legislative nicht miteinander umgehen. Es gibt einen Beschluß des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, daß Sie den Versorgungsbericht bis zum Dezember 1995 vorlegen sollten.
Ich verstehe - alle Kollegen hier im Hause können das nachvollziehen -, daß das eine unglaublich schwierige Thematik ist. Ich bin mit Ihnen der Auffassung: lieber vier Wochen später und auf einer gesicherten Grundlage, so daß wir ihn ordentlich bewerten können.
Aber ich weiß auch: Die vier Wochen - gerechnet von Dezember 1995 an - sind im September 1996 vorbei.
Ich lasse mir vom Innenminister nicht sagen, wir hätten eine törichte Terminplanung vorgegeben.
Die Innenpolitik muß mehr als viele andere Politikbereiche schwierige gesellschaftliche Probleme bewältigen und vielen verschiedenartigen Bedürfnissen Rechnung tragen. Sie ist aber auch ein Bereich, in dem es trotz Sparzwängen noch zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten gibt. In den vor uns liegenden Beratungen im Haushaltsausschuß werden wir die Sparpolitik konsequent umsetzen und die Gestaltungsspielräume, die wir noch haben, intensiv nutzen.
Ich danke Ihnen.