Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei einem Einzelplan mit einem Volumen von ganzen 1,32 Milliarden DM, also nur 0,3 Prozent des Bundeshaushalts, ist es für mich schwer, überhaupt von einem Umwelthaushalt zu sprechen. Wenn man in Betracht zieht, daß dieser Minihaushalt zu 51 Prozent ein Strahlenschutzhaushalt ist, dann stellt sich die Frage nach der Rolle der Umweltpolitik jenseits von Sonntagsreden, die hier immer gehalten werden.
Selbstverständlich werden die meisten Umweltgesetze auf Landes- und Kommunalebene realisiert. Hier liegen in der Regel die Kompetenzen und, mit Abstrichen, auch entsprechende Haushaltsmittel. Wenn hier immer auf die Länder verwiesen wird, dann muß ich einmal sagen: Geben wir den Ländern auch das Geld dazu, damit sie das ausführen können! Es ist ja nicht so, daß sie das nicht wollten. Solche Dinge mahnt auch die CSU in Bayern an
und im übrigen nicht nur die SPD. Daß Umweltpolitik eine globale und erst recht eine Bundesaufgabe ist, müßte sich wohl auch irgendwo im Bundesetat widerspiegeln.
Der Haushalt des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit soll 1997 um 1,5 Prozent, also um 2 Millionen DM, erhöht werden. Die Planungen vom letzten Jahr sahen allerdings für 1997 ein Plus von 3,5 Prozent, also von 46 Millionen
DM, vor. Schließlich ist der Einzelplan 16 für das laufende Jahr gerade um satte 40 Millionen DM zusammengestrichen worden. Damit kann sich der BMU- Haushalt von dem Genickschlag, der ihm im letzten Jahr verpaßt wurde, kaum erholen.
Bei angespannter Haushaltslage und Reduzierung der Mittel für den eigentlichen Umweltschutz werden nur bei einem Kapitel die Ausgaben angehoben: dem Haushalt des Bundesamtes für Strahlenschutz. Hier fließen zusätzlich 36,2 Millionen DM, 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit fließt jede zweite Mark des Umwelthaushalts in den Bereich der Atomwirtschaft, zum Nutzen der Atomlobby.
Das Bundesamt für Naturschutz muß sich dagegen mit lediglich 1,5 Prozent des Umweltetats abfinden, Das Verhältnis der Etats der Bundesämter für Naturschutz und für Strahlenschutz beträgt damit 1:30.
Gewöhnlich wird an dieser Stelle immer auf die in anderen Einzelplänen versteckten Ausgaben mit umweltverbessernder Wirkung verwiesen, ohne allerdings auf den dem gegenüberstehenden Koloß an Ausgaben mit umweltzerstörender Wirkung einzugehen. Zum Vergleich: Allein für die Erhaltung sowie den Um-, Aus- und Neubau von Bundesautobahnen und Bundesstraßen wird im Verkehrshaushalt das Fünffache des gesamten Umwelthaushalts ausgege ben. 126 Millionen DM werden im Forschungshaushalt für den mit waffenfähigem Plutonium zu betreibenden Forschungsreaktor Garching II allein im nächsten Jahr verpulvert. Dagegen werden im selben Haushalt die Ausgaben zur Förderung der Ökologie, der Umwelttechnologie und der Klimaforschung um 11 Prozent - 42,7 Millionen DM - gekürzt. Ähnlich die Titel „Erneuerbare Energien", „Rationelle Energieanwendung", „Umwandlungs-
und Verbrennungstechnik" : Während die Klimakatastrophe immer näher rückt, streicht die Bundesregierung hier 17,6 Millionen DM. Das sind 11 Prozent weniger für die Zukunft.
Zurück zum Umwelthaushalt: Die Investitionen zur Verminderung der Umweltbelastung sind seit Jahren der große Verlierer im Einzelplan 16. Im Verhältnis zu 1994 reduzieren sie sich um 61 Prozent, im Verhältnis zum Vorjahr um 17 Prozent. Dort, wo tatsächlich Umweltschutz vorangetrieben werden kann, wird also stramm gekürzt.
Für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes - wohl eindeutig eine Bundesaufgabe - stehen im Umwelthaushalt neben den Beiträgen für internationale Organisationen lediglich 4,7 Millionen DM bereit. Dagegen kann die Bundesregierung im Verkehrsetat trotz aller globalen Umweltprobleme locker 300 Millionen DM allein für den Grunderwerb zum Bau neuer umweltzerstörender Autobahnen ausgeben.
Im übernächsten Jahr soll der Umwelthaushalt wiederum um knapp 4 Prozent sinken. Der Widerspruch zwischen den salbungsvollen Worten, mit denen Frau Merkel regelmäßig die Umweltpolitik der Bundesregierung anpreist, und den realen finanziellen Grundlagen, auf denen die Bundesumweltpolitik steht, wird immer größer. Natürlich, Um-
Eva Bulling-Schröter
weltpolitik findet nicht nur über den BMU-Haushalt statt. Trotzdem: Das Volumen und die Struktur dieses Einzelplans sind deshalb nicht im geringsten in der Lage, Impulse zum Umsteuern in eine ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Gesellschaft zu leisten.
Aber wie könnte er auch? In einem System, in dem Wettbewerb und immer höhere Gewinne - jetzt wird es wirklich vulgärmarxistisch, wie Sie es nennen würden - natürlich über allem stehen, gibt es viele Gründe für Wachstum und Naturverschwendung, für mehr Verkehr und immer schnellere Produktzyklen. Das sind allesamt Dinge, die für eine tatsächlich nachhaltige Wirtschaftsweise Gift und Galle sind, wie Elmar Altvater, aber auch Weizsäcker immer wieder betonen. Deshalb taugt dieser BMU-Haushalt nur als Feigenblatt.