Rede von
Eike
Hovermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Danke für die letzte Wortmeldung.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Jüttemann nahm die Zahl 13 für ein schlechtes Omen. Er selbst begann mit seiner Rede um 20.13 Uhr.
Die Bundesregierung und insbesondere Ihr Postminister - nunmehr in seinem verdienstvollen letzten Jahr - wollten seinerzeit Klarheit schaffen, als sie im Oktober 1995 die renommierte Investmentbank Schroder u. Co. Limited mit einem Gutachten zum Thema „Privatisierung der Deutschen Postbank AG und der Deutschen Post AG" beauftragten. Die Vorgabe, die die Bundesregierung selbst gab, war - ich zitiere -:
eine langfristig angelegte, effektive Vertriebskooperation zwischen der Post AG und der Deutschen Postbank sicherzustellen,
die Wettbewerbsfähigkeit der Post und der Postbank zu fördern und deren Zukunft zu sichern,
- und daraus resultieren -
die Privatisierungserlöse des Bundes zu optimieren.
Das dann erstellte Gutachten bestätigte in vielfältiger Weise, daß - ich zitiere nun eine Pressemeldung des Bundespostministeriums vom 15. Januar 1996 -„der rasche Abschluß eines neuen Kooperationsabkommens zwischen den Unternehmen zur optimalen Nutzung des Filialnetzes grundlegend für jede weitere Entwicklung ist ... und das Herzstück der Leistungskraft und einer gemeinsamen Zukunft der beiden jungen Aktiengesellschaften". Soweit die Ziele der Bundesregierung und die grundlegende Erkenntnis des Schroder-Gutachtens zum Vertriebsverbund zwischen Postbank und Post AG.
Es gab im folgenden kaum eine Sitzung, in der der Postminister nicht erklärte, es gehöre fortan zu seinen beiden wichtigsten Zielen, einen sinnvollen Kooperationsvertrag zu erwirken. Notfalls wolle er auf den Tisch hauen, wenn die beiden leitenden Herren von Post und Postbank mit ihrer bekannten gegenseitigen Zuneigung die Kooperation behindern würden. Man habe ja schließlich genügend Möglichkeiten einzuwirken.
Natürlich sei auch ein Filialkonzept, so der Postminister zu seinem zweiten Ziel, unabdingbare Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung der postalischen Versorgung der Bürger vor Ort. Deshalb werde er alsbald ein schlüssiges Filialkonzept vorlegen, und bei einer fünfstelligen Anzahl von Filialen werde es selbstverständlich bleiben.
Der Minister wurde nicht müde, auf den Artikel 87f im Grundgesetz hinzuweisen, der ja extra im Zuge der Privatisierung der Bundespost entstanden sei und den Universaldienstauftrag der Post AG formuliere, nämich: flächendeckend und zu angemessenen Preisen die Bürger unseres Landes mit Postdienstleistungen zu versorgen. Dieser grundgesetzlich verankerte Infrastrukturauftrag war sozusagen die Beruhigungspille auf dem schweren Weg zur Liberalisierung.
Die Realität, Herr Minister, hat im September 1996 trotz und entgegen aller Wünsche und Versuche der Bundesregierung, Einfluß zu nehmen, ein völlig anderes Gesicht.
Der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, Hans Gottfried Bernrath, hat Presseberichten zufolge in einem Brief an Postminister Bötsch erklärt, daß alle Kooperationsbemühungen wohl gescheitert seien. Zur Begründung führt er aus, daß die Postbank nicht die von der Post AG geforderten 1,5 Milliarden DM Nutzungsentgelt für eine gemeinsame und rentable Schalternutzung zahlen wolle.
- Herr Rexrodt? Na ja.
Die Postbank habe lediglich 900 Millionen DM angeboten und plane bis zum Jahre 2000 eine Reduzierung auf 750 Millionen DM, also nur die Hälfte der geforderten Summe. Nach Postchef Zumwinkel bedeutet dies unumgänglich die Schließung weiterer Tausender von Filialen und die Entlassung von mindestens 20 000 Mitarbeitern.
Der sowohl von Schroder als auch vom Postminister immer wieder als Herzstück aller Entwicklungen geforderte Kooperationsvertrag scheint damit geplatzt zu sein. Dadurch entfällt gemäß aller Erfahrung auch die Aussicht auf Optimierung der Erlöse aus der Privatisierung, weil - und das betrifft alle - die zukünftigen Partner und Investoren bei Post und Postbank nur dann Geld geben und an langfristigen Strategien mitarbeiten werden, wenn Planungssicherheit herrscht. Dies ist nicht der Fall.
Realität ist also derzeit, daß trotz vielfältigster Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregierung die Kooperation nicht vorankommt. Jeder ergebnislose Tag bringt weitere Verluste.
Eike Hovermann
Realität ist, daß das vom Minister versprochene Filialkonzept nicht vorliegt; eine unverzichtbare Vorlage, ohne die langfristige Finanzierungsfragen nicht lösbar sind. Von einer fünfstelligen Zahl sprach er noch bis vor ein paar Tagen, nun nicht mehr; auch dies schafft keine Sicherheit.
Realität ist, daß weiter fast Tag für Tag posteigene Filialen geschlossen werden und damit Zug um Zug bewährte lebensnahe Strukturen unwiederbringlich verlorengehen. Realität ist weiterhin, daß Mitarbeiter entlassen werden und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze verlorengehen, auf Dauer auf Kosten der Steuerzahler.
Realität ist fernerhin, daß die Umsetzung neuer Produkte und Verkaufsstrategien verzögert wird, weil in den Leitungsgremien von Post AG und Postbank bisher kein gemeinsames Zukunftskonzept vorgelegt werden kann. Und der Postminister haut nicht auf den Tisch. Wir verlieren Zeit. Vielleicht ist das so gewollt, um eine rücksichtslose Verschlankung durchzusetzen.
Realität ist fernerhin, daß im Rahmen des Wettbewerbs und der postalischen Versorgung die Scheinselbständigkeit wächst. Am Ende läuft das darauf hinaus, daß die in Art. 87f des Grundgesetzes gegebenen festen Zusagen des Staates an seine Bürger unterlaufen werden. Politikverdrossenheit läßt grüßen.
Diese stetige Demontage von gewachsenen Strukturen, die durchaus nutzbar wären, kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie ist das Ergebnis einer unklaren Politik, die Versprechen gibt, sie aber offensichtlich nicht in die Tat umsetzen will. Diese Art von Postpolitik orientiert sich nicht an langfristigen Entwicklungsperspektiven und nicht an volkswirtschaftlichen, auf Dauer sinnvollen Entscheidungen, sondern sie orientiert sich offenbar vielmehr am jährlich wachsenden Haushaltsloch, das, egal wie, mit aller Gewalt gestopft werden muß. Dabei wissen wir eigentlich, daß mit dieser Politik kurzatmiger Schritte die Schulden des Staates eher wachsen als sinken.
So gestaltet man Zukunft nicht.
Die Zukunft der Deutschen Post AG beschreibt Hans Gottfried Bernrath in einem Interview im „Postforum" vom Juli 1996 so:
Die Deutsche Post AG steht in verschiedenen Bereichen seit langem im Wettbewerb. Und dort überlebt nur, wer nicht nur Dienstleistungen pur, sondern auch guten Service bietet. ... Was spricht beispielsweise dagegen, in allen eigenbetriebenen Postfilialen neben dem normalen Angebot auch andere Waren zu verkaufen?
Dieser Weg, in posteigenen Filialen und in enger Zusammenarbeit mit der Postbank AG auch neue Waren zu vertreiben, ist eigentlich der richtige Weg, um ein flächendeckendes Versorgungsnetz für die
Bürger zu erhalten, den Universaldienstauftrag erfüllen zu können und qualifizierte Mitarbeiter zu bewahren. Dies war auch so gewollt und so von der Regierung versprochen. Die Realität aber sieht anders aus: Die Filialen brechen Zug um Zug weg. Und was jetzt wegbricht, ist auf Dauer verloren. Welchen Sinn hat es dann noch, neue Produkte und Verkaufsstrategien zu entwickeln, wenn die dazu notwendigen Filialen massenweise geschlossen werden? Es beschleicht einen das Gefühl, dies sei auch so gewollt.
Richtig ist, daß von den 20 400 posteigenen Filialen im Jahr 1993 heute nur noch 13 345 übriggeblieben sind. Selbstverständlich stieg in dieser Zeit die Zahl der Agenturen, die so gepriesen worden sind, von 490 auf 3 380. Jedermann weiß aber, daß genau hier die Einbrüche im Postbankgeschäft kommen, was die Postbank natürlich immer mehr als Begründung für die Reduzierung ihrer Zahlungen zur gemeinsamen Schalternutzung nehmen wird. Daraus folgen unausweichlich weitere Schließungen.
Wenn in drei Jahren so schon zirka 7 000 Filialen weggebrochen sind, werden bei weiter andauernder Kooperationsunwilligkeit und Kooperationsunfähigkeit weitere 8 000 bis 10 000 Filialen wegfallen. Der Kunde wird das auf Dauer teurer bezahlen müssen. Insbesondere der ländliche Bereich wird gegenüber den Ballungszentren ausbluten.
Hier kann nur ein neues Gesamtkonzept helfen. Basis dieses Gesamtkonzeptes muß sein, daß ein qualitativ hochwertiger Universaldienst nur dann gewährleistet ist, wenn eine dauerhafte Finanzierung gesichert wird. Das ist nur durch dauerhaft klar reservierte Bereiche möglich.
Wer die postalische Versorgung einschließlich des Infrastrukturauftrages rein am Wettbewerb orientiert, schadet letztendlich allen.
Kapitalismus pur war schon immer der falsche Weg, auf jeden Fall das Ende unserer sozialen Marktwirtschaft. Das wollen wir nicht mitmachen, zumal Frustration und Unruhe vor Ort größer werden.
Die sogenannten neuen Maßnahmen, die mit den Begriffen Liberalisierung und Privatisierung umschrieben werden, dienen so weniger langfristigen politisch und volkswirtschaftlich sinnvollen Perspektiven als vielmehr der kurzfristigen Deckung von Haushaltslöchern. Dies ist und kann nur Stückwerk sein, typisch für viele Politikbereiche der jetzigen Bundesregierung. Sie macht keine perspektivische Postpolitik, sondern verliert sich vielmehr in unklaren Handlungen unter dem einseitigen Diktat des Finanzministers, die uns auf Dauer teuer zu stehen kommen.
Ziel des künftigen ordnungspolitischen Rahmens des Postgesetzes muß in jedem Fall die Aufrechterhaltung einer modernen und flächendeckenden Infrastruktur sein, also eines quantitativ und qualitativ hochwertigen Universaldienstes, wie er in Art. 87f GG vorgeschrieben ist. Die Versorgung mit hochwertigen
Eike Hovermann
Dienstleistungen der Post AG darf nicht nur in Ballungszentren, sondern muß auch in ländlichen Gebieten gewährleistet sein.
Die Agenturen und Briefträger mit sogenannter erweiterter Annahmebefugnis werden in keiner Weise eine gut geführte Postfiliale ersetzen können. Wenn diese Entwicklung so fortschreitet, wird auch das Prinzip der Erreichbarkeit innerhalb eines Radius von zwei Kilometern fallen.
Herr Minister, ein Filialkonzept - wie versprochen - ist eine erste Pflichtaufgabe. Dies setzt einen sinnvollen Kooperationsvertrag voraus. Beides fehlt. Die Regierung ist in der Pflicht. Wir werden uns widersetzen, wenn sie Ihre Pflicht nicht wie versprochen ausfüllt. Ein Jahr ist noch genügend Zeit, Herr Minister, die Dellen in Ihrer postalischen Vergangenheit auszubeulen.
Schönen Dank.