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    Plenarprotokoll 13/117 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 117. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. Juni 1996 Inhalt: Begrüßung des Parlamentspräsidenten der Republik Ghana, Daniel Francis Annan . 10588 C Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 9. September 1996 10549A Erweiterung der Tagesordnung 10549B Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksachen 13/4610, 13/5088, 13/5108, 13/5094, 13/5112) 10549 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksachen 13/4814, 13/4987, 13/ 5088, 13/5108, 13/5094, 13/5112) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunftsfähigkeit durch sozialstaatliche Innovationen gewinnen zu dem Antrag der Gruppe der PDS: Rentenmoratorium 1996 (Drucksachen 13/4674, 13/3737, 13/5088, 13/5108) 10549C b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz) (Drucksachen 13/4611, 13/5089, 13/5108, 13/5095) . 10549D c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksachen 13/4612, 13/5107) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Arbeitsrechtliche Reformen als Baustein zur Neugestaltung der Arbeit (Drucksachen 13/4672, 13/5107) . . . 10550A d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Drucksachen 13/4613, 13/5074) 10550B e) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksachen 13/4614, 13/5072) 10550 C f) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Beitragsentlastungsgesetz) (Drucksachen 13/4615, 13/5099) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Marina Steindor, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das solidarische Gesundheitswesen für die Zukunft sichern (Drucksachen 13/4675, 13/5099) 10550 C g) Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Brigitte Adler sowie weiterer Abgeordneter: Rechtliche Rahmenbedingungen der Altersversorgung und Erwerbstätigkeit von Frauen (Drucksache 13/4986) 10550 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Gruppe der PDS: Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes und der arbeits- und sozialrechtliche Teil des Programms der Bundesregierung für mehr Wachstum und Beschäftigung (Drucksache 13/5086) 10551A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 10551 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 10556 A Dr. Peter Struck SPD (zur GO) . 10561D, 10614B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 10562 A Günter Verheugen SPD 10565 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10566 A Dr. Hermann Otto Sohns F.D.P. . 10568 D, 10573 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10570B Dr. Barbara Hendricks SPD 10572 D Dr. Gregor Gysi PDS 10573 B, 10580 C Michael Glos CDU/CSU . . . 10575 D, 10580 B Dr. Barbara Höll PDS 10579 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10580 A, 10597 D Rudolf Dreßler SPD 10581 A Dr. Gisela Babel F.D.P 10585 B, 10590 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10588 D Jörg Tauss SPD 10590 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 10591 B Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 10592 C, 10598 A Margot von Renesse SPD 10597 A Petra Bläss PDS 10597 C, 10609 D Ulrike Mascher SPD 10599 C, 10603 B Christel Hanewinckel SPD 10602 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 10603A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10603 D Dr. Ruth Fuchs PDS 10605 B Herbert Lattmann CDU/CSU 10605 D Ottmar Schreiner SPD 10607 C Joachim Hörster CDU/CSU (zur GO) . 10614 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 10614 C Jörg van Essen F.D.P. (zur GO) 10614 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS (zur GO) . 10615 A Namentliche Abstimmungen . . 10611 A, 10616 A, 10619C, D Ergebnisse . . . 10611 B, 10617 A, 10620 A, 10623 A Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 10564 B Vizepräsident Hans-Ulrich Klose . . . 10579 D Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer . . 10603 C Zusatztagesordnungspunkt 8: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) bis f) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 114, 130, 131, 132, 133 und 134 zu Petitionen (Drucksachen 13/5101, 13/5102, 13/5103, 13/5104, 13/5105, 13/5106) 10625 C Zusatztagesordnungspunkt 9: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Wohnsiedlung Hügelstraße in Frankfurt am Main (Drucksachen 13/4711, 13/5113) 10626 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Edwards-Wohnsiedlung in Frankfurt am Main (Drucksachen 13/4751, 13/5114) 10626 C c) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Wohnsiedlung Platenstraße in Frankfurt am Main (Drucksachen 13/4752, 13/5115) 10626 C Nächste Sitzung 10627 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10629* A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Hans Berger, Arne Börnsen (Ritterhude), Tilo Braune, Alfred Hartenbach, Gerd Höfer, Erwin Horn, Barbara Imhof, Hans-Ulrich Klose, Werner Labsch, Dr. Christine Lucyga, Rudolf Purps, Hermann Rappe (Hildesheim), Reinhold Robbe, Gerhard Rübenkönig, Dr. Emil Schnell und Peter Zumkley (alle SPD) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Allgemeinen Magnetschwebebahngesetzes 10629* B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16 a bis g (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz, Zweites Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz, Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz u. a.) Waltraud Lehn SPD 10629* C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Diemers (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Gesetze im Rahmen des Programms „Für mehr Wachstum und Beschäftigung" (Tagesordnungspunkt 16) 10630* D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Otto Regenspurger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Tagesordnungspunkt 16d) 10631 * A Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Werner Dörflinger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Tagesordnungspunkt 16f) 10631* B Anlage 7 Amtliche Mitteilungen 10631* C 117. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. Juni 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt his einschließlich Antretter, Robert SPD 28.6. 96 * Behrendt, Wolfgang SPD 28. 6. 96 * Blunck, Lilo SPD 28. 6. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 28. 6. 96 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 28. 6. 96 Gysi, Andrea PDS 28. 6. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 28. 6. 96 Jelpke, Ulla PDS 28. 6. 96 Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 28. 6. 96 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 28. 6. 96 Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 28. 6. 96 Dr. Maleuda, Günther PDS 28.6. 96 Michels, Meinolf CDU/CSU 28. 6. 96 Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 28. 6. 96 Scharping, Rudolf SPD 28. 6. 96 Dr. Scheer, Hermann SPD 28. 6. 96 * Dr. Schwaetzer, F.D.P. 28. 6. 96 Irmgard Terborg, Margitta SPD 28. 6. 96 * Vosen, Josef SPD 28. 6. 96 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 28. 6. 96 Zierer, Benno CDU/CSU 28. 6. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Hans Berger, Arne Börnsen (Ritterhude), Tilo Braune, Alfred Hartenbach, Gerd Höfer, Erwin Horn, Barbara Imhof, Hans-Ulrich Klose, Werner Labsch, Dr. Christine Lucyga, Rudolf Purps, Hermann Rappe (Hildesheim), Reinhold Robbe, Gerhard Rübenkönig, Dr. Emil Schnell und Peter Zumkley (alle SPD) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Allgemeinen Magnetschwebebahngesetzes - Drucksachen 13/3104 und 13/4527 Nr. 2 - am 9. Mai 1996e): Wir erklären, daß wir dem Gesetzentwurf zugestimmt haben. *) Vergleiche Plenarprotokoll 13/104, Seite 9116B, C. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16a bis g (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz, Zweites Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, Wachstum- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz, Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz u. a.) Waltraud Lehn (SPD): Was uns ausgerechnet der für Gesundheit zuständige Minister hier vorlegt, läßt sich auch so beschreiben: „G" wie „Gnadenlose Klientelpolitik", „I" wie „Ignoranz der Proteste Hunderttausender", „F" wie „Folgenschwere Flickschusterei" , „T" wie „Tiefschlag gegen soziale Gerechtigkeit", mit einem Wort: Gift! Dieses Gift stammt aus der Küche des Herrn Kohl. Die Zutaten wurden von der F.D.P. geliefert, zusammengeführt haben sie die Giftköche Blüm und Seehofer, und heute entscheidet sich, wer das Gift unters Volk bringen wird. Eines ist allerdings sicher: Die SPD wird es nicht sein! Der Hartnäckigkeit der SPD ist es bereits zu verdanken, daß den Sozialhilfeempfängern die Giftpille, die die Bundesregierung für sie vorgesehen hatte, erspart bleibt. Zwar ist aus ihr auch keine wohlschmeckende Medizin geworden, aber ihre toxische Wirkung konnte wenigstens neutralisiert werden. Die unsozialen und ungerechten Vorstellungen der Bundesregierung zur Sozialhilfe konnten sich im Vermittlungsausschuß nicht durchsetzen. Es ist der SPD gelungen, zwar nicht ihre gesamten Vorstellungen durchzusetzen, aber gravierende Verbesserungen gegenüber dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition konnten erreicht werden. Mit der Verhinderung der von der Bundesregierung für 1997 vorgesehenen Nullrunde und der Verhinderung eines fünfzehnprozentigen Abstandgebotes zwischen Sozialhilfe und Nettolöhnen konnten wir einen weiteren Stein aus dem unsozialen Kürzungsmosaik der Bundesregierung herausbrechen. Heute beraten wir das zwölfte Sparpaket in der Regierungszeit Kohl. Die Verfallszeiten der Kabinettsbeschlüsse werden immer kürzer. Die Arbeitsweise wird immer hektischer, die Ergebnisse immer mangelhafter, und die Verläßlichkeit und Berechenbarkeit dieser Bundesregierung nimmt immer weiter ab. Nach einer völlig überzogenen Mißbrauchsdebatte - also nach der Phase des Giftschleuderns - kommt jetzt der Angriff auf den Sozialstaat im Kern. Einen Hauptbestandteil zum Giftpaket der Bundesregierung hat Bundesgesundheitsminister Seehofer mit dem Beitragsentlastungsgesetz geliefert. Sein Gesetzentwurf ist ein reines Leistungskürzungsgesetz. Mit seiner unsozialen Belastung des einzelnen Kranken fügt er sich aber nahtlos in das Gesamtwerk dieser Bundesregierung ein. Sie verfolgt unter dem Deckmantel des Sparens nur ein Ziel wirklich ernsthaft: den Sozialabbau. Dafür kündigt sie den überparteilichen Sozialstaat-Konsens einseitig auf. Krankheit soll nicht mehr als ein Lebensrisiko von der Solidargemeinschaft abgesichert werden. Nein, zukünftig soll es ein individuelles Schicksal sein, mit dem der einzelne nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten selbst fertigwerden muß. Leistungskürzungen, -ausgrenzungen und Zuzahlungen belasten schon heute vor allem schwer oder chronisch Kranke und sind sozial völlig unausgewogen. Die von Bundesgesundheitsminister Seehofer jetzt geplanten weiteren Belastungen für die Versicherten werden jeden Arbeitnehmer/jede Arbeitnehmerin teuer zu stehen kommen, übrigens die durchschnittlich verdienenden am teuersten. Was soll denn nun eigentlich passieren? Die Erhöhung der Zuzahlung bei Arzneimitteln um jeweils 1 DM schafft einen giftigen Vorgeschmack für den, der Medikamente selten braucht. Speiübel wird dem, der viele Medikamente einnehmen muß. Die lange Wirkungszeit von Gift zeigt sich im Wegfall der Zuschüsse für ein Brillengestell: Was mit Zuzahlung beginnt, endet bei dieser Bundesregierung mit Leistungsausgrenzung. In diese Kategorie fällt auch die Streichung des Zuschusses für Versicherte unter 19 Jahren für Zahnersatz - und zwar sein Leben lang. Lapidar verweisen die Gesundheitspolitiker der Koalition auf die Prophylaxe, die schließlich in der Verantwortung eines jeden selbst liege. Aber welche Verantwortung trägt eigentlich ein Kind für die Vernachlässigung der Zahngesundheit durch seine Eltern? Und wie soll man einem heute 17jährigen erklären, daß er zwar lebenslang für den 19jährigen über die solidarische Krankenversicherung zahlen soll, selber aber aus diesem Leistungsbereich niemals etwas in Anspruch nehmen kann? Das Ziel der F.D.P. und ihres Erfüllungsgehilfen Seehofer ist klar, hier geht es nicht so sehr um eine Einsparung im Gesundheitswesen, sondern dies ist der erste Schritt, den Zahnersatz langfristig ganz aus dem Leistungskatalog der GKV zu streichen. Daß dies für viele Menschen eine zahnlose Zukunft bedeutet, scheint ihn nicht zu stören. Eine besonders hohe Dosis schnellwirkender Giftbestandteile ist die vorgesehene Absenkung des Krankengeldes um 10 Prozent, die ein Einsparvolumen von jährlich zirka 2 Milliarden DM bringen soll. Hier wird der unsoziale Charakter der Streichungsorgie dieser Bundesregierung besonders deutlich. Zum einen werden ausschließlich schwerkranke Versicherte betroffen. Zum anderen wird der Leistungsanspruch willkürlich bei einer Leistung abgesenkt, bei der Mißbrauch ausgeschlossen ist - und bei der die Höhe des Anspruches erworben wurde durch die geleisteten Beitragszahlungen. Die Kürzungsvorschläge bei Kuren finden nach der Rasenmähermethode statt. Das heißt: Giftversprengen und mal sehen, wen es trifft. Bei Vorliegen einer medizinischen Indikation macht es keinen Sinn, die Kurdauer zu verkürzen, den Wiederholungsintervall zu verlängern, die Zuzahlung zu erhöhen oder eine Urlaubsanrechnung vorzunehmen. Bei der Streichliste der Gesundheitsförderung hat die Regierung inzwischen selbst den Rückzug angetreten. Trotzdem ist die Gesundheitsfürsorge damit noch nicht gerettet. Wichtige prophylaktische und begleitende Arbeit leisten nicht nur die Selbsthilfegruppen, sondern auch die betriebliche Gesundheitsförderung und die vielen Kooperationspartner der Krankenkassen, angefangen von den Sportvereinen bis zu den Volkshochschulen. Gerade die Sportvereine erfüllen - von vielen unbeachtet - in hervorragender Weise die Aufgabe der Gesundheitsförderung durch Sport. Im Jahr 1995 gab es zum Beispiel allein 4 000 ambulante Trainingsgruppen für Herzgeschädigte, in denen Patienten, die früher sechs Wochen untätig im Bett lagen, durch Sport erfolgreich rehabilitiert wurden. Wer aber die Eigenverantwortung propagiert, der darf die Voraussetzungen und die Unterstützung nicht einstellen. Bundesgesundheitsminister Seehofer beklagt finanzielle Defizite, wird nicht müde, Beitragsstabilität anzumahnen und begründet damit seine geplanten Leistungskürzungen für die Versicherten. Gleichzeitig beschließt die Bundesregierung aber rückwirkend zum 1. Januar 1995 ein Gesetz, das die ärztlichen Honorare um 840 Millionen DM anhebt. Aber damit nicht genug: Auch bei den Arzneimitteln gibt es Klientelpolitik der F.D.P. den Ton an. Auf der einen Seite wird von den Patienten eine höhere Zuzahlung für Arzneimittel verlangt, auf der anderen Seite wird die Positivliste für Arzneimittel gestrichen und zusätzlich noch die Festbetragsregelung in den Stufen I und II faktisch ausgehebelt. All das läuft auf eine Schwächung des Solidarpaktes hinaus. Dabei wäre es möglich und vor allem auch besser, Solidarität zu stärken, anstatt sie immer weiter abzubauen. Im Gegensatz dazu steht das Produkt aus der Kohl-schen Küche, das nur eine Bezeichnung verdient: Gift! „G" wie „gegen die Frauen", „gegen die Jugend", „gegen die Kranken", „gegen die Alten" und „gegen eine Zukunft der sozialen Sicherheit und des sozialen Friedens" , „I" wie „irreführend für die 6 Millionen Arbeitssuchenden, die ernsthaft auf Arbeitsplätze hoffen", „F" wie „folgenschwer für alle, die ernsthaft erkranken" , „T" wie „total versagend für eine zukünftige Weiterentwicklung des Gesundheitswesens". Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Diemers (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Gesetze im Rahmen des Programms „Für mehr Wachstum und Beschäftigung" (Tagesordnungspunkt 16) Ich stimme den Gesetzentwürfen zu, da ich die Intention und Wichtigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen und Eigenverantwortlichkeit zu stärken, ausdrücklich unterstütze. Meine Vorbehalte gegen Teile dieser Entwürfe, die verstärkt Frauen und Familien besonders nachteilig betreffen können, halte ich jedoch aufrecht. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Otto Regenspurger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Tagesordnungspunkt 16d) Ich werde nach sorgfältiger Prüfung dem Gesetzentwurf nicht zustimmen und mich der Stimme enthalten. Ich kann dem Gesetzentwurf deshalb nicht zustimmen, weil die Einschränkung der Bezügefortzahlung nach meiner Auffassung den tragenden und verfassungsfesten Grundsätzen des Berufsbeamtentums widerspricht. Das Alimentations- und das Lebenszeitprinzip bedeuten zwingend, daß Leistung und Gegenleistung sich nicht nach Zeitabschnitten sondern als Gesamtleistung gegenüberstehen. Es ist verfassungsrechtlich und politisch unzulässig, an den Bindungen des Beamten festzuhalten, die Rechtsstellung aber für frei disponibel zu erklären. Auch verstößt dieser Gesetzentwurf nach meiner Meinung gegen Artikel 3 GG. Ich werde den Gesetzentwurf allerdings auch nicht ablehnen, weil ich erst recht keine Bestrebungen unterstützen kann, die - entsprechend langfristiger Planungen von SPD und von Bündnis 90/Die Grünen - letztlich darauf hinauslaufen, das Beamtenverhältnis endgültig zu einem Arbeitnehmerverhältnis mit anderem Namen umzugestalten. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Werner Dörflinger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Tagesordnungspunkt 16f) Die beiden Gesetze enthalten u. a. Vorschriften, die durch spürbare Einschnitte im Kurwesen zu einer Rückführung der Beiträge in der Rentenversicherung und in der Krankenversicherung beitragen sollen. Während ich die mit den Gesetzen angestrebten Einsparziele grundsätzlich für notwendig halte und von daher auch gesetzgeberischen Handlungsbedarf akzeptiere, befürchte ich vor dem Hintergrund der herausragenden Bedeutung des Kurwesens in meinem Wahlkreis negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere deswegen, weil alle vorgesehenen Maßnahmen zum gleichen Zeitpunkt greifen. Ich habe mich deswegen dafür eingesetzt, grundsätzlich an den Einsparmaßnahmen festzuhalten, sie aber vom Inkrafttreten her zeitlich so zu entzerren, daß den betroffenen Betrieben und Kurorten genügend Zeit bleibt, sich auf die neue Situation einzustellen und die beschäftigungspolitischen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, besonders im Reha-Bereich, wo zu den Einzelmaßnahmen die Budgetierung auf dem Stand des Jahres 1993 hinzukommt. Auch wenn ich mich mit diesen Vorschlägen nicht durchsetzen konnte, stimme ich den Gesetzen insgesamt zu, weil ich sie als Bestandteil der Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung für unverzichtbar halte. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur strukturellen Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstrechts - Drucksachen 11/3129, 13/725 Nr. 10 - Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 1995/96 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 13/3016 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3668 Nr. 1.12 Innenausschuß Drucksache 13/4514 Nr. 1.6 Drucksache 13/4514 Nr. 2.5 Rechtsausschuß Drucksache 13/218 Nr. 9 Drucksache 13/725 Nr. 50 Drucksache 13/1614 Nr. 1.3 Drucksache 13/3286 Nr. 2.1 Drucksache 13/4466 Nr. 1.1 Finanzausschuß Drucksache 13/4678 Nr. 2.49 Haushaltsausschuß Drucksache 13/4514 Nr. 2.27 Drucksache 13/4514 Nr. 2.43 Drucksache 13/4514 Nr. 2.45 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3938 Nr. 2.33 Drucksache 13/4137 Nr. 2.29 Drucksache 13/4137 Nr. 2.50 Drucksache 13/4466 Nr. 2.9 Drucksache 13/4466 Nr. 2.11 Drucksache 13/4466 Nr. 2.13 Drucksache 13/4466 Nr. 2.14 Drucksache 13/4466 Nr. 2.15 Drucksache 13/4466 Nr. 2.16 Drucksache 13/4466 Nr. 2.17 Drucksache 13/4466 Nr. 2.19 Drucksache 13/4466 Nr. 2.23 Drucksache 13/4466 Nr. 2.25 Drucksache 13/4466 Nr. 2.27 Drucksache 13/4466 Nr. 2.34 Drucksache 13/4466 Nr. 2.35 Drucksache 13/4466 Nr. 2.41 Drucksache 13/4466 Nr. 2.43 Drucksache 13/4466 Nr. 2.62 Drucksache 13/4514 Nr. 2.48 Drucksache 13/4636 Nr. 3.2 Drucksache 13/4678 Nr. 2.24 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/3286 Nr. 2.21 Drucksache 13/3668 Nr. 2.17 Drucksache 13/3938 Nr. 1.1 Drucksache 13/3938 Nr. 2.3 Drucksache 13/3938 Nr. 2.8 Drucksache 13/3938 Nr. 2.10 Drucksache 13/4137 Nr. 2.21 Drucksache 13/4137 Nr. 2.26 Drucksache 13/4137 Nr. 2.31 Drucksache 13/4137 Nr. 2.34 Drucksache 13/4137 Nr. 2.41 Drucksache 13/4137 Nr. 2.42 Drucksache 13/4137 Nr. 2.53 Drucksache 13/4137 Nr. 2.64 Drucksache 13/4137 Nr. 2.68 Drucksache 13/4466 Nr. 2.30 Drucksache 13/4466 Nr. 2.39 Drucksache 13/4466 Nr. 2.47 Drucksache 13/4466 Nr. 2.60 Drucksache 13/4514 Nr. 2.3 Drucksache 13/4514 Nr. 2.9 Drucksache 13/4514 Nr. 2.38 Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/4514 Nr. 2.15 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/4466 Nr. 2.7 Drucksache 13/4466 Nr. 2.38 Drucksache 13/4466 Nr. 2.46 Drucksache 13/4466 Nr. 2.56 Drucksache 13/4466 Nr. 2.58 Drucksache 13/4636 Nr. 2.4 Drucksache 13/4678 Nr. 2.46 Drucksache 13/4921 Nr. 2.22 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/2988 Nr. 1.25 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/614 Nr. 1.1 Drucksache 13/1442 Nr. 1.6 Drucksache 13/4137 Nr. 1.2 Drucksache 13/4466 Nr. 2.1 Drucksache 13/4466 Nr. 3.1
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gisela Babel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich habe das, was er gesagt hat, ja vorgetragen. Ich habe es natürlich nicht wörtlich für diese Debatte auswendig gelernt, so gut war es nämlich nicht. Ich weiß nur, daß er klar zum Ausdruck gebracht hat, er stehe der Eingrenzung der sozialen Kriterien durch den Gesetzgeber, die den

    Dr. Gisela Babel
    Sinn hat, die Kündigungsschutzprozesse zu verringern und die Rechtssicherheit zu erhöhen, mit vielen Zweifeln gegenüber, weil die Gerichte nach wie vor alles überprüfen würden.

    (Jörg Tauss [SPD]: Das ist der Rechtsstaat!)

    - Moment, es ist doch ein Unterschied, ob ein Gesetzgeber den Versuch macht, präzise Voraussetzungen mit dem Ziel in ein Gesetz zu schreiben, Rechtssicherheit zu erreichen, oder ob ein Richter dem entgegensetzt, das würde man doch nicht erreichen, denn die Prozesse würden weitergehen. Ich finde diese Diskussion im Ausschuß völlig unmöglich. Darauf möchte ich hinweisen.

    (Walter Hirche [F.D.P.]: Wir haben immer noch Parlamentsrecht, was den Vorrang hat.)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Heidi Knake-Werner, PDS.

(Jürgen W. Möllemann [F.D.P.], an die SPD gewandt: Ich möchte jetzt einmal wissen, wie Sie bei anderer Gelegenheit diskutieren! Pochen Sie da auch auf das Gesetz?)

Bitte, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe es nicht gern, wenn quer durch den Plenarsaal gerufen wird. Dann ist keine Verhandlungsatmosphäre mehr vorhanden.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Knake-Werner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heidi Knake-Werner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Ja, danke schön. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesarbeitsminister sagte heute morgen, diese Regierung spare nicht für die Millionäre, sondern für Millionen. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür geben, daß einige von den Millionen das aber ganz anders sehen. Die Beschäftigten der Magdeburger Armaturenwerke halten es zum Beispiel für einen Skandal, daß sie für eine falsche und verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik dieser Regierung die Zeche zahlen müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Landesregierung!)

    Sie finden es grob ungerecht, daß die Gewinne der Konzerne, Banken und Versicherungen ständig anwachsen, ihnen aber tief in die Tasche gegriffen wird. Sie nennen die Politik der Bundesregierung - was sie in Wahrheit auch ist -, einen Raubzug an Beschäftigten, Arbeitslosen, Frauen, Familien und alten Menschen.

    (Beifall bei der PDS Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Dieser Unsinn wird nicht besser dadurch, daß Sie ihn verbreiten!)

    Die Magdeburger Armaturenwerke werden zum 31.12.96 geschlossen. Sie sind ein Beispiel von vielen, ein Beispiel für die düsteren Prognosen des DIW von dieser Woche, wonach das bißchen Wirtschaftswachstum gänzlich zum Stillstand kommt und der Aufholprozeß im Osten ferner denn je ist.

    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Sie sind nicht prädestiniert zu reden! Ihre Verantwortung für die Lage im Osten ist ausreichend belegt!)

    Das ist das traurige Ergebnis Ihrer Politik.
    In den vorliegenden Gesetzen geht es vorrangig nicht um Sparen, auch wenn Sie Haushaltsentlastungen von ansehnlichen 25 Milliarden versprechen. Sie stellen die Weichen in eine andere Republik und ersparen sich die Fürsorge für die sozial Schwächsten in diesem Land. Daß es Ihnen um eine andere Republik geht, beweist nichts besser als der massive Angriff auf die soziale Rechtsordnung: Verschlechterung des Kündigungsschutzes, Einschränkung der Lohnfortzahlung, Schlechterstellung der Betriebsräte beim Interessenausgleich, Eingriffe in das Tarifvertragsgesetz und in die Tarifautonomie. Ich bitte Sie, mir zu sagen, wofür denn mit diesen Eingriffen eigentlich gespart wird.
    Das Schlimmste aber ist, daß Sie hier ein Gesetzespaket durchpeitschen werden, dessen Auswirkungen auf Millionen Menschen der Großteil Ihrer Fraktion überhaupt nicht übersehen kann. Im Ausschuß ist das mehr als deutlich geworden. Nach dem Motto „Augen zu und durch" schieben Sie alle Bedenken der Sachverständigen beiseite, kürzen, streichen und beschneiden, was das Zeug hält. Oder kennen Sie heute schon die Folgen der Verkürzung der Anrechnungszeiten für Ausbildungsjahre oder der Streichung von Anrechnungszeiten bei Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug? Wird die Entlastung der Rentenkassen womöglich ein teures Luftschloß, weil gleichzeitig Armut und Sozialhilfebezug ausgeweitet werden müssen? Oder was wird Ihrer Meinung nach passieren, wenn künftig berufliche Rehabilitation nur noch nach Zweckmäßigkeitserwägungen bewilligt wird? Tausende lernbehinderte Jugendliche betrügen Sie um ihre Zukunft.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Daß Ihr Programm für mehr Beschäftigung stehen soll, ist allerdings nun wirklich der blanke Hohn. Sie vernichten Arbeitsplätze mit diesem Programm. Allein die angekündigte Streichung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit und die Angleichung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Ostdeutschland an Westniveau setzen 250 000 Arbeitsplätze aufs Spiel. Das sind Arbeitsplätze in Regionen, für die sie teilweise das einzige Mittel darstellen, um überhaupt noch überleben zu können. Haben Sie sich das eigentlich überhaupt schon einmal klargemacht? Auch die Kürzung von Kuren, die Einschnitte bei der Gesundheitsförderung und die Reduzierung der Reha-Maßnahmen werden Zehntausende von Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen, insbesondere Frauenarbeitsplätze. Auch das ist Ihnen von den Sachverständigen vorgerechnet worden.
    Aber auch mittelbar vernichten Sie Arbeitsplätze: Indem Sie die Lohnfortzahlung kürzen, die Arbeitslosenhilfe kürzen und das Krankengeld kürzen, vernichten Sie Kaufkraft. Was heißt das denn anderes,

    Dr. Heidi Knake-Werner
    als daß die Menschen bei Restaurant- und Kinobesuchen, bei Kleidung, bei Reisen usw. sparen müssen? Das Forsa-Institut hat in dieser Woche deutlich zum Ausdruck gebracht, daß das Arbeitsplätze kostet.
    Sie bleiben den Beweis dafür schuldig, wie Sie mit der Einschränkung vom Kündigungsschutz und bei der Lohnfortzahlung Arbeitsplätze schaffen wollen.

    (Walter Hirche [F.D.P.]: Genau wie alle anderen Staaten um uns herum!)

    Beschäftigungseffekte - das ist in der Anhörung deutlich geworden - sind durch diese Maßnahmen nicht quantifizierbar. Ihre empirische Basis ist etwa so seriös, wie Herr Minister Seehofer es hier heute morgen demonstriert hat: Er kenne Leute. Wahrscheinlich kennt er auch Leute, die sich mit Kochkursen und Bauchtanz im Freizeitpark vergnügen, natürlich aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Das ist Stammtischniveau.

    (Beifall bei der PDS)

    Triefender Zynismus und Menschenverachtung sind der Impuls Ihrer Politik. Ihr ganzes Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung entpuppt sich bei genauer Draufsicht als ein Programm sozialer Ungerechtigkeiten. Der vielgeschmähte Druck der Straße, den Sie hier immer wieder bemühen, hat wenigstens dazu geführt, daß Ihr ursprüngliches Vorhaben, das Frauenrentenalter schon 1997 schrittweise auf 65 Jahre anzuheben, ein Stück zurückgenommen werden mußte. Eine Verschlechterung gegenüber der bestehenden Regelung bleibt es allemal.
    Das einzige, was Sie mit Ihrem Programm bewirken werden, ist eine Beschäftigung der Arbeitsgerichte. Auch das ist heute deutlich erwiesen. Frau Babel, wenn Sie das als Überprüfungsanmaßung bezeichnen, dann wundere ich mich allerdings schon ein bißchen über Ihr Verständnis von Gewaltenteilung.

    (Beifall bei der PDS)

    Nein, meine Damen und Herren von der Koalition, Sie können die Demonstration der 350 000 noch so häufig als „Druck der Straße" bezeichnen, und der Kollege Hintze kann die gestrige Aktion von 250 000 Arbeitnehmern in den Betrieben „in höchstem Maße unverantwortlich" nennen. Anders ist Ihnen offenbar nicht klarzumachen, daß sich zwar nicht die Fahrtrichtung, Herr Minister Blüm, aber die Stimmung im Lande verändert hat, nämlich nachdrücklich gegen Sie.

    (Beifall bei der PDS)

    Es sind nicht alleine die Gewerkschaften und ihre Millionen Mitglieder, Sie haben auch die großen Sozialverbände gegen sich, die Ärzteschaft kritisiert Sie, Arbeitsrechtler und Sachverständige mahnen Sie. Den schärfsten Protest allerdings ernten Sie von den Kirchen. Was muß eigentlich noch geschehen, damit Sie endlich aufhören, die Mehrheit hier im Plenum zu einer Mehrheit für Ihren Angriff auf den Sozialstaat umzudeuten?

    (Beifall bei der PDS)

    Ich habe bei der Demonstration in Bonn auf dem TShirt einer Demonstrantin einen Spruch gelesen, der noch nie so wahr wie heute war: „Wer Kohl wählt, den bestraft das Leben".

    (Beifall bei der PDS)