Rede von
Dr.
Klaus
Kinkel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedaure, daß der Herr Ministerpräsident Lafontaine weggegangen ist, denn ich habe mir zwei Antworten vorgenommen, die ich für nicht ganz unwichtig halte. Das eine war die Thematik der Globalisierung, weil ich glaube, Herr Kollege Schäuble, daß Herr Lafontaine gar nicht richtig verstanden hat, was Sie gemeint haben. Daher hätte ich das gerne ausgeführt, weil es ein wichtiges Thema ist.
Das zweite kann ich mir nicht verkneifen. Herr Lafontaine hat ausgerechnet über die Zeit der Wiedervereinigung seit dem Jahr 1989 gesprochen. Ich hatte das Glück, bei der inneren Wiedervereinigung ein klein wenig mitwirken zu dürfen. Ich will mich einmal zurückhaltend äußern: Auffassungen und Aussagen von Herrn Lafontaine in dieser Zeit waren so, daß er darüber besser nicht mehr spricht. Sie waren wenig hilfreich.
Herr Kollege Lippelt, die Themen, die Sie angeschnitten haben, haben wir im Auswärtigen Ausschuß in extenso besprochen. Ich will versuchen, darauf in meinen Ausführungen einzugehen. Ich will dazu zwei Bemerkungen machen.
Darüber, daß wir nach schwierigsten Jahrzehnten zu Rußland, zur Ukraine und zu anderen mittel- und osteuropäischen Staaten ein so gutes partnerschaftliches und freundschaftliches Verhältnis bekommen haben, sollten wir alle glücklich sein. Auch darauf, daß dazu ebenso persönliche Beziehungen, auch die des Bundeskanzlers, ganz entscheidend beigetragen haben, sollten wir stolz sein. Darum werden wir von allen anderen beneidet. So etwas hilft ungeheuer.
Zur Außenpolitik. Ich will mit einer ganz erfreulichen Nachricht beginnen, die ein bißchen untergegangen ist. Heute nacht hat die UNO-Vollversammlung in New York die von uns mit eingebrachte Entschließung zum nuklearen Teststoppabkommen mit großer Mehrheit verabschiedet. Wir sind, liebe Kolleginnen und Kollegen - ich sage dies mit einer gewissen Genugtuung -, dem Ziel des Endes aller Kernwaffenversuche näher gekommen. Der atomare
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Geist muß wieder zurück in die Flasche. Das war ein Beginn dafür.
Weniger erfreulich - das will ich gleich zu Beginn sagen - sind die Nachrichten, die uns aus dem Norden des Irak erreichen. Das Vordringen der irakischen Truppen in die kurdische Schutzzone - 1991 eingerichtet - in der vergangenen Woche erinnerte daran, wie gefährlich die Lage im Mittleren Osten nach wie vor ist. Die amerikanische Militäraktion war in dieser Lage ein notwendiges Stoppsignal.
- Es gibt wohl keine völkerrechtliche Grundlage in einer Sicherheitsratsresolution, insbesondere nicht in der Resolution 688, für diese Maßnahme, aber sie ist aus politischen und humanitären Gründen gerechtfertigt, weil dem Aggressor Saddam Hussein in solchen Situationen, wo er wieder Hunderte von Toten auf dem Gewissen hat, auf die Finger gehauen werden muß.
Die Meldungen, die uns heute aus dem Norden des Irak erreichen, geben zu großer Besorgnis Anlaß. Wieder, wie 1991, sind Hunderttausende auf der Flucht. Ich habe eben gehört, daß die Situation ein bißchen besser geworden ist, aber die schrecklichen Bilder des Flüchtlingselends sind noch in guter Erinnerung. Ich glaube, soweit wir es können - Sie, die Sie hier sitzen, wissen, daß es schwierig ist -, werden wir versuchen müssen zu helfen. Politisch ist es bei der gesamten Kurdenproblematik schwierig. Humanitär werden wir tun, was wir können.
Im übrigen ist es um so wichtiger, daß wir den Draht zu einem der Hauptakteure in der Region, dem Iran, nicht einfach total abreißen lassen. Ja, die Beziehungen bleiben schwierig; keiner weiß das besser als ich. Aber dieses Land ist wie die Türkei ein strategisch wichtiger Akteur in einer strategisch hochwichtigen Region. Wenn man sich - Sie wissen es - ansieht, wie sich die Länder in Transkaukasien, die Länder in Zentralasien völlig neu auf den Iran und die Türkei hin ausrichten, und wenn man sieht, wie sich andere - vor allem auch Großmächte - in diese Richtung bewegen, dann erkennt man, daß wir gut daran tun, die Beziehungen nicht voll abzubrechen und nicht aus dem Bauch, sondern aus dem Kopf heraus zu reagieren. Ich glaube, daß wir diese Haltung zumindest später einmal richtig einschätzen werden.
Deshalb werde ich mich bei der anstehenden UNO-Generalversammlung in New York sowohl mit Frau Ciller - die leider Gottes ihren Besuch hier wegen der Ereignisse im Nordirak abbrechen mußte - als auch mit dem iranischen Außenminister Welajati treffen, weil man nicht von einem Dialog sprechen kann, wenn man nicht miteinander redet.
Das will ich tun, und ich will es verbinden mit dem Versuch der aktiven Einwirkung dort - wie das hier im Deutschen Bundestag mitgetragen wurde -, wo wir Staatsterrorismus, Terrorismus, aggressiven Fundamentalismus und manches andere vorfinden, was wir ablehnen.