Rede von
Carl-Dieter
Spranger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Bemerkungen zu meinem Vorredner. Ich frage mich, woher der PDS-Abgeordnete die Legitimation nimmt, die Entwicklungspolitik der Bundesregierung in dieser Form zu kritisieren.
Von der ganzen, von Ihnen so bezeichneten internationalen Zusammenarbeit der früheren SED haben wir 1990 gerade 64 Projekte als sinnvoll identifiziert und abgewickelt. Die Bundesrepublik Deutschland finanziert und unterstützt heute allein bilateral zirka 3 000 Projekte in allen Teilen der Welt. Das zeigt den riesigen Unterschied zwischen der Entwicklungspolitik der SED und dem, was die Bundesrepublik Deutschland damals und heute gemacht hat.
Herr Jacob, wenn wir diese riesigen Erblasten, die das SED-Regime in 40 Jahren verursacht hat, nicht hätten übernehmen müssen, dann könnten wir sehr viel mehr Milliarden hier im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit einsetzen. Wir alle können davon nur träumen. Das Ziel der ODAQuote von 0,7 Prozent wäre mit diesen Milliarden, die wir heute für den Wiederaufbau ehemaliger so-
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
zialistischer Staaten verwenden, weit überschritten. Das ist die Problematik, vor der wir wirklich stehen.
Ansonsten sind Reden und Kommentare zur Entwicklungspolitik oft dadurch gekennzeichnet, daß sie Probleme in den Vordergrund stellen. Es sind immer wieder Katastrophenmeldungen, die man wahrnimmt. Von Bedrohungen ist die Rede, von globalen Gefahren und, wenn es um das Geld geht, immer wieder auch von Klagen, daß die Mittel nicht ausreichen.
Diese Aussagen mögen für sich genommen alle richtig sein. Sie sind aber in der Konzentration zu einseitig, und zwar zu einseitig negativ. Wir erweisen damit der Aufgabe, die wir alle gemeinsam voranbringen wollen, nicht immer einen guten Dienst. Kritik und Klage sind wenig motivierend, vor allem nicht für die Menschen in den Entwicklungsländern. Für manchen mögen sie auch Ausdruck von Hilflosigkeit sein. Das wäre schlimm.
Es gibt - damit sollten wir uns wieder stärker beschäftigen. - viel erfreulichere und hoffnungsvollere Kehrseiten. In vielen Ländern, in allen Regionen der Welt sind erhebliche Fortschritte und positive Entwicklungen zu verzeichnen. In Afrika gibt es eben nicht nur Somalia, Ruanda, Burundi oder Liberia. Wir sind beispielsweise Zeugen eines beeindruckenden Aufschwungs in Südafrika, wo gute Aussichten bestehen, daß sich dieses Land zu einem Zentrum von Stabilität und sozialem Fortschritt entwickelt.
In zahlreichen kleineren Ländern mit viel schwierigeren Rahmenbedingungen erscheint Licht am Ende des Tunnels - ob in Benin, Mali, Ghana oder Malawi, wo demokratische Reformen erste Erfolge zeigen. Für ganz Afrika sagt die Weltbank für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent voraus, das damit seit langer Zeit wieder über dem Bevölkerungsanstieg liegt und sich in einer Verbesserung des Lebensstandards äußern könnte.
Oder nehmen wir Asien. Es gibt eine unendliche Zahl von Fakten, die ausweisen, daß die dynamischen Länder dort inzwischen zu Wachstumspolen und Motoren der Weltwirtschaft geworden sind.
Auch die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa ist erfreulich. In manchen Staaten haben sich erstaunlich schnell marktwirtschaftliche Reformen und damit einhergehend eine Erweiterung der Freiheitsrechte der Bürger durchgesetzt. Polen, das Baltikum, Tschechien, Ungarn und Slowenien werden bald Anschluß an die westlichen Industrieländer gefunden haben.
In den neuen unabhängigen Staaten und Ländern, die wie Albanien unter einer besonders menschenfeindlichen Ausformung kommunistischer Diktatur gelitten haben, wird es zwar langsamer gehen, aber auch dort sind schon deutliche Fortschritte erkennbar.
Auch in Lateinamerika haben sich die Zeiten der Hyperinflation und der Mißwirtschaft geändert. Eine breite Welle der wirtschaftlichen Sanierung, der Privatisierung und der Deregulierung hat den Subkontinent erfaßt und gibt den Menschen neue Hoffnung.
Selbst in der mit besonderen Entwicklungshemmnissen belasteten islamischen Welt wird die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen unaufhaltsam sein, wenn sich der Friedensprozeß zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn weiter konsolidiert.
In allen diesen Regionen setzt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wichtige und in hohem Maße anerkannte Zeichen der Hoffnung und der Solidarität.
Überall dort, wo positive Entwicklungen festzustellen sind, unterstützen wir die Eigenanstrengungen der Partnerländer. Deutsche Experten beraten bei der Einleitung von Reformen, oder wir leisten finanzielle Hilfe bei den notwendigen Investitionen.
Ich möchte wegen der begrenzt mir zur Verfügung stehenden Zeit darauf verzichten, einzelne Beispiele zu nennen. Sie alle und die Entwicklungen beweisen jedenfalls, daß unsere Partner Erfolg haben und Erfolg haben können, wenn sie auf den Eckpfeilern unserer Entwicklungspolitik auch ihre Politik aufbauen: eine sozial ausgerichtete Marktwirtschaft, Freiheiten für den Bürger, Rechtssicherheit für alle.
Die Erfolge beweisen auch die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit entwicklungspolitischer Zusammenarbeit bei klaren Zielsetzungen, wie unsere Politik sie hat.
Die entwicklungspolitische Konzeption der Bundesregierung, mit deren Neuakzentuierung wir nun schon eine fünfjährige Erfahrung haben, hat sich weltweit durchgesetzt. Sie findet Anerkennung im Bundestag und bei unseren Partnern in den Entwicklungsländern. Ihre Spuren finden sich inzwischen auch in den Konzepten der meisten multilateralen Finanzierungsinstitutionen. Die deutschen Nichtregierungsorganisationen, aber auch die Medien haben weit überwiegend eine positiv kritische und wohlwollende Haltung zur Entwicklungspolitik dieser Regierung gefunden. Dies ist, wenn man zurückblickt, sicherlich keine Selbstverständlichkeit.
Trotz der nominalen Kürzung des Entwicklungshaushalts wird an einigen Daten deutlich, daß die Bundesregierung der Entwicklungspolitik ihren bisherigen Stellenwert beläßt. Der Anteil am Gesamthaushalt bleibt mit 1,8 Prozent konstant. Wichtig ist, daß wir bei den Verpflichtungsermächtigungen auch in Zukunft Spielräume behalten.
Natürlich hätten wir Entwicklungspolitiker uns mehr gewünscht. Aber der Bundesregierung wegen der Kürzungen im Einzelplan 23 Vorwürfe zu machen, wäre unredlich. Daß wir eisern sparen müssen, ist unabweisbar. Die OECD hat dies in der letzten Woche auf Grund neuester Analysen noch einmal bestätigt. In einer Blockadepolitik, die auch an nicht mehr finanzierbaren sozialen Besitzständen krampf-
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
haft festhält und sich dem Erfordernis, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, verschließt, liegt jedenfalls keine sinnvolle Alternative.
Meine Damen und Herren, das wiedervereinte Deutschland hat seit 1990 trotz gewaltiger Erblasten, die der Sozialismus uns in den neuen Bundesländern hinterlassen hat, über 400 Milliarden DM für die Hilfe an das Ausland aufgebracht - 400 Milliarden DM! Davon entfällt der größte Teil, nämlich über 225 Milliarden DM, auf die Leistungen an Entwicklungsländer. Diese Zahl muß man sich einmal vor Augen halten, bevor man unsere Bereitschaft, internationale Verantwortung zu tragen, in Frage stellt.
Die Entwicklungspolitik hat ihren Anteil an der Konsolidierung des Bundeshaushaltes mitzutragen. Wer das kritisiert, muß vernünftige Vorschläge machen, woher die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit genommen werden sollen.
Mein Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, vor allem im AwZ, und im Haushaltsausschuß, ganz besonders den Damen und Herren Berichterstattern für Einzelplan 23, die die Notwendigkeit der Entwicklungszusammenarbeit anerkennen und sie konstruktiv auch in Zeiten der Knappheit der Mittel mitgestalten. Nur durch Sparsamkeit schaffen wir die Voraussetzungen für eine höhere Leistungsfähigkeit in der Zukunft. Mit dem knappen Geld, das uns zur Verfügung steht, leisten wir Beachtliches. Wir werden gezwungen sein, bei der Auswahl unserer Partner und der Festlegung der Förderprogramme noch strenger nach Erfolgskriterien zu verfahren.
Mit dieser Konzeption, die wir seit 1990 beharrlich umsetzen, werden wir auch in der Zukunft in der Lage sein, unserer internationalen Verantwortung zu genügen. Unsere Entwicklungszusammenarbeit ist ein Aushängeschild der deutschen auswärtigen Beziehungen. Sie hat eine unangefochtene Rolle für die Sicherung unserer Zukunft.
Entwicklungspolitik wird - da bin ich sicher - langfristig weiter an Bedeutung gewinnen.
Dies wird sich bei günstigeren finanzpolitischen Rahmenbedingungen auch sicher wieder in Steigerungsraten im Haushalt niederschlagen, vor allem wenn uns der Deutsche Bundestag und die Koalitionsfraktionen so wie bisher dabei unterstützen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.