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ID1312000200

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    Plenarprotokoll 13/120 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 120. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. September 1996 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Hansjürgen Doss 10701 A Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5201) 10701 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 10701 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 10701 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 10711 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 10719 C Hans-Peter Repnik CDU/CSU 10720 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10725 B Dr. Wolfgang Weng (Gerungen) F.D.P. . 10729 A Dr. Barbara Höll PDS 10735 B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 10737 B Detlev von Larcher SPD 10741 C Dankward Buwitt CDU/CSU 10744 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 10746 B Wilfried Seibel CDU/CSU 10747 B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 10748 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 10751 C Arnulf Kriedner CDU/CSU 10753 B Ingrid Matthäus-Maier SPD . 10753 D, 10766 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10755 B Birgit Homburger F.D.P. 10756 C Eva Bulling-Schröter PDS 10758 B Eckart Kuhlwein SPD 10759 A Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 10761 B Horst Kubatschka SPD 10763 B Hans Georg Wagner SPD 10763 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 10766 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10767 A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10769 B Matthias Wissmann CDU/CSU 10770 A, 10776 A Horst Friedrich F.D.P. 10771 B Dr. Winfried Wolf PDS 10772 D Elke Ferner SPD 10773 D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 10776 D Achim Großmann SPD 10779 C Gert Willner CDU/CSU 10781 C Norbert Formanski SPD 10782 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10784 C Jürgen Koppelin F.D.P 10786 B Otto Reschke SPD 10787 D Klaus-Jürgen Warnick PDS 10788 C Dieter Maaß (Herne) SPD 10789 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 10790 D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 10791 C Hans Martin Bury SPD 10793 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 10795 A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10797 B Dr. Max Stadler F.D.P. 10798 C Gerhard Jüttemann PDS 10800 A Eike Hovermann SPD 10801 A Nächste Sitzung 10803 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10805* 120. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. September 1996 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 10. 9. 96 Augustin, Anneliese CDU/CSU 10. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 10. 9. 96 * Berninger, Matthias BÜNDNIS 10. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Borchert, Jochen CDU/CSU 10. 9. 96 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 10. 9. 96 Herta Duve, Freimut SPD 10. 9. 96 Gansel, Norbert SPD 10. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 10. 9. 96 Dr. Glotz, Peter SPD 10. 9. 96 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kanther, Manfred CDU/CSU 10. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 10. 9. 96 Dr. Lucyga, Christine SPD 10. 9. 96 * Matschie, Christoph SPD 10. 9. 96 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 9. 96 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 10. 9. 96 Hermann Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 10. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Verheugen, Günter SPD 10. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 10. 9. 96 Karsten D. Wallow, Hans SPD 10. 9. 96 Dr. Zöpel, Christoph SPD 10. 9. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstmals seit vielen Jahren kann der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helmut Wieczorek, heute nicht bei uns sein. Nach seiner schweren Erkrankung befindet er sich auf dem Wege der Genesung. Ich wünsche ihm - ich darf wohl sagen: wir wünschen ihm - alles Gute und hoffe, ihn bald wieder in unserem Kreise zu sehen.

    (Beifall)

    Meine Damen und Herren, im sechsten Jahr nach der deutschen Einheit haben wir zentrale finanzpolitische Aufgaben gelöst und die Weichen für das nächste Jahrzehnt gestellt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist aber lustig!)

    - Lustig war nur das Ergebnis Ihrer Wahl zum Fraktionsvorsitzenden, Herr Fischer. Bei einem solchen Ergebnis würde ich mich schämen und an der darauffolgenden Debatte nicht mehr teilnehmen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie wären doch froh, wenn Sie ein solches Ergebnis hätten, mein Lieber! Wie heißt denn der bayerische Ministerpräsident? Edmund oder Theo? Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Hier muß sich nur einer schämen!)

    Seit 1989 haben sich die Rahmenbedingungen für die Finanzpolitik nicht nur im nationalen Maßstab grundlegend verändert. Mit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs sind neue Märkte entstanden. Neue Chancen für den Standort Deutschland sind die Folge. Zugleich entsteht aber eine neue Konkurrenz, die zum Beispiel bei den Lohnkosten und bei den Steuern sehr günstige Standortbedingungen anbieten kann. Gleichzeitig nehmen mit der Verbreitung moderner Kommunikationstechnologie die Globalisierung und die Konkurrenz auf den Weltmärkten zu.
    Der Standort Deutschland hat hier Pfunde, mit denen er wuchern kann. Er hat aber auch gravierende Mängel: bei den Steuersätzen, bei den Arbeitskosten und bei der Arbeitszeit. Wir müssen uns wie der Sachverständigenrat in seinem letzten Jahresgutachten fragen, warum die Auslandsinvestitionen in Deutschland so niedrig liegen; in dem Land, das die kürzesten Wege zu den sich entwickelnden Märkten in Mittel- und Osteuropa und viele andere Standort-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    vorteile hat. Hier etwas zu ändern ist die Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen.
    Auch in der Haushalts- und Steuerpolitik stehen wir einmal mehr vor schwierigen Herausforderungen. Ohne Wachstum, ohne Investitionen in neue Märkte und Produkte, in der Industrie und im Dienstleistungssektor, gibt es keine neuen Arbeitsplätze.
    Mit dem Haushaltsentwurf 1997, dem Finanzplan 1996 bis 2000 und dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung verfolgen wir unsere stabilitätsorientierte Finanzpolitik. Zugleich werden damit die Voraussetzungen für die Einhaltung der Maastricht-Kriterien im entscheidenden Jahr 1997 geschaffen. Nachhaltiges und spannungsfreies Wachstum ist nur durch eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik zu erreichen. Zur Konsolidierung, zur Senkung der Staatsquote sowie zur Rückführung der öffentlichen Defizite und der Steuerlast gibt es deshalb keine ökonomisch vernünftige Alternative.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das Sparen von heute bestimmt die Zukunft. Nur wer heute spart, kann in der Zukunft investieren. Die Frage der Ersparnisbildung, national und international, bestimmt immer stärker auch die internationale Finanzpolitik. Das ist die Botschaft der G 7 und der G 10, und dies bestätigen alle nationalen und internationalen Experten und Institutionen: die Europäische Kommission, der Internationale Währungsfonds und die OECD, die in ihrem in der letzten Woche veröffentlichten Deutschland-Bericht die Konzeption der Finanzpolitik der Bundesregierung nachdrücklich unterstützt.
    Hier, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Sie genau zuhören und nachlesen, was die OECD gesagt hat. Sie mahnt nämlich die vollständige Umsetzung der Spargesetze und Strukturreformen an.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Sie verweist - sehr ungewöhnlich für einen Bericht der OECD - auf den Bundesrat. Ich hoffe, daß diese Botschaft bei Ihnen und bei den SPD-regierten Ländern endlich ankommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Statt dessen werden wir von Ihnen wahrscheinlich wieder einmal etwas über vermeintliche soziale Schieflagen beim Haushalt und bei der Steuerpolitik, über Haushaltslöcher und angebliche internationale Versäumnisse hören. Sie werden auch Mehrausgaben unter anderem für die neuen Länder und für die Forschung fordern, ohne daß Sie etwas zur Deckung sagen. Selbst vor weiteren Steuererhöhungen - bei der Vermögensteuer und beim Solidaritätszuschlag - schrecken Sie nicht zurück. Nur: Über die Maßnahmen, die unter den veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Wiedergewinnung von Wachstum und Beschäftigung notwendig sind, schweigen Sie sich aus.
    Das Wachstum zieht jetzt wieder an. Im zweiten Quartal 1996 ist die Wirtschaft saisonbereinigt um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen. Die Konjunktur faßt wieder Tritt, die Produktion steigt. Die Abschwächung der Kapazitätsauslastung ist beendet, und das Geschäftsklima hat sich deutlich verbessert. Die Auslandsaufträge entwickeln sich stabil, die Inlandsaufträge nahmen zuletzt wieder zu.
    Die noch vor wenigen Wochen prognostizierte reale Wachstumsrate von dreiviertel Prozent für das BIP des Jahres 1996 dürfte nach den letzten Ergebnissen nun doch übertroffen werden. Eine Wachstumsrate von real 1 Prozent scheint jetzt für 1996 erreichbar. Auch die Wachstumsannahmen für das Jahr 1997 von real 2 bis 2,5 Prozent stehen auf festem Grund.
    Wir nehmen hier nicht einfach etwas an, sondern das ist das, was uns die nationalen und internationalen Experten zu dem Thema prognostizieren.
    Die Aufwertung der D-Mark hat sich weitgehend zurückgebildet, die Lohnrunde war von großem Realitätssinn geprägt, und mit den Steuerentlastungen 1996 sowie dem Wegfall des Kohlepfennigs haben wir den Verbrauch gestärkt.
    Als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für Wiederaufbau kenne ich die Entwicklung bei den Investitionskrediten. Die Bank hat dieses Jahr bereits rund 25 Milliarden DM an Investitionskrediten zugesagt, fast soviel wie im gesamten letzten Jahr. Beim Mittelstand ist die Nachfrage um die Hälfte höher als im vergangenen Jahr. Damit werden mehr als 500 000 Arbeitsplätze gesichert und 44 000 neue geschaffen.
    Die Voraussetzungen für einen Aufschwung sind auch auf der Preisseite gegeben. Das Ziel der Preisniveaustabilität ist weitgehend erreicht. Der Preisindex für die private Lebenshaltung sank im August im Vergleich zum Vormonat Juli um 0,1 Prozent; im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg des Verbraucherpreisniveaus zuletzt 1,4 Prozent. Das sind Entwicklungen, die wir seit 1988 nicht gekannt haben. Blickt man weiter zurück, muß man lange suchen, um ähnliche Werte zu finden. Erst 1968 wird man fündig; damals betrug die Preissteigerungsrate bei den Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahr 1,6 Prozent.
    Gefahren für die Preisstabilität sind nicht in Sicht. Dies hat Bundesbankpräsident Tietmeyer anläßlich der kürzlich erfolgten Senkung des dritten Leitzinses noch einmal hervorgehoben.
    Niedrige Preise und niedrige Zinsen sind nicht nur eine Voraussetzung für Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze, sondern ein Schlüsselelement sozialer Gerechtigkeit. Dies ist ein Verdienst der Deutschen Bundesbank und ihrer konsequenten, stabilitätsorientierten Geldpolitik. Hier hat die Bundesbank in vielen Jahren ein großes Vertrauenskapital geschaffen, von dem wir alle zehren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD] und der Abg. Dr. Konstanze Wegner [SPD])


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Nur: Ohne eine strikte, auf Konsolidierung gerichtete Finanzpolitik wäre gleichwohl der Spielraum der Bundesbank erheblich kleiner. Niedrige Preise und Zinsen sind daher auch ein Erfolg der Finanzpolitik dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Aufschwung beginnt erst. Er muß noch an Dynamik gewinnen.

    (Lachen bei der SPD)

    - Wollen Sie die Zahlen, die ich vorher genannt habe, bestreiten? Oder freuen Sie sich nicht auch über diese Entwicklung?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch! Doch!)

    Wir sind jedenfalls froh darüber und werden die Voraussetzungen dafür sichern. Hätten Sie sich der Steuer- und Finanzpolitik in den letzten Jahren nicht verweigert, hätten Sie sie im Bundesrat nicht blokkiert, hätten Sie nicht die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer verhindert, wären wir schon weiter.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)

    Bereits seit Anfang des Jahres hätte die arbeitsplatzvernichtende Gewerbekapitalsteuer Geschichte sein können. Sie von der SPD haben es nicht gewollt; Sie haben der Konjunktur diesen wichtigen zusätzlichen Impuls versagt. Zur notwendigen Konsolidierung auch ihrer Haushalte hätten die von der SPD regierten Länder das Sparpaket eigentlich passieren lassen müssen. Zusätzlich hätten sie mit einem gemeinsamen Konsolidierungskonzept ein Signal für sinkende Defizite setzen und damit der Konjunktur weitere Impulse geben können. Statt dessen wurden einsichtige SPD-Länderchefs Opfer der Konfrontationsstrategie des Parteichefs und Ministerpräsidenten des Saarlandes Oskar Lafontaine.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, eine gemeinsame Einsparliste der Länder schrumpfte binnen Tagen von fast 40 Milliarden DM auf null. Es ist schon ein starkes Stück, auf Bundesebene große Töne zu spucken und sich um den Haushalt und die Finanzpolitik seines eigenen Landes nach dem Motto „Das wird schon der Bund richten und dafür die Gelder bereitstellen" überhaupt nicht mehr zu kümmern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie ist das in Berlin?)

    Bei seinen Haushaltsplanungen ist der Bund auf die Einschätzung der künftigen konjunkturellen Entwicklung angewiesen.

    (Hans Klein [München] [CDU/CSU], zu Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Das kannst Du nicht vergleichen! Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt aber nicht!)

    Dazu bedient er sich der Expertise von Fachleuten wie der Forschungsinstitute oder unabhängiger Gremien wie bei der Steuerschätzung. Auch diese Prognosen treffen nicht immer die Realität. Damit muß jeder Finanzminister leben, auch die der Länder.
    Im laufenden Haushalt 1996 zeigt sich noch der Einfluß der jetzt beendeten Wachstumspause. Für den Bund ergeben sich dadurch Steuermindereinnahmen und unabweisbare Mehrausgaben auf dem Arbeitsmarkt. Die geplante Nettokreditaufnahme von 59 Milliarden DM wird daher nicht ausreichen. Die Steuerschätzung im Mai 1996 hat für den Bund ein Minus von 11,8 Milliarden DM ergeben. Dem steht eine geringere Abführung an die Europäische Union von rund 3,5 Milliarden DM gegenüber.
    Auf dem Arbeitsmarkt müssen wir, entgegen den ursprünglichen Schätzungen, im Jahresdurchschnitt mit erheblich mehr Arbeitslosen als angenommen rechnen. Ich habe daher den Anträgen des Bundesministers für Arbeit auf überplanmäßige Ausgaben in Höhe von 12,5 Milliarden DM zugestimmt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aha!)

    Die Bundesanstalt für Arbeit ist wie wir alle weiterhin in der Pflicht, alle Einsparmöglichkeiten zu nutzen.
    Der Haushalt 1996 würde allerdings deutlich besser dastehen, wenn die SPD unsere Reform- und Spargesetzentwürfe im Bundesrat nicht verzögert oder ganz bzw. teilweise verhindert hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben 1993 und im Wahljahr 1994 sehr unangenehme und schmerzhafte Einsparvorschläge, was die originäre Arbeitslosenhilfe und ähnliches mehr anbelangt, in Form von Gesetzentwürfen vorgelegt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und die Vermögensteuer wollt ihr abschaffen!)

    Hätten Sie diese mitgetragen, stünde jetzt allein der Bund um 6 Milliarden DM besser da. Dafür, daß dies nicht geschehen ist, tragen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die alleinige Verantwortung.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Unsere Gesetzesvorschläge seit 1993 beinhalteten Maßnahmen zur Sicherung des Haushalts. Das sollte jeder wissen, der über ein Haushaltssicherungsgesetz spricht.
    Mit der von mir bereits im März verhängten Haushaltssperre haben wir durch Ressortvereinbarungen schon 5 Milliarden DM eingespart. Entlastungen im Haushalt 1996 gibt es auch durch höhere Verwaltungseinnahmen und geringere Ausgaben für Gewährleistungen, für Zinsen und für die BvS.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Ich werde alles daransetzen, gemeinsam mit dem Haushaltsausschuß und den Politikern der Koalition, die Nettokreditaufnahme 1996 unter 70 Milliarden DM zu halten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich denke, 60 Milliarden!)

    - Ich habe vorher gesagt, daß wir die Nettokreditaufnahme in Höhe von 59 Milliarden DM nicht einhalten können. Dies ist auf Grund der Ereignisse und der neuen Schätzungen bezüglich des Arbeitsmarkts und der Steuermindereinnahmen unabweisbar. Die überplanmäßige Ausgabe habe ich absichtlich in der letzten Woche genehmigt und nicht in der Haushaltswoche; so können Sie dies gleich jetzt kritisieren. Wir haben nichts zu verbergen, meine Damen und Herren. Im übrigen haben Sie keine anderen Einschätzungen gehabt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Was?)

    Meine Damen und Herren, wie kann man eigentlich höhere Ausgaben des Bundes beklagen, wenn man selber für Einsparungen keine Sorge trägt, sie nicht mitträgt und sogar noch höhere Ausgaben verlangt? Das ist Ihre falsche Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie blockieren und verzögern seit Jahr und Tag Einsparungen in Milliardenhöhe. Jetzt hoffen Sie, die Verschiebung der Kindergelderhöhung und andere Elemente der Sparpakete zu Fall bringen zu können. Anschließend zeigen Sie dann mit dem Finger auf den Finanzminister und werfen ihm die Haushaltslücke vor. Ich bezeichne ein solches Verhalten als heuchlerisch und unehrlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wie können Sie hier im übrigen Sparpläne kritisieren, wenn in Ländern, in denen die SPD Regierungsverantwortung trägt, ähnlich einschneidende Maßnahmen erfolgen? In Niedersachsen gibt es massive Kürzungen im sozialen Bereich. In Berlin baut die sozialdemokratische Finanzsenatorin Fugmann-Heesing Sozialleistungen ab. Die Preise für Theaterkarten und Kindertagesstätten werden angehoben. In Magdeburg geht es um die Drosselung von Leistungen, die bisher als rot-grüne Reformprojekte angepriesen wurden: Die tarifliche Gleichstellung der Lehrer mit ihren Westkollegen wird auf 1999 vertagt; Zuweisungen für Kommunen und Subventionen für Kindertagesstätten sollen gekürzt werden.
    Meine Damen und Herren, ich kritisiere das nicht. Diese Maßnahmen sind wahrscheinlich notwendig. Ich frage mich nur: Wie kommen Sie eigentlich dazu, uns hier eine soziale Schieflage vorzuwerfen, wenn Sie dort, wo Sie Regierungsverantwortung tragen, ebenfalls Einsparungen vornehmen? Dies ist ein Doppelspiel, das Sie hier betreiben wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jetzt fordert die SPD die Vorlage eines Ergänzungshaushalts zum Bundeshaushaltsplan 1997. Hierbei handelt es sich um ein durchsichtiges und unnötiges Manöver. In einschlägigen Kommentierungen zu § 32 Bundeshaushaltsordnung wird bei der Notwendigkeit der Anpassung des Haushaltsentwurfs eine Unterrichtung des Haushaltsausschusses regelmäßig für ausreichend angesehen.
    Wir werden die Eckwerte des Haushalts 1997 einhalten. Das Sparpaket werden wir verabschieden. Die durch neue volkswirtschaftliche Daten notwendige Anpassung des Entwurfs werden wir im parlamentarischen Verfahren vornehmen. Risiken gibt es auf dem Arbeitsmarkt. Wir wollen an einem Bundeszuschuß von null an die Bundesanstalt für Arbeit festhalten. Dafür sind gegebenenfalls weitere Sparmaßnahmen auch bei der Bundesanstalt notwendig.
    Die Eckwerte des Haushalts 1997 und des Finanzplans bis 2000 spiegeln die Konsolidierungsschritte der letzten Jahre wider. Die gesamten Ausgaben belaufen sich für 1997 auf 440 Milliarden DM gegenüber 451 Milliarden DM im laufenden Haushaltsjahr. Dies bedeutet einen Ausgabenrückgang um 2,5 Prozent.
    Erneut durchbrechen wir das Wagnersche Gesetz vom vermeintlichen unaufhaltsamen Anstieg der Staatsausgaben. Von einer Ausgabensteigerung in Höhe von 2,4 Prozent, die der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen seiner rot-grünen Koalition offenbar genehmigen mußte, sind wir weit entfernt. Mittelfristig wird der Ausgabenanstieg konsequent begrenzt. Die durchschnittliche jährliche Steigerungsrate im Finanzplanungszeitraum beträgt knapp 1 Prozent. Auch der jahresdurchschnittliche Zuwachs der Ausgaben im Zeitraum 1993 bis 2000 beträgt knapp 1 Prozent. Zum Vergleich: Die durchschnittliche jährliche Ausgabenzuwachsrate im Zeitraum 1969 bis 1982 betrug 8,74 Prozent - neunmal soviel. Seit 1993 ist das Ausgabenniveau des Haushalts nominal unverändert.
    1993 betrug das Haushaltsvolumen 457,5 Milliarden DM. Schriebe man das Kindergeld als Ausgabe fort, betrüge das Haushaltsvolumen 1997 etwa 460 Milliarden DM. Deflationiert man den Bundeshaushalt 1997 über die Jahre mit der Preissteigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts, zeigt sich: Der Haushalt 1997 hat in realer Rechnung das niedrigste Volumen seit 1989.
    Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt beträgt 1997 12,5 Prozent. Das entspricht dem bisherigen Tiefstand im Jahre 1954. Bis zum Jahre 2000 sinkt der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt sogar auf 11,7 Prozent.
    Der neue Finanzplan weist 1997 bis 1999 fast 65 Milliarden DM weniger an Ausgaben auf als in der alten Planung vorgesehen. Die Nettokreditaufnahme wird 1997 mit 56,5 Milliarden DM zwar gegenüber der alten Finanzplanung um rund 7 Milliarden DM steigen, ist aber gegenüber dem Soll von 1996 rückläufig.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und wie hoch wird sie wirklich?)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    - Ich habe gesagt, daß wir die Eckwerte, gerade was die Nettokreditaufnahme 1997, einem entscheidenden Jahr, angeht, festlegen und sie auch einhalten.

    (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, angesichts der schwierigen haushaltswirtschaftlichen Ausgangslage gibt es zum Sparkurs 1997 keine Alternative. Der Bundeshaushalt 1997 muß neben den Konjunktureffekten auf der Einnahmen- und Ausgabenseite erhebliche Belastungen aus den Vorjahren ausgleichen. Der Bund trägt den Hauptteil der mit der Herstellung der staatlichen Einheit verknüpften Finanzierungsaufgaben. Neben den weiterhin hohen Transferleistungen an die neuen Bundesländer erfordern die Erblasten jährlich fast 37 Milliarden DM an Zinsen. Das ist mehr als ein Drittel der Zinslasten von insgesamt rund 94 Milliarden DM.
    Mit 25 Milliarden DM leistet der Bund einen erheblichen Beitrag zum bundesstaatlichen Finanzausgleich. Daneben sind die seit Jahresbeginn wirkenden Entlastungen aus dem Wegfall des Kohlepfennigs sowie die Verbesserungen beim Existenzminimum und beim Familienleistungsausgleich zu verkraften.
    Um trotz dieser Belastungen die stabilitätsorientierte und vertrauensbewahrende Finanzpolitik fortzusetzen, ist das im Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung enthaltene Sparpaket für den Haushalt 1997 unverzichtbar. Wohlgemerkt: Trotz der Bezeichnung Sparpaket ist das Programm kein buchhalterisches Konzept. Es ist ein notwendiger Bestandteil dringend erforderlicher Strukturreformen für den Standort Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der im Wachstumsprogramm als Zielgröße genannte Konsolidierungsbeitrag für den Bund von 25 Milliarden DM wird mit den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzen zur Umsetzung des Wachstumsprogramms und mit dem Haushaltsentwurf 1997 erreicht.
    Ich appelliere noch einmal an die Länder: Sie müssen sich endlich zu einer gemeinsamen Konsolidierungslinie aufraffen und ihren Beitrag zum gesamtstaatlichen Konsolidierungsziel leisten. Die Sparvorschläge der Unions-Finanzminister bilden hierfür eine gute Basis. Es genügt nicht, Grundsatzerklärungen über die gesamtstaatlich notwendigen Sparzwänge abzugeben, sich gemeinsamen Sparbeschlüssen im Rahmen eines nationalen Stabilitätspaktes aber zu verweigern.
    Die Opposition beschränkt sich darauf, unser Programm mit populistischen wie falschen Vorwürfen in Richtung eines vermeintlich sozialfeindlichen Kaputtsparens öffentlich zu diffamieren. Nur, meine Damen und Herren: Was einzelne SPD-Politiker manchmal offen und manchmal hinter vorgehaltener Hand sagen, steht im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu dem, was sie hier aufführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bremens Bürgermeister Henning Scherf warnte Oskar Lafontaine laut eines Berichtes der „Süddeutschen Zeitung" vom 21. August in einem Brief vor einer Totalopposition beim Streit um das Sparpaket. In der August-Ausgabe der Zeitschrift „Der Selbständige" schrieb Klaus von Dohnanyi:
    Die Bundesregierung ist im Prinzip auf dem richtigen Weg. Es ist höchste Zeit, den gemeinsam erkannten Sparwillen jetzt in die politische Tat umzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Recht hat er!)

    Der Schwerpunkt der Konsolidierung liegt im konsumtiven Bereich. Der Bundeshaushalt wird vor allem bei den Sozialausgaben, den Personalausgaben und den nicht-investiven Programmausgaben entlastet. Die Investitionen konnten weitgehend geschont werden. So erreicht die Investitionsquote des Haushalts 1997 mit knapp 13,8 Prozent zwar nicht das Soll des laufenden Jahres mit 14,7 Prozent, liegt aber auf dem Durchschnittsniveau des Zeitraums 1990 bis 1995 und deutlich über der Quote vor der Wiedervereinigung. 1989 lag die Quote bei 12,5 Prozent.
    Die Ausgaben für Sachinvestitionen steigen gegenüber 1996 um 700 Millionen DM. Das ist eine Steigerung um mehr als 5,5 Prozent.
    Das Wachstumsprogramm ist keineswegs sozial schieflastig. Die Sozialausgaben stellen mit rund 148 Milliarden DM im Bundeshaushalt 1997 wiederum den mit Abstand größten Ausgabenbereich dar. Selbst nach einer vollständigen Umsetzung der im Wachstumsprogramm vorgesehenen Konsolidierungsmaßnahmen wird die Sozialleistungsquote nur um rund 0,4 vom Hundert sinken und dann immer noch bei rund 30 Prozent liegen. Wie verfehlt die These vom sozialen Kahlschlag ist, belegt auch die Steigerung des Anteils der Sozialausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes von 33,5 Prozent in 1996 auf 33,7 Prozent in 1997.
    Es gibt ernstzunehmende Stimmen, die einen noch stärkeren Abbau der Sozialtransfers fordern. Das tun nicht nur die Arbeitgeber; vielmehr hält auch die OECD in ihrem aktuellen Deutschlandbericht unser Sozialsystem im internationalen Vergleich trotz der Reformen immer noch für sehr großzügig.
    Bei der Rentenversicherung wird durch ein Entlastungsvolumen von über 11 Milliarden DM der Beitragsanstieg begrenzt. Eines sollte man nicht vergessen: Mit rund 86 Milliarden DM sind allein die Ausgaben für die gesetzlichen Rentenversicherungen fast doppelt so hoch wie die Ausgaben für Verteidigung mit 46,5 Milliarden DM.
    Ein weiterer zentraler Schwerpunkt liegt in der Konsolidierung der Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit. Im Vordergrund stehen Korrekturen der Frühverrentungspraxis sowie eine schrittweise Angleichung des Ausgabevolumens für beschäftigungsfördernde Maßnahmen in den neuen Ländern an das Westniveau. Das Thema ABM-Ost ist in den letzten Wochen benutzt worden, um Stimmung gegen die

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Konsolidierungspolitik der Bundesregierung zu machen. Die Bundesregierung setzt hier aber das um, was viele Wirtschaftsexperten in West und Ost seit langer Zeit fordern. So hat der Sachverständigenrat bereits im Herbst 1995, also mitten in der konjunkturellen Wachstumspause empfohlen, die aktive Arbeitsmarktpolitik künftig auch in den neuen Bundesländern auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren.
    Wir haben mit der Konzentration der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik auf die neuen Länder den tiefgreifenden Strukturwandel und die Arbeitsplatzverluste abgemildert. Der hohe Mitteleinsatz - von 1991 bis Ende dieses Jahres fließen für Arbeitsmarktpolitik rund 45 Milliarden DM in die neuen Länder - hatte in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung seine volle Berechtigung.

    (Zuruf von der SPD: Und jetzt?)

    Eine unveränderte Fortsetzung bringt die Gefahr einer Verfestigung des zweiten Arbeitsmarktes und führt zu einer Beeinträchtigung des regulären Arbeitsmarktes, ohne die Probleme am Arbeitsmarkt auf Dauer zu verbessern. Diese Erkenntnis bestätigte soeben das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Die schrittweise Rückführung der arbeitsmarktpolitischen Aufwendungen ist daher nicht nur unter Konsolidierungsaspekten geboten.
    Von der Rückführung sind die Maßnahmen der produktiven Arbeitsförderung nicht betroffen. Für diesen Zweck sind 1997 und im Finanzplanungszeitraum jährlich 1 Milliarde DM mit Schwerpunkt im Bereich der neuen Länder vorgesehen.
    Bei den Finanztransfers in die neuen Länder ist ein Rückgang gegenüber den Ansätzen im Haushalt 1996 festzustellen. Er beruht im wesentlichen auf dem Auslaufen spezifischer Transferleistungen im konsumtiven Bereich, zum Beispiel beim Altersübergangsgeld Ost. Dabei müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, wie hoch die Belastung des Bundeshaushalts aus dem Bruttotransfer nach Abzug der aus den neuen Ländern hereinkommenden Steuereinnahmen immer noch ist. Die Nettotransfers übersteigen die Nettokreditaufnahme des Bundes.
    Im Bereich der Wirtschaftsförderung steht die Unterstützung der neuen Länder weiterhin im Vordergrund. Trotz der engen Finanzierungspielräume wird die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation auf hohem Niveau fortgeführt. Die Existenzgründungshilfen über das Eigenkapitalhilfeprogramm sollen künftig aus Mitteln des ERP-Sondervermögens finanziert werden.
    Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" bildet nach wie vor einen wichtigen Baustein bei der Investitionsförderung in den neuen Ländern. Insgesamt steht für 1997 ein Bewilligungsrahmen von 6,5 Milliarden DM zur Verfügung, der aus Bundes- und Landesmitteln sowie aus Mitteln des Europäischen Regionalfonds gespeist wird.
    Auch außerhalb der Wirtschaftsförderung wird der wirtschaftliche und soziale Anpassungsprozeß in Ostdeutschland weiterhin mit erheblichen Mitteln unterstützt. Wichtige Bereiche sind der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Leistungen nach dem Investitionsförderungsgesetz, die Anschubfinanzierung zugunsten der Investitionen in ostdeutsche Pflegeeinrichtungen, die Förderung der ostdeutschen Forschungslandschaft und die erneute Beteiligung des Bundes an einer Lehrstelleninitiative Ost.
    Der Verkehrshaushalt bleibt mit einem Investitionsvolumen von rund 20 Milliarden DM mit weitem Abstand größter Investitionshaushalt. Obwohl auch der Verkehrsbereich einen Konsolidierungsbeitrag erbringen mußte, konnten Einschnitte in die Straßen- und Schienenweginvestitionen vermieden werden. Für 1997 stehen mit 10,1 Milliarden DM für die Bundesfernstraßen und 7,2 Milliarden DM für die Schiene die gleichen Investitionsansätze wie 1996 zur Verfügung.

    (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie können wohl nicht rechnen, oder was?)

    Ermöglicht wird dies durch höhere Einnahmen auf Grund der Veräußerung des Wohnungsbestandes im Bereich des Bundeseisenbahnvermögens. Die für die ökonomische Entwicklung in den neuen Bundesländern wichtigen Verkehrsprojekte können, wenn auch zeitlich gestreckt, alle realisiert werden.
    Wie schon in den Vorjahren unterstützt der Bund auch 1997 den sozialen Wohnungsbau und den Städtebau mit erheblichen Finanzmitteln. Die Verpflichtungsrahmen für den Städtebau bleiben mit jährlich 600 Millionen DM ungekürzt. Die Schwerpunkte der Förderung liegen in den neuen Ländern. Im sozialen Wohnungsbau liegt der Verpflichtungsrahmen für 1997 bei rund 2 Milliarden DM. Stärkere Einschnitte konnten vermieden werden.
    Im Bereich des Wohngelds werden für die begrenzte Verlängerung einzelner Sonderbestimmungen im Wohngeldrecht für die neuen Länder zusätzliche Haushaltsmittel von jeweils 80 Millionen DM für 1997 und 1998 bereitgestellt. Im übrigen strebt die Bundesregierung eine Wohngeldstrukturnovelle zum 1. Juli 1997 an, die durch Umschichtungen im Bereich des Wohngeldes ohne zusätzliche Haushaltsmittel finanziert wird.

    (Zuruf von der SPD: Da sind wir aber gespannt!)

    Auch der Bereich Bildung und Forschung konnte nicht völlig von der Konsolidierung ausgenommen werden. Dennoch ist es gelungen, für drei zentrale hochschulpolitische Themenkomplexe eine Lösung zu finden. Das BAföG wird reformiert. Innerhalb der Förderungshöchstdauer der Erstausbildung bleibt es beim bisherigen System, das jeweils zur Hälfte einen Zuschuß und ein haushaltsfinanziertes, zinsloses Darlehen vorsieht. Die darüber hinausgehende Förderung wird in Zukunft als bankenfinanziertes, verzinstes Volldarlehen vergeben. Die durch die strukturellen Änderungen anfallenden Minderausgaben beim BAföG stehen in vollem Umfang zur Verstärkung anderer Bereiche im Bildungs- und Forschungsetat zur Verfügung.
    Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 120, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. September 1996 10707
    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Gelungen ist die strukturelle Bereinigung innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau". Die seit 25 Jahren unveränderte Bagatellgrenze bei Bauvorhaben und Großgeräten wurde deutlich angehoben.
    Darüber hinaus konnte nach langwierigen Verhandlungen mit den Ländern Einvernehmen über das neue Hochschulsonderprogramm HSP III erzielt werden. Bis zum Jahr 2000 wird hier ein Finanzvolumen von 3,6 Milliarden DM mobilisiert; der Bund beteiligt sich mit 2,1 Milliarden DM an den Kosten dieses Programmes.
    Wie in den vergangenen Jahren wird der Bund zusammen mit den neuen Ländern die Schaffung von bis zu 14 300 Ausbildungsplätzen in den neuen Ländern im Rahmen eines Aktionsprogramms „Lehrstellen Ost" unterstützen.

    (Zuruf von der SPD: Da wird es aber Zeit!)

    - In diesem Bereich haben wir von Ihnen ganz bestimmt keinen Nachhilfeunterricht nötig, ganz bestimmt nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ihre Vorschläge, die eine Abgabe vorsehen, sind völlig verfehlt. Diese Regierung und insbesondere der Bundeskanzler persönlich haben sich darum gekümmert, daß wirklich jedem Auszubildenden ein entsprechender Ausbildungsplatz zur Verfügung steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Allein 1997 sind hierfür 230 Millionen DM veranschlagt. Insgesamt trägt der Bund im Zeitraum von 1993 bis 1999 von dem Gesamtfördervolumen in Höhe von 1,9 Milliarden DM die Hälfte.
    Richtig ist: Die außerbetriebliche Ausbildung ist gegenüber der Ausbildung im Betrieb immer nur die zweitbeste Lösung. Deshalb appellieren wir noch einmal an die Wirtschaft, das Lehrstellenangebot zu erhöhen. Es liegt im eigenen unternehmerischen Interesse, das System der dualen Berufsausbildung als ein Gütesiegel für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhalten und zu stärken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, bis zum Ende dieses Jahres sind wichtige Arbeiten an zwei steuerpolitischen Großvorhaben zu leisten: die Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 1997 und der dritten Stufe der Unternehmensteuerreform sowie die Vorbereitung der Steuerreform zum 1. Januar 1999, die einen neuen, niedrigen Tarif und eine neugestaltete Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer bringen wird.

    (Zuruf von der SPD: Zu spät!)

    Die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland ist insgesamt zu hoch. Im internationalen Vergleich haben wir nicht nur zu hohe Spitzensteuersätze, sondern schleppen auch weiterhin steuerpolitische Fossilien wie die Gewerbekapitalsteuer mit uns herum.
    Im letzten Jahr hieß es bei der Opposition: Jetzt geht's los. Nur: Wo? Ich hoffe nur, daß an der Verweigerungsfront jetzt ein leichtes Bröckeln einsetzt. Daß sich dies abzeichnet, hat das Verhalten am 5. Juli bei der Abstimmung über das Jahressteuergesetz 1997 gezeigt. Das von der SPD angestrebte Votum, grundsätzlich bestehe keine Notwendigkeit für eine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, fand dabei keine Mehrheit. Da einige dies nicht wahrhaben wollten, mußte sogar ein zweites Mal abgestimmt werden.
    Die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform in Verbindung mit einer Gemeindefinanzreform muß jetzt endlich verwirklicht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wer sich dem verweigert, trägt die Mitverantwortung dafür, wenn sich die Konjunktur nicht so entwickelt, wie es für die Arbeitsplätze in Deutschland gut wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das hat auch die Anhörung des Finanzausschusses im Juni gezeigt. Die Wirtschaft, die Gemeinden und die große Mehrheit der Sachverständigen sind eindeutig auf unserer Seite.

    (Zuruf von der SPD: Die Gemeinden?)

    - Jawohl, die Gemeinden. Können Sie denn nicht lesen, was die kommunalen Spitzenverbände sagen? Natürlich sind sie dafür, daß die Gewerbekapitalsteuer wegfällt und daß sie endlich an der Umsatzsteuer beteiligt werden, um damit eine dauerhafte, verläßliche Einkommensquelle zu haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Gleichermaßen wichtig für die Betriebe und damit für Wachstum und Beschäftigung ist der von uns angestrebte Wegfall der Vermögensteuer zum 1. Januar 1997. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni letzten Jahres bliebe für die Beibehaltung einer verfassungsfesten Vermögensteuer ein nur sehr enger Spielraum. Durch die erforderliche Freistellung des persönlichen Gebrauchsvermögens, die erforderliche Schonung des Betriebsvermögens und die Wahrung des Grundsatzes der in etwa hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand könnte diese Steuer nur noch im mittleren Einkommensbereich erhoben werden. Das ist nicht sinnvoll.
    Derzeit entfallen rund 58 Prozent des Aufkommens der Vermögensteuer auf Betriebsvermögen. Jeder weiß: Die Vermögensteuer muß aus versteuertem Einkommen entrichtet werden, in ertragsschwachen Jahren oder in Verlustjahren aus der Substanz. Das verringert die Ertrags- und Liquiditätsbasis unserer Unternehmen und beeinträchtigt die wichtige Bildung von Eigenkapital. Bei Betriebsvermögen von Körperschaften entsteht bei Vermögensteuerpflicht der Anteilseigner sogar eine Doppelbesteuerung.
    Den Wegfall der Vermögensteuer auf Privatvermögen wollen wir bei der Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer angemessen berücksichtigen. Übrigens hat sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, auf das Sie sich doch

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    sonst gerne berufen, im Juli eindeutig für die Abschaffung der Vermögensteuer ausgesprochen.
    Die Opposition versucht immer wieder, die verfassungsrechtlich gebotene Senkung der Vermögensteuer und die Verschiebung der Erhöhung des Kindergeldes um ein Jahr gegeneinander auszuspielen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sehr richtig!)

    - Hören Sie einmal zu, Frau Kollegin MatthäusMaier: Die Verschiebung der Erhöhung des Kindergeldes ist uns nicht leichtgefallen und fällt niemandem leicht.

    (Zurufe von der SPD)

    - Darüber sollte eigentlich ein Einvernehmen ohne jede Bemerkung möglich sein.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Wer würde nicht gern einer Familie mit mehreren Kindern ein höheres Kindergeld geben?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie!)

    Aber ich sage Ihnen: So wichtig eine Erhöhung des Kindergeldes ist; genauso wichtig oder noch wichtiger ist für eine Mutter und für einen Vater die Frage, ob über mehr Investitionen und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Zukunft Arbeits- und Ausbildungsplätze für ihre Kinder geschaffen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist die Logik eines Rhinozeros!)

    Sie von der SPD brauchen über die Familienpolitik keine Krokodilstränen zu weinen. Denn wir haben im Jahr 1996 mehr durchgesetzt, als wir im Wahljahr 1994 versprochen hatten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Widerspruch bei der SPD Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jedes Nashorn ist klüger in der Argumentation als der Bundesfinanzminister!)

    Die Ausgaben für Leistungen und Maßnahmen zugunsten von Familien betragen im Jahr 1996 71 Milliarden DM.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, warum denn?)

    In Zeiten sozialdemokratischer Regierungsverantwortung waren es gerade 28 Milliarden DM. Wie kommen Sie dazu, uns hier Vorwürfe zu machen?

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Was hat nun die Opposition im Deutschen Bundestag und was haben die SPD-Länder im Hinblick auf die Vermögen- und die Erbschaftsteuer zu bieten? Laut dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Scharping, ist die Vermögensteuer eindeutig zu niedrig. Was hier im Blick auf andere Länder mit einem völlig anderen Steuersystem vorgeschlagen und gefordert wird, ist nicht nur ökonomisch falsch, sondern auch verfassungsrechtlich unhaltbar.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Na! Na! Na!)

    In Abkehr vom einstimmigen Beschluß der Finanzministerkonferenz vom 21. Dezember letzten Jahres, durch die Neuregelung insgesamt kein Mehraufkommen zu erzielen, werden nun von der SPD-Bundesratsmehrheit Steuererhöhungen im Volumen von insgesamt 6 Milliarden DM angestrebt. Erstaunlich ist der Mut der SPD-geführten Länder, die ihre Vorstellungen auch noch als aufkommensneutral bezeichnen.
    Doch Äußerungen der Ministerpräsidenten Beck und Stolpe sowie der Ministerpräsidentin Simonis zeigen: Es gibt bei den SPD-Ländern Gesprächsbereitschaft in bezug auf die Vermögensteuer.
    All diejenigen, die nach wie vor an einer Vermögensteuer festhalten oder sie gar erhöhen wollen, müssen bereit sein, diese unmittelbar in den neuen Bundesländern einzuführen. Dann muß gegebenenfalls auch die Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland eingeführt werden, und dann müssen wir die Kredite erhöhen, damit die Betriebe die Steuern überhaupt bezahlen können - ein Aberwitz, der nicht eintreten darf und den wir verhindern müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Solidaritätszuschlag wird zum 1. Januar 1997 um einen Prozentpunkt und zum 1. Januar 1998 um einen weiteren Prozentpunkt auf dann 5,5 Prozent gesenkt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was für ein Blödsinn!)

    Da sagt Herr Scharping, man könne über niedrigere Steuern und Abgaben gerade für die Leistungsträger reden. Dagegen hat die SPD-Fraktion - allerdings, glaube ich, in Ihrer Abwesenheit, Herr Scharping - beantragt, den Solidaritätszuschlag für alle, die mindestens soviel wie ein Bundestagsabgeordneter verdienen, von 7,5 Prozent auf 10 Prozent zu erhöhen. Was gilt denn nun?
    Unstreitig ist: Leistungsträger sind nicht nur diejenigen Menschen, die hohe Einkünfte erzielen. Leistung muß in allen Berufen erbracht werden, und es gibt auch Leistungsträger ohne Bezahlung, zum Beispiel im Ehrenamt. Aber kann man denjenigen, die ein höheres Einkommen erhalten, unterstellen, eigentlich hätten sie das nicht verdient? Hier zielt man mit einer Neidkampagne auf viele Leistungsträger unserer Wirtschaft. Wir bleiben bei der allgemeinen Senkung des Solidaritätszuschlags.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon sind Sie doch selbst nicht überzeugt!)

    Für diese Senkung fordern wir weiterhin die Rückübertragung von nicht benötigten Umsatzsteuerpunkten durch die Länder, wie Sie sie selbst in den Beratungen zum Solidarpakt im Frühjahr 1993 anerkannt haben. Wir haben die Zahlen auf Grund der

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    regionalen Steuerschätzung angepaßt. Wir wollen nicht mehr, aber auch nicht weniger, als uns damals zugesagt wurde.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Um den Standort Deutschland für Investoren im In- und Ausland attraktiver zu machen, ist eine große Steuerreform für Wachstum und Beschäftigung notwendig. Die erste Aufgabe der darüber beratenden Steuerreformkommission wird die Entscheidung über den vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags sein. Wenn wir die Steuerreform verwirklicht haben, wird auch der Solidaritätszuschlag der Vergangenheit angehören.
    Die Spitzensteuersätze der Einkommen- und Körperschaftssteuer müssen gesenkt, Ausnahmen im Gegenzug eingeschränkt werden. Das Steuersystem muß einfacher werden und für jeden einsichtig sein. Ein hochkompliziertes System begünstigt zunehmend Steuercleverneß und nicht Steuergerechtigkeit.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Ja und? Wer regiert denn hier schon 14 Jahre?)

    Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das Fundamentalprinzip sozial gerechter Besteuerung, bleibt unangetastet. Das gilt auch für das objektive und subjektive Nettoprinzip. Werbungskosten, Betriebsausgaben oder die Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung müssen grundsätzlich absetzbar sein.
    Bis Ende des Jahres wird die Steuerreformkommission Vorschläge für die Senkung der Steuersätze bei der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer machen. Zugleich wird sie einen Katalog für einen Abbau oder eine Streichung von Steuervergünstigungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften vorlegen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wann wollen Sie denn die Steuerreform machen? Wann?)

    Jede Steuerreform ist leicht im Keim zu ersticken, wenn vorab einzelne Elemente herausgelöst und dann von den unterschiedlichen Interessengruppen bewertet werden.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wann wollen Sie das denn machen? Dr. Peter Struck [SPD]: '98 oder '99!)

    - Einen kleinen Moment, nur noch einen Absatz.
    Gleiches gilt, wenn -alle 48 Stunden ein weiterer Tarifvorschlag das Licht der Welt erblickt, ohne die wichtigen Fragen der Bemessungsgrundlage auch nur zu streifen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wen meinen Sie denn da? Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der meint Sie, Herr Sohns!)

    Es geht nicht nur um Eleganz; es geht auch um Kosten und um ein für alle Interessengruppen ausgewogenes Gesamtkonzept. In Ihrem Konzept ist bisher nicht ein einziger Gegenfinanzierungsvorschlag enthalten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie haben nicht einmal etwas zum Spitzensteuersatz gesagt. Sie haben wieder nur versucht, die verschiedenen Bevölkerungsschichten gegeneinander auszuspielen. Sie haben zu diesem Punkt bisher nichts gesagt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sagen Sie was zu den Vorschlägen der F.D.P.! Rudolf Scharping [SPD]: Ist das auch für die F.D.P. verbindlich?)

    Ich habe Eckwerte genannt: So sollte der Spitzensteuersatz unter 40 Prozent und der Eingangssteuersatz bei etwa 20 Prozent liegen. Die Steuerreform muß eine deutliche Nettosteuerentlastung bringen.
    Auch über den Zeitpunkt kann es bei realistischer Einschätzung der Dauer des Gesetzgebungsprozesses eigentlich keinen Zweifel geben:

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eigentlich!)

    Die Koalition hat beschlossen, daß diese Reform am 1. Januar 1999 in Kraft gesetzt werden soll.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das geht doch gar nicht mehr! Rudolf Scharping [SPD]: Was sagt denn die F.D.P. dazu?)

    Ob eine Umschichtung der Steuerlasten von den direkten auf die indirekten Steuern eingeplant werden sollte, hängt allein davon ab, wie weit wir bei dem Abbau von Subventionen und bei der Beseitigung von Sonderregelungen kommen. Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage hat absoluten Vorrang.

    (Zuruf von der SPD: Dann mal ran!)

    Alle Experten kommen zu dem Ergebnis: Indirekte Steuern sind weniger wachstumsschädlich als direkte. Deshalb müssen zuallererst die direkten Steuern gesenkt werden.
    Es gehört viel dazu, das Fragment, das die SPD jetzt öffentlich präsentiert hat, mit dem Begriff „Konzept" zu überschreiben. Das sogenannte Konzept verliert kein Wort über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze, kein Wort zu einer durchgreifenden Steuervereinfachung, kein konkretes Wort zur Gegenfinanzierung bei der Reform der Einkommensteuer. Der „Bonner General-Anzeiger" titelte dann auch zur Gegenfinanzierung des SPD-Konzepts am 5. September 1996: „Die SPD weiß, wo sie sparen will - verrät es aber noch nicht". Das „Wall Street Journal" schreibt in gleicher Sache am 5. September:
    Der Plan läßt den Steuerzahler über fast alle wichtigen Elemente der Reform im dunkeln.
    Andere Sozialdemokraten in Europa sind schon viel weiter. Wim Kok, Franz Vranitzky und Göran

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Persson haben begriffen, wie man moderne Finanz- und Wirtschaftspolitik macht. Auch der Labor-Führer Tony Blair ist gegenüber dem wirtschafts- und finanzpolitischen Standard der SPD weit voran.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber auch gegenüber Theo Waigel!)

    In Österreich, Schweden, den Niederlanden und in vielen anderen Industrieländern hat man die Zeichen der Zeit klar erkannt. Die Staatsquote muß herunter, der Staat muß schlanker werden, die Defizite müssen eingedämmt werden, und die Steuer- und Abgabenlast muß zurückgeführt werden.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und die Konservativen müssen in die Opposition!)

    Nur so bleibt ein Standort wettbewerbsfähig und entsteht eine produktive Wachstumsdynamik, die den Wohlstand aller steigert. Dies, meine Damen und Herren, ist eine ökonomisch erfolgreiche Maxime seit Adam Smith,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich dachte, seit Franz Josef Strauß!)

    und sie gilt in einer globalisierten Welt heute mehr denn je.
    Dagegen setzt Ministerpräsident Lafontaine blumige Worte von internationalen Vereinbarungen und gemeinsamen Aktionen. Ich bin dabei an Willy Brandt erinnert, der in diesem Zusammenhang einmal von den vier Weltmächten und der fünften Weltmacht SPD gesprochen hat. Es geht Ihnen nicht um internationale Abstimmungen, die beispielsweise im Währungsbereich sehr wohl nötig sind; Ihnen geht es um ein internationales Kartell.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Das Ergebnis wäre eine weltweite Stagnation und eine Zementierung von Entwicklungsunterschieden zu Lasten der dritten und vierten Welt. Sie glauben doch nicht im Traum daran, daß sich andere Länder von Ihnen vorschreiben lassen, ihren Wettbewerbsvorteil in der Welt nicht zu nutzen. Es ist doch eine Traumwelt, in der Sie sich hier befinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Natürlich braucht die Marktwirtschaft einen ordnungspolitischen Rahmen, sei es in nationalen oder internationalen Bezügen. Aber das Ziel dieses Rahmens kann nicht die Abriegelung, sondern nur die Förderung eines fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs sein.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau das wollen wir!)

    Die nationalen Probleme eines Standorts lassen sich nicht dadurch lösen, daß der internationale Standortwettbewerb verboten wird. Die „Welt am Sonntag " vom 7. Juli zitiert Günter Verheugen - hier zeigt sich der ganze ideologische Ballast, den die SPD immer noch mitschleppt - mit den Worten, es gehe jetzt
    darum, den Sozialstaat vor „der nackten Profitgier eines entfesselten Marktes" zu schützen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P. Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    - Das war der versammelte Applaus des linken Flügels der SPD: relativ matt. Das gibt Optimismus für den Seeheimer Kreis.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das kann nur Lambsdorff gesagt haben!)

    Während für Herrn Scharping eine rot-grüne Bundesregierung 1998 eine realistische Perspektive ist, sagt Klaus von Dohnanyi in der August-Ausgabe des „Selbständigen":

    (Zurufe von der SPD: Wer ist das?)

    - Meine Damen und Herren, hier rufen aus der SPD einige Abgeordnete, wenn ich von Dohnanyi zitiere: „Wer ist das?" Drei-, viermal habe ich gehört: „Wer ist das?" Klaus von Dohnanyi war in diesem Haus lange Abgeordneter; er war Staatssekretär und Minister und viele Jahre Erster Bürgermeister von Hamburg. Schämen Sie sich, daß Sie den Namen Klaus von Dohnanyi nicht mehr kennen oder nicht mehr kennen wollen!

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt müssen Sie aber noch erklären, wer Helmut Schmidt war!)

    Ich zitiere ihn jetzt noch:
    Eine rot-grüne Bundesregierung wäre eine Katastrophe für Deutschland. Ich sage das ganz uneingeschränkt.
    Der Mann hat recht. Wir werden das auch verhindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Finanzpolitik 2000 beginnt 1996. Mit dem Haushalt 1997 und dem Finanzplan bis zum Jahr 2000 dokumentieren wir unsere Entschlossenheit, den Standort Deutschland zu sichern. Wir senken die Staatsquote. Wir schaffen den Raum für niedrige Defizite und eine sinkende Steuer- und Abgabenlast. Gleichzeitig gehen wir die strukturellen Probleme der deutschen Volkswirtschaft entschieden an. Unser bisheriger Weg war erfolgreich. Internationale Institutionen haben ihn öfters als beispielhaft bezeichnet.
    Die Menschen in unserem Land sehen die noch zu lösenden Probleme. Die bisherigen Erfolge weisen die Richtung.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Ja, ja, das sieht man!)

    Wir haben die besseren Argumente und das richtige
    Programm. Damit gehen wir gut gerüstet in die Zeitenwende. Meine Damen und Herren, wir sind in der

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Pflicht, und wir werden den Weg entschlossen weitergehen.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt die Kollegin Ingrid Matthäus-Maier.

(Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/CSU]: Ist das die haushaltspolitische Sprecherin?)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir danken dem Finanzminister für seine freundlichen Genesungswünsche an Helmut Wieczorek, unseren Kollegen, den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses,

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)

    und hoffen, daß er bald wieder gesund und tatkräftig unter uns weilt.
    Was wir aber zum Haushalt heute morgen von Ihnen gehört haben, Herr Waigel, das ist die Fortsetzung Ihrer unseriösen Politik aus dem letzten Jahr.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Wirtschaftsdaten werden geschönt. Die Risiken werden versteckt. Etatlöcher werden verschwiegen oder durch Luftbuchungen gedeckt. Die Verschuldung wird verniedlicht. Waigel rechnet sich reich.
    Wie unglaubwürdig dieser Finanzminister mit seinen Zahlen umgeht, zeigt ein Vergleich von nur drei Sätzen aus seiner letzten Haushaltsrede mit dem, was tatsächlich eingetreten ist:
    Originalton Waigel: Trotz hoher Steuerausfälle kann die Nettokreditaufnahme des Bundes in der Größenordnung 60 Milliarden DM gehalten werden. Fehlanzeige! Aus der Koalition und von Ihnen haben wir gerade gehört, es werden wohl mindestens 70 Milliarden DM Neuverschuldung sein.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Hört! Hört! - Weitere Zurufe von der SPD)

    Originalton Waigel: Deutschland wird auch 1996 die Maastricht-Kriterien zur Neuverschuldung und zum Schuldenstand nicht überschreiten. Fehlanzeige! Deutschland wird 1996 wie schon 1995 die Maastricht-Kriterien nicht einhalten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schuld ist die Opposition!)

    Originalton Waigel: Die im Haushalt veranschlagten Privatisierungen sind nicht aus dem Hut gezaubert. Fehlanzeige! Wo sind denn die Milliardeneinnahmen, die Sie im letzten Jahr in dem berüchtigten
    Waigel-Wisch über Nacht aus dem Hut gezaubert haben?

    (Beifall bei der SPD, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der PDS Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Theo, wo ist das Geld?)

    Wenn wir dieses unseriöse Spiel kritisieren, dann poltert Herr Waigel regelmäßig los: „Horrorzahlen, Kassandra, Schwarzmalerei", obwohl sich wenige Wochen nach seinen starken Sätzen zeigt: Die Warnungen sind berechtigt gewesen. Die Arbeitslosenzahlen sind höher. 12,5 Milliarden DM mußten Sie allein am Wochenende wegen der Arbeitslosigkeit nachschießen. Die Schulden explodieren. Dies alles zeigt doch: Die wirklichen Zahlen sind immer schlimmer als die angeblich von uns genannten Horrorzahlen.
    Nun geht das gleiche Spiel in 1997 wieder los. Sie tun hier heute morgen so, als wäre alles paletti, als hätten Sie alles im Griff.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Fünf Millionen Arbeitslose!)

    Graf Lambsdorff sagt doch schon jetzt, es fehlten im Haushalt 1997 mindestens 10 Milliarden DM. Ihre Haushaltspolitiker warnen vor großen Haushaltslöchern. Schauen Sie doch einmal in die Zeitungen von heute morgen.
    Mich erinnert das an das bekannte Fernsehspiel „Dinner for one" am Silvesterabend, wo es immer heißt: „The same procedure as every year." Die gleiche Prozedur wie jedes Jahr!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Theo Waigel als Miss Sophie!)

    Aber, Herr Waigel, um das hier einmal klarzustellen: Das Fernsehspiel sehen wir gerne. Wenn Sie uns hier aber Jahr für Jahr mit der gleichen unseriösen Haushaltsprozedur kommen, dann hat die Bevölkerung und hat das Parlament das langsam satt.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ihr Bundeshaushalt 1997 ist durch fünf Merkmale gekennzeichnet:
    Erstens. Die Lage ist geschönt, die Zahlen sind nicht seriös, und der Haushalt steckt auf Grund der enormen Staatsverschuldung in einer Zinsfalle.
    Zweitens. Die dringend notwendige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bleibt wieder auf der Strecke. Deswegen mißlingt Ihnen auch die Konsolidierung der Haushalte.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittens. Zukunftsaufgaben wie Bildung, Forschung und Technologieförderung werden sträflich vernachlässigt.

    Ingrid Matthäus-Maier
    Viertens. Das Kürzungspaket der Bundesregierung ist sozial ungerecht und schafft keine neuen Arbeitsplätze.
    Fünftens. In der Steuerpolitik der Bundesregierung herrscht das blanke Chaos.
    Klar ist bisher nur eines: Diese Bundesregierung will die Mehrwertsteuer erhöhen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wer von diesem Haushalt eine Wende hin zu einem seriösen Zahlenwerk, hin zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und hin zur Konsolidierung der Finanzen erhofft hatte, wird wieder einmal schwer enttäuscht.
    Am Beginn dieser Debatte müßte doch eigentlich eine ehrliche Bestandsaufnahme stehen, die lautet: Wir haben dauerhaft 4 Millionen Arbeitslose und gleichzeitig einen gigantischen Schuldenberg. Beides hängt unmittelbar zusammen. Denn 100 000 Arbeitslose kosten die öffentliche Hand und die Sozialversicherung 4 Milliarden DM. Allein 160 Milliarden DM pro Jahr kostet uns die Arbeitslosigkeit heute, nicht berücksichtigt die menschlichen Probleme für die Betroffenen und ihre Familien.
    Diese Zahlen zeigen doch klar: Nicht der Sozialstaat, nein, die Arbeitslosigkeit ist so teuer. Deswegen müssen wir sie bekämpfen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich erinnere mich noch gut an den Herbst 1982, als Helmut Kohl bei 1,7 Millionen Arbeitslosen Helmut Schmidt entgegenschleuderte, er sei der Kanzler der Arbeitslosen und müsse zurücktreten. Wenn Kanzler Kohl diese seine Worte ernst nähme, hätte er mittlerweile 167mal zurücktreten müssen; denn so oft hat der jeweilige Präsident der Bundesanstalt für Arbeit höhere Arbeitslosenzahlen verkündet.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das Schlimme ist: Sie lernen nicht aus Ihren Fehlern. So sehen Sie zum Beispiel eine drastische Verringerung der Arbeitsbeschaffungs- und Fortbildungsmaßnahmen in Ostdeutschland vor; Herr Waigel hat dies heute morgen bestätigt. Dies würde bis zum Jahr 2000 in Ostdeutschland bis zu 300 000 zusätzliche Arbeitslose produzieren, und das bei einer Arbeitslosigkeit von heute ohnehin schon über 16 Prozent in Ostdeutschland. Das ist ungerecht, und dies ist auch finanziell verrückt; denn die dann entstehenden Kosten bei der Bundesanstalt, bei Bund, Ländern und Gemeinden wären kaum geringer als das, was Sie angeblich einsparen wollen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sind bereit, über Neuerungen bei ABM zu sprechen. Aber wir fordern Sie auf: Unterlassen Sie diese wirtschaftspolitisch unvernünftigen und sozial ungerechten Kürzungen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Ostdeutschland.
    Wenn Sie nur einen Teil der fast 3 Milliarden DM Einnahmen aus der Liquidation von 3 700 Treuhandunternehmen wieder in Ostdeutschland investieren, dann haben Sie dazu auch die notwendige Finanzierung.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum Stichwort Ostdeutschland außerdem: Daß diese Bundesregierung noch immer nicht das Problem der Altschulden der gesellschaftlichen Einrichtungen der ehemaligen DDR vom Tisch geräumt hat, ist ebenfalls ein schweres Investitionshindernis.

    (Beifall bei der SPD Bundesminister Dr. Theodor Waigel: An wem liegt das denn?)

    Wir wissen alle: Patentrezepte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Aber ich frage Sie, warum Sie alle unsere Vorschläge zur aktiven Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bis heute ablehnen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerungen] [F.D.P.]: Sie haben gar keine!)

    Warum gibt es immer noch kein wirksames Entsendegesetz, um sicherzustellen, daß nicht Hunderttausende von deutschen Bauarbeitern arbeitslos sind, weil Portugiesen und Briten hier zu Dumpinglöhnen arbeiten?

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])

    Was haben Sie gegen eine große Kampagne zum Abbau von Überstunden, was mindestens 200 000 bis 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen würde? Wo bleibt eine Offensive für Teilzeitarbeit? Wir haben dazu im Bundesrat einen Vorschlag eingebracht.
    Was haben Sie eigentlich gegen ein 100 000-Dächer-Solarenergieprogramm? Das ist gut für die Umwelt, das ist gut für die Arbeitsplätze und eröffnet neue Exportchancen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])

    Wo bleibt Ihre Initiative zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital? Das würde doch die aktuellen Lohnverhandlungen entlasten.
    Wo bleiben Ihre Aktivitäten gegen die Scheinselbständigkeit? Dieser Tage stand in der Zeitung: Die Gewerbeaufsicht hat bei einer Razzia festgestellt, daß die Toilettenfrau eines Restaurants an einer Bundesautobahn eine Selbständige ist. Wo kommen wir eigentlich hin, wenn Sie die kleinen und kleinsten Verdiener in die Scheinselbständigkeit abdriften lassen, ohne endlich für soziale Absicherung zu sorgen?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Wo bleiben Ihre Vorschläge gegen den Mißbrauch der 590-DM-Regelung? Ihre Arbeitnehmervertretung mahnt diese jeden Tag an.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das sind alles Maulhelden!)

    Wo bleibt Ihre Offensive zur Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen? Ihre Kürzungen bei der Eigenkapitalhilfe sind doch kontraproduktiv.
    Warum senken Sie nicht endlich die viel zu hohen Lohnnebenkosten? Die Sozialversicherungsbeiträge sind doch viel zu hoch. Wir haben unseren Vorschlag für eine ökologische Steuerreform auf den Tisch gelegt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Eines ist klar: Wenn diese Regierung nicht endlich bereit ist, auf unsere Grundidee einzugehen, die da heißt: aus Leistungsempfängern Beitragszahler machen, dann werden Sie weder die Arbeitslosigkeit meistern noch die enorme Staatsverschuldung in den Griff bekommen. Nein, nicht wir Sozialdemokraten blockieren die Konsolidierung der Haushalte. Dies tut eine Bundesregierung, die bis heute nicht energisch genug die Arbeitslosigkeit bekämpft und dadurch die Konsolidierung der Haushalte blockiert.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Lage der Staatsfinanzen ist wahrhaftig dramatisch. Der Bundesfinanzminister hat bereits jetzt eingestanden, daß er 1997 fast 57 Milliarden DM neue Schulden aufnehmen will - die sogenannte Nettoneuverschuldung. Diese Zahl verdeckt aber den Blick darauf, welch enormes Schuldenrad von Theo Waigel Jahr für Jahr gedreht wird. Tatsächlich wird der Bund 1997 sehr viel höhere Schulden aufnehmen, nämlich 243 Milliarden DM - die sogenannte Bruttokreditaufnahme. So steht es in seinem Finanzplan. Der Finanzminister muß nämlich 1997 186 Milliarden DM Schulden zurückzahlen. Weil ihm aber dafür das Geld fehlt, nimmt er genau in dieser Höhe Schulden auf; das heißt, das Ganze wird nur umgeschuldet.
    Die Folge dieser maßlosen Staatsverschuldung sind enorme Zinsausgaben. 1997 wird der Bund 93 Milliarden DM an Zinsen zahlen. Zum Vergleich: 1,3 Milliarden DM umfaßt der Umweltetat. 93 Milliarden DM stehen für Zinsen im Haushalt. Das sind 26,6 Prozent der gesamten Steuereinnahmen des Bundes. Das heißt: Wenn das Jahr beginnt, muß man erst einmal über ein Viertel der gesamten Steuereinnahmen an die Seite legen, um nur die Zinsen zu zahlen. Solche Zinslasten strangulieren den Bundeshaushalt.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])

    Diese Zinslasten sind auch ein großes Risiko: Wenn die Bundesbank die Zinsen nur um einen Prozentpunkt anhebt, bedeutet das bei der von mir geschilderten enormen Bruttokreditaufnahme von über 240 Milliarden DM im Jahr eine zusätzliche Zinsbelastung von 2,5 Milliarden DM allein im ersten Jahr danach. Auf einen Rutsch wäre der gesamte Umwelthaushalt gleich zweimal nur für zusätzliche Zinsen verfrühstückt. Das zeigt, wie gefährlich die Zinsfalle ist, in die Kohl und Waigel uns hineinmanövriert haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Solch enorme Staatsverschuldung führt zwangsläufig auch zu einer Umverteilung von unten nach oben. Denn es sind eben nicht die kleinen Leute, die in der Lage sind, dem Staat ihr Geld zu leihen, sondern es sind die Vermögenden, die davon profitieren, daß sie dem Staat ihr Geld leihen und dieses mit Zins und Zinseszins zurückbekommen. Wer dann noch - wie diese Bundesregierung - die Vermögensteuer abschaffen will, der treibt die Umverteilung von unten nach oben auf die Spitze. Dem werden wir auf gar keinen Fall zustimmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dazu paßt auch, daß es diese Bundesregierung unterläßt, durch Stichproben für eine gerechte und gleichmäßige Besteuerung der Zinsen zu sorgen. Wer in diesem Lande ehrlich seine Zinserträge versteuert, hat doch zunehmend das Gefühl, er sei der Dumme, wenn er sich anschaut, wie diese Bundesregierung die Steuerflucht nach Luxemburg laufen läßt, ohne ernsthaft etwas dagegen zu tun. Stichproben gibt es in der gesamten Wirtschaft. Warum nicht bei den Kreditinstituten? Die Durchsuchungen bei den Kreditinstituten in den letzten Wochen, seien es öffentliche, seien es private, zeigen doch, welches Ausmaß die Steuerflucht, und zwar mit Unterstützung der Kreditinstitute, angenommen hat.
    Zu den Wehklagen der Kreditinstitute erlaube ich mir, auf einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom März 1994 zu verweisen, mit dem die Verfassungsbeschwerde einer großen deutschen Bank gegen die Durchsuchung durch die Steuerfahnder gar nicht erst angenommen wurde. In diesem Beschluß heißt es:
    Mit Blick darauf war es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, einen Anfangsverdacht dafür anzunehmen, daß die Organisation der Beschwerdeführerin
    - der Bank -
    und ihrer luxemburgischen Tochter systematisch in großangelegtem Stil zur Hilfeleistung bei der Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer mißbraucht wurde.
    Ich weiß, daß es hier nur einen Anfangsverdacht gibt; es gibt noch keine Verurteilung. Aber für Empörung auf seiten der Kreditinstitute ist nun wirklich kein Platz.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn zum Beispiel allein in Rheinland-Pfalz solche Durchsuchungsaktionen der Steuerfahndung bei Großbanken in nur drei Einzelfällen zu mehr Steuern

    Ingrid Matthäus-Maier
    von insgesamt 24 Millionen DM geführt haben, dann weiß jeder, in welchem Maße hier Steuerhinterziehung betrieben wird. Ich bin wirklich unglücklich darüber, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie sich nicht endlich bereit erklären, Stichproben auch bei den Kreditinstituten einzuführen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ihre Absicht, die Vermögensteuer abzuschaffen, zeigt deutlich, daß Ihr sogenanntes Sparpaket gar kein Sparpaket ist. Es ist vielmehr die Kombination eines rücksichtslosen Kürzungspaketes und eines Geschenkpaketes für Vermögende.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die „Süddeutsche Zeitung" schreibt daher so treffend:
    Das Sparpaket ist Produkt eines unfairen Bündnisses von Regierung und Arbeitgebern.
    Recht hat die „Süddeutsche Zeitung".

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden die dringend notwendigen Sparmaßnahmen immer daran messen, ob sie a) die Lasten sozial gerecht verteilen und b) geeignet sind, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Beides trifft auf Ihr Kürzungspaket nicht zu.
    Nehmen wir doch nur den Teil, um den es am Freitag dieser Woche gehen wird. Erstens wird durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit für Frauen die Arbeitslosigkeit nicht verringert, sondern offensichtlich erhöht. Zweitens wird durch die Abschaffung des Kündigungsschutzes für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten nicht die Neueinstellung, sondern die Entlassung von Beschäftigten erleichtert. Das dritte ist die Kürzung der Lohnfortzahlung auf 80 Prozent des letzten Lohnes oder Gehaltes. Richtig ist: Blaumachen muß man bekämpfen, und das haben die Gewerkschaften ja angeboten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie?)

    Aber wegen einiger Blaumacher Millionen von Arbeitnehmern die Lohnfortzahlung zu kürzen ist falsch und ungerecht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Gerade weil Sie Ihr Kürzungspaket so sorgfältig aufgespalten haben, daß Sie unsere Zustimmung nicht brauchten, werden wir um so deutlicher klarmachen, daß Sie für diese unsozialen Kürzungsmaßnahmen ganz alleine die Verantwortung übernehmen müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Schlimm ist dabei, daß die Frauen, die doch ohnehin
    meist weniger verdienen, von Ihrem Kürzungspaket
    besonders belastet werden. Was hilft es denn, auf Ihrem Bundesparteitag eine Frauenquote zu beschließen, wenn Sie hier im Bundestag die Frauen real belasten.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich frage deshalb die Frauen unter Ihnen: Wollen Sie wirklich verantworten - etwa bei der Kürzung der Lohnfortzahlung -, daß Frauen, die während der Schwangerschaft krank werden, auf 80 Prozent ihres Lohnes gesetzt werden? Fünf weibliche Parlamentarier in der Koalition reichen am Freitag, um diese unsoziale Kürzung zu Fall zu bringen. Warum können Sie nicht einfach mal Stehvermögen zeigen?

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich will aber nicht verhehlen, daß ich in dieser Hinsicht nicht sehr optimistisch bin. Denn in Bonn gibt es das Gerücht: Wenn dieser Bundeskanzler seiner Fraktion sagt, morgen früh Antreten zum Füßewaschen im Rhein, dann ist am nächsten Tag die Rheinaue voll von CDU/CSU-Parlamentariern.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ihre neue Masche ist, zu behaupten, die SPD blokkiere die Sparmaßnahmen für 1996. Das ist falsch. Für das Jahr 1996, Herr Waigel, gibt es nur noch einen einzigen Gesetzentwurf auf der Tagesordnung. Damit will der Bund die originäre Arbeitslosenhilfe abschaffen und die Ausgaben für die kostenlose Fahrt der Schwerbehinderten im Öffentlichen Personennahverkehr von sich abwälzen. Das ist doch kein Sparvorschlag. Das ist ein Verschiebebahnhof zu Lasten von Ländern und Gemeinden. Einen Verschiebebahnhof werden wir nicht unterstützen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Volkmar Schultz [Köln] [SPD]: Das ist ein Taschenspielertrick!)

    Wenn die These richtig wäre, daß der Abbau von Schutzrechten der Arbeitnehmerschaft die Beschäftigung gefördert hätte, dann müßte doch im gelobten Land der Deregulierung, nämlich in Großbritannien, wo es beispielsweise in den ersten beiden Jahren überhaupt keinen Kündigungsschutz mehr gibt, ein Beschäftigungswunder stattgefunden haben. Das ist nicht der Fall. Die Arbeitslosigkeit ist in Großbritannien größer als in Deutschland, und zwar mit dramatischen sozialen Begleitfolgen. Das genau wollen wir in Deutschland nicht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wirtschaftspolitische Kompetenz heißt nicht, alles nachzuplappern, was die Arbeitgeber und Industrieverbände fordern. Die reden den Standort schlechter, als er ist, und stellen absolut unerfüllbare Forderungen an Arbeitnehmer und Staat - einer besonders, der produziert Kettensägen und benimmt sich auch so.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Dabei hat doch das renommierte Ifo-Institut im Juli dieses Jahres festgestellt:
    Die These vom „Hochlohnland Deutschland" konnte nicht bestätigt werden. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene sind die realen Lohnstückkosten weder übermäßig hoch, noch sind sie in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich stark gestiegen. Relativ zu den in D-Mark umgerechneten nominalen Lohnstückkosten anderer Länder haben die nominalen Lohnstückkosten in Deutschland dagegen deutlich zugenommen. Aber das ist kein Arbeitskostenproblem, sondern die unvermeidbare Konsequenz der Aufwertung der D-Mark.
    Wenn das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln feststellt:
    Rund zwei Drittel des Kostennachteils der westdeutschen Industrie geht auf das Konto der DMark-Aufwertung.
    dann zeigt das zwar, daß es hier ein Problem gibt, das wir lösen müssen, aber wer meint, die Lösung des Problems einzig und allein den Arbeitnehmern aufbürden zu müssen, der gefährdet den sozialen Frieden und damit auch den Standort Deutschland.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Der Bundeskanzler sagt, auch andere Länder in Europa kürzten. Dabei nannte er ausdrücklich Schweden. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied zu Schweden. Die Schweden behalten die Vermögensteuer bei und bauen die Bemessungsgrundlage sogar noch aus, während diese Bundesregierung die Vermögensteuer abschaffen will.
    In ein und demselben Kürzungspaket schlägt die Bundesregierung die Abschaffung der Vermögensteuer mit Steuerausfällen von 9 Milliarden DM vor - nebenbei gesagt: wieso blockieren wir eigentlich Einsparungen, wenn wir Sie daran hindern wollen, 9 Milliarden DM aus dem Fenster zu werfen, meine Damen und Herren? -,

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    und gleichzeitig behaupten Sie, Sie hätten nicht die 3,7 Milliarden DM für die bereits beschlossene Erhöhung des Kindergeldes.
    Meine Damen und Herren, das paßt nicht zusammen. Wenn wir dies gegeneinander ausspielen, dann sagen Sie, Frau Hasselfeldt - das war dieser Tage in einer Diskussion mit mir -, das sei Sozialneid.
    Der Herr Bundeskanzler ist im Jahr 1982 angetreten mit dem Amtsspruch der geistig-moralischen Erneuerung.

    (Zuruf von der SPD: Hört! Hört! Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das hat bei Ihnen nicht gefruchtet!)

    Wohin diese Erneuerung geführt hat, sagt recht deutlich Professor Friedhelm Hengsbach von der Katholischen Soziallehre in einem Aufsatz in der „Zeit". Er sagt:
    Die politischen Entscheidungsträger haben seit den achtziger Jahren systematisch jene Strukturen ausgehebelt, die den Nährboden für Gemeinsinn und Solidarität bildeten.
    Genau das ist es. Ich bin der festen Überzeugung: Wir können und werden die schwierige Lage unseres Gemeinwesens meistern, wenn wir uns als Leistungs- und Solidargemeinschaft verstehen.
    Wer wie Sie die soziale Gerechtigkeit als Sozialneid diffamiert, wer unten abkassiert, ohne die deutsche Oberschicht an ihre Solidaritätspflicht gegenüber dem eigenen Volke zu erinnern, der zerstört den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft. Und das werden wir nicht zulassen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie sagen, das Urteil zur Vermögensteuer erfordere ihre Abschaffung. Nein, dort heißt es wörtlich:
    Das Konzept der geltenden Vermögensteuer entspricht diesen, vom Verfassungsgericht genannten Anforderungen.
    Sie sagen, die Erhebung der Vermögensteuer sei so kompliziert. Herrgott noch mal, dann machen Sie doch mit uns ein neues Vermögensteuergesetz - wir haben die Vorschläge eingebracht -, das weniger kompliziert ist.
    Sie sagen, die Vermögensteuer sei eine deutsche Besonderheit und in anderen Ländern nicht vorhanden. Das Finanzministerium hat doch gerade, am 30. Juli 1996, eine schöne Übersicht vorgelegt: Die Vermögensteuer gibt es in Dänemark, Finnland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz und Spanien. Daß Sie angesichts der dramatischen Lage der Staatsfinanzen die 10 Billionen DM Privatvermögen zukünftig steuerfrei lassen wollen, ist wirklich nicht einzusehen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dann sagen Sie: Aber die betriebliche Vermögensteuer gibt es in der Welt nur selten. Es gibt sie auch in Luxemburg und in der Schweiz; aber immerhin. Wir sind bereit, mit Ihnen darüber zu reden, aber doch nicht ohne Kompensation, ohne Ausgleich.
    Es gibt überhaupt keinen Anlaß, die Unternehmensteuern netto zu senken.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Was? Es gibt keinen Anlaß?)

    Das gewiß nicht SPD-nahe Institut Finanzen und Steuern hat gerade eine Untersuchung für die letzten zehn Jahre vorgelegt. Danach ist die Lohnsteuer um 91,5 Prozent gewachsen, die Umsatzsteuer um 113,7 Prozent, die Gewerbesteuer dagegen nur um 36,7 Prozent. Die Körperschaftsteuer ist sogar um 43,1 Prozent zurückgegangen; sie liegt bezüglich ih-

    Ingrid Matthäus-Maier
    res Aufkommens mittlerweile hinter der Tabaksteuer. Was für eine verrückte Situation!

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

    Nein, für eine Nettoentlastung der Unternehmen gibt es keinen Grund.
    Außerdem hat sich die Schonung der Unternehmensgewinne in den letzten 14 Jahren, in denen wir die Unternehmenssteuern kräftig gesenkt haben, entgegen Ihren Verheißungen offensichtlich nicht in Form höherer Produktion, nicht in Form höherer Beschäftigung und nicht in Form höherer Staatseinnahmen niedergeschlagen. Deswegen: Für eine Entlastung gibt es keinen Grund.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Entlastungsbedarf gibt es an ganz anderer Stelle: bei den Familien mit Kindern und den Lohnsteuerzahlern. Deswegen werden wir auf der Anhebung des Kindergeldes zum 1. Januar 1997 und der Verbesserung des Grundfreibetrages beharren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Die Rücknahme dieser bereits im Gesetzblatt stehenden Verbesserungen wäre ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber den Familien. Bis in den März dieses Jahres hinein keine Rede von Waigel ohne den Hinweis auf die Kindergelderhöhung in 1997; jede Menge Papier, vor wenigen Tagen noch ein Heft über das Jahressteuergesetz. Ausgerechnet eine Woche nach den Landtagswahlen aber fällt dem Finanzminister ein, daß er die Kindergeldverbesserung in 1997 doch nicht will. Herr Finanzminister Waigel, ich habe Ihre Steuerlüge vom Herbst 1990 gut in Erinnerung. Fügen Sie dem nicht noch eine Kindergeldlüge hinzu!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Das wäre außerdem ein klarer Vertragsbruch gegenüber der SPD.
    Sie haben heute morgen so schön gesagt - mir blieb fast die Spucke weg -: Wir haben die Anhebung 1996 und 1997 gewollt. - Das ist die glatte Unwahrheit! Sie haben sie nicht gewollt. Im Frühjahr letzten Jahres haben Sie noch gesagt: vielleicht 20 DM beim Zweitkindergeld; aber keine Verbesserung beim Erstkindergeld. Die haben wir Ihnen abgezwungen. Deshalb werden wir nicht zulassen, daß Sie die streichen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So sieht christliche Familienpolitik aus!)

    Außerdem: Das Kindergeld ist keine Gnade des Staates gegenüber den Familien. Es ist die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Existenzminimums der Kinder von der Steuer.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Ist das nicht der Kinderfreibetrag?)

    - Das ist gar nicht mein Thema. Wir wollen ja in 1997 beides verbessern. Ihr Zuruf hilft überhaupt nicht. Wenn Sie hier schon Zurufe machen, dann sagen Sie, daß Sie von der F.D.P. vielleicht mit uns zusammen gegen Herrn Waigel das Kindergeld und den Kinderfreibetrag anheben wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Verfassungsgericht hat nämlich in der Entscheidung, in der es Ihnen, Herr Waigel, die Verfassungswidrigkeit Ihres Kindergeldmodells bescheinigt hat, ausdrücklich gesagt:
    Der Finanzbedarf des Staates ist nicht geeignet, eine verfassungswidrige Steuer zu rechtfertigen. Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muß er auf die gerechte Verteilung der Lasten achten.

    (Beifall bei der SPD)

    Genau das klagen wir ein. Wie sagte meine Kollegin Margot von Renesse so treffend: „Vater Staat benimmt sich wie ein unterhaltspflichtiger Vater, der erst zahlt, wenn der Gerichtsvollzieher mit dem vollstreckbaren Urteil vor der Tür steht." Meine Damen und Herren, lassen Sie uns das verhindern! Lassen Sie uns - wie vorgesehen - das Kindergeld gemeinsam in 1997 erhöhen!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Denn unser wirkliches Vermögen sind unsere Kinder und Jugendlichen. Deswegen müssen wir auch mit dem Haushalt die Weichen in Richtung Zukunft stellen. Das tun Sie nicht. Gerade bei knappen Kassen muß ich doch Schwerpunkte setzen, die für die Zukunft wegweisend sind. Sie aber kürzen bei den dringenden Zukunftsaufgaben.
    Wer - wie diese Bundesregierung - beim Schienenbau Milliarden kürzt, beim Autobahnbau aber drauflegt, hat keine Ahnung, wo in Zukunft die Schwerpunkte in diesem Lande liegen müssen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wie sollen denn die Lkw-Kolonnen von der Straße, wenn nicht über die Schiene?
    Wer - wie diese Bundesregierung - für Kernenergie und Atomforschung im Bundeshaushalt immerhin noch über 2,1 Milliarden DM ausgibt, gleichzeitig aber die Ausgaben für erneuerbare Energien und Energieeinsparung um 62 Millionen auf nur noch 258 Millionen DM kürzt, verspielt unsere Zukunft. Denn im Jahre 2000 wird derjenige die Nase beim Export vorne haben, der die besten Umweltschutz- und Energieeinspartechnologien exportieren kann.

    (Beifall bei der SPD)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Wer - wie diese Bundesregierung - im Umwelthaushalt die Investitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen um fast 10 Millionen DM kürzt und gleichzeitig die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit - im Bundeshaushalt insgesamt - um fast die gleiche Summe erhöht, muß sich fragen lassen, ob er wirklich noch weiß, was er tut.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hat Frau Merkel nötig!)

    Nur zwei Kostproben: Der Arbeitsminister will sage und schreibe 11 Millionen DM mehr für Öffentlichkeitsarbeit ausgeben, um über die Kürzungspakete aufzuklären. Da rate ich ihm: Lassen Sie die Kürzungspakete, dann brauchen Sie auch keine 11 Millionen DM, um den Menschen diesen Unsinn zu verklickern.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Oder der Jahresbericht der Bundesregierung 1995, erschienen im Sommer 1996: 934 Seiten Lobhudelei und Überholtes von gestern. Zur Rinderseuche BSE steht dort - man höre und staune - wörtlich:
    Bisher ergeben sich keine Hinweise auf eine Übertragbarkeit des Erregers auf den Menschen.
    Da kann man nur sagen: Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Warum haben die Briten denn alle ihre Rinder umgebracht, wenn das so ist?
    Nein, meine Damen und Herren, wer - wie diese Bundesregierung - den Anteil des Forschungs- und Technologiehaushaltes am Gesamthaushalt von 4,7 Prozent in 1992 auf nur noch 3,4 Prozent reduziert, der schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ihr Forschungs- und Technologiehaushalt wird überdurchschnittlich gekürzt, und das ist der forschungspolitische Offenbarungseid dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Bei der Projektförderung in den wichtigsten Schlüsseltechnologien kürzt Minister Rüttgers gleich reihenweise: Produktion 2000: minus 11 Prozent, Lasertechnik: minus 11 Prozent, neue Materialien: minus 11 Prozent, Gesundheitsforschung: minus 11 Prozent, Ökologie- und Klimaforschung: minus 11 Prozent; so geht das weiter. Meine Kollegin Edelgard Bulmahn hat daraufhin treffend gesagt: Minister Rüttgers, der einmal als sogenannter Zukunftsminister angetreten ist, sollte sich besser in „Mister minus 11 Prozent" umbenennen lassen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir werden entsprechende Umschichtungsanträge zu diesen wichtigen Zukunftsaufgaben stellen.
    Übrigens: Zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes gehört auch, daß jeder Jugendliche, der eine Lehrstelle sucht, auch eine findet. Der Staat kann nicht länger dulden, daß nur oder überwiegend die kleinen und mittleren Betriebe, die Handwerksbetriebe, ausbilden, wofür wir ihnen ausdrücklich danken, und sich die Großbetriebe aus der Ausbildung zurückziehen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden - nur damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden den Betrieben etwas Unzumutbares auferlegen -:
    Wenn der Staat in Anerkennung dieser Aufgabenteilung den Arbeitgebern die praxisbezogene Berufsausbildung der Jugendlichen überläßt, so muß er erwarten, daß die gesellschaftliche Gruppe der Arbeitgeber diese Aufgabe nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten und damit so erfüllt, daß grundsätzlich alle ausbildungswilligen Jugendlichen die Chance erhalten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das gilt auch dann, wenn das freie Spiel der Kräfte zur Erfüllung der übernommenen Aufgabe nicht mehr ausreichen sollte.
    Wir sagen Ihnen: Wir brauchen ein solidarisches Ausgleichssystem, am besten auf Kammerebene. - Das Bauhandwerk und das Schornsteinfegerhandwerk haben gezeigt, daß das geht. - Wenn es aber auf der Kammerebene freiwillig nicht klappen sollte, dann müssen wir ein solidarisches Ausgleichssystem gesetzlich einführen. Der Skandal, daß September für September Zigtausende von Jugendlichen keine Lehrstelle finden, muß ein Ende haben, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Zur Zukunftssicherung gehört auch, daß wir endlich den Einstieg in eine ökologische Steuerreform vornehmen. Dieser Tage hat mir eine ledige Arbeitnehmerin ihren Lohnstreifen gezeigt: 5 300 DM brutto im Monat ergeben 2 900 DM netto, und der Arbeitgeber zahlt wegen der Arbeitgeberleistungen zur Sozialversicherung 6 400 DM. Meine Damen und Herren, das ist unerträglich. Das zeigt: Die Lohnnebenkosten sind zu hoch, weil diese Bundesregierung einen großen Teil der Kosten der deutschen Einheit systemwidrig in die Sozialversicherung hineingeschoben hat.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wer die menschliche Arbeit so massiv besteuert, der ist dafür verantwortlich, daß sie verteuert wird. Das müssen wir ändern. Deswegen fordern wir: kräftige Absenkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge bei gleichzeitiger maßvoller Verteuerung der Energie.
    Mittlerweile gibt es viele Unternehmen, die festgestellt haben, daß eine solche Absenkung der Lohnnebenkosten auch für die Wirtschaft sehr viel interes-

    Ingrid Matthäus-Maier
    santer ist als die von ihren Verbandsoberen eingeforderte Senkung der Unternehmensteuer.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bin ganz sicher, daß es zu einer solchen ökologischen Steuerreform, zu einer solchen Umschichtung - Entlastung des Kostenfaktors menschliche Arbeit bei maßvoller Verteuerung der Energie - kommen wird. Wenn Sie uns Sozialdemokraten das nicht abnehmen, rate ich Ihnen einfach einmal: Lesen Sie das Interview mit dem Astronauten und Physiker Professor Messerschmid im „Publik Forum" vom letzten Jahr, in dem er eindrucksvoll beschreibt, wie er als nicht linker Politiker sich zu einem „radikalen Ökologen" entwickelt hat, weil er im Ablauf der Jahre auch beim Umrunden der Erde festgestellt hat, wie massiv sich die Situation der Umwelt verschlechtert hat und daß daran insbesondere die Energie schuld ist. Schimpfen Sie heute nur! Sie - oder ab 1998 wir, wie wir hoffen - werden eine solche ökologische Steuerreform machen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Zu diesem Thema gehört dann auch, daß Sie endlich die Subventionen beseitigen, mit denen der Verbrauch von Energie gefördert wird. Wir wissen: Das geht überwiegend nur im internationalen Rahmen. Aber um welche Summen es geht - es geistert immer die Zahl von 400 Millionen herum -, das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Frage meiner Kollegin Monika Ganseforth. Sie hatte gefragt, welche Steuereinnahmen sich durch die Besteuerung des Flugbenzins unter Zugrundelegung des jährlich durch die zivile Luftfahrt verbrauchten Flugkraftstoffs für innerdeutsche und internationale Flüge erzielen ließen. Die für mich verblüffende Antwort der Bundesregierung war: „Bei einer Versteuerung zum Regelsteuersatz ergäben sich Steuereinnahmen von rund 6,7 Milliarden DM" - in Deutschland! Solche Summen fehlen uns, weil Sie nicht an die unökologischen Steuersubventionen herangehen, um so dazu beizutragen, daß diese auch international endlich abgeschafft werden.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Zur Zukunftssicherung gehört auch, daß Bundeshaushalte nach dem Jahr 2000 nicht länger so massiv vorbelastet werden, wie das in der Vergangenheit geschehen ist. Schon jetzt steht für die Zeit nach dem Jahr 2000 fest: Die Bundeshaushalte sind jährlich mit mindestens 103 Milliarden DM an Zinslasten und über 16 Milliarden DM an Versorgungsleistungen für Pensionen vorbelastet. Das ist eine schwere Zukunftshypothek. Um so mehr bedauern wir, daß der Innenminister immer noch nicht den seit Jahren überfälligen Versorgungsbericht für den öffentlichen Dienst vorgelegt hat

    (Beifall bei der SPD Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steckt der überhaupt? Ein Entsorgungsbericht wird das!)

    und daß diese Bundesregierung bis heute unsere Vorschläge zur Reform des öffentlichen Dienstes ablehnt. Was brauchen wir? Abschaffung der Ministerialzulage, Beförderung nach Leistung statt nach Alter durch Dienstaltersstufen, Beseitigung von Privilegien bei den Beamtenpensionen, Abbau von Sondervorteilen bei der Krankenversicherung, Einführung des Teilzeitbeamtentums usw. Wir fordern diese Bundesregierung auf, diese unsere Vorschläge für eine Reform des öffentlichen Dienstes mit Milliarden Minderausgaben nicht länger zu blockieren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Zu den Vorbelastungen der Haushalte gehört zum Beispiel auch, daß der Bund rund 24 Milliarden DM dafür aufwenden muß, privat vorfinanzierte Straßen- und Schienenbauprojekte ratenweise zu bezahlen. Dahinter steckt eine ganz unglückselige Entwicklung: Um der aktuellen Haushaltsnot zu entkommen, verschiebt man die Probleme auf die Zeit nach 2000. Ich halte diese Vorbelastung zukünftiger Generationen für verantwortungslos.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In diesen Vorbelastungen durch Verpflichtungen sind bestimmte Dinge noch gar nicht enthalten. Ich nenne hier einmal den Transrapid, der mit einem Betrag von 5,1 Milliarden DM zu Buche schlägt. Gerade an diesem Beispiel läßt sich klarmachen, daß es uns hier nicht um Technikfeindlichkeit geht.

    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Jäger 90!)

    Ich halte den Transrapid für ein technologisches Spitzenprodukt. Darauf zielt unsere Kritik nicht ab. Unsere Kritik zielt auf den Sachverhalt, daß der Staat, nachdem er bereits über 1 Milliarde DM an öffentlichen Geldern in die Erforschung des Transrapid gesteckt hat, jetzt auch noch die Kosten für den Fahrweg tragen soll. Wenn der Transrapid wirklich ein solches technologisches Spitzenprodukt ist, dann müssen doch diejenigen in Politik und Wirtschaft, die Tag und Nacht von Privatisierung reden, endlich bereit sein, den Transrapid privat finanzieren zu lassen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Eine weitere dramatische Vorbelastung - ich kann es Ihnen nicht ersparen - ergäbe sich, wenn Sie den Jäger 90 beschafften.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Detlev von Larcher [SPD], zur CDU/CSU gewandt: Ihr hättet jetzt eigentlich klatschen müssen!)

    Es handelt sich um über 20 Milliarden DM, mit schlimmen Folgen nicht nur für den Bundeshaushalt, sondern auch für die Bundeswehr.

    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Endlich kommt das Thema „Jäger 90"!)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Denn wenn er beschafft wird, ist im Verteidigungshaushalt überhaupt keine Luft mehr für andere Dinge.

    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Alle Jahre wieder! )

    Was haben wir eigentlich davon, wenn wir über eine strahlende Luftwaffe verfügen, aber das Heer auf abgefahrenen Reifen herumfahren muß?

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren, daß Sie, Herr Waigel, in dieser Beziehung noch lernen. Denn Sie haben offensichtlich schon einmal in bezug auf den Verteidigungshaushalt gelernt. Als wir Sozialdemokraten im letzten September maßvolle Kürzungsvorschläge für den Verteidigungshaushalt gemacht haben, haben Sie hier wörtlich gesagt: Damit würde der Beitrag zur Verteidigung von Frieden und Freiheit in Deutschland und in Europa in Frage gestellt. Jetzt haben Sie den Verteidigungshaushalt viel stärker gekürzt, als wir vorgeschlagen haben. Ich frage Sie: Was soll das? - Beeinträchtigt Herr Waigel damit den Beitrag zur Verteidigung von Freiheit und Frieden in Deutschland und in Europa?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zur Rettung des Abendlandes!)

    Nein. Ich fordere Sie auf: Lassen Sie diesen Unsinn! Legen Sie endlich eine Bundeswehr-Strukturreform vor,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    damit wir die Anzahl der Soldaten auf unter 340 000 Mann absenken können!

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie sind wohl von gestern!)

    Wir brauchen schließlich eine Steuerreform, die mehr Steuergerechtigkeit und mehr Steuervereinfachung bringt. Wir haben unsere Vorschläge auf den Tisch gelegt: erstens Absenkung des Eingangssteuersatzes auf 19,5 Prozent, zweitens Verbesserung des steuerfreien Grundfreibetrags auf 14 000 DM bei Ledigen und 28 000 DM bei Verheirateten und einen linear-progressiven Tarif ohne leistungshemmende Sprünge.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo soll das enden?)

    Das führt zu einer deutlichen Entlastung der Normalverdiener. Da liegt auch unser Schwerpunkt, meine Damen und Herren, im Unterschied zu dem Ihrigen. Denn was Sie vorhaben, konnten wir im Sommer gut beobachten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo soll das denn enden?)

    Da sagte der Kanzler - noch bevor eine einzige Steuersubvention abgebaut wurde -, die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei unumgänglich. Herr Schäuble sagte einige Tage später, mit den Steuersenkungen
    bei den unteren Einkommen müsse es nun einmal ein Ende haben.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das habe ich gar nicht gesagt!)

    Er will nur noch den Spitzensteuersatz senken. Das kennen wir: Rentner, Arbeitslose, Arbeitnehmer müssen eine höhere Mehrwertsteuer zahlen, damit Sie den Spitzensteuersatz für Spitzenverdiener absenken können. Das wird es mit uns nicht geben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)