Dieser „Signalhaushalt" Umwelt macht ungefähr 2,9 Prozent des Haushaltes für Verkehr, ungefähr 2,8 Prozent des Einzelplanes Verteidigung und ungefähr 1,5 Prozent des Schuldendienstes insgesamt aus. Damit zeigt sich ganz deutlich, daß dieser Haushalt, der Einzelplan Umwelt, tatsächlich nur eine Portokasse und nichts weiter ist.
Das ist ein Grund, bei der Diskussion nicht nur bei diesem Haushalt zu bleiben. Vielmehr muß man deutlich machen, daß sich Umweltpolitik insgesamt eben nicht auf dieses Ressort reduzieren lassen darf. Das gilt auch und gerade für den Umweltschutz. Denn wenn man über eine zukunftsfähige Gesellschaft spricht, die nicht permanent ihre Lebensgrundlagen zerstört, auf die wir angewiesen sind, dann muß man als Umweltpolitiker über Finanzpolitik, über Steuerpolitik, über Wirtschaftspolitik, über
Energie- und Verkehrspolitik und über Landwirtschaftspolitik reden.
Von Frau Merkel kamen am Anfang - später dann nicht mehr - sehr vorsichtige Worte in diese Richtung. Aber wenn es dann konkret wird,
wenn sie tatsächlich die einzelnen anstehenden Projekte in diesem Bereich ansprechen müßte, dann kommt erst einmal nichts. Dann läßt sie sich wieder mit den Brosamen, die vom immer noch reich gedeckten Tisch abfallen, abspeisen und hockt wie ein Aschenputtel am Herd.
- Ich werde gleich Beispiele dazu bringen.
Hilfsweise versucht sie es dann - quasi mit „Bitte, bitte!" - bei der Industrie mit sogenannten Selbstverpflichtungen, aber ohne ihren Aufforderungen Gewicht verleihen zu können, weil sie eben in diesem Kabinett auf das Abstellgleis geschoben ist.
Die Umweltpolitiker von heute müssen endlich heraus aus dieser Aschenputtelrolle; sie müssen hinein in die „harte" Politik. Wir müssen uns in unserem Lande dort einmischen, wo tatsächlich etwas passiert und wo auch jetzt schon etwas entschieden wird. Ich möchte dazu einige Beispiele nennen, Beispiele, zu denen Frau Merkel kein einziges Wort gesagt hat.
Erstes Beispiel: Am 25. September soll im Kabinett die Novelle zum Energiewirtschaftsgesetz beschlossen werden. Wie die Wirtschaft und eine Gesellschaft mit Energie umgehen, ist außerordentlich wichtig. Das zeigt, welches Verhältnis die Gesellschaft zur Umwelt und zum Umweltschutz hat. Rexrodts einziges Ziel ist die Senkung der Energiepreise für die Industrie. Bei der längst überfälligen Neuordnung der Energieversorgungsstruktur, so wie sie jetzt geplant ist, fällt der Umweltschutz völlig hinten herunter. Die Grünen haben ein Gegenmodell vorgeschlagen. In ihm wird dargelegt, wie man Umweltschutz und Wettbewerb zusammen zum Erfolg führen kann. Ich weiß, daß im Umweltministerium in eine ähnliche Richtung gedacht wird und daß dort verschiedene Gutachten auf dem Tisch liegen. Ich frage: Habe ich heute dazu ein einziges Wort von der Umweltministerin gehört? Hat sie gesagt, daß dann, wenn wir uns an die Neustrukturierung der Energiewirtschaft machen, die Umweltpolitiker und das Umweltministerium ein Wort mitreden? Nein, sie schweigt, wieder einmal.
Ähnlich verhält es sich - das ist heute mehrmals erwähnt worden - mit der Ökosteuer. Wenn sich Waigel hinstellt und heute, aber auch in seinem „Heute"-Interview sagt, daß die entscheidende Frage eben nicht die Senkung der Einkommensteuer ist, sondern die, ob wir die Finanzierung des Sozialsystems von den direkten auf die indirekten Steuern verlagern, dann müssen doch die Umweltpolitiker aufstehen und sagen: Wir lassen uns von der F.D.P.
Michaele Hustedt
nicht mehr diese populistische Debatte über eine Senkung der Steuersätze aufzwingen.
Genau das ist die Frage. Es gibt zwei Varianten, nämlich die Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie die CDU es will, oder die ökologische Steuerreform. Auch da werden indirekte Steuern tangiert. Dies muß eine Umweltpolitikerin - das sagen wir; das hat Frau Matthäus-Maier gesagt; das hat Oswald Metzger gesagt; das betone auch ich hier noch einmal ganz deutlich - in dieser Zeit klarstellen. Wenn man das nicht tut, ist der oftmals erhobene Anspruch, daß Nachhaltigkeit eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft sei, nicht mehr das Papier wert, auf dem er geschrieben steht.
Wenn man über Verkehr redet, muß man als Umweltpolitiker doch einmal Bilanz ziehen.
- Das kommt eben nicht anschließend. Das Prinzip unserer Umweltpolitik ist nämlich ein anderes: Wir lassen uns nicht auf das Ressort des Umweltministeriums, auf die Aschenputtelrolle reduzieren; wir geben uns nicht mit den Brosamen zufrieden.
Bei einer solchen Bilanz muß man feststellen: 1995 wurden für die Bahn noch 9,9 Milliarden DM eingeplant, für den Straßenbau auch 9,9 Milliarden. 1996 waren es 7,7 Milliarden für die Bahn, für den Straßenbau 10,1 Milliarden. 1997 werden es 7,2 Milliarden für die Bahn und für den Straßenbau immer noch 10,1 Milliarden sein. Da muß man als Umweltpolitiker deutlich sagen: Diese Verschiebung - wieder einmal - zugunsten der Straße und zu Lasten der Bahn machen wir nicht mit. Wir brauchen die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene.
Das alles sind nur einige Beispiele für das, was man hier ansprechen muß und wozu man nicht schweigen darf. Aschenputtel wartet, wie gesagt, auf die Fee und auf den Prinzen. Vielleicht wird für Frau Merkel ja ein solcher Prinz kommen und sie in ein anderes Ressort versetzen. Für die Umweltpolitik aber wird es keine Fee geben, die güldene Gewänder, glänzende Schuhe und prächtige Kutschen anbietet. Ebenfalls wird kein Prinz kommen, der sie holt und in das Schloß entführt. Wenn sich Umweltpolitik auf die Aschenputtelrolle reduzieren läßt und sich mit Brosamen begnügt, wird sie nichts bewegen. Denn in der Realität geht es nicht so aus wie im Märchen, wo gilt: Ende gut, alles gut. Aschenputtel Umweltschutz muß endlich die Kraft finden, sich in die „harten" Ressorts einzumischen und dort die nachhaltige Wirtschaftsweise durchsetzen.
Danke.