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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/117 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 117. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. Juni 1996 Inhalt: Begrüßung des Parlamentspräsidenten der Republik Ghana, Daniel Francis Annan . 10588 C Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 9. September 1996 10549A Erweiterung der Tagesordnung 10549B Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksachen 13/4610, 13/5088, 13/5108, 13/5094, 13/5112) 10549 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksachen 13/4814, 13/4987, 13/ 5088, 13/5108, 13/5094, 13/5112) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunftsfähigkeit durch sozialstaatliche Innovationen gewinnen zu dem Antrag der Gruppe der PDS: Rentenmoratorium 1996 (Drucksachen 13/4674, 13/3737, 13/5088, 13/5108) 10549C b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz) (Drucksachen 13/4611, 13/5089, 13/5108, 13/5095) . 10549D c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksachen 13/4612, 13/5107) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Arbeitsrechtliche Reformen als Baustein zur Neugestaltung der Arbeit (Drucksachen 13/4672, 13/5107) . . . 10550A d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Drucksachen 13/4613, 13/5074) 10550B e) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksachen 13/4614, 13/5072) 10550 C f) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Beitragsentlastungsgesetz) (Drucksachen 13/4615, 13/5099) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Marina Steindor, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das solidarische Gesundheitswesen für die Zukunft sichern (Drucksachen 13/4675, 13/5099) 10550 C g) Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Brigitte Adler sowie weiterer Abgeordneter: Rechtliche Rahmenbedingungen der Altersversorgung und Erwerbstätigkeit von Frauen (Drucksache 13/4986) 10550 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Gruppe der PDS: Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes und der arbeits- und sozialrechtliche Teil des Programms der Bundesregierung für mehr Wachstum und Beschäftigung (Drucksache 13/5086) 10551A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 10551 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 10556 A Dr. Peter Struck SPD (zur GO) . 10561D, 10614B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 10562 A Günter Verheugen SPD 10565 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10566 A Dr. Hermann Otto Sohns F.D.P. . 10568 D, 10573 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10570B Dr. Barbara Hendricks SPD 10572 D Dr. Gregor Gysi PDS 10573 B, 10580 C Michael Glos CDU/CSU . . . 10575 D, 10580 B Dr. Barbara Höll PDS 10579 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10580 A, 10597 D Rudolf Dreßler SPD 10581 A Dr. Gisela Babel F.D.P 10585 B, 10590 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10588 D Jörg Tauss SPD 10590 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 10591 B Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 10592 C, 10598 A Margot von Renesse SPD 10597 A Petra Bläss PDS 10597 C, 10609 D Ulrike Mascher SPD 10599 C, 10603 B Christel Hanewinckel SPD 10602 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 10603A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10603 D Dr. Ruth Fuchs PDS 10605 B Herbert Lattmann CDU/CSU 10605 D Ottmar Schreiner SPD 10607 C Joachim Hörster CDU/CSU (zur GO) . 10614 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 10614 C Jörg van Essen F.D.P. (zur GO) 10614 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS (zur GO) . 10615 A Namentliche Abstimmungen . . 10611 A, 10616 A, 10619C, D Ergebnisse . . . 10611 B, 10617 A, 10620 A, 10623 A Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 10564 B Vizepräsident Hans-Ulrich Klose . . . 10579 D Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer . . 10603 C Zusatztagesordnungspunkt 8: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) bis f) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 114, 130, 131, 132, 133 und 134 zu Petitionen (Drucksachen 13/5101, 13/5102, 13/5103, 13/5104, 13/5105, 13/5106) 10625 C Zusatztagesordnungspunkt 9: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Wohnsiedlung Hügelstraße in Frankfurt am Main (Drucksachen 13/4711, 13/5113) 10626 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Edwards-Wohnsiedlung in Frankfurt am Main (Drucksachen 13/4751, 13/5114) 10626 C c) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Wohnsiedlung Platenstraße in Frankfurt am Main (Drucksachen 13/4752, 13/5115) 10626 C Nächste Sitzung 10627 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10629* A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Hans Berger, Arne Börnsen (Ritterhude), Tilo Braune, Alfred Hartenbach, Gerd Höfer, Erwin Horn, Barbara Imhof, Hans-Ulrich Klose, Werner Labsch, Dr. Christine Lucyga, Rudolf Purps, Hermann Rappe (Hildesheim), Reinhold Robbe, Gerhard Rübenkönig, Dr. Emil Schnell und Peter Zumkley (alle SPD) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Allgemeinen Magnetschwebebahngesetzes 10629* B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16 a bis g (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz, Zweites Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz, Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz u. a.) Waltraud Lehn SPD 10629* C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Diemers (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Gesetze im Rahmen des Programms „Für mehr Wachstum und Beschäftigung" (Tagesordnungspunkt 16) 10630* D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Otto Regenspurger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Tagesordnungspunkt 16d) 10631 * A Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Werner Dörflinger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Tagesordnungspunkt 16f) 10631* B Anlage 7 Amtliche Mitteilungen 10631* C 117. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. Juni 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt his einschließlich Antretter, Robert SPD 28.6. 96 * Behrendt, Wolfgang SPD 28. 6. 96 * Blunck, Lilo SPD 28. 6. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 28. 6. 96 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 28. 6. 96 Gysi, Andrea PDS 28. 6. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 28. 6. 96 Jelpke, Ulla PDS 28. 6. 96 Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 28. 6. 96 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 28. 6. 96 Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 28. 6. 96 Dr. Maleuda, Günther PDS 28.6. 96 Michels, Meinolf CDU/CSU 28. 6. 96 Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 28. 6. 96 Scharping, Rudolf SPD 28. 6. 96 Dr. Scheer, Hermann SPD 28. 6. 96 * Dr. Schwaetzer, F.D.P. 28. 6. 96 Irmgard Terborg, Margitta SPD 28. 6. 96 * Vosen, Josef SPD 28. 6. 96 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 28. 6. 96 Zierer, Benno CDU/CSU 28. 6. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Hans Berger, Arne Börnsen (Ritterhude), Tilo Braune, Alfred Hartenbach, Gerd Höfer, Erwin Horn, Barbara Imhof, Hans-Ulrich Klose, Werner Labsch, Dr. Christine Lucyga, Rudolf Purps, Hermann Rappe (Hildesheim), Reinhold Robbe, Gerhard Rübenkönig, Dr. Emil Schnell und Peter Zumkley (alle SPD) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Allgemeinen Magnetschwebebahngesetzes - Drucksachen 13/3104 und 13/4527 Nr. 2 - am 9. Mai 1996e): Wir erklären, daß wir dem Gesetzentwurf zugestimmt haben. *) Vergleiche Plenarprotokoll 13/104, Seite 9116B, C. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16a bis g (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz, Zweites Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, Wachstum- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz, Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz u. a.) Waltraud Lehn (SPD): Was uns ausgerechnet der für Gesundheit zuständige Minister hier vorlegt, läßt sich auch so beschreiben: „G" wie „Gnadenlose Klientelpolitik", „I" wie „Ignoranz der Proteste Hunderttausender", „F" wie „Folgenschwere Flickschusterei" , „T" wie „Tiefschlag gegen soziale Gerechtigkeit", mit einem Wort: Gift! Dieses Gift stammt aus der Küche des Herrn Kohl. Die Zutaten wurden von der F.D.P. geliefert, zusammengeführt haben sie die Giftköche Blüm und Seehofer, und heute entscheidet sich, wer das Gift unters Volk bringen wird. Eines ist allerdings sicher: Die SPD wird es nicht sein! Der Hartnäckigkeit der SPD ist es bereits zu verdanken, daß den Sozialhilfeempfängern die Giftpille, die die Bundesregierung für sie vorgesehen hatte, erspart bleibt. Zwar ist aus ihr auch keine wohlschmeckende Medizin geworden, aber ihre toxische Wirkung konnte wenigstens neutralisiert werden. Die unsozialen und ungerechten Vorstellungen der Bundesregierung zur Sozialhilfe konnten sich im Vermittlungsausschuß nicht durchsetzen. Es ist der SPD gelungen, zwar nicht ihre gesamten Vorstellungen durchzusetzen, aber gravierende Verbesserungen gegenüber dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition konnten erreicht werden. Mit der Verhinderung der von der Bundesregierung für 1997 vorgesehenen Nullrunde und der Verhinderung eines fünfzehnprozentigen Abstandgebotes zwischen Sozialhilfe und Nettolöhnen konnten wir einen weiteren Stein aus dem unsozialen Kürzungsmosaik der Bundesregierung herausbrechen. Heute beraten wir das zwölfte Sparpaket in der Regierungszeit Kohl. Die Verfallszeiten der Kabinettsbeschlüsse werden immer kürzer. Die Arbeitsweise wird immer hektischer, die Ergebnisse immer mangelhafter, und die Verläßlichkeit und Berechenbarkeit dieser Bundesregierung nimmt immer weiter ab. Nach einer völlig überzogenen Mißbrauchsdebatte - also nach der Phase des Giftschleuderns - kommt jetzt der Angriff auf den Sozialstaat im Kern. Einen Hauptbestandteil zum Giftpaket der Bundesregierung hat Bundesgesundheitsminister Seehofer mit dem Beitragsentlastungsgesetz geliefert. Sein Gesetzentwurf ist ein reines Leistungskürzungsgesetz. Mit seiner unsozialen Belastung des einzelnen Kranken fügt er sich aber nahtlos in das Gesamtwerk dieser Bundesregierung ein. Sie verfolgt unter dem Deckmantel des Sparens nur ein Ziel wirklich ernsthaft: den Sozialabbau. Dafür kündigt sie den überparteilichen Sozialstaat-Konsens einseitig auf. Krankheit soll nicht mehr als ein Lebensrisiko von der Solidargemeinschaft abgesichert werden. Nein, zukünftig soll es ein individuelles Schicksal sein, mit dem der einzelne nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten selbst fertigwerden muß. Leistungskürzungen, -ausgrenzungen und Zuzahlungen belasten schon heute vor allem schwer oder chronisch Kranke und sind sozial völlig unausgewogen. Die von Bundesgesundheitsminister Seehofer jetzt geplanten weiteren Belastungen für die Versicherten werden jeden Arbeitnehmer/jede Arbeitnehmerin teuer zu stehen kommen, übrigens die durchschnittlich verdienenden am teuersten. Was soll denn nun eigentlich passieren? Die Erhöhung der Zuzahlung bei Arzneimitteln um jeweils 1 DM schafft einen giftigen Vorgeschmack für den, der Medikamente selten braucht. Speiübel wird dem, der viele Medikamente einnehmen muß. Die lange Wirkungszeit von Gift zeigt sich im Wegfall der Zuschüsse für ein Brillengestell: Was mit Zuzahlung beginnt, endet bei dieser Bundesregierung mit Leistungsausgrenzung. In diese Kategorie fällt auch die Streichung des Zuschusses für Versicherte unter 19 Jahren für Zahnersatz - und zwar sein Leben lang. Lapidar verweisen die Gesundheitspolitiker der Koalition auf die Prophylaxe, die schließlich in der Verantwortung eines jeden selbst liege. Aber welche Verantwortung trägt eigentlich ein Kind für die Vernachlässigung der Zahngesundheit durch seine Eltern? Und wie soll man einem heute 17jährigen erklären, daß er zwar lebenslang für den 19jährigen über die solidarische Krankenversicherung zahlen soll, selber aber aus diesem Leistungsbereich niemals etwas in Anspruch nehmen kann? Das Ziel der F.D.P. und ihres Erfüllungsgehilfen Seehofer ist klar, hier geht es nicht so sehr um eine Einsparung im Gesundheitswesen, sondern dies ist der erste Schritt, den Zahnersatz langfristig ganz aus dem Leistungskatalog der GKV zu streichen. Daß dies für viele Menschen eine zahnlose Zukunft bedeutet, scheint ihn nicht zu stören. Eine besonders hohe Dosis schnellwirkender Giftbestandteile ist die vorgesehene Absenkung des Krankengeldes um 10 Prozent, die ein Einsparvolumen von jährlich zirka 2 Milliarden DM bringen soll. Hier wird der unsoziale Charakter der Streichungsorgie dieser Bundesregierung besonders deutlich. Zum einen werden ausschließlich schwerkranke Versicherte betroffen. Zum anderen wird der Leistungsanspruch willkürlich bei einer Leistung abgesenkt, bei der Mißbrauch ausgeschlossen ist - und bei der die Höhe des Anspruches erworben wurde durch die geleisteten Beitragszahlungen. Die Kürzungsvorschläge bei Kuren finden nach der Rasenmähermethode statt. Das heißt: Giftversprengen und mal sehen, wen es trifft. Bei Vorliegen einer medizinischen Indikation macht es keinen Sinn, die Kurdauer zu verkürzen, den Wiederholungsintervall zu verlängern, die Zuzahlung zu erhöhen oder eine Urlaubsanrechnung vorzunehmen. Bei der Streichliste der Gesundheitsförderung hat die Regierung inzwischen selbst den Rückzug angetreten. Trotzdem ist die Gesundheitsfürsorge damit noch nicht gerettet. Wichtige prophylaktische und begleitende Arbeit leisten nicht nur die Selbsthilfegruppen, sondern auch die betriebliche Gesundheitsförderung und die vielen Kooperationspartner der Krankenkassen, angefangen von den Sportvereinen bis zu den Volkshochschulen. Gerade die Sportvereine erfüllen - von vielen unbeachtet - in hervorragender Weise die Aufgabe der Gesundheitsförderung durch Sport. Im Jahr 1995 gab es zum Beispiel allein 4 000 ambulante Trainingsgruppen für Herzgeschädigte, in denen Patienten, die früher sechs Wochen untätig im Bett lagen, durch Sport erfolgreich rehabilitiert wurden. Wer aber die Eigenverantwortung propagiert, der darf die Voraussetzungen und die Unterstützung nicht einstellen. Bundesgesundheitsminister Seehofer beklagt finanzielle Defizite, wird nicht müde, Beitragsstabilität anzumahnen und begründet damit seine geplanten Leistungskürzungen für die Versicherten. Gleichzeitig beschließt die Bundesregierung aber rückwirkend zum 1. Januar 1995 ein Gesetz, das die ärztlichen Honorare um 840 Millionen DM anhebt. Aber damit nicht genug: Auch bei den Arzneimitteln gibt es Klientelpolitik der F.D.P. den Ton an. Auf der einen Seite wird von den Patienten eine höhere Zuzahlung für Arzneimittel verlangt, auf der anderen Seite wird die Positivliste für Arzneimittel gestrichen und zusätzlich noch die Festbetragsregelung in den Stufen I und II faktisch ausgehebelt. All das läuft auf eine Schwächung des Solidarpaktes hinaus. Dabei wäre es möglich und vor allem auch besser, Solidarität zu stärken, anstatt sie immer weiter abzubauen. Im Gegensatz dazu steht das Produkt aus der Kohl-schen Küche, das nur eine Bezeichnung verdient: Gift! „G" wie „gegen die Frauen", „gegen die Jugend", „gegen die Kranken", „gegen die Alten" und „gegen eine Zukunft der sozialen Sicherheit und des sozialen Friedens" , „I" wie „irreführend für die 6 Millionen Arbeitssuchenden, die ernsthaft auf Arbeitsplätze hoffen", „F" wie „folgenschwer für alle, die ernsthaft erkranken" , „T" wie „total versagend für eine zukünftige Weiterentwicklung des Gesundheitswesens". Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Diemers (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Gesetze im Rahmen des Programms „Für mehr Wachstum und Beschäftigung" (Tagesordnungspunkt 16) Ich stimme den Gesetzentwürfen zu, da ich die Intention und Wichtigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen und Eigenverantwortlichkeit zu stärken, ausdrücklich unterstütze. Meine Vorbehalte gegen Teile dieser Entwürfe, die verstärkt Frauen und Familien besonders nachteilig betreffen können, halte ich jedoch aufrecht. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Otto Regenspurger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Tagesordnungspunkt 16d) Ich werde nach sorgfältiger Prüfung dem Gesetzentwurf nicht zustimmen und mich der Stimme enthalten. Ich kann dem Gesetzentwurf deshalb nicht zustimmen, weil die Einschränkung der Bezügefortzahlung nach meiner Auffassung den tragenden und verfassungsfesten Grundsätzen des Berufsbeamtentums widerspricht. Das Alimentations- und das Lebenszeitprinzip bedeuten zwingend, daß Leistung und Gegenleistung sich nicht nach Zeitabschnitten sondern als Gesamtleistung gegenüberstehen. Es ist verfassungsrechtlich und politisch unzulässig, an den Bindungen des Beamten festzuhalten, die Rechtsstellung aber für frei disponibel zu erklären. Auch verstößt dieser Gesetzentwurf nach meiner Meinung gegen Artikel 3 GG. Ich werde den Gesetzentwurf allerdings auch nicht ablehnen, weil ich erst recht keine Bestrebungen unterstützen kann, die - entsprechend langfristiger Planungen von SPD und von Bündnis 90/Die Grünen - letztlich darauf hinauslaufen, das Beamtenverhältnis endgültig zu einem Arbeitnehmerverhältnis mit anderem Namen umzugestalten. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Werner Dörflinger (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (Tagesordnungspunkt 16f) Die beiden Gesetze enthalten u. a. Vorschriften, die durch spürbare Einschnitte im Kurwesen zu einer Rückführung der Beiträge in der Rentenversicherung und in der Krankenversicherung beitragen sollen. Während ich die mit den Gesetzen angestrebten Einsparziele grundsätzlich für notwendig halte und von daher auch gesetzgeberischen Handlungsbedarf akzeptiere, befürchte ich vor dem Hintergrund der herausragenden Bedeutung des Kurwesens in meinem Wahlkreis negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere deswegen, weil alle vorgesehenen Maßnahmen zum gleichen Zeitpunkt greifen. Ich habe mich deswegen dafür eingesetzt, grundsätzlich an den Einsparmaßnahmen festzuhalten, sie aber vom Inkrafttreten her zeitlich so zu entzerren, daß den betroffenen Betrieben und Kurorten genügend Zeit bleibt, sich auf die neue Situation einzustellen und die beschäftigungspolitischen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, besonders im Reha-Bereich, wo zu den Einzelmaßnahmen die Budgetierung auf dem Stand des Jahres 1993 hinzukommt. Auch wenn ich mich mit diesen Vorschlägen nicht durchsetzen konnte, stimme ich den Gesetzen insgesamt zu, weil ich sie als Bestandteil der Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung für unverzichtbar halte. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur strukturellen Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstrechts - Drucksachen 11/3129, 13/725 Nr. 10 - Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 1995/96 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 13/3016 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3668 Nr. 1.12 Innenausschuß Drucksache 13/4514 Nr. 1.6 Drucksache 13/4514 Nr. 2.5 Rechtsausschuß Drucksache 13/218 Nr. 9 Drucksache 13/725 Nr. 50 Drucksache 13/1614 Nr. 1.3 Drucksache 13/3286 Nr. 2.1 Drucksache 13/4466 Nr. 1.1 Finanzausschuß Drucksache 13/4678 Nr. 2.49 Haushaltsausschuß Drucksache 13/4514 Nr. 2.27 Drucksache 13/4514 Nr. 2.43 Drucksache 13/4514 Nr. 2.45 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3938 Nr. 2.33 Drucksache 13/4137 Nr. 2.29 Drucksache 13/4137 Nr. 2.50 Drucksache 13/4466 Nr. 2.9 Drucksache 13/4466 Nr. 2.11 Drucksache 13/4466 Nr. 2.13 Drucksache 13/4466 Nr. 2.14 Drucksache 13/4466 Nr. 2.15 Drucksache 13/4466 Nr. 2.16 Drucksache 13/4466 Nr. 2.17 Drucksache 13/4466 Nr. 2.19 Drucksache 13/4466 Nr. 2.23 Drucksache 13/4466 Nr. 2.25 Drucksache 13/4466 Nr. 2.27 Drucksache 13/4466 Nr. 2.34 Drucksache 13/4466 Nr. 2.35 Drucksache 13/4466 Nr. 2.41 Drucksache 13/4466 Nr. 2.43 Drucksache 13/4466 Nr. 2.62 Drucksache 13/4514 Nr. 2.48 Drucksache 13/4636 Nr. 3.2 Drucksache 13/4678 Nr. 2.24 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/3286 Nr. 2.21 Drucksache 13/3668 Nr. 2.17 Drucksache 13/3938 Nr. 1.1 Drucksache 13/3938 Nr. 2.3 Drucksache 13/3938 Nr. 2.8 Drucksache 13/3938 Nr. 2.10 Drucksache 13/4137 Nr. 2.21 Drucksache 13/4137 Nr. 2.26 Drucksache 13/4137 Nr. 2.31 Drucksache 13/4137 Nr. 2.34 Drucksache 13/4137 Nr. 2.41 Drucksache 13/4137 Nr. 2.42 Drucksache 13/4137 Nr. 2.53 Drucksache 13/4137 Nr. 2.64 Drucksache 13/4137 Nr. 2.68 Drucksache 13/4466 Nr. 2.30 Drucksache 13/4466 Nr. 2.39 Drucksache 13/4466 Nr. 2.47 Drucksache 13/4466 Nr. 2.60 Drucksache 13/4514 Nr. 2.3 Drucksache 13/4514 Nr. 2.9 Drucksache 13/4514 Nr. 2.38 Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/4514 Nr. 2.15 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/4466 Nr. 2.7 Drucksache 13/4466 Nr. 2.38 Drucksache 13/4466 Nr. 2.46 Drucksache 13/4466 Nr. 2.56 Drucksache 13/4466 Nr. 2.58 Drucksache 13/4636 Nr. 2.4 Drucksache 13/4678 Nr. 2.46 Drucksache 13/4921 Nr. 2.22 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/2988 Nr. 1.25 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/614 Nr. 1.1 Drucksache 13/1442 Nr. 1.6 Drucksache 13/4137 Nr. 1.2 Drucksache 13/4466 Nr. 2.1 Drucksache 13/4466 Nr. 3.1
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    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, ich möchte das im Zusammenhang ausführen.
    Wir wollen die Lohnfortzahlung um 20 Prozent absenken.

    (Uwe Hiksch [SPD]: Pfui!)

    Auch hier kann ein Urlaubstag eingesetzt werden, um die Absenkung auszugleichen. Das ist für mich nicht nur eine Geldfrage, das ist eher eine Grundsatzfrage. Es geht nicht nur um Geld, es geht darum, ob Einkommen ohne Arbeit genausohoch sein soll wie Einkommen aus Arbeit. Soll Lohnersatz so hoch sein wie Lohn? Das können Sie nicht wollen, wenn Arbeit sich lohnen soll und wenn wir die Versuchung abstellen wollen, daß man ohne Arbeit genausoviel Lohn erhält wie mit Arbeit. Das kann nicht richtig sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für die ersten vier Wochen entfällt die Lohnfortzahlung, weil sie ein Einstellungshemmnis ist. Es gibt Tarifverträge, nach denen man die Arbeit noch nicht angetreten haben muß und trotzdem bereits einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat. Es ist ein Einstellungshemmnis, wenn der kleine Unternehmer befürchten muß, nach einem Tag Arbeit schon sechs Wochen Lohnfortzahlung leisten zu müssen. Bleibt doch praktisch und weniger ideologisch! Das ist meine Empfehlung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten bleiben draußen. Das ist auch ganz selbstverständlich; das ist Haftpflicht, das ist Entschädigung. Es wäre auch gar nichts gewonnen, denn die Absenkung müßte dann durch die Berufsgenossenschaft gezahlt werden.
    Wir erwarten, daß die Tarifpartner Folgerungen ziehen, und wir bestehen darauf, daß auch bei den Beamten - hier sind wir zuständig - entsprechende Regelungen getroffen werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Beim Kündigungsschutz geht es um das gleiche. Meine Damen und Herren, betrachten Sie die Sache doch einmal von zwei Seiten: Nicht jede Schutzmauer ist für alle Schutz, und manche Schutzmauer ist eine Sperrmauer für die, die draußen sind.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Daß der Kündigungsschutz in kleinen Betrieben anders behandelt wird als in großen, das war bisher schon so, und es hat niemand gesagt, die Grenze von fünf Arbeitnehmern sei Willkür. Wir heben die Schwelle auf zehn Arbeitnehmer an, gewähren einen Vertrauensschutz für diejenigen, die jetzt noch Kündigungsschutz haben, aber ihn dann nicht mehr hätten. Ich denke, hier ist wirklich die Frage: Was hat jemand vom Kündigungsschutz, der arbeitslos ist? Der hat vom Kündigungsschutz überhaupt nichts.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    Um überhaupt in den Genuß des Schutzes zu kommen, muß er erst einmal reinkommen.
    Es bricht doch nicht die Willkür aus. Es geht um Sozialauswahl, die in kleinen Betrieben sowieso einen beschränkten Umfang hat. Es geht auch damm, die Kriterien für die Sozialauswahl berechenbarer zu machen, verläßlicher zu machen. Wenn Sozialauswahl vereinbart ist, geht es damm, daß die Sozialkriterien vom Gericht nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft werden. Es sind Abmachungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Entsprechende Regelungen gelten für Betriebe ohne Betriebsrat. Warum hegen Sie denn so ein Mißtrauen gegen den Betriebsrat, wenn das Gericht Vereinbarungen nicht bewertet, sondern nur die grobe Fehlerhaftigkeit untersucht?
    Der befristete Arbeitsvertrag wird einfacher. Den haben Sie einmal madig gemacht.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Völlig zu Recht!)

    Herr Kollege Dreßler, entsinnen Sie sich noch Ihrer Reden? Heute schlägt ihn der DGB vor; heute praktiziert ihn die IG Metall. Sie sind noch gar nicht aufgewacht. Die haben Sie längst überholt. Ihre Parolen müssen Sie alle einsammeln. Sehen Sie sich vor, daß Sie in zehn Jahren nicht auch Ihre Rede von heute einsammeln müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei der Insolvenzordnung geht es darum, daß das, was für 1999 beschlossen wurde, vorgezogen wird, daß ein Insolvenzverwalter auch kündigen kann, wenn dadurch die Übergabe von Betrieben oder Betriebsteilen erleichtert wird. Was haben Sie denn davon, wenn er erst anfängt, wenn die Firma zusammengebrochen ist? Mit nichts können Sie nichts sanieren. Sie können nicht Lösungen suchen, wo keine Lösungen mehr sind. Es geht darum zu retten, was zu retten ist. Das ist im Interesse der Arbeitnehmer.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Widerspruch bei der SPD)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren, unser Programm ist konkret und handfest. Es handelt sich nicht um ideologische Wolken. Durch die Maßnahmen zur Entlastung sinkt die Soziallastquote im nächsten Jahr von 33,4 Prozent auf 33,0 Prozent;

    (Zuruf von der SPD)

    0,4! Um 0,4 Prozentpunkte sinkt die Soziallastquote. Kollege Klaus Zwickel, jede dritte Mark in unserem Staat wird nach wie vor für Soziales ausgegeben. Das gibt es fast auf der ganzen Welt nicht mehr. Jede dritte Mark wird für Soziales ausgegeben, und da stellst du, Klaus Zwickel, dich hin und sagst: Kapitalismus pur. - Wir sind und bleiben ein Sozialstaat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    300 000 sind auf die Barrikaden im Hofgarten geschickt worden. Wenn sie herunterkommen und feststellen, daß weiterhin Rente gezahlt wird, daß weiterhin die Arbeitslosenversicherung funktioniert, die Unfallversicherung und die Krankenversicherung hilft, dann wird es Ihnen so gehen wie im Streit um den bekannten § 116 AFG. Damals haben Sie behauptet, Streik sei gar nicht mehr möglich. Heute gibt es ganze Demonstrationszüge. Es wird weitergestreikt, und es wird weiterhin den Sozialstaat geben, allerdings einen bezahlbaren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

    Wir retten den Sozialstaat. Wir retten ihn, wir ruinieren ihn nicht. Wer Besitzstände tabuisiert, der gefährdet den Sozialstaat. Wer nichts verändert, verliert alles.

    (Zurufe von der SPD)

    Sozialstaat kaputt? Sehen Sie, in drei Tagen, am Montag, tritt die zweite Stufe der Pflegeversicherung in Kraft. Sie umfaßt trotz der schweren Zeiten 31 Milliarden DM. Der Bund spart 25 Milliarden DM. Es gibt eine neue Leistung für die, die der Hilfe bedürfen. Deshalb sage ich Ihnen: Seien Sie vorsichtig. - Karl Schiller hat Ihnen einst zugerufen: Genossen, laßt die Tassen im Schrank! - Ich rufe Ihnen zu: Genossen, laßt die Kirche im Dorf. Schlagt nicht alles zusammen. .

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Originalton Oskar Lafontaine, gestern in der „Woche":
    An einem harten Sparkurs führt kein Weg vorbei.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie sperren nicht, Sie machen kaputt!)

    Lieber Kollege Oskar Lafontaine, wo sind die konkreten Vorschläge? - Heiße Luft!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wo sind denn die Sparvorschläge der SPD? Dreimal angekündigt, dreimal ausgefallen! Sie sind mit Ihren Sparvorschlägen dreimal angelaufen und haben dreimal abgebrochen. Sie kommen mir vor wie ein Reckturner, der in der Halle auf die Matte geht, sich unter der Stange die Hände mit Magnesia bestreicht, sich zum Publikum, das eine große Kür erwartet, verneigt und wieder hinausgeht.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wo sind die konkreten Vorschläge, die die Ministerpräsidenten in Krickenbeck groß angekündigt haben? Ein paar Tage später in Merseburg waren schon wieder die Knie weich. Von Krickenbeck nach Knieweg, das ist die Schleimspur der SPD.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    „Wie kommen wir an das Geld der Leute?",

    (Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD] Weitere Zurufe von der SPD)

    das ist die erste Frage, die der SPD beim Stichwort „Standort" einfällt. „Wie kommen wir an das Geld der Leute?", das ist das erste, was der SPD bei der Frage der Rentensicherheit einfällt. „Wie kommen

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    wir an das Geld der Leute?", das ist das erste, was der SPD einfällt, wenn es darum geht, Schulden abzubauen.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Einnahmeverbesserungen sind keine Sparvorschläge, und Umfinanzierungen sind es auch nicht. Bei Lichte betrachtet, gibt es bei Ihnen eigentlich nur Einnahmeverbesserungen und Umfinanzierungen.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich sage: Ja, das Steuersystem muß gerechter werden. Umgehungsstraßen für Steuerpflichtige müssen gesperrt werden. Ich sage auch ja zur Umfinanzierung. Ja, wir müssen umfinanzieren, wir müssen von beitragsbezogenen Leistungen zu steuerfinanzierten Leistungen kommen. Aber erst muß einmal gespart werden. Umfinanzierung ist keine Entlastung. Wenn sich die Bordkante eines Schiffes der Wasseroberfläche nähert, dann können Sie nicht die Lasten unter Deck verrücken oder den Container verschieben, sondern dann müssen Sie entlasten. Umfinanzierung ersetzt nicht Entlastung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

    - Doch! Ich sage Ihnen: Es sind alles Einnahmeverbesserungen und Umfinanzierungen. Das ist das sozialpolitische Programm der SPD. Das sozialpolitische Programm der F.D.P. und der CDU ist ein handfestes. Das sozialpolitische Programm der SPD ist ein FKK-Programm: folgenlos, konzeptionslos und konfus - FKK!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In Europa dämmert es doch schon längst. Selbst die Sozialdemokraten in Europa haben gemerkt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wim Kok, Gewerkschaftsvorsitzender, Regierungschef in den Niederlanden: zwei Karenztage, Absenkung der Lohnfortzahlung um 30 Prozent. Schweden, Musterland der SPD: Absenkung der Lohnfortzahlung auf 75 Prozent und ein zusätzlicher Karenztag. In Finnland, auch Sozialdemokraten: Arbeitslosengelddynamisierung für drei Jahre ausgesetzt.

    (Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, die SPD in Deutschland ist der letzte Betonklotz in der Sozialistischen Internationale.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Zurufe von der SPD: Tätä! Tätä!)

    „Völker, hört die Signale! "

    (Lachen bei der SPD Zurufe von der SPD: Tätä! Tätä!)

    Liebe Genossen, ihr hört doch gar nicht mehr die Völker. Ihr wißt doch gar nicht mehr, wie es in Europa und auf der Welt zugeht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    SPD, die Nachhut der Sozialistischen Internationale - früher der Spähtrupp, heute der Spättrupp. Sie hinken hinter der Entwicklung her.
    Die SPD sollte einmal ein Stellengesuch veröffentlichen: Sie sucht einen Tony Blair. Sie sucht einen Mann oder eine Frau mit Mut zu neuen Ideen,

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Zurufe von der SPD: Genau! Tätä! Tätä!)

    nicht wohnhaft in der Toskana; die ist zu schön und zu lieblich für harte Vorschläge.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ab nach Finnland!)

    Meine Damen und Herren, es geht in dieser Debatte nicht nur um Mark und Pfennig, nicht nur um Statistik und Quoten. Es geht auch um einen Richtungsstreit. Kein Selbst versorgt sich selbst. Wir brauchen Solidarität. Ich bin ein Vertreter der alten Solidarität.

    (Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Aber es geht auch nicht ohne Selbstverantwortung, eine neue Selbstverantwortung. Solidarität hat nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es geht um eine Kultur von Risikobereitschaft und Selbständigkeit. Das ist nicht nur etwas für Unternehmer, das ist auch etwas für Arbeitnehmer. Selbständigkeit, Selbstbestimmung, seine Arbeit selber organisieren, mit anderen Arbeitszeiten selbst bestimmen - das ist auch ein Stück Selbständigkeit. Selbständigkeit ist nicht auf Unternehmer beschränkt.
    Unser Standort hängt nicht nur mit Rohstoffen und Kapital zusammen. Er hängt mit motivierten Arbeitnehmern, mit Qualifikation zusammen. Leistungsfreude und Leistungsbereitschaft sind ein Produktionsfaktor.

    (Zurufe von der SPD)

    Es gilt, einen Weg zu finden zwischen egoistischem Individualismus, in dem niemand mehr an andere denkt, und dem alten Kollektivismus, der alles von anderen verlangt. Es geht um eine neue Balance von Selbstverantwortung und Solidarität.
    Es gibt viele Probleme, viele!

    (Zurufe von der SPD: Eines davon sind Sie! Sie sind das größte!)

    Aber wir haben viel zu viele Problembeschreiber und viel zu wenige Problembearbeiter.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    „Pessimist" ist ja eine neue Berufsbezeichnung. Manche Funktionäre spielen Titanic im Trockendock, und manche haben dabei noch ein hohes Kapitänsgehalt. Aber es gibt Gott sei Dank auch viele mutige Unternehmer in unserem Land, tüchtige Hand-

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    werksmeister, fleißige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

    (Zuruf von der SPD: Jawoll!)

    Die laden wir zum Bündnis ein. Wir brauchen die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften - allein schaffen die es nicht, allein schaffen wir es nicht -, mit den Arbeitgebern - allein schaffen die es nicht, allein schaffen wir es nicht -; wir packen es nur, wenn alle zusammenstehen. Wir packen die Probleme an. Wir packen es!

    (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD: Tätä! Tätä! Zugabe!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Ministerpräsident des Saarlandes, Oskar Lafontaine.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Lafontaine


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Wochen haben hier in Bonn 350 000 Menschen demonstriert, für Arbeit und für soziale Gerechtigkeit. Auch heute protestieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überall im Lande gegen das Kürzungspaket der Bundesregierung.
    Und was haben sie vorhin erlebt? Da steht der Bundesarbeitsminister hier und rufend flammend in den Saal: „Völker, höret die Signale!"

    (Lachen und Beifall bei der SPD)

    Hunderttausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern protestieren gegen die Politik der sozialen Ungerechtigkeit, in klassischer Tradition der Arbeiterbewegung, und Sie stehen hier und rufen: „Völker, höret die Signale! " Dabei schauen Sie zur Opposition. Sie hätten in die andere Richtung schauen müssen, Herr Bundesarbeitsminister. Sie haben doch Wasser in den Ohren gegenüber dem, was dieser Tage in Deutschland auf der Straße passiert.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Im Gegensatz zu Ihnen haben die Menschen erkannt, worum es geht. Es geht um den sozialen Frieden unseres Landes. Es geht um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Es geht um die Stabilität unserer Demokratie. Deshalb stehen wir mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und mit all den Menschen, die in diesen Tagen gegen die Politik der sozialen Ungerechtigkeit protestieren, Seite an Seite.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das ist nicht der sogenannte Druck der Straße. Das sind keine „Berufsnörgler", wie Sie sagen. Der Protest kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Wer diesen Widerstand der Menschen diffamiert, der zeigt
    nur, daß er die soziale Wirklichkeit in Deutschland nicht kennt.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die beiden christlichen Kirchen haben in einem gemeinsamen Papier die soziale Lage in Deutschland beschrieben. Sie stellen fest, daß es einen tiefen Riß gibt in unserem Lande und eine Spaltung der Gesellschaft in Reiche und Benachteiligte.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Unglaublich!) Die Kirchen haben recht.


    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Die Kirchen haben nicht recht!)

    Noch nie gab es so viele Arbeitslose in diesem Land und soviel Armut. Noch nie hat der Staat die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so sehr belastet wie jetzt, und noch nie gab es soviel soziale Ungerechtigkeit.
    Wir wollen nicht, daß unsere Gesellschaft immer ungerechter wird. Wir wollen nicht, daß der soziale Friede zerstört wird. Deshalb trifft das Kürzungspaket der Bundesregierung auf unseren Widerstand und auf den Widerstand der Mehrheit in unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind verbittert darüber, daß die Bundesregierung das „Bündnis für Arbeit" zurückgewiesen hat.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Mit einer moderaten Lohnpolitik haben die Gewerkschaften gezeigt, daß sie sich ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung bewußt sind. Deshalb verdienen die Gewerkschaften unseren Dank und unsere solidarische Unterstützung.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Verehrter Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben ja recht, wenn Sie von hier aus noch einmal das „Bündnis für Arbeit" beschwören und erklären, ohne die Gewerkschaften gehe es nicht. Aber was war denn das für eine Politik, bis zu den letzten Landtagswahlen die Gewerkschaften zu mißbrauchen und ihnen dann in die ausgestreckte Hand zu spukken? Das haben Sie getan.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es darf sich niemand darüber wundern, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Kampfansage angenommen haben und jetzt Widerstand leisten. Die Bundesregierung trägt die Verantwortung dafür, daß sich das soziale Klima in Deutschland besorgniserregend verschärft hat. Wir fordern die Bundesregierung auf: Beenden Sie Ihre Politik der sozialen Ungerechtigkeit, stoppen Sie Ihre Pläne zum Abbau der Arbeitnehmerrechte. Diejenigen, die auf die

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Straße gegangen sind, sind nicht jene, die nicht einsehen würden, daß angesichts der Explosion der Staatsverschuldung gespart werden muß. Behaupten Sie doch nicht solch falsche Dinge. Nur, die Menschen haben ein genaues Gefühl für soziale Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie wollen eines nicht, daß immer nur bei den sozial Schwachen gekürzt wird, während bei denen, die Vermögen oder hohe Einkommen haben, immer nur draufgesattelt wird. Dies wollen die Menschen in unserem Lande nicht.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Verehrter Herr Bundesarbeitsminister, wenn Sie hier gefragt haben: „Wo sind denn die Sparvorschläge der Länder der SPD?", dann muß ich Sie fragen: Wo leben Sie eigentlich? In welchem Lande leben Sie eigentlich?

    (Zuruf von der SPD: Auf dem Mond!)

    Haben Sie eigentlich bei all Ihren Auftritten überhaupt noch die Möglichkeit, sich vor Ort einmal anzusehen, was derzeit in den Gemeinden und in den Ländern auf Grund Ihrer verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik alles geschieht?

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Sozialhaushalte der Gemeinden explodieren, sie müssen Büchereien schließen, sie müssen kulturelle Einrichtungen schließen, sie müssen Schwimmbäder schließen, sie müssen den Bau von Kindertagesstätten hinausschieben usw. Und da steht der Bundesarbeitsminister hier und fragt: Wo wird denn gespart? Wo sind denn Ihre Sparvorschläge? - Die Länder müssen die Haushalte zurückfahren, sie müssen bei der Polizei kürzen, bei den Krankenhäusern kürzen, bei den Finanzämtern kürzen, leider auch bei Schulen und Universitäten. Und da steht hier wirklich jemand wie ein Kasper und fragt: Wo wird denn gespart? - Reden Sie doch nicht einen solchen Unsinn!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich kann Ihnen sagen, was die Menschen in diesem Lande verärgert.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das dumme Gerede von Ihnen!)

    Ich kann die Frage zurückgeben: Wo sind denn Ihre Sparvorschläge für die Vermögenden und Wohlhabenden dieser Gesellschaft? Wo sind sie denn?

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ihre Wirtschaftspolitik ist erkennbar eine Wirtschaftspolitik, die darauf setzt, daß man den Vermögenden und Einkommensstarken weiterhin Geschenke geben und bei den Sozialhilfeempfängern, bei den Rentnern und denjenigen, die keine Arbeit haben, kürzen soll.
    Sie meinen, diese Wirtschaftspolitik gehe auf. Sie haben diese Politik jetzt seit 14 Jahren versucht, und das Ergebnis ist immer höhere Arbeitslosigkeit, immer höhere Staatsverschuldung, immer höhere Steuer- und Abgabenlast. Wann begreifen Sie endlich, daß Ihre verfehlte Wirtschaftspolitik die Grundlage für die Krise der Staatsfinanzen geschaffen hat?

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Widerspruch bei der CDU/CSU Hans Raidel [CDU/CSU]: Saarland, Saarland!)

    Die Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Fabriken und Verwaltungen, die vielen Selbständigen in Mittelstand und Handwerk, das sind die eigentlichen Leistungsträger unserer Gesellschaft. Ihrer Arbeit und ihrer Einsatzbereitschaft verdanken wir unseren Wohlstand. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, daß diese Menschen durch Steuern und Abgaben immer stärker belastet werden. Im Gegenteil: Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Steuer- und Abgabenbelastung der breiten Mehrheit unseres Volkes endlich spürbar gesenkt wird.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Selbstverständlich müssen Wirtschaftlichkeit und Zielgenauigkeit des Sozialstaates verbessert werden. Der Mißbrauch sozialer Leistungen muß bekämpft werden, aber genauso Steuerhinterziehung und Subventionsbetrug.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir wollen eine Modernisierung des Sozialstaates. Aber eine Zerstörung der sozialen Grundlagen unserer Gesellschaft kommt mit uns nicht in Frage.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Menschen brauchen soziale Sicherheit; denn Sicherheit schafft Freiheit. Deshalb sagen wir: Die soziale Sicherheit in unserem Lande darf nicht aufgekündigt werden.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Wird sie auch nicht! Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie müssen einen konkreten Vorschlag machen!)

    Meine Damen und Herren, die soziale Sicherheit ist teuer geworden, sagen Sie. Wir sagen nicht: „Die soziale Sicherheit ist teuer geworden" , sondern wir sagen: Die hohe Arbeitslosigkeit ist es, die die finanziellen Grundlagen unseres Staates untergräbt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Mit über 150 Milliarden DM pro Jahr belastet die Arbeitslosigkeit die öffentlichen Kassen. Das ist weit mehr, als alle Sparpakete je hereinbringen können. Deshalb appelliere ich an Sie: Begreifen Sie das doch endlich! Wenn es nicht gelingt, die Arbeitslosigkeit abzubauen, dann können Sie noch so viel kürzen und noch so viel streichen, die Arbeitslosigkeit wird immer weiter ansteigen, und die Staatsschulden wer- den immer weiter explodieren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Mit dem Sparaktionismus der Bundesregierung sind die Probleme unseres Landes nicht zu lösen. Der Schlüssel zur Sanierung der Staatsfinanzen und zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme liegt nun einmal in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Arbeitsplätze sichern und neue Arbeitsplätze schaffen, das muß in den Mittelpunkt der Politik gestellt werden.
    Wir sind überzeugt: Dieses Kürzungspaket schafft keine neuen Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Schon heute fehlen in ganz Deutschland über 6 Millionen Arbeitsplätze. Die Sachverständigen sagen, daß die Arbeitslosigkeit mit Ihrer Politik weiter ansteigen wird. Sie liegt heute um 360 000 höher als vor einem Jahr, und für das nächste Jahr - das ist das Zeugnis, das Ihnen die Sachverständigen ausstellen - gehen die Sachverständigen davon aus, daß die Arbeitslosenzahl um weitere 300 000 ansteigen wird. Das heißt, niemand glaubt daran, daß Ihr Paket zum Abbau der Arbeitslosigkeit führen wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir dürfen uns mit der hohen Arbeitslosigkeit nicht abfinden. Die Menschen wollen arbeiten. Sie haben einen Anspruch darauf, daß dafür die politischen Voraussetzungen geschaffen werden.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Genau das tun wir!)

    Mit einer Verschlechterung des Kündigungsschutzes und mit Eingriffen bei der Lohnfortzahlung werden keine Arbeitsplätze geschaffen. Im Gegenteil: Diese Maßnahmen schaden der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Der Abbau des Kündigungsschutzes bedeutet, daß Millionen Arbeitnehmer nach Belieben geheuert und gefeuert werden können. Das verunsichert die Arbeitnehmer und verschlechtert das Betriebsklima.
    Das gleiche gilt für die Kürzung der Lohnfortzahlung. Das wichtigste Kapital der Unternehmen, vor allem im Mittelstand und im Handwerk, sind gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
    Von ihrem beruflichen Einsatz, von ihrer Motivation hängt es ab, ob ein Unternehmen Erfolg hat oder nicht. Wer durch Eingriffe beim Kündigungsschutz und bei der Lohnfortzahlung die Belegschaften verunsichert und das Betriebsklima verschlechtert, belastet die Leistungsbereitschaft und die Motivation der Beschäftigten. Das müssen Sie endlich begreifen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Deshalb liegt es im gemeinsamen Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, daß wir die Bundesregierung auffordern: Unterlassen Sie den geplanten Abbau der Arbeitnehmerschutzrechte. Zerstören Sie nicht die Partnerschaft in den Betrieben.
    Meine Damen und Herren, von dem Kürzungspaket der Bundesregierung sind die Frauen ganz besonders betroffen.

    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Sehr wahr!)

    Die vorzeitige Anhebung der Altersgrenze bedeutet für die Frauen, die ab 1940 geboren sind, eine erhebliche Verschlechterung ihrer Altersversorgung. Wegen der niedrigen Frauenrenten werden viele die geplanten Rentenkürzungen nicht verkraften. Die Durchschnittsrente der Frauen im Westen liegt derzeit bei 800 DM. Ich sage das noch einmal - vielleicht wissen Sie das nicht -: Die Durchschnittsrenten der Frauen im Westen liegen derzeit bei 800 DM. Bei denen, die zukünftig in das Rentenalter eintreten, wird die Rente etwas höher liegen, bei 1 000 oder 1 200 DM.
    Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, was es heißt, mit einer Kürzung von etwa 18 Prozent zu drohen? Wissen Sie, wohin wir gekommen sind? Wir sind während Ihrer Regierungszeit dahin gekommen, daß diejenigen, die kleine Renten haben, die Sozialhilfe beziehen, die Arbeitslosenhilfe beziehen, als Besitzstandswahrer diffamiert werden, während die Vermögenden und Reichen dieser Gesellschaft zu Leistungsträgern werden, die offensichtlich keinen Besitz verteidigen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Zuruf von der SPD: Das ist christliche Nächstenliebe!)

    Ihre Planungen zwingen viele Frauen, länger zu arbeiten. Das wirft ihre Lebensplanung durcheinander. Aber manchmal möchte man verzweifelt fragen: Begreifen Sie überhaupt noch, was das für die einzelnen Menschen bedeutet, die davon betroffen sind?

    (Zuruf von der SPD: Die haben doch keine Ahnung, was im Lande los ist!)

    Auch wenn die Bundesregierung ihre falsche Entscheidung wohl auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nachträglich um drei Jahre verschoben hat, so ist hier ein erheblicher Vertrauensschaden entstanden.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Mit der einseitigen Aufkündigung des Rentenkompromisses von 1992 hat die Bundesregierung das

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Vertrauen in die Sicherheit der Renten beschädigt. Mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Älteren trägt sie Verantwortung dafür, daß viele Jugendliche keine Chance auf einen Arbeitsplatz erhalten.
    Auch bei der geplanten Verschlechterung des Kündigungsschutzes werden die Frauen die Hauptleidtragenden sein. In Friseursalons, Arzt- und Rechtsanwaltspraxen und in vielen anderen Dienstleistungsbetrieben arbeiten zum großen Teil Frauen. Für viele von ihnen soll jetzt das Prinzip des Heuerns und Feuerns Alltagserfahrung werden.

    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Wo steht das denn!)

    Auch die geplanten Kürzungen bei der Arbeitsförderung gehen vor allem zu Lasten der Frauen in Ostdeutschland. Dort sind 650 000 Frauen arbeitslos gemeldet. Das ist eine Quote von fast 20 Prozent. Meine Damen und Herren von der Koalition, begreifen Sie endlich: Ihre Politik ist zutiefst frauenfeindlich.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Gestern hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß zahlreiche Mütter bei der Festsetzung ihrer Renten verfassungswidrig benachteiligt worden sind.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Haben wir immer gesagt!)

    Ihre Kindererziehungszeiten wurden nicht ausreichend anerkannt. Es paßt ins Bild dieser frauenfeindlichen Politik, daß man das Bundesverfassungsgericht braucht, um die Benachteiligung der Frauen zu korrigieren.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Der Vorgang in seiner ganzen Tragweite ist Ihnen offensichtlich gar nicht klar. Zum dritten Mal sagt das Bundesverfassungsgericht, daß Ihre Politik gegen die soziale Gerechtigkeit in unserem Lande verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen gesagt, daß Sie die Familien benachteiligen. Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen gesagt, daß Sie nicht wissen, wie hoch das Existenzminimum ist, das steuerfrei bleiben muß, damit sich die Menschen ernähren können. Nun sagt Ihnen das Bundesverfassungsgericht, daß Sie die Frauen in nicht zulässiger Weise benachteiligen. Welch ein Urteil über Ihre Politik!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wie die Bundesregierung die Familien mit Kindern behandelt, ist unverantwortlich. Sie wollen den Familien die notwendige Erhöhung des Kindergeldes verweigern, und gleichzeitig wollen Sie den Vermögensmillionären die Vermögensteuer erlassen.

    (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Klassenkampf! Widerspruch bei der F.D.P.)

    - Daß die F.D.P. dabei schreit, ist verständlich. Aber es gibt noch mehr als 5 Prozent in dieser Gesellschaft. Es gibt noch 95 Prozent, die das ganz anders sehen als Sie.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Sie kennen doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts!)

    Dieses Kürzungspaket hat eine schwere soziale Schieflage. Wir werden diese familienfeindliche Politik nicht zulassen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir werden sicherstellen, daß Familien mit Kindern zu ihrem Recht kommen. Wir werden dafür sorgen, daß das Kindergeld wie versprochen und vereinbart zum 1. Januar nächsten Jahres auf 220 DM pro Monat erhöht wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Mit der Politik der Bundesregierung ist die Beschäftigungskrise nicht zu überwinden. Die Arbeitslosigkeit steigt Jahr für Jahr; dennoch sind Sie nicht bereit, Ihre Wirtschaftspolitik zu korrigieren.

    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Machen Sie einmal einen Vorschlag!)

    Dieser Bundesregierung geht es vor allem um die Interessen von Vermögensmillionären und denen, die hohe Einkommen beziehen.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Ja, Reiche raus! Peter Dreßen [SPD]: Die Wahrheit tut weh!)

    Um die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung geht es Ihnen nicht. Arbeitnehmer und Familien, Rentner und Arbeitslose, Frauen und Jugendliche geraten bei dieser Bundesregierung immer mehr unter die Räder.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Die Bundesregierung behauptet, ihr Kürzungspaket sei zur Sicherung des Standortes Deutschland notwendig. Wir sagen dagegen: Es gibt keinen Zwang, die soziale Sicherheit und die soziale Gerechtigkeit der Globalisierung zu opfern.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung folgt einer Irrlehre. Mit dieser Politik wird eine verhängnisvolle Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Wenn in allen Staaten die Reallöhne und die Steuern immer weiter nach unten gehen, wird auch die Binnennachfrage immer weiter geschwächt.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerungen] [F.D.P.]: Parteitagsrede!)

    Die Folge sind Rezession, höhere Arbeitslosigkeit und steigende Staatsverschuldung.

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Wenn die sozialen Leistungen und der Umweltschutz in allen Staaten immer weiter zurückgeführt werden, dann untergräbt dieser realwirtschaftliche Abwertungswettlauf auch die sozialen und ökologischen Grundlagen der Industriestaaten.
    Bei diesem Abwertungswettlauf der Nationalstaaten kann keiner gewinnen. Am Ende werden alle Länder verlieren. Insbesondere verlieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie haben nicht die hohe Mobilität des Kapitals, sie können ihren Arbeitsplatz und ihren Wohnort nicht einfach von heute auf morgen in ein anderes Land verlegen. Deshalb begrüßen wir die Verabschiedung der Entsenderichtlinien auf europäischer Ebene und sagen noch einmal: Es muß etwas für die Bauarbeiter in unserem Land geschehen, die um ihren Arbeitsplatz fürchten. Es muß endlich etwas geschehen!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Auf den Einwand der F.D.P., es fänden Verstöße gegen marktwirtschaftliche Prinzipien statt, erwidere ich: Ich wünschte mir, Sie hier einmal durch polnische oder portugiesische Abgeordnete, die für 600 DM arbeiten, zu ersetzen, damit Ihr Hirn etwas in Bewegung käme.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Widerspruch bei der CDU/ CSU)

    Auf all die marktwirtschaftlichen Argumente, die Sie hier anführen, entgegnen wir Ihnen: Menschen sind keine Ware. Sie können Menschen nicht nach den platten Kategorien ökonomischer Rationalität behandeln.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die konservative Standortpolitik hat auf die Globalisierung der Märkte mit einer Renationalisierung der Politik reagiert. Kohl sagte schon mehrfach: „Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause." Was ist das eigentlich für eine Logik, jeden Tag die Globalisierung zu beschwören und dann zu sagen: „Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause"? Wer die Gesetzmäßigkeiten der internationalen wirtschaftlichen Tätigkeit so sehr verkannt hat, der kann die Probleme der Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht lösen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Natürlich müssen wir auch in Deutschland die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung stellen. Wir brauchen Steuersenkungen für Arbeitnehmer und Familien. So können wir die Kaufkraft verbessern und die Binnenkonjunktur in Gang bringen.
    Wir brauchen eine sofortige Senkung der Lohnnebenkosten.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der CDU/CSU: Wie denn?)

    Dadurch entlasten wir alle Arbeitnehmer und alle Betriebe. Das schafft vor allem im Mittelstand und im Handwerk neue Arbeitsplätze. Außerdem brauchen wir eine moderne Innovationspolitik.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr dreist!)

    Wir brauchen größere Anstrengungen im Bereich von Forschung und Entwicklung, von Bildung und Wissenschaft.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Denn die Schlüsselbegriffe der Zukunft heißen Innovation, technischer Fortschritt und Qualifikation.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wir haben schon öfters darauf hingewiesen, daß die Forschungsausgaben der Industrie zurückgehen und auch die Forschungsausgaben des Bundes immer weiter zurückgefallen sind. Ich kann hier nur den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft zitieren: Wenn man schon vom schlanken Staat redet, meine Damen und Herren, dann muß man bei dieser verordneten Schlankheitskur ja nicht beim Hirn beginnen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In dem gesamten Gesetzespaket der Bundesregierung, das sinnigerweise Paket zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung heißt, kommt die Jugend überhaupt nicht vor.

    (Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    In einer Zeit, in der Hunderttausende junger Menschen ohne Arbeits- und Ausbildungsplatz sind, ist das ein einmaliger Vorgang. Die Jugend kommt in ihrem ganzen Paket überhaupt nicht vor.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Jugend ist die Zukunft unseres Landes. Deshalb ist es unverantwortlich, daß die Bundesregierung Jugendlichen keine Perspektive für Arbeit und Qualifikation bietet. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist Zeichen eines schwerwiegenden Versagens der Bundesregierung.
    Ich möchte auch ein Wort an die Vertreter der Wirtschaft richten. Wer täglich über den Standort Deutschland klagt, aber selbst nicht bereit ist, in die Ausbildung junger Menschen zu investieren, der macht sich für uns total unglaubwürdig.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage in den neuen Ländern ist es auch unverständlich, daß das Paket der Bundesregierung wenig darüber aussagt, wie es mit dem Aufbau Ost weitergehen kann. Ein besonderes Problem sind die sogenannten Altschulden der Städte und Gemeinden. Wenn wir dazu beitragen, daß die ostdeutschen Gemeinden keine Investitionen mehr für ihre Bürger und in die Wirtschaft tätigen, machen wir uns einer Fehlentscheidung schuldig. Wir brauchen endlich eine Lösung dieser Frage. Deshalb bedauern wir Ihre Entscheidung vom gestrigen Tage. Machen Sie endlich den Weg für die Entschuldung der ostdeutschen Gemeinden frei, damit sie wieder investieren können.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich will noch ein anderes Thema ansprechen, das für die gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes von größter Bedeutung ist. Sie sprachen von Motivation. Wir plädieren für eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Gewinn und am Kapital der Unternehmen. Die großen Unternehmerpersönlichkeiten Deutschlands haben es doch vorgemacht. Beispielhaft nenne ich Philip Rosenthal und Reinhard Mohn. Die Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Produktivvermögen ist eine gesellschaftliche Reform, die wir jetzt endlich in Angriff nehmen müssen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei der Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Meine Damen und Herren, gesellschaftlicher Konsens und Soziale Marktwirtschaft sind die Grundlagen für die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und für die Stabilität unserer Demokratie. Deshalb stellen wir uns jedem Versuch entgegen, der Marktwirtschaft ihre soziale Verantwortung zu nehmen. Wir fordern .die Koalition zur Umkehr auf. Wer das Soziale in unserem Staat in Frage stellt, der stellt auch Freiheit und Demokratie in Frage.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Noch einmal sagen wir Ihnen: Die Hunderttausende, die jetzt auf die Straße gehen, verschließen sich nicht der Notwendigkeit, in Zeiten explodierender Staatsverschuldung auch Kürzungsmaßnahmen hinzunehmen. Ich habe Ihnen gesagt, wie es in den Gemeinden und Ländern Tag für Tag aussieht. Was die Menschen aber wollen, ist, daß die soziale Gerechtigkeit in unserem Lande beachtet wird; denn sie war, ist und bleibt die Grundlage einer stabilen Demokratie in Deutschland.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)