Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich auf zwei Themen, auf das Wohngelddebakel und auf die Hauptstadtplanung, konzentrieren, obwohl wir eigentlich sehr viele haben.
Zum Wohngeld: Herr Töpfer, ich muß leider in dieselbe Kerbe hauen wie Herr Großmann.
- Ja, natürlich, Herr Reschke. Ich denke, da sind wir uns einig.
Ich habe zufällig einen noch nicht abgehefteten Artikel vom 27. März - wie kurz ist das her -, in dem Sie anläßlich der Verabschiedung des Wohngeld- und Mietenberichts im Kabinett der Presse gegenüber deutlich erklärt haben, und zwar zum wiederholten Mal - wir haben schon die anderen Beispiele bekommen -, daß die Wohngeldansätze den seit 1990 gestiegenen Mieten angepaßt werden müssen.
- Ja, ja. Wir wissen das, ich wollte nur noch einmal deutlich darauf hinweisen.
30 Prozent Mietenanstieg seit 1990, das heißt: Wohngeldsteigerung um 30 Prozent. Sie haben selbst ausrechnen lassen, daß das auf Bundesebene allein eigentlich 1,8 Milliarden DM kosten würde. Doch jetzt haben Sie ein Wohngeldüberleitungsgesetz Ost vorgelegt, das Wohngeldsenkungen für den Osten verspricht, und Sie haben den Etatansatz 1997 mit 3,08 Milliarden DM vorgelegt, bei dem noch nicht einmal der Wohngeldbedarf von 1996 - 3,3 Milliarden DM - abgedeckt ist, geschweige denn irgendeine Form von Wohngeldnovelle.
Franziska Eichstädt-Bohlig
Herr Großmann hat gesagt - auch mir fällt dafür kein anderes Wort ein -: Das ist ein ungeheuerlicher Wortbruch gegenüber den betroffenen Mietern.
Wie können Sie das 3 Millionen Menschen, die sich auf dieses Versprechen Monat für Monat verlassen und darauf warten, daß endlich etwas passiert, antun?
Ich möchte noch eines sagen, weil ich denke, daß es für diese Debatte sehr wichtig ist: Gleichzeitig ist das der Offenbarungseid der bisherigen Wohnungspolitik. Seit Jahren haben Sie darauf gesetzt, die Verlagerung von der Objektförderung auf die Subjektförderung vorzunehmen. Sie haben gesagt: Wenn die Mieten steigen, werden wir das wegsubventionieren. Die sozialen Folgen sollten über das Wohngeld kompensiert werden.
Alle gesellschaftlichen Kräfte haben sich darauf verlassen: der Mieterbund, die Mietervereinigungen und die freie wie die ehemals gemeinwirtschaftliche Wohnungswirtschaft. Alle haben sich darauf verlassen, daß das so funktionieren wird. Es ist ja auch relativ einfach; denn wenn Vater Staat alles wegsubventioniert, können sich die gesellschaftlichen Kräfte relativ einfach zurücklehnen.
Wir haben schon immer gesagt, daß wir das Wohngeld als zweites Standbein brauchen, daß wir aber auf keinen Fall die Abhängigkeit vom Wohngeld erhöhen dürfen und daß alle anderen wohnungspolitischen Instrumente so organisiert werden müssen, daß sie nicht mietensteigernd und damit indirekt wohngeldsteigernd, sondern dämpfend wirken.
Was Sie gemacht haben, sage ich in Stichworten. Sie haben die Gemeinwirtschaft abgeschafft und ein Mietrecht mit 20 bis 30 Prozent Mietsteigerungen in drei Jahren eingeführt. Dazu kommen die permanenten Privatisierungen. Das alles sind Instrumente, die den Bestand an preiswerten Wohnungen systematisch abbauen und die Abhängigkeit vom Wohngeld erhöhen.
Wir brauchen dringend einen entschiedenen wohnungspolitischen Kurswechsel. Ich fordere alle Fraktionen auf, daran zu arbeiten; denn das Wohngeld, das wir jetzt verloren haben, werden wir nicht wiederfinden. Wir sind insofern darauf angewiesen, dabei zusammenzuarbeiten.
Ich möchte einen anderen Finanzierungsvorschlag als Herr Großmann machen. Sie wissen, daß ich Schwierigkeiten mit der Eigenheimzulage habe. Ich nenne das ganz konkret. Ich halte das für eine wohnungspolitische Schieflage.
Ich habe folgendes ausgerechnet: Der berühmte Häuslebauer mit einem Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 240 000 DM - das sind netto monatlich 11 000 DM - bekommt in acht Jahren 64 000 DM - das sind monatlich 666 DM - an Subventionen. Ein Wohngeldempfänger, ebenfalls in einem Vierpersonenhaushalt, mit einem Monatseinkommen in Höhe von 2 650 DM bekommt bei einer 900-DM-Monatsmiete 100 DM Wohngeld pro Monat und braucht 54 Jahre, um die gleiche Subvention wie der Häuslebauer zu bekommen. Das ist wohnungspolitisch nicht zu verantworten. Wir müssen das Geld auf die bedürftigen Gruppen konzentrieren.
Ich will die Eigenheimzulage jetzt nicht wegnehmen, aber doch deutlich sagen: Wir brauchen eine Senkung der Einkommensgrenzen bei der Eigenheimzulage. Unserer Meinung nach sollten es maximal 160 000 DM sein. Bei allen, die darüber liegen, muß gekappt werden. Wir müssen den Vorkostenabzug kappen. Ich fordere, daß wie bei Fehlbelegern auch bei den Eigenheimzulageempfängern alle zwei Jahre überprüft wird, ob sie noch berechtigt sind, und dann gekappt wird, wenn sie nicht mehr berechtigt sind. Ich denke, das ist das Mindeste an Fairneß, was Sie den Wohngeldempfängern schuldig sind.
Wir haben es ausgerechnet. Auf diese Art würden Sie allein im Jahr 1997 auf Bundesebene 800 Millionen DM - bei den Ländern noch einmal dasselbe - und mittelfristig 1,5 Milliarden DM bekommen. Ich denke, das ist ein vernünftiger Handlungsspielraum.
Meine Zeit ist kurz. Lassen Sie mich wenigstens einen Satz noch zur Hauptstadtplanung sagen. Herr Kansy, ich sage es ganz deutlich auch in Ihre Richtung, und zwar erst einmal als Bitte. Ich habe im Sommer viel darüber nachgedacht. Zudem habe ich das Problem, daß in meiner Fraktion und in der SPD intensive Kräfte versuchen wollen, den Hauptstadtumzug zu verschieben. Diesen Kollegen, die jetzt leider nicht anwesend sind, und auch den anderen von der SPD kann ich nur deutlich sagen: Die Verschiebung kostet mehr Geld. Da sind wir sicher im selben Boot.
- Danke für Ihren Applaus.
Gleich werden Sie nicht mehr applaudieren.
Ich möchte einen sehr konkreten Vorschlag machen. Ich bitte Sie, ihn sehr ernsthaft zu prüfen. Ich schlage vor, daß der Luisenblock gestrichen wird und daß wir statt dessen die Altbauten instandsetzen und die Flächen, die wir im Altbau und den sonstigen Bauprojekten haben, wirklich optimieren. Damit kann der Tunnel entfallen, der inzwischen wirklich zum Millionengrab wird. Ich wage die Prognose: Das
Franziska Eichstädt-Bohlig
nächste Millionengrab nach dem Schürmannbau wird der Berliner Parlamentstunnel werden.
An diesen Satz werden Sie noch denken, wenn Sie nicht heute die Weichen anders stellen. Mit dieser Maßnahme - wir werden es morgen in der Baukommission besprechen - können wir 300 Millionen DM
- ich sage: 300 Millionen DM! - allein bei der Parlamentsplanung sparen.
Ich bitte Sie, diesen Satz sehr ernst zu nehmen, auch wenn Sie jetzt sagen, das sei „totaler Quatsch".
- Ich weiß, daß da eine Bibliothek drin ist. Auch Bibliotheken kann man in Altbauten unterbringen.
Insofern bitte ich Sie, nicht sofort zu sagen, daß das Quatsch ist. Wenn wir der Bevölkerung so viel Sparmaßnahmen abringen, dann bitte ich Sie, wirklich auch im eigenen Bereich sehr ernsthaft zu prüfen, ob wir nicht auch da sparen sollten. Das, denke ich, wäre ein fairer Deal zwischen dem, was wir den Menschen in Stadt und Land antun, und dem, was wir bei uns selbst machen.
Danke schön.