Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstmals seit vielen Jahren kann der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helmut Wieczorek, heute nicht bei uns sein. Nach seiner schweren Erkrankung befindet er sich auf dem Wege der Genesung. Ich wünsche ihm - ich darf wohl sagen: wir wünschen ihm - alles Gute und hoffe, ihn bald wieder in unserem Kreise zu sehen.
Meine Damen und Herren, im sechsten Jahr nach der deutschen Einheit haben wir zentrale finanzpolitische Aufgaben gelöst und die Weichen für das nächste Jahrzehnt gestellt.
- Lustig war nur das Ergebnis Ihrer Wahl zum Fraktionsvorsitzenden, Herr Fischer. Bei einem solchen Ergebnis würde ich mich schämen und an der darauffolgenden Debatte nicht mehr teilnehmen.
Seit 1989 haben sich die Rahmenbedingungen für die Finanzpolitik nicht nur im nationalen Maßstab grundlegend verändert. Mit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs sind neue Märkte entstanden. Neue Chancen für den Standort Deutschland sind die Folge. Zugleich entsteht aber eine neue Konkurrenz, die zum Beispiel bei den Lohnkosten und bei den Steuern sehr günstige Standortbedingungen anbieten kann. Gleichzeitig nehmen mit der Verbreitung moderner Kommunikationstechnologie die Globalisierung und die Konkurrenz auf den Weltmärkten zu.
Der Standort Deutschland hat hier Pfunde, mit denen er wuchern kann. Er hat aber auch gravierende Mängel: bei den Steuersätzen, bei den Arbeitskosten und bei der Arbeitszeit. Wir müssen uns wie der Sachverständigenrat in seinem letzten Jahresgutachten fragen, warum die Auslandsinvestitionen in Deutschland so niedrig liegen; in dem Land, das die kürzesten Wege zu den sich entwickelnden Märkten in Mittel- und Osteuropa und viele andere Standort-
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vorteile hat. Hier etwas zu ändern ist die Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen.
Auch in der Haushalts- und Steuerpolitik stehen wir einmal mehr vor schwierigen Herausforderungen. Ohne Wachstum, ohne Investitionen in neue Märkte und Produkte, in der Industrie und im Dienstleistungssektor, gibt es keine neuen Arbeitsplätze.
Mit dem Haushaltsentwurf 1997, dem Finanzplan 1996 bis 2000 und dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung verfolgen wir unsere stabilitätsorientierte Finanzpolitik. Zugleich werden damit die Voraussetzungen für die Einhaltung der Maastricht-Kriterien im entscheidenden Jahr 1997 geschaffen. Nachhaltiges und spannungsfreies Wachstum ist nur durch eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik zu erreichen. Zur Konsolidierung, zur Senkung der Staatsquote sowie zur Rückführung der öffentlichen Defizite und der Steuerlast gibt es deshalb keine ökonomisch vernünftige Alternative.
Das Sparen von heute bestimmt die Zukunft. Nur wer heute spart, kann in der Zukunft investieren. Die Frage der Ersparnisbildung, national und international, bestimmt immer stärker auch die internationale Finanzpolitik. Das ist die Botschaft der G 7 und der G 10, und dies bestätigen alle nationalen und internationalen Experten und Institutionen: die Europäische Kommission, der Internationale Währungsfonds und die OECD, die in ihrem in der letzten Woche veröffentlichten Deutschland-Bericht die Konzeption der Finanzpolitik der Bundesregierung nachdrücklich unterstützt.
Hier, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Sie genau zuhören und nachlesen, was die OECD gesagt hat. Sie mahnt nämlich die vollständige Umsetzung der Spargesetze und Strukturreformen an.
Sie verweist - sehr ungewöhnlich für einen Bericht der OECD - auf den Bundesrat. Ich hoffe, daß diese Botschaft bei Ihnen und bei den SPD-regierten Ländern endlich ankommt.
Statt dessen werden wir von Ihnen wahrscheinlich wieder einmal etwas über vermeintliche soziale Schieflagen beim Haushalt und bei der Steuerpolitik, über Haushaltslöcher und angebliche internationale Versäumnisse hören. Sie werden auch Mehrausgaben unter anderem für die neuen Länder und für die Forschung fordern, ohne daß Sie etwas zur Deckung sagen. Selbst vor weiteren Steuererhöhungen - bei der Vermögensteuer und beim Solidaritätszuschlag - schrecken Sie nicht zurück. Nur: Über die Maßnahmen, die unter den veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Wiedergewinnung von Wachstum und Beschäftigung notwendig sind, schweigen Sie sich aus.
Das Wachstum zieht jetzt wieder an. Im zweiten Quartal 1996 ist die Wirtschaft saisonbereinigt um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen. Die Konjunktur faßt wieder Tritt, die Produktion steigt. Die Abschwächung der Kapazitätsauslastung ist beendet, und das Geschäftsklima hat sich deutlich verbessert. Die Auslandsaufträge entwickeln sich stabil, die Inlandsaufträge nahmen zuletzt wieder zu.
Die noch vor wenigen Wochen prognostizierte reale Wachstumsrate von dreiviertel Prozent für das BIP des Jahres 1996 dürfte nach den letzten Ergebnissen nun doch übertroffen werden. Eine Wachstumsrate von real 1 Prozent scheint jetzt für 1996 erreichbar. Auch die Wachstumsannahmen für das Jahr 1997 von real 2 bis 2,5 Prozent stehen auf festem Grund.
Wir nehmen hier nicht einfach etwas an, sondern das ist das, was uns die nationalen und internationalen Experten zu dem Thema prognostizieren.
Die Aufwertung der D-Mark hat sich weitgehend zurückgebildet, die Lohnrunde war von großem Realitätssinn geprägt, und mit den Steuerentlastungen 1996 sowie dem Wegfall des Kohlepfennigs haben wir den Verbrauch gestärkt.
Als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für Wiederaufbau kenne ich die Entwicklung bei den Investitionskrediten. Die Bank hat dieses Jahr bereits rund 25 Milliarden DM an Investitionskrediten zugesagt, fast soviel wie im gesamten letzten Jahr. Beim Mittelstand ist die Nachfrage um die Hälfte höher als im vergangenen Jahr. Damit werden mehr als 500 000 Arbeitsplätze gesichert und 44 000 neue geschaffen.
Die Voraussetzungen für einen Aufschwung sind auch auf der Preisseite gegeben. Das Ziel der Preisniveaustabilität ist weitgehend erreicht. Der Preisindex für die private Lebenshaltung sank im August im Vergleich zum Vormonat Juli um 0,1 Prozent; im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg des Verbraucherpreisniveaus zuletzt 1,4 Prozent. Das sind Entwicklungen, die wir seit 1988 nicht gekannt haben. Blickt man weiter zurück, muß man lange suchen, um ähnliche Werte zu finden. Erst 1968 wird man fündig; damals betrug die Preissteigerungsrate bei den Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahr 1,6 Prozent.
Gefahren für die Preisstabilität sind nicht in Sicht. Dies hat Bundesbankpräsident Tietmeyer anläßlich der kürzlich erfolgten Senkung des dritten Leitzinses noch einmal hervorgehoben.
Niedrige Preise und niedrige Zinsen sind nicht nur eine Voraussetzung für Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze, sondern ein Schlüsselelement sozialer Gerechtigkeit. Dies ist ein Verdienst der Deutschen Bundesbank und ihrer konsequenten, stabilitätsorientierten Geldpolitik. Hier hat die Bundesbank in vielen Jahren ein großes Vertrauenskapital geschaffen, von dem wir alle zehren.
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Nur: Ohne eine strikte, auf Konsolidierung gerichtete Finanzpolitik wäre gleichwohl der Spielraum der Bundesbank erheblich kleiner. Niedrige Preise und Zinsen sind daher auch ein Erfolg der Finanzpolitik dieser Bundesregierung.
Der Aufschwung beginnt erst. Er muß noch an Dynamik gewinnen.
- Wollen Sie die Zahlen, die ich vorher genannt habe, bestreiten? Oder freuen Sie sich nicht auch über diese Entwicklung?
Wir sind jedenfalls froh darüber und werden die Voraussetzungen dafür sichern. Hätten Sie sich der Steuer- und Finanzpolitik in den letzten Jahren nicht verweigert, hätten Sie sie im Bundesrat nicht blokkiert, hätten Sie nicht die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer verhindert, wären wir schon weiter.
Bereits seit Anfang des Jahres hätte die arbeitsplatzvernichtende Gewerbekapitalsteuer Geschichte sein können. Sie von der SPD haben es nicht gewollt; Sie haben der Konjunktur diesen wichtigen zusätzlichen Impuls versagt. Zur notwendigen Konsolidierung auch ihrer Haushalte hätten die von der SPD regierten Länder das Sparpaket eigentlich passieren lassen müssen. Zusätzlich hätten sie mit einem gemeinsamen Konsolidierungskonzept ein Signal für sinkende Defizite setzen und damit der Konjunktur weitere Impulse geben können. Statt dessen wurden einsichtige SPD-Länderchefs Opfer der Konfrontationsstrategie des Parteichefs und Ministerpräsidenten des Saarlandes Oskar Lafontaine.
Meine Damen und Herren, eine gemeinsame Einsparliste der Länder schrumpfte binnen Tagen von fast 40 Milliarden DM auf null. Es ist schon ein starkes Stück, auf Bundesebene große Töne zu spucken und sich um den Haushalt und die Finanzpolitik seines eigenen Landes nach dem Motto „Das wird schon der Bund richten und dafür die Gelder bereitstellen" überhaupt nicht mehr zu kümmern.
Bei seinen Haushaltsplanungen ist der Bund auf die Einschätzung der künftigen konjunkturellen Entwicklung angewiesen.
Dazu bedient er sich der Expertise von Fachleuten wie der Forschungsinstitute oder unabhängiger Gremien wie bei der Steuerschätzung. Auch diese Prognosen treffen nicht immer die Realität. Damit muß jeder Finanzminister leben, auch die der Länder.
Im laufenden Haushalt 1996 zeigt sich noch der Einfluß der jetzt beendeten Wachstumspause. Für den Bund ergeben sich dadurch Steuermindereinnahmen und unabweisbare Mehrausgaben auf dem Arbeitsmarkt. Die geplante Nettokreditaufnahme von 59 Milliarden DM wird daher nicht ausreichen. Die Steuerschätzung im Mai 1996 hat für den Bund ein Minus von 11,8 Milliarden DM ergeben. Dem steht eine geringere Abführung an die Europäische Union von rund 3,5 Milliarden DM gegenüber.
Auf dem Arbeitsmarkt müssen wir, entgegen den ursprünglichen Schätzungen, im Jahresdurchschnitt mit erheblich mehr Arbeitslosen als angenommen rechnen. Ich habe daher den Anträgen des Bundesministers für Arbeit auf überplanmäßige Ausgaben in Höhe von 12,5 Milliarden DM zugestimmt.
Die Bundesanstalt für Arbeit ist wie wir alle weiterhin in der Pflicht, alle Einsparmöglichkeiten zu nutzen.
Der Haushalt 1996 würde allerdings deutlich besser dastehen, wenn die SPD unsere Reform- und Spargesetzentwürfe im Bundesrat nicht verzögert oder ganz bzw. teilweise verhindert hätte.
Wir haben 1993 und im Wahljahr 1994 sehr unangenehme und schmerzhafte Einsparvorschläge, was die originäre Arbeitslosenhilfe und ähnliches mehr anbelangt, in Form von Gesetzentwürfen vorgelegt.
Hätten Sie diese mitgetragen, stünde jetzt allein der Bund um 6 Milliarden DM besser da. Dafür, daß dies nicht geschehen ist, tragen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die alleinige Verantwortung.
Unsere Gesetzesvorschläge seit 1993 beinhalteten Maßnahmen zur Sicherung des Haushalts. Das sollte jeder wissen, der über ein Haushaltssicherungsgesetz spricht.
Mit der von mir bereits im März verhängten Haushaltssperre haben wir durch Ressortvereinbarungen schon 5 Milliarden DM eingespart. Entlastungen im Haushalt 1996 gibt es auch durch höhere Verwaltungseinnahmen und geringere Ausgaben für Gewährleistungen, für Zinsen und für die BvS.
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Ich werde alles daransetzen, gemeinsam mit dem Haushaltsausschuß und den Politikern der Koalition, die Nettokreditaufnahme 1996 unter 70 Milliarden DM zu halten.
- Ich habe vorher gesagt, daß wir die Nettokreditaufnahme in Höhe von 59 Milliarden DM nicht einhalten können. Dies ist auf Grund der Ereignisse und der neuen Schätzungen bezüglich des Arbeitsmarkts und der Steuermindereinnahmen unabweisbar. Die überplanmäßige Ausgabe habe ich absichtlich in der letzten Woche genehmigt und nicht in der Haushaltswoche; so können Sie dies gleich jetzt kritisieren. Wir haben nichts zu verbergen, meine Damen und Herren. Im übrigen haben Sie keine anderen Einschätzungen gehabt.
Meine Damen und Herren, wie kann man eigentlich höhere Ausgaben des Bundes beklagen, wenn man selber für Einsparungen keine Sorge trägt, sie nicht mitträgt und sogar noch höhere Ausgaben verlangt? Das ist Ihre falsche Politik.
Sie blockieren und verzögern seit Jahr und Tag Einsparungen in Milliardenhöhe. Jetzt hoffen Sie, die Verschiebung der Kindergelderhöhung und andere Elemente der Sparpakete zu Fall bringen zu können. Anschließend zeigen Sie dann mit dem Finger auf den Finanzminister und werfen ihm die Haushaltslücke vor. Ich bezeichne ein solches Verhalten als heuchlerisch und unehrlich.
Wie können Sie hier im übrigen Sparpläne kritisieren, wenn in Ländern, in denen die SPD Regierungsverantwortung trägt, ähnlich einschneidende Maßnahmen erfolgen? In Niedersachsen gibt es massive Kürzungen im sozialen Bereich. In Berlin baut die sozialdemokratische Finanzsenatorin Fugmann-Heesing Sozialleistungen ab. Die Preise für Theaterkarten und Kindertagesstätten werden angehoben. In Magdeburg geht es um die Drosselung von Leistungen, die bisher als rot-grüne Reformprojekte angepriesen wurden: Die tarifliche Gleichstellung der Lehrer mit ihren Westkollegen wird auf 1999 vertagt; Zuweisungen für Kommunen und Subventionen für Kindertagesstätten sollen gekürzt werden.
Meine Damen und Herren, ich kritisiere das nicht. Diese Maßnahmen sind wahrscheinlich notwendig. Ich frage mich nur: Wie kommen Sie eigentlich dazu, uns hier eine soziale Schieflage vorzuwerfen, wenn Sie dort, wo Sie Regierungsverantwortung tragen, ebenfalls Einsparungen vornehmen? Dies ist ein Doppelspiel, das Sie hier betreiben wollen.
Jetzt fordert die SPD die Vorlage eines Ergänzungshaushalts zum Bundeshaushaltsplan 1997. Hierbei handelt es sich um ein durchsichtiges und unnötiges Manöver. In einschlägigen Kommentierungen zu § 32 Bundeshaushaltsordnung wird bei der Notwendigkeit der Anpassung des Haushaltsentwurfs eine Unterrichtung des Haushaltsausschusses regelmäßig für ausreichend angesehen.
Wir werden die Eckwerte des Haushalts 1997 einhalten. Das Sparpaket werden wir verabschieden. Die durch neue volkswirtschaftliche Daten notwendige Anpassung des Entwurfs werden wir im parlamentarischen Verfahren vornehmen. Risiken gibt es auf dem Arbeitsmarkt. Wir wollen an einem Bundeszuschuß von null an die Bundesanstalt für Arbeit festhalten. Dafür sind gegebenenfalls weitere Sparmaßnahmen auch bei der Bundesanstalt notwendig.
Die Eckwerte des Haushalts 1997 und des Finanzplans bis 2000 spiegeln die Konsolidierungsschritte der letzten Jahre wider. Die gesamten Ausgaben belaufen sich für 1997 auf 440 Milliarden DM gegenüber 451 Milliarden DM im laufenden Haushaltsjahr. Dies bedeutet einen Ausgabenrückgang um 2,5 Prozent.
Erneut durchbrechen wir das Wagnersche Gesetz vom vermeintlichen unaufhaltsamen Anstieg der Staatsausgaben. Von einer Ausgabensteigerung in Höhe von 2,4 Prozent, die der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen seiner rot-grünen Koalition offenbar genehmigen mußte, sind wir weit entfernt. Mittelfristig wird der Ausgabenanstieg konsequent begrenzt. Die durchschnittliche jährliche Steigerungsrate im Finanzplanungszeitraum beträgt knapp 1 Prozent. Auch der jahresdurchschnittliche Zuwachs der Ausgaben im Zeitraum 1993 bis 2000 beträgt knapp 1 Prozent. Zum Vergleich: Die durchschnittliche jährliche Ausgabenzuwachsrate im Zeitraum 1969 bis 1982 betrug 8,74 Prozent - neunmal soviel. Seit 1993 ist das Ausgabenniveau des Haushalts nominal unverändert.
1993 betrug das Haushaltsvolumen 457,5 Milliarden DM. Schriebe man das Kindergeld als Ausgabe fort, betrüge das Haushaltsvolumen 1997 etwa 460 Milliarden DM. Deflationiert man den Bundeshaushalt 1997 über die Jahre mit der Preissteigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts, zeigt sich: Der Haushalt 1997 hat in realer Rechnung das niedrigste Volumen seit 1989.
Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt beträgt 1997 12,5 Prozent. Das entspricht dem bisherigen Tiefstand im Jahre 1954. Bis zum Jahre 2000 sinkt der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt sogar auf 11,7 Prozent.
Der neue Finanzplan weist 1997 bis 1999 fast 65 Milliarden DM weniger an Ausgaben auf als in der alten Planung vorgesehen. Die Nettokreditaufnahme wird 1997 mit 56,5 Milliarden DM zwar gegenüber der alten Finanzplanung um rund 7 Milliarden DM steigen, ist aber gegenüber dem Soll von 1996 rückläufig.
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- Ich habe gesagt, daß wir die Eckwerte, gerade was die Nettokreditaufnahme 1997, einem entscheidenden Jahr, angeht, festlegen und sie auch einhalten.
Meine Damen und Herren, angesichts der schwierigen haushaltswirtschaftlichen Ausgangslage gibt es zum Sparkurs 1997 keine Alternative. Der Bundeshaushalt 1997 muß neben den Konjunktureffekten auf der Einnahmen- und Ausgabenseite erhebliche Belastungen aus den Vorjahren ausgleichen. Der Bund trägt den Hauptteil der mit der Herstellung der staatlichen Einheit verknüpften Finanzierungsaufgaben. Neben den weiterhin hohen Transferleistungen an die neuen Bundesländer erfordern die Erblasten jährlich fast 37 Milliarden DM an Zinsen. Das ist mehr als ein Drittel der Zinslasten von insgesamt rund 94 Milliarden DM.
Mit 25 Milliarden DM leistet der Bund einen erheblichen Beitrag zum bundesstaatlichen Finanzausgleich. Daneben sind die seit Jahresbeginn wirkenden Entlastungen aus dem Wegfall des Kohlepfennigs sowie die Verbesserungen beim Existenzminimum und beim Familienleistungsausgleich zu verkraften.
Um trotz dieser Belastungen die stabilitätsorientierte und vertrauensbewahrende Finanzpolitik fortzusetzen, ist das im Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung enthaltene Sparpaket für den Haushalt 1997 unverzichtbar. Wohlgemerkt: Trotz der Bezeichnung Sparpaket ist das Programm kein buchhalterisches Konzept. Es ist ein notwendiger Bestandteil dringend erforderlicher Strukturreformen für den Standort Deutschland.
Der im Wachstumsprogramm als Zielgröße genannte Konsolidierungsbeitrag für den Bund von 25 Milliarden DM wird mit den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzen zur Umsetzung des Wachstumsprogramms und mit dem Haushaltsentwurf 1997 erreicht.
Ich appelliere noch einmal an die Länder: Sie müssen sich endlich zu einer gemeinsamen Konsolidierungslinie aufraffen und ihren Beitrag zum gesamtstaatlichen Konsolidierungsziel leisten. Die Sparvorschläge der Unions-Finanzminister bilden hierfür eine gute Basis. Es genügt nicht, Grundsatzerklärungen über die gesamtstaatlich notwendigen Sparzwänge abzugeben, sich gemeinsamen Sparbeschlüssen im Rahmen eines nationalen Stabilitätspaktes aber zu verweigern.
Die Opposition beschränkt sich darauf, unser Programm mit populistischen wie falschen Vorwürfen in Richtung eines vermeintlich sozialfeindlichen Kaputtsparens öffentlich zu diffamieren. Nur, meine Damen und Herren: Was einzelne SPD-Politiker manchmal offen und manchmal hinter vorgehaltener Hand sagen, steht im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu dem, was sie hier aufführen.
Bremens Bürgermeister Henning Scherf warnte Oskar Lafontaine laut eines Berichtes der „Süddeutschen Zeitung" vom 21. August in einem Brief vor einer Totalopposition beim Streit um das Sparpaket. In der August-Ausgabe der Zeitschrift „Der Selbständige" schrieb Klaus von Dohnanyi:
Die Bundesregierung ist im Prinzip auf dem richtigen Weg. Es ist höchste Zeit, den gemeinsam erkannten Sparwillen jetzt in die politische Tat umzusetzen.
Der Schwerpunkt der Konsolidierung liegt im konsumtiven Bereich. Der Bundeshaushalt wird vor allem bei den Sozialausgaben, den Personalausgaben und den nicht-investiven Programmausgaben entlastet. Die Investitionen konnten weitgehend geschont werden. So erreicht die Investitionsquote des Haushalts 1997 mit knapp 13,8 Prozent zwar nicht das Soll des laufenden Jahres mit 14,7 Prozent, liegt aber auf dem Durchschnittsniveau des Zeitraums 1990 bis 1995 und deutlich über der Quote vor der Wiedervereinigung. 1989 lag die Quote bei 12,5 Prozent.
Die Ausgaben für Sachinvestitionen steigen gegenüber 1996 um 700 Millionen DM. Das ist eine Steigerung um mehr als 5,5 Prozent.
Das Wachstumsprogramm ist keineswegs sozial schieflastig. Die Sozialausgaben stellen mit rund 148 Milliarden DM im Bundeshaushalt 1997 wiederum den mit Abstand größten Ausgabenbereich dar. Selbst nach einer vollständigen Umsetzung der im Wachstumsprogramm vorgesehenen Konsolidierungsmaßnahmen wird die Sozialleistungsquote nur um rund 0,4 vom Hundert sinken und dann immer noch bei rund 30 Prozent liegen. Wie verfehlt die These vom sozialen Kahlschlag ist, belegt auch die Steigerung des Anteils der Sozialausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes von 33,5 Prozent in 1996 auf 33,7 Prozent in 1997.
Es gibt ernstzunehmende Stimmen, die einen noch stärkeren Abbau der Sozialtransfers fordern. Das tun nicht nur die Arbeitgeber; vielmehr hält auch die OECD in ihrem aktuellen Deutschlandbericht unser Sozialsystem im internationalen Vergleich trotz der Reformen immer noch für sehr großzügig.
Bei der Rentenversicherung wird durch ein Entlastungsvolumen von über 11 Milliarden DM der Beitragsanstieg begrenzt. Eines sollte man nicht vergessen: Mit rund 86 Milliarden DM sind allein die Ausgaben für die gesetzlichen Rentenversicherungen fast doppelt so hoch wie die Ausgaben für Verteidigung mit 46,5 Milliarden DM.
Ein weiterer zentraler Schwerpunkt liegt in der Konsolidierung der Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit. Im Vordergrund stehen Korrekturen der Frühverrentungspraxis sowie eine schrittweise Angleichung des Ausgabevolumens für beschäftigungsfördernde Maßnahmen in den neuen Ländern an das Westniveau. Das Thema ABM-Ost ist in den letzten Wochen benutzt worden, um Stimmung gegen die
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Konsolidierungspolitik der Bundesregierung zu machen. Die Bundesregierung setzt hier aber das um, was viele Wirtschaftsexperten in West und Ost seit langer Zeit fordern. So hat der Sachverständigenrat bereits im Herbst 1995, also mitten in der konjunkturellen Wachstumspause empfohlen, die aktive Arbeitsmarktpolitik künftig auch in den neuen Bundesländern auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren.
Wir haben mit der Konzentration der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik auf die neuen Länder den tiefgreifenden Strukturwandel und die Arbeitsplatzverluste abgemildert. Der hohe Mitteleinsatz - von 1991 bis Ende dieses Jahres fließen für Arbeitsmarktpolitik rund 45 Milliarden DM in die neuen Länder - hatte in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung seine volle Berechtigung.
Eine unveränderte Fortsetzung bringt die Gefahr einer Verfestigung des zweiten Arbeitsmarktes und führt zu einer Beeinträchtigung des regulären Arbeitsmarktes, ohne die Probleme am Arbeitsmarkt auf Dauer zu verbessern. Diese Erkenntnis bestätigte soeben das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Die schrittweise Rückführung der arbeitsmarktpolitischen Aufwendungen ist daher nicht nur unter Konsolidierungsaspekten geboten.
Von der Rückführung sind die Maßnahmen der produktiven Arbeitsförderung nicht betroffen. Für diesen Zweck sind 1997 und im Finanzplanungszeitraum jährlich 1 Milliarde DM mit Schwerpunkt im Bereich der neuen Länder vorgesehen.
Bei den Finanztransfers in die neuen Länder ist ein Rückgang gegenüber den Ansätzen im Haushalt 1996 festzustellen. Er beruht im wesentlichen auf dem Auslaufen spezifischer Transferleistungen im konsumtiven Bereich, zum Beispiel beim Altersübergangsgeld Ost. Dabei müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, wie hoch die Belastung des Bundeshaushalts aus dem Bruttotransfer nach Abzug der aus den neuen Ländern hereinkommenden Steuereinnahmen immer noch ist. Die Nettotransfers übersteigen die Nettokreditaufnahme des Bundes.
Im Bereich der Wirtschaftsförderung steht die Unterstützung der neuen Länder weiterhin im Vordergrund. Trotz der engen Finanzierungspielräume wird die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation auf hohem Niveau fortgeführt. Die Existenzgründungshilfen über das Eigenkapitalhilfeprogramm sollen künftig aus Mitteln des ERP-Sondervermögens finanziert werden.
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" bildet nach wie vor einen wichtigen Baustein bei der Investitionsförderung in den neuen Ländern. Insgesamt steht für 1997 ein Bewilligungsrahmen von 6,5 Milliarden DM zur Verfügung, der aus Bundes- und Landesmitteln sowie aus Mitteln des Europäischen Regionalfonds gespeist wird.
Auch außerhalb der Wirtschaftsförderung wird der wirtschaftliche und soziale Anpassungsprozeß in Ostdeutschland weiterhin mit erheblichen Mitteln unterstützt. Wichtige Bereiche sind der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Leistungen nach dem Investitionsförderungsgesetz, die Anschubfinanzierung zugunsten der Investitionen in ostdeutsche Pflegeeinrichtungen, die Förderung der ostdeutschen Forschungslandschaft und die erneute Beteiligung des Bundes an einer Lehrstelleninitiative Ost.
Der Verkehrshaushalt bleibt mit einem Investitionsvolumen von rund 20 Milliarden DM mit weitem Abstand größter Investitionshaushalt. Obwohl auch der Verkehrsbereich einen Konsolidierungsbeitrag erbringen mußte, konnten Einschnitte in die Straßen- und Schienenweginvestitionen vermieden werden. Für 1997 stehen mit 10,1 Milliarden DM für die Bundesfernstraßen und 7,2 Milliarden DM für die Schiene die gleichen Investitionsansätze wie 1996 zur Verfügung.
Ermöglicht wird dies durch höhere Einnahmen auf Grund der Veräußerung des Wohnungsbestandes im Bereich des Bundeseisenbahnvermögens. Die für die ökonomische Entwicklung in den neuen Bundesländern wichtigen Verkehrsprojekte können, wenn auch zeitlich gestreckt, alle realisiert werden.
Wie schon in den Vorjahren unterstützt der Bund auch 1997 den sozialen Wohnungsbau und den Städtebau mit erheblichen Finanzmitteln. Die Verpflichtungsrahmen für den Städtebau bleiben mit jährlich 600 Millionen DM ungekürzt. Die Schwerpunkte der Förderung liegen in den neuen Ländern. Im sozialen Wohnungsbau liegt der Verpflichtungsrahmen für 1997 bei rund 2 Milliarden DM. Stärkere Einschnitte konnten vermieden werden.
Im Bereich des Wohngelds werden für die begrenzte Verlängerung einzelner Sonderbestimmungen im Wohngeldrecht für die neuen Länder zusätzliche Haushaltsmittel von jeweils 80 Millionen DM für 1997 und 1998 bereitgestellt. Im übrigen strebt die Bundesregierung eine Wohngeldstrukturnovelle zum 1. Juli 1997 an, die durch Umschichtungen im Bereich des Wohngeldes ohne zusätzliche Haushaltsmittel finanziert wird.
Auch der Bereich Bildung und Forschung konnte nicht völlig von der Konsolidierung ausgenommen werden. Dennoch ist es gelungen, für drei zentrale hochschulpolitische Themenkomplexe eine Lösung zu finden. Das BAföG wird reformiert. Innerhalb der Förderungshöchstdauer der Erstausbildung bleibt es beim bisherigen System, das jeweils zur Hälfte einen Zuschuß und ein haushaltsfinanziertes, zinsloses Darlehen vorsieht. Die darüber hinausgehende Förderung wird in Zukunft als bankenfinanziertes, verzinstes Volldarlehen vergeben. Die durch die strukturellen Änderungen anfallenden Minderausgaben beim BAföG stehen in vollem Umfang zur Verstärkung anderer Bereiche im Bildungs- und Forschungsetat zur Verfügung.
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 120, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. September 1996 10707
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Gelungen ist die strukturelle Bereinigung innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau". Die seit 25 Jahren unveränderte Bagatellgrenze bei Bauvorhaben und Großgeräten wurde deutlich angehoben.
Darüber hinaus konnte nach langwierigen Verhandlungen mit den Ländern Einvernehmen über das neue Hochschulsonderprogramm HSP III erzielt werden. Bis zum Jahr 2000 wird hier ein Finanzvolumen von 3,6 Milliarden DM mobilisiert; der Bund beteiligt sich mit 2,1 Milliarden DM an den Kosten dieses Programmes.
Wie in den vergangenen Jahren wird der Bund zusammen mit den neuen Ländern die Schaffung von bis zu 14 300 Ausbildungsplätzen in den neuen Ländern im Rahmen eines Aktionsprogramms „Lehrstellen Ost" unterstützen.
- In diesem Bereich haben wir von Ihnen ganz bestimmt keinen Nachhilfeunterricht nötig, ganz bestimmt nicht.
Ihre Vorschläge, die eine Abgabe vorsehen, sind völlig verfehlt. Diese Regierung und insbesondere der Bundeskanzler persönlich haben sich darum gekümmert, daß wirklich jedem Auszubildenden ein entsprechender Ausbildungsplatz zur Verfügung steht.
Allein 1997 sind hierfür 230 Millionen DM veranschlagt. Insgesamt trägt der Bund im Zeitraum von 1993 bis 1999 von dem Gesamtfördervolumen in Höhe von 1,9 Milliarden DM die Hälfte.
Richtig ist: Die außerbetriebliche Ausbildung ist gegenüber der Ausbildung im Betrieb immer nur die zweitbeste Lösung. Deshalb appellieren wir noch einmal an die Wirtschaft, das Lehrstellenangebot zu erhöhen. Es liegt im eigenen unternehmerischen Interesse, das System der dualen Berufsausbildung als ein Gütesiegel für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhalten und zu stärken.
Meine Damen und Herren, bis zum Ende dieses Jahres sind wichtige Arbeiten an zwei steuerpolitischen Großvorhaben zu leisten: die Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 1997 und der dritten Stufe der Unternehmensteuerreform sowie die Vorbereitung der Steuerreform zum 1. Januar 1999, die einen neuen, niedrigen Tarif und eine neugestaltete Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer bringen wird.
Die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland ist insgesamt zu hoch. Im internationalen Vergleich haben wir nicht nur zu hohe Spitzensteuersätze, sondern schleppen auch weiterhin steuerpolitische Fossilien wie die Gewerbekapitalsteuer mit uns herum.
Im letzten Jahr hieß es bei der Opposition: Jetzt geht's los. Nur: Wo? Ich hoffe nur, daß an der Verweigerungsfront jetzt ein leichtes Bröckeln einsetzt. Daß sich dies abzeichnet, hat das Verhalten am 5. Juli bei der Abstimmung über das Jahressteuergesetz 1997 gezeigt. Das von der SPD angestrebte Votum, grundsätzlich bestehe keine Notwendigkeit für eine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, fand dabei keine Mehrheit. Da einige dies nicht wahrhaben wollten, mußte sogar ein zweites Mal abgestimmt werden.
Die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform in Verbindung mit einer Gemeindefinanzreform muß jetzt endlich verwirklicht werden.
Wer sich dem verweigert, trägt die Mitverantwortung dafür, wenn sich die Konjunktur nicht so entwickelt, wie es für die Arbeitsplätze in Deutschland gut wäre.
Das hat auch die Anhörung des Finanzausschusses im Juni gezeigt. Die Wirtschaft, die Gemeinden und die große Mehrheit der Sachverständigen sind eindeutig auf unserer Seite.
- Jawohl, die Gemeinden. Können Sie denn nicht lesen, was die kommunalen Spitzenverbände sagen? Natürlich sind sie dafür, daß die Gewerbekapitalsteuer wegfällt und daß sie endlich an der Umsatzsteuer beteiligt werden, um damit eine dauerhafte, verläßliche Einkommensquelle zu haben.
Gleichermaßen wichtig für die Betriebe und damit für Wachstum und Beschäftigung ist der von uns angestrebte Wegfall der Vermögensteuer zum 1. Januar 1997. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni letzten Jahres bliebe für die Beibehaltung einer verfassungsfesten Vermögensteuer ein nur sehr enger Spielraum. Durch die erforderliche Freistellung des persönlichen Gebrauchsvermögens, die erforderliche Schonung des Betriebsvermögens und die Wahrung des Grundsatzes der in etwa hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand könnte diese Steuer nur noch im mittleren Einkommensbereich erhoben werden. Das ist nicht sinnvoll.
Derzeit entfallen rund 58 Prozent des Aufkommens der Vermögensteuer auf Betriebsvermögen. Jeder weiß: Die Vermögensteuer muß aus versteuertem Einkommen entrichtet werden, in ertragsschwachen Jahren oder in Verlustjahren aus der Substanz. Das verringert die Ertrags- und Liquiditätsbasis unserer Unternehmen und beeinträchtigt die wichtige Bildung von Eigenkapital. Bei Betriebsvermögen von Körperschaften entsteht bei Vermögensteuerpflicht der Anteilseigner sogar eine Doppelbesteuerung.
Den Wegfall der Vermögensteuer auf Privatvermögen wollen wir bei der Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer angemessen berücksichtigen. Übrigens hat sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, auf das Sie sich doch
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sonst gerne berufen, im Juli eindeutig für die Abschaffung der Vermögensteuer ausgesprochen.
Die Opposition versucht immer wieder, die verfassungsrechtlich gebotene Senkung der Vermögensteuer und die Verschiebung der Erhöhung des Kindergeldes um ein Jahr gegeneinander auszuspielen.
- Hören Sie einmal zu, Frau Kollegin MatthäusMaier: Die Verschiebung der Erhöhung des Kindergeldes ist uns nicht leichtgefallen und fällt niemandem leicht.
- Darüber sollte eigentlich ein Einvernehmen ohne jede Bemerkung möglich sein.
Wer würde nicht gern einer Familie mit mehreren Kindern ein höheres Kindergeld geben?
Aber ich sage Ihnen: So wichtig eine Erhöhung des Kindergeldes ist; genauso wichtig oder noch wichtiger ist für eine Mutter und für einen Vater die Frage, ob über mehr Investitionen und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Zukunft Arbeits- und Ausbildungsplätze für ihre Kinder geschaffen werden.
Sie von der SPD brauchen über die Familienpolitik keine Krokodilstränen zu weinen. Denn wir haben im Jahr 1996 mehr durchgesetzt, als wir im Wahljahr 1994 versprochen hatten.
Die Ausgaben für Leistungen und Maßnahmen zugunsten von Familien betragen im Jahr 1996 71 Milliarden DM.
In Zeiten sozialdemokratischer Regierungsverantwortung waren es gerade 28 Milliarden DM. Wie kommen Sie dazu, uns hier Vorwürfe zu machen?
Was hat nun die Opposition im Deutschen Bundestag und was haben die SPD-Länder im Hinblick auf die Vermögen- und die Erbschaftsteuer zu bieten? Laut dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Scharping, ist die Vermögensteuer eindeutig zu niedrig. Was hier im Blick auf andere Länder mit einem völlig anderen Steuersystem vorgeschlagen und gefordert wird, ist nicht nur ökonomisch falsch, sondern auch verfassungsrechtlich unhaltbar.
In Abkehr vom einstimmigen Beschluß der Finanzministerkonferenz vom 21. Dezember letzten Jahres, durch die Neuregelung insgesamt kein Mehraufkommen zu erzielen, werden nun von der SPD-Bundesratsmehrheit Steuererhöhungen im Volumen von insgesamt 6 Milliarden DM angestrebt. Erstaunlich ist der Mut der SPD-geführten Länder, die ihre Vorstellungen auch noch als aufkommensneutral bezeichnen.
Doch Äußerungen der Ministerpräsidenten Beck und Stolpe sowie der Ministerpräsidentin Simonis zeigen: Es gibt bei den SPD-Ländern Gesprächsbereitschaft in bezug auf die Vermögensteuer.
All diejenigen, die nach wie vor an einer Vermögensteuer festhalten oder sie gar erhöhen wollen, müssen bereit sein, diese unmittelbar in den neuen Bundesländern einzuführen. Dann muß gegebenenfalls auch die Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland eingeführt werden, und dann müssen wir die Kredite erhöhen, damit die Betriebe die Steuern überhaupt bezahlen können - ein Aberwitz, der nicht eintreten darf und den wir verhindern müssen.
Der Solidaritätszuschlag wird zum 1. Januar 1997 um einen Prozentpunkt und zum 1. Januar 1998 um einen weiteren Prozentpunkt auf dann 5,5 Prozent gesenkt.
Da sagt Herr Scharping, man könne über niedrigere Steuern und Abgaben gerade für die Leistungsträger reden. Dagegen hat die SPD-Fraktion - allerdings, glaube ich, in Ihrer Abwesenheit, Herr Scharping - beantragt, den Solidaritätszuschlag für alle, die mindestens soviel wie ein Bundestagsabgeordneter verdienen, von 7,5 Prozent auf 10 Prozent zu erhöhen. Was gilt denn nun?
Unstreitig ist: Leistungsträger sind nicht nur diejenigen Menschen, die hohe Einkünfte erzielen. Leistung muß in allen Berufen erbracht werden, und es gibt auch Leistungsträger ohne Bezahlung, zum Beispiel im Ehrenamt. Aber kann man denjenigen, die ein höheres Einkommen erhalten, unterstellen, eigentlich hätten sie das nicht verdient? Hier zielt man mit einer Neidkampagne auf viele Leistungsträger unserer Wirtschaft. Wir bleiben bei der allgemeinen Senkung des Solidaritätszuschlags.
Für diese Senkung fordern wir weiterhin die Rückübertragung von nicht benötigten Umsatzsteuerpunkten durch die Länder, wie Sie sie selbst in den Beratungen zum Solidarpakt im Frühjahr 1993 anerkannt haben. Wir haben die Zahlen auf Grund der
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
regionalen Steuerschätzung angepaßt. Wir wollen nicht mehr, aber auch nicht weniger, als uns damals zugesagt wurde.
Um den Standort Deutschland für Investoren im In- und Ausland attraktiver zu machen, ist eine große Steuerreform für Wachstum und Beschäftigung notwendig. Die erste Aufgabe der darüber beratenden Steuerreformkommission wird die Entscheidung über den vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags sein. Wenn wir die Steuerreform verwirklicht haben, wird auch der Solidaritätszuschlag der Vergangenheit angehören.
Die Spitzensteuersätze der Einkommen- und Körperschaftssteuer müssen gesenkt, Ausnahmen im Gegenzug eingeschränkt werden. Das Steuersystem muß einfacher werden und für jeden einsichtig sein. Ein hochkompliziertes System begünstigt zunehmend Steuercleverneß und nicht Steuergerechtigkeit.
Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das Fundamentalprinzip sozial gerechter Besteuerung, bleibt unangetastet. Das gilt auch für das objektive und subjektive Nettoprinzip. Werbungskosten, Betriebsausgaben oder die Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung müssen grundsätzlich absetzbar sein.
Bis Ende des Jahres wird die Steuerreformkommission Vorschläge für die Senkung der Steuersätze bei der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer machen. Zugleich wird sie einen Katalog für einen Abbau oder eine Streichung von Steuervergünstigungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften vorlegen.
Jede Steuerreform ist leicht im Keim zu ersticken, wenn vorab einzelne Elemente herausgelöst und dann von den unterschiedlichen Interessengruppen bewertet werden.
- Einen kleinen Moment, nur noch einen Absatz.
Gleiches gilt, wenn -alle 48 Stunden ein weiterer Tarifvorschlag das Licht der Welt erblickt, ohne die wichtigen Fragen der Bemessungsgrundlage auch nur zu streifen.
Es geht nicht nur um Eleganz; es geht auch um Kosten und um ein für alle Interessengruppen ausgewogenes Gesamtkonzept. In Ihrem Konzept ist bisher nicht ein einziger Gegenfinanzierungsvorschlag enthalten.
Sie haben nicht einmal etwas zum Spitzensteuersatz gesagt. Sie haben wieder nur versucht, die verschiedenen Bevölkerungsschichten gegeneinander auszuspielen. Sie haben zu diesem Punkt bisher nichts gesagt.
Ich habe Eckwerte genannt: So sollte der Spitzensteuersatz unter 40 Prozent und der Eingangssteuersatz bei etwa 20 Prozent liegen. Die Steuerreform muß eine deutliche Nettosteuerentlastung bringen.
Auch über den Zeitpunkt kann es bei realistischer Einschätzung der Dauer des Gesetzgebungsprozesses eigentlich keinen Zweifel geben:
Die Koalition hat beschlossen, daß diese Reform am 1. Januar 1999 in Kraft gesetzt werden soll.
Ob eine Umschichtung der Steuerlasten von den direkten auf die indirekten Steuern eingeplant werden sollte, hängt allein davon ab, wie weit wir bei dem Abbau von Subventionen und bei der Beseitigung von Sonderregelungen kommen. Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage hat absoluten Vorrang.
Alle Experten kommen zu dem Ergebnis: Indirekte Steuern sind weniger wachstumsschädlich als direkte. Deshalb müssen zuallererst die direkten Steuern gesenkt werden.
Es gehört viel dazu, das Fragment, das die SPD jetzt öffentlich präsentiert hat, mit dem Begriff „Konzept" zu überschreiben. Das sogenannte Konzept verliert kein Wort über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze, kein Wort zu einer durchgreifenden Steuervereinfachung, kein konkretes Wort zur Gegenfinanzierung bei der Reform der Einkommensteuer. Der „Bonner General-Anzeiger" titelte dann auch zur Gegenfinanzierung des SPD-Konzepts am 5. September 1996: „Die SPD weiß, wo sie sparen will - verrät es aber noch nicht". Das „Wall Street Journal" schreibt in gleicher Sache am 5. September:
Der Plan läßt den Steuerzahler über fast alle wichtigen Elemente der Reform im dunkeln.
Andere Sozialdemokraten in Europa sind schon viel weiter. Wim Kok, Franz Vranitzky und Göran
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Persson haben begriffen, wie man moderne Finanz- und Wirtschaftspolitik macht. Auch der Labor-Führer Tony Blair ist gegenüber dem wirtschafts- und finanzpolitischen Standard der SPD weit voran.
In Österreich, Schweden, den Niederlanden und in vielen anderen Industrieländern hat man die Zeichen der Zeit klar erkannt. Die Staatsquote muß herunter, der Staat muß schlanker werden, die Defizite müssen eingedämmt werden, und die Steuer- und Abgabenlast muß zurückgeführt werden.
Nur so bleibt ein Standort wettbewerbsfähig und entsteht eine produktive Wachstumsdynamik, die den Wohlstand aller steigert. Dies, meine Damen und Herren, ist eine ökonomisch erfolgreiche Maxime seit Adam Smith,
und sie gilt in einer globalisierten Welt heute mehr denn je.
Dagegen setzt Ministerpräsident Lafontaine blumige Worte von internationalen Vereinbarungen und gemeinsamen Aktionen. Ich bin dabei an Willy Brandt erinnert, der in diesem Zusammenhang einmal von den vier Weltmächten und der fünften Weltmacht SPD gesprochen hat. Es geht Ihnen nicht um internationale Abstimmungen, die beispielsweise im Währungsbereich sehr wohl nötig sind; Ihnen geht es um ein internationales Kartell.
Das Ergebnis wäre eine weltweite Stagnation und eine Zementierung von Entwicklungsunterschieden zu Lasten der dritten und vierten Welt. Sie glauben doch nicht im Traum daran, daß sich andere Länder von Ihnen vorschreiben lassen, ihren Wettbewerbsvorteil in der Welt nicht zu nutzen. Es ist doch eine Traumwelt, in der Sie sich hier befinden.
Natürlich braucht die Marktwirtschaft einen ordnungspolitischen Rahmen, sei es in nationalen oder internationalen Bezügen. Aber das Ziel dieses Rahmens kann nicht die Abriegelung, sondern nur die Förderung eines fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs sein.
Die nationalen Probleme eines Standorts lassen sich nicht dadurch lösen, daß der internationale Standortwettbewerb verboten wird. Die „Welt am Sonntag " vom 7. Juli zitiert Günter Verheugen - hier zeigt sich der ganze ideologische Ballast, den die SPD immer noch mitschleppt - mit den Worten, es gehe jetzt
darum, den Sozialstaat vor „der nackten Profitgier eines entfesselten Marktes" zu schützen.
- Das war der versammelte Applaus des linken Flügels der SPD: relativ matt. Das gibt Optimismus für den Seeheimer Kreis.
Während für Herrn Scharping eine rot-grüne Bundesregierung 1998 eine realistische Perspektive ist, sagt Klaus von Dohnanyi in der August-Ausgabe des „Selbständigen":
- Meine Damen und Herren, hier rufen aus der SPD einige Abgeordnete, wenn ich von Dohnanyi zitiere: „Wer ist das?" Drei-, viermal habe ich gehört: „Wer ist das?" Klaus von Dohnanyi war in diesem Haus lange Abgeordneter; er war Staatssekretär und Minister und viele Jahre Erster Bürgermeister von Hamburg. Schämen Sie sich, daß Sie den Namen Klaus von Dohnanyi nicht mehr kennen oder nicht mehr kennen wollen!
Ich zitiere ihn jetzt noch:
Eine rot-grüne Bundesregierung wäre eine Katastrophe für Deutschland. Ich sage das ganz uneingeschränkt.
Der Mann hat recht. Wir werden das auch verhindern.
Meine Damen und Herren, die Finanzpolitik 2000 beginnt 1996. Mit dem Haushalt 1997 und dem Finanzplan bis zum Jahr 2000 dokumentieren wir unsere Entschlossenheit, den Standort Deutschland zu sichern. Wir senken die Staatsquote. Wir schaffen den Raum für niedrige Defizite und eine sinkende Steuer- und Abgabenlast. Gleichzeitig gehen wir die strukturellen Probleme der deutschen Volkswirtschaft entschieden an. Unser bisheriger Weg war erfolgreich. Internationale Institutionen haben ihn öfters als beispielhaft bezeichnet.
Die Menschen in unserem Land sehen die noch zu lösenden Probleme. Die bisherigen Erfolge weisen die Richtung.
Wir haben die besseren Argumente und das richtige
Programm. Damit gehen wir gut gerüstet in die Zeitenwende. Meine Damen und Herren, wir sind in der
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Pflicht, und wir werden den Weg entschlossen weitergehen.
Ich danke Ihnen.