*) Anlage 5
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Behrendt, Wolfgang SPD 21. 6. 96 *)
Belle, Meinrad CDU/CSU 21. 6. 96
Blunck, Lilo SPD 21. 6. 96
Dr. Peter Glotz SPD 21. 6. 96
Gysi, Andrea PDS 21. 6. 96
Dr. Höll, Barbara PDS 21. 6. 96
Horn, Erwin SPD 21. 6. 96
Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 21. 6. 96
Knoche, Monika BÜNDNIS 21. 6. 96
90/DIE
GRÜNEN
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 21. 6. 96
Michels, Meinolf CDU/CSU 20. 6. 96
Nolte, Claudia CDU/CSU 21. 6. 96
Pretzlaff, Marlies CDU/CSU 21. 6. 96
Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 21. 6. 96
Schaich-Walch, Gudrun SPD 21, 6. 96
Scharping, Rudolf SPD 21. 6. 96
Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 21. 6. 96
90/DIE
GRÜNEN
Siebert, Bernd CDU/CSU 21. 6. 96 *)
Steindor, Marina BÜNDNIS 21. 6. 96
90/DIE
GRÜNEN
Dr. Waigel, Thoeodor CDU/CSU 21. 6. 96
Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 21. 6. 96
*) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
Anlage 2
Erklärungen nach § 31 GO
zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes
über den Ladenschluß
und zur Neuregelung der Arbeitszeiten
in Bäckereien und Konditoreien
(Tagesordnungspunkt 15)
Anneliese Augustin (CDU/CSU): Ich bin der festen Überzeugung, daß die Neuregelung des Ladenschlusses zu einem nachteiligen Strukturwandel innerhalb des Handels führen wird und insbesondere der mittelständische Einzelhandel in weiten Teilen nachteilig betroffen sein wird. Ebenso werden zum
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Schaden des Familienlebens Hundertausende von Beschäftigten - insbesondere Frauen - gezwungen sein, in den Abendstunden zu arbeiten.
Nur der Respekt vor dem Mehrheitsbeschluß meiner Fraktion hat mich dazu bewogen, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Ladenschlusses in der modifizierten Ausschußfassung zuzustimmen.
Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich für eine Änderung des Ladenschlußgesetzes stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte.
Durch mein Abstimmungsverhalten möchte ich der Handlungsfähigkeit unserer Koalition nicht dergestalt schaden, daß andere wichtige Gesetzesvorhaben, die im Zusammenhang mit dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung stehen, gefährdet werden.
Die geplante Änderung des Ladenschlußgesetzes führt zu einer weiteren Konzentration im Einzelhandel. Das Gebot der Stunde hingegen ist, den Mittelstand zu stärken.
Hinzu kommt, daß mit einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten eine weitere Benachteiligung des ländlichen Raumes einhergeht. Diese Benachteiligung wird nicht zuletzt auch vom Bundeswirtschaftsminister bestätigt, der am 9. Mai 1996 vor dem Deutschen Bundestag erklärte, sich vorstellen zu können, „daß längere Öffnungszeiten am Sonnabend durchaus ein Stück Umsatzverlagerung vom ländlichen Raum in das städtische Gebiet mit sich bringen können".
Renate Blank (CDU/CSU): Dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß kann ich in dieser Form nicht zustimmen. Jede Entscheidung ist für mich eine Abwägung von Werten. Ich erlaube mir auch den Hinweis, daß eine zwischen den Koalitionspartnern vereinbarte gleichzeitige Änderung des § 5 c Kartellgesetz (Verbundgruppen) bisher nicht vorliegt; ich bedaure dies sehr, denn gerade diese Änderung könnte dem mittelständischen Einzelhandel helfen.
Das ifo-Gutachten und die Anhörung haben deutlich gemacht, daß kleine und mittlere Unternehmen und die dort Beschäftigten die Verlierer einer Änderung sein werden. Für mich ist das bestehende Ladenschlußgesetz nach wie vor ein für Verbraucher, Beschäftigte und Arbeitgeber tragfähiger Kompromiß. '
Auf die Verbraucher werden bei verlängerten Öffnungszeiten höhere Kosten zukommen, da ab 18.30 Uhr höhere Tarife bezahlt werden müssen; zudem entstehen höhere Raumkosten. Der Kunde hat die Möglichkeit zum Preisvergleich und Einkaufsvergnügen nur, wenn alle am Wettbewerb beteiligten Unternehmen zu gleicher Zeit geöffnet haben - dies ist bei einer Ausweitung nicht mehr gewährleistet. Ferner ist - Ausnahme Großstädte - der ÖPNV ab 19.00 Uhr ausgedünnt bzw. nicht mehr vorhanden.
Das ÖPNV-Angebot müßte also mit großem Kostenaufwand, was sich auf den Steuerzahler auswirken würde, erweitert werden.
Und nun zu den Beschäftigten im Handel: Schon heute sind in den Nachmittags- und Abendstunden keine Fachkräfte mehr zu erhalten. Im Einzelhandel gibt es auch noch nicht besetzte Ausbildungsplätze, warum wohl? Schlechte Bezahlung und unregelmäßige Arbeitszeiten, einschl. Samstag, sind daran schuld!
Damit möchte ich auf die dritte Komponente des Ladenschlußgesetzes kommen, nämlich die Arbeitgeber. Wahrscheinlich entzündet sich die ganze Diskussion um das Ladenschlußgesetz nur am schlechten Service. Wer ist nicht schon öfters nach langem Suchen in den Regalen an nur einer geöffneten Kasse Schlange gestanden und hat sich geärgert über zuwenig Personal in den Supermärkten und Waren- und Kaufhäusern. Gerade die Großen im Handel haben in den beiden letzten Jahren je ca. 30 000 Voll- und Teilzeitarbeitskräfte entlassen und sehr stark auf 590-DM-Jobs umgestellt. Äußerungen aus diesem Bereich signalisieren bereits auch für 1996 eine Freistellung von ca. 30 000 Beschäftigten. Das ifo-Gutachten hat eindeutig dargelegt, daß kleine und mittlere Unternehmen die Verlierer einer Änderung sein werden. Zur Erinnerung: Es gibt ca. 170 Unternehmen mit je über 1 000 Beschäftigten, ca. 80 000 Betriebe ohne Arbeitnehmer und ca. 290 000 Betriebe mit bis zu 10 Beschäftigten; letztere werden die Verlierer sein und damit auch die dort Angestellten und letztendlich auch die Verbraucher!
Die Konzentration im Handel wird weiter zunehmen. Dies hat schon die Einführung des langen Donnerstag gezeigt. Das ifo-Gutachten führt auch aus, daß es eine strukturelle Veränderung geben wird. Wenn dies politisch so gewollt ist, zumindest ist es auf jeden Fall der dringliche Wunsch der F.D.P., sollte man es deutlich sagen und nicht auf eine Flexibilisierung der Arbeitnehmer hinweisen, denn diese ist bei einer Öffnungszeit von über 60 Stunden und einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden bereits gegeben. Der öffentliche Dienst, aber auch die Industrie, sind weitaus weniger flexibel als die im Handel Beschäftigten.
Meines Erachtens besteht Handlungsbedarf im Bereich des Wettbewerbsrechts. Wir haben keinen echten Wettbewerb mehr, sondern eine Kapitaleinkaufsmacht. Im berechtigten Interesse eines mittelständischen Handels, der keine Arbeitsplätze ins Ausland verlagern kann, und der deutschen Industrie sind dringend Rahmenbedingungen erforderlich, die eine weitere Konzentration mit Oligopol- oder sogar Monopolbildung verhindern. Hier besteht Handlungsbedarf und nicht beim Ladenschlußgesetz!
Ein Blick noch über den Zaun zu unseren Nachbarn, die in den Medien immer als so modern und wettbewerbsfähig dargestellt werden: In den USA gibt es ein Diskriminierungsverbot, und in Frankreich ist der Verkauf unter Einstandspreis „strafbewehrt". In Italien gibt es Öffnungszeiten von nur 44 Wochenstunden, und in Spanien wird wieder ein Ladenschlußgesetz eingeführt. Niederländer fahren trotz der dort vorhandenen Abendöffnungszeiten zum Einkaufen nach Deutschland - aufgrund der niedrigeren Verbraucherpreise.
Zum Thema Tankstellenverkauf und Tele-shopping: Der Tankstellenumsatz macht zirka 3 Prozent des deutschen Einzelhandelsumsatzes aus, und Versandhandel und Tele-shopping liegen derzeit bei zirka 4 Prozent und werden in den nächsten Jahren über einen 6-Prozent-Anteil wahrscheinlich nicht hinauskommen.
Der Einzelhandel benötigt Rahmenbedingungen im Wettbewerb und keine Änderung des Ladenschlußgesetzes!
Die Folgen verlängerter Öffnungszeiten werden unter anderem sein: Weiterer Personalabbau durch Kostenmanagement im Zuge weiterer Konzentration sowie durch Schließungen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, Verschärfung der Konzentration mit Zentralisierung und Verringerung von Einzelhandelsstandorten, höhere Verbraucherpreise!
Für mich besteht die Attraktivität des Einzelhandels für den Verbraucher in einer Vielzahl und Vielfalt von Geschäften aller Größenordnungen - diese Vielfalt muß im Interesse der Verbraucher erhalten bleiben!
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Die langjährige Debatte um die Änderung des Ladenschlußgesetzes geht in die letzte Runde. Der Bundestag stimmt heute über den ausgehandelten Gesetzeskompromiß in zweiter und dritter Lesung ab.
Ich habe zu keiner Zeit einen Zweifel daran gelassen, daß ich einer Änderung des Ladenschlußgesetzes äußerst kritisch gegenüberstehe. In den Diskussionen über die angestrebte Änderung habe ich mich immer mit Engagement für die Beibehaltung der bisherigen Regelung ausgesprochen. Mehrere Gründe haben mich in dieser Haltung bestärkt:
Erstens. Die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten ist mit erheblichen familien- und arbeitnehmerunfreundlichen Auswirkungen verbunden.
Zweitens. Im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen vermag ich in der Öffnung der Ladenschlußzeiten keine konjunkturbelebenden Impulse zu sehen, vielmehr sehe ich darin eine Umsatzverlagerung vom ländlichen Raum in die umliegenden Großstädte und Ballungszentren sowie vom kleinen Einzelhandelsgeschäft zu den Großkaufhäusern und Einkaufsmärkten. Eine solche Konzentrationswirkung kann nicht erwünscht sein.
Wenn ich dem Gesetz in seiner jetzigen Ausgestaltung dennoch zustimme (in dem zur Abstimmung vorliegenden Entwurf sind zumindest weitergehende Öffnungszeiten, wie sie der ursprüngliche Entwurf vorsah, vermieden worden), so sind für mich folgende Gründe ausschlaggebend:
Erstens. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat auf ihrer Sitzung Anfang Juni in Berlin mit großer Mehrheit den zustande gekommenen Kompromiß gebilligt. Trotz zahlreicher Gespräche, die ich zusammen mit gleichgesinnten Fraktionskollegen geführt habe, ist es nicht gelungen, das Reformvorhaben aufzuhalten.
Zweitens. Die öffentliche Diskussion um das Ladenschlußgesetz ist in den letzten Wochen - meiner Meinung nach völlig zu Unrecht - so geführt worden, als hänge von der Liberalisierung auf diesem Felde das weitere Schicksal des Wirtschaftsstandortes Deutschland ab. Damit wurde die Entscheidung über die Liberalisierung der Ladenschlußzeiten unzulässigerweise zu einem Prüfstein für die Handlungsfähigkeit der Regierungskoalition aufgewertet.
Die dadurch erzeugte Stimmung läßt meines Erachtens eine ausschließlich auf die Thematik „Ladenschlußgesetz" bezogene Entscheidung nicht mehr zu; statt dessen herrscht der Eindruck vor, als müßten die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien in dieser Frage ihren politischen Erneuerungswillen, ihre Geschlossenheit und nicht zuletzt ihre Regierungsfähigkeit beweisen.
In dieser Situation sehe ich mich notgedrungen veranlaßt, zumal es sich bei dieser Abstimmung nicht um eine Gewissensentscheidung handelt, den Mehrheitsbeschluß meiner Fraktion zu akzeptieren.
Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Ich stimme dem Vorschlag der Bundesregierung zum Ladenschlußgesetz zu, obwohl die gesetzliche Neuregelung erhebliche Gefahren für die weitere Entwicklung der Handelsstruktur in Deutschland beinhaltet.
Als einer der - wenigen - Abgeordneten, der beruflich aus einem kleinen Handwerksbetrieb mit Ladengeschäft kommt, kann ich die Bedeutung des Beschlusses für die mittelständische Einzelhandelsstruktur aus eigener Erfahrung gewichten.
Ich befürchte eine Beschleunigung der Strukturveränderungen in unserer Handelslandschaft, besonders zu Lasten der ländlichen Bereiche und der Peripherie von Großstädten.
In den kommenden Monaten wird der Deutsche Bundestag über zahlreiche - auch teilweise umstrittene - Einzelfragen im Rahmen des Programms für Wachstum und Beschäftigung zu entscheiden haben. Hierbei kann es immer wieder zu Akzeptanzschwierigkeiten bei einzelnen Kollegen kommen. Die Handlungsfähigkeit der Regierungskoalition muß für den unverzichtbaren Umbau der Gesellschaft erhalten bleiben.
Nur wenn die im Programm für Wachstum und Beschäftigung verankerten Gesetzesvorhaben durchgesetzt werden, haben wir eine Chance, die Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren und für mehr Beschäftigung zu sorgen. In der Abwägung zwischen den möglichen Negativauswirkungen des Ladenschlußgesetzes und einer weiteren Handlungsfähigkeit der Regierungskoalition entscheide ich mich für einen funktionierenden Fortbestand der Koalition.
Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich halte eine Änderung des Ladenschlußgesetzes für notwendig, stimme aber gegen den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß, weil er zu kurz greift.
Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Aus meiner Sicht bedarf es am bisherigen Ladenschlußgesetz keiner gravierenden Änderung, vor allem keiner generellen Verlängerung an Samstagen. Wenn ich dennoch dem Kompromiß, wie er jetzt Gesetz werden soll, zustimme, dann zur Abwendung einer weitgehenderen Regelung, gegen die ich mich mit Hinweisen auf die Auswirkung für den ländlichen Raum mit anderen Kolleginnen und Kollegen erfolgreich gewandt habe.
Claus-Peter Grotz (CDU/CSU): Die Diskussion um das Ladenschlußgesetz hat für mich im Hinblick sowohl auf den mittelständischen Einzelhandel - gerade im ländlichen Raum - als auch die Verbraucher und die Beschäftigten eine besondere Bedeutung. In vielen Diskussionen habe ich das Für und Wider abgewägt. Zahlreiche Vorschläge und Argumente wurden ausgetauscht. Anfangs geäußerte Pläne gar einer völligen Freigabe der Ladenöffnungszeiten bzw. Öffnung bis 22.00 Uhr konnte ich zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion abwenden. Der jetzt erlangte Kompromiß, die Öffnung bis 20.00 Uhr bzw. 16.00 Uhr an Samstagen, ist ein Erfolg dieser Bemühungen. Dadurch wird ein weiterer Abfluß der Kaufkraft vom ländlichen Raum in die Städte verhindert.
Ich stimme für diese Änderung, da mit diesem Kompromiß den Interessen aller Betroffenen Rechnung getragen wird.
Siegfried Hornung (CDU/CSU): In der Diskussion um das Ladenschlußgesetz wurden zahlreiche Vorschläge gemacht und Argumente ausgetauscht. Anfangs geäußerte Pläne einer völligen Freigabe der Ladenöffnungszeiten konnte ich zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion abwenden. Auch die zur Diskussion gestandene Regelung der Öffnungszeiten werktäglich bis 22.00 Uhr konnte verhindert werden. Den Kompromiß, die Öffnung bis 20.00 Uhr, habe ich unter der Prämisse mitgetragen, daß an Samstagen keine Ausweitung der Ladenschlußzeiten erfolgt, die gerade für die mittelständischen Unternehmen des ländlichen Raumes eine große wirtschaftliche Belastung mit sich bringt. Dieser Vorschlag fand leider in der Fraktion keine entsprechende Mehrheit. Nur im Interesse einer regierungsfähigen Mehrheit stimme ich deshalb heute der Gesetzesvorlage zu.
Dr. Uwe Jens (SPD): Wenn sich weltweit und um uns herum in Europa spürbare sozialökonomische Änderungen vollziehen, kann in Deutschland nicht alles so bleiben, wie es war. Die Bundesrepublik Deutschland ist keine Insel. Zur Zeit haben die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen absolute Priorität. Unter dieser Zielsetzung sind alle Rahmenbedingungen unserer Volkswirtschaft auf Anpassung hin zu überprüfen. Wenn es nicht gelingt, wieder mehr Dynamik in die bundesrepublikanische Wirtschaftsentwicklung zu bringen, so ist der Abstieg der deutschen Wirtschaft in die 2. weltwirtschaftliche Liga vorprogrammiert.
Solange es das Ladenschlußgesetz gibt, ist es umstritten. Bisher hat das Polit-Kartell aus HDE und
HBV jede gravierende Änderung verhindert. Die Arbeitszeitbedingungen im Handel werden aber schon jetzt und sind in Zukunft verstärkt - wie in allen anderen Branchen - durch Tarifvertrag zu regeln. Die jetzt anstehende Änderung zum Ladenschlußgesetz ist jedoch lediglich quantitativer Natur und der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Interessengruppen in den Koalitionsfraktionen einigen konnten. Der vorgesehene Lösungsvorschlag wird keinen wesentlichen Beitrag zur Verringerung des Arbeitslosenproblems leisten können. Es ist vielmehr zu vermuten, daß diese Maßnahme weitere, umfassendere Novellierungsvorstellungen für die überschaubare Zeit verhindern wird.
So wie in anderen Politikbereichen sind aber auch in diesem Falle qualitative Veränderungen mit intelligenten Lösungsansätzen gefragt. Die von der Koalition vorgesehene Regelung fördert eher den Trend zum Einkauf auf der Grünen Wiese. Mit umfassenderen Lösungsvorstellungen würden im übrigen eher zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dazu gehören unter anderem:
Die Prüfung, warum der Staat den Unternehmern überhaupt vorschreiben muß, wann sie ihre Geschäfte öffnen oder schließen dürfen.
Der Bund verzichtet auf seine Regelungskompetenz und überläßt sie den Kommunen, um vor Ort zu entscheiden, wann die Geschäfte geöffnet werden sollen.
Zumindest können alle Kleinbetriebe völlig vom Ladenschluß freigestellt werden, um ihre Wettbewerbsposition gegenüber den Größeren zu verbessern. Alle diese Regelungen würden mit Sicherheit auch zur Belebung der Innenstädte beitragen.
Ich werde in meiner Fraktion dafür werben, effektivere Lösungen zur Verringerung wirtschaftlicher Verkrustungen vorzuschlagen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ignoriert bedauerlicherweise die notwendigen strukturellen, qualitativen Veränderungen.
Dr Egon Jüttner (CDU/CSU): Heute stimmt der Deutsche Bundestag über die Änderung des Ladenschlußgesetzes ab. Ich habe mich stets gegen eine Änderung der Ladenschlußzeiten ausgesprochen. Nach wie vor halte ich diese Gesetzesänderung nicht für erforderlich. Vielmehr sehe ich darin die Gefahr, daß es hierdurch zu Umsatzverlagerungen vom Einzelhandel zu den großen Kaufhäusern und Einkaufsmärkten sowie von den städtischen Randzonen in die Innenstädte kommen wird. Außerdem befürchte ich, daß eine Änderung des Ladenschlußgesetzes weitreichende Folgen für die Beschäftigten im Einzelhandel und deren Familien haben wird. Diese und andere Gründe haben mich dazu bewogen, eine Änderung dieses Gesetzes nicht zu befürworten. Auch bei der Anhörung haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die mich zu einer Meinungsänderung bewogen hätten.
Auch nach dem Berliner Mehrheitsbeschluß der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, das Ladenschlußgesetz zu ändern, habe ich mich weiterhin gegen eine Gesetzesänderung in der Hoffnung eingesetzt, daß zumindest die Verlängerung der Öffnungszeiten an
Samstagen zurückgenommen wird. In vielen Einzelgesprächen mit Kolleginnen und Kollegen habe ich für eine solche Änderung geworben. Mit großem Bedauern mußte ich dann bei der Fraktionssitzung am 18. Juni 1996 feststellen, daß der von mir erhoffte Meinungsumschwung nicht mehr stattgefunden hat und ein erneuter Vorstoß zur Rücknahme der Samstagsverlängerung keine Resonanz mehr fand.
Unabhängig davon ist nun in den vergangenen Tagen eine Entwicklung eingetreten, die es mir jetzt unmöglich macht, weiterhin gegen den Gesetzentwurf stimmen zu können. Besonders gravierend ist:
Erstens. Von verschiedenen Seiten wurde die Ladenschlußfrage zunehmend nicht mehr als eine reine Sachfrage behandelt. Die Entscheidung für oder gegen den Gesetzentwurf über die Ladenschlußzeiten wurde plötzlich zum Gradmesser für die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erklärt. Auf diese Weise wurde mir als Mitglied einer Koalitionsfraktion jeglicher Entscheidungsspielraum genommen. Ich bin nun gezwungen, mein Abstimmungsverhalten nach der übergeordneten Frage der Zukunft der Koalition auszurichten.
Zweitens. Beim Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung hat es vor wenigen Tagen wichtige Verbesserungen für die Arbeitnehmer gegeben, insbesondere Änderungen in der Frage der Lohnfortzahlung und des Kündigungsschutzes sowie eine deutliche zeitliche Streckung bei der Heraufsetzung des Rentenalters bei Frauen. Das Ladenschlußgesetz wird als Teil dieses Gesamtpakets gesehen. Bei einem Scheitern des Ladenschlußgesetzes würden automatisch auch die Verbesserungen bei der Lohnfortzahlung, beim Kündigungsschutz und bei der Rentenfrage scheitern, was ich nicht verantworten kann.
Als Abgeordneter, der das Wohl des Ganzen im Auge haben muß und der gleichzeitig den Bestand der Regierung nicht gefährden darf, muß ich auch mein Abstimmungsverhalten nach übergeordneten Gesichtspunkten ausrichten. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte und auf Grund der Tatsache, daß es sich bei der Entscheidung über das Ladenschlußgesetz um keine Gewissensentscheidung handelt, bin ich deshalb zu dem Ergebnis gekommen, daß ich nicht gegen den Gesetzesvorschlag meiner Fraktion stimmen kann. Dies fällt mir im Hinblick auf meine Einstellung zum Ladenschlußgesetz wahrlich nicht leicht, weil ich weiß, daß ich damit viele Menschen enttäusche. Die Entwicklung der letzten Tage und die genannten Gesichtspunkte lassen mir aber keine andere Wahl. Hierfür bitte ich alle diejenigen, die gegen eine Änderung des Ladenschlußgesetzes sind, um Verständnis.
Sigrun Löwisch (CDU/CSU): Ich stimme gegen den Entwurf zur Änderung des Ladenschlußgesetzes, weil er nach meiner persönlichen Überzeugung vor allem Fachgeschäfte, Klein- und Familienbetriebe und die in ihnen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sehr belastet, ohne daß dem ein absehbarer Zuwachs an Arbeitsplätzen gegenüberstünde. Die Einkaufsvielfalt wird eingeschränkt werden. Den erhöhten Personal- und Betriebskosten werden keine erhöhten Einnahmen gegenüberstehen, eine Umwälzung dieser Kosten auf die Ware ist vorprogrammiert.
Die Alternative, die Geschäfte zu bestimmten Zeiten, beispielsweise am Vormittag, später zu öffnen, wäre ein Rückschritt. Die Tätigkeit im Einzelhandel wird sehr stark vom Engagement und der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geprägt - durch eine Änderung der Ladenschlußzeiten im Sinne des vorgelegten Ladenschlußgesetzes wird die Tätigkeit im Einzelhandel unattraktiver, und die Ausbildung in diesem Bereich wird von vielen jungen Menschen nicht mehr angestrebt werden.
Einer Neufassung des Ladenschlußgesetzes, die den genannten Bedenken mehr Rechnung trägt als der jetzt abgelehnte Entwurf, werde ich zustimmen.
Es wäre falsch, aus meiner Stimmabgabe zu schließen, ich hätte Bedenken auch gegen die von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwürfe zum Wachstums- und Beschäftigungsprogramm. Diese werden von mir im Gegenteil voll inhaltlich unterstützt.
Dr. Norbert Rieder (CDU/CSU): In der Diskussion um das Ladenschlußgesetz wurden zahlreiche Vorschläge gemacht und Argumente ausgetauscht. Den anfangs geäußerten Plänen zu einer völligen Freigabe der Ladenöffnungszeiten bzw. Öffnung bis 22.00 Uhr konnte ich zusammen mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion nicht zustimmen, da eine Freigabe der Ladenöffnungszeiten nach meiner Ansicht zu großen Strukturbrüchen, vor allem im Umkreis der Städte, geführt hätte. Auch an die Mitarbeiter und an die Eigentümer vor allem der Familienbetriebe im Einzelhandel muß gedacht werden.
Der Kompromiß, die Öffnung bis 20.00 Uhr bzw. 16.00 Uhr an Samstagen, ist ein Erfolg unserer Bemühungen. Vor allem wurde mit der Abschaffung der langen Samstage einem weiteren Abfluß der Kaufkraft vom ländlichen Raum in die Städte vorgebeugt.
Ich stimme für diese Änderung, die ich als gerade noch erträglichen Kompromiß betrachte.
Franz Romer (CDU/CSU): Die Beratungen und Diskussionen um das Ladenschlußgesetz haben zahlreiche Vorschläge mit sich gebracht und führten zum Austausch facettenreicher Argumente. Glücklicherweise konnte ich zusammen mit anderen Kollegen meiner Fraktion die völlige Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten bzw. Öffnung bis 22.00 Uhr verhindern. Obwohl ich der jetzigen „ Samstagslösung " immer noch sehr skeptisch gegenüberstehe, halte ich die gefundene Regelung für einen akzeptablen Kompromiß. Vor allem wurde mit der Abschaffung der langen Samstage ein weiterer Abfluß der Kaufkraft vom ländlichen Raum in die Städte verhindert.
Ich stimme für diese Änderung, trotz meiner großen Bedenken bezüglich des Samstags, da ich der Ansicht bin, der Kompromiß trägt den Interessen aller Betroffenen Rechnung.
Reinhard Freiherr von Schorlemer (CDU/CSU): In der Diskussion über die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten habe ich von Anfang an bei verschiedensten Gelegenheiten, etwa bei Podiumsdiskussionen oder in Gesprächen mit Gewerkschaften und mit Einzelhändlern, meine großen Bedenken gegenüber der Ausweitung von Ladenöffnungszeiten zum Ausdruck gebracht. Ich sah und sehe darin Gefahren für die jahrzehntelang gewachsene Einzelhandelsstruktur dörflicher und kleinstädtischer Zentren. Im gleichen Zusammenhang befürchtete und befürchte ich eine Verlagerung von Kaufkraft und von Verbrauchergruppen in vorstädtische Einkaufsparks auf der „grünen Wiese". Dadurch würden gerade die gewachsenen Dorf- und Kleinstadtzentren, und damit auch kulturelle Mittelpunkte, eher zerstört als erhalten werden.
Ich habe aus den vorgenannten Motiven in der CDU/CSU-Fraktionssitzung in Berlin gegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten gestimmt.
Nun ist in dieser laufenden Sitzungswoche deutlich geworden, daß SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS aus rein taktischen Gründen geschlossen gegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten votieren wollen. So war auch in der FAZ vom 19. Juni 1996 zu lesen:
Die Koalition kann dabei nicht auf Stimmen der Opposition zählen, auch wenn etliche SPD-Abgeordnete für längere Öffnungszeiten sind. „Wir werden dafür bezahlt, die Opposition zu stellen, und nicht dafür, der Regierung Mehrheiten zu verschaffen", hieß es in der SPD auf eine Anfrage der CSU.
Obwohl zahlreiche Abgeordnete der SPD in den vergangenen Monaten für eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten eingetreten sind, will die SPD-Fraktion die Schlußabstimmung nun zu einer Machtfrage und zu einem Testfall für die Regierungsfähigkeit der Koalition hochstilisieren und auf diese Weise reine Fundamentalopposition betreiben.
Ich stelle deshalb meine inhaltlichen Bedenken gegen die Änderung des Ladenschlußgesetzes hintan und stimme heute für den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, damit nicht zuletzt angesichts weiterer Gesetzesvorhaben in der laufenden Legislaturperiode die Politik- und Regierungsfähigkeit der erfolgreich arbeitenden Bundesregierung gesichert bleibt.
Gert Miner (CDU/CSU): Erstens. Das Gesetz enthält im Interesse des Bäckerhandwerks Regelungen, die die Herstellung und den Vertrieb von Backwaren erleichtern und im Sinne der Betriebe und Verbraucher sind.
Zweitens. Das Thema Ladenschluß und Ladenöffnung allerdings ist umstritten - die öffentliche Diskussion und die heutige Debatte beweisen es. Auch bei den Verbrauchern gibt es keine einheitlichen Aussagen.
Drittens. Änderungen der Öffnungszeiten bis 22.00 Uhr - wie vom ifo-Institut vorgeschlagen - sind für den mittelständischen Einzelhandel eine Existenzfrage. Auch die vorgesehene 20-Uhr-Regelung wirft für den mittelständischen Einzelhandel unbestritten Probleme auf - die Sonnabendregelung mit 16.00 Uhr ist ohnehin schwierig begründbar.
Viertens. Die jetzt zur Abstimmung anstehende Frage gehört zu dem Programm der Bundesregierung mit einem Paket von Vorhaben wie zum Beispiel der Senkung der Lohnzusatzkosten, der Steuerreform, der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und der steuerlichen Entlastung mittelständischer Unternehmen, also zielgerichteten mittelstandsfreundlichen Maßnahmen.
Diese Maßnahmen, wie die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die Absenkung der Gewerbeertragsteuer und die verfassungsrechtliche Absicherung der Beteiligung der Städte und Gemeinden an der Mehrwertsteuer sind Ziele, für die ich in der CDU/ CSU-Fraktion für Mehrheiten eintrete, Entscheidungen, die dann von der Fraktion im Gesetzgebungsvorhaben insgesamt getragen werden müssen.
Zu dem Gesamtpaket gehört auch ein entschlossener Stabilisierungskurs. Dieses Gesamtpaket darf nicht scheitern.
Obwohl ich die Änderung der Ladenschlußzeiten so nicht befürworte, habe ich dem Gesetzentwurf heute dennoch zugestimmt, um die Geschlossenheit der Regierungsparteien bei der Umsetzung der Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung und Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme nicht zu gefährden. Die Bundesregierung steht vor großen Aufgaben, für die sie den Rückhalt der sie tragenden Fraktionen uneingeschränkt benötigt.
Das Gesetz geht jetzt in das Vermittlungsverfahren im Bundesrat. Die endgültige Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren steht dann an, wenn das Ergebnis der Bundesratsentscheidung und des Vermittlungsverfahrens auf dem Tisch liegt.
Michael Wonneberger (CDU/CSU): Bei der anstehenden Abstimmung zur Liberalisierung der Ladenschlußzeiten werde ich - entgegen meiner bisher öffentlich angekündigten Stimmenthaltung - dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimmen.
Dieses Verhalten erfordert zweifellos eine Erklärung, und ich will sie weder Ihnen noch den Bürgerinnen und Bürgern in meinem Wahlkreis vorenthalten:
Ich war - und das ist in mehreren Presseartikeln zu diesem Thema und auch in meinen Antworten an verschiedene Petenten nachzulesen - stets für eine Öffnung der Ladenschlußzeiten, denn die bestehenden Öffnungszeiten sind meiner Meinung nach gerade im europäischen Vergleich äußerst antiquiert. Sie wirken wettbewerbs- und verbraucherunfreundlich.
Ich achte den Samstag als Familientag, gerade auch für die im Handel Tätigen. Die im Gesetz verankerte Sonnabendöffnungszeit bis 16.00 Uhr sehe ich nach wie vor als familienunfreundlich, inhuman und unsozial an.
Ich bedaure außerordentlich, daß nach den Abschlußberatungen der mit diesem Gesetzentwurf befaßten Ausschüsse auch eine regionale Regelung der samstäglichen Öffnungszeiten im Zeitraum von 14.00 bis 16.00 Uhr nicht mehr möglich ist.
Dennoch werde ich in Ermangelung alternativer Anträge der jetzigen Regelung - wenn auch schweren Herzens - zustimmen, um die von mir bisher stets vertretene generelle Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten nicht in Gänze zu gefährden.
Als völlig ungeeignet, in einem sachlichen Dialog doch noch eine parlamentarische Entscheidung in Abwägung aller Interessenlagen herstellen zu können, erweist sich die vom SPD-Kollegen Ernst Schwanhold über „ddp" verbreitete Meldung, in dieser Frage die Mehrheitsfähigkeit der Koalition auf den Prüfstand stellen zu wollen.
Diese politische Herausforderung macht es selbst Kritikern des Gesetzes unmöglich, sich der Stimme zu enthalten.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Alois Graf von Waldburg-Zeil
und Dr. Renate Hellwig (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes
über den Ladenschluß und zur Neuregelung
der Arbeitszeiten in Bäckereien und Konditoreien
(Tagesordnungspunkt 15)
Zur Frage des Ladenschlußgesetzes haben wir im Wahlkreis intensive Gespräche mit Betroffenen geführt. Die überwiegende Meinung tendierte zur Beibehaltung des geltenden Rechts. Die Begründung: Im ländlichen Raum erhöhten längere Öffnungszeiten den Umsatz nicht, daher sinke der Gewinn. Besonders hart würden kleine Betriebe betroffen, die sich mehr Personal nicht leisten könnten und zu überlangen Dienstzeiten gezwungen würden. Darüber hinaus wurde die Sorge geäußert, Kaufkraft könne aus kleinen Städten in Ballungszentren oder Großbetriebe auf der grünen Wiese abwandern.
Als Vertreter eines ländlichen Wahlkreises haben wir uns deshalb mit vielen Mitgliedern unserer Fraktion für Beibehaltung der jetzt geltenden Bestimmungen eingesetzt. Diese Bemühungen sind nicht ohne Erfolg geblieben. Weder ist die Position, die Ladenschlußregelung völlig aufzugeben, durchgekommen noch die Forderung, werktags bis 22 Uhr und samstags bis 18 Uhr offenzuhalten.
Der jetzt gefundene Kompromiß erlaubt Geschäften im ländlichen Raum durchaus, ihre bisherigen Gepflogenheiten beizubehalten, ohne befürchten zu müssen, daß Kunden in Zentren abwandern. Bei 11/2 Stunden Verlängerung an Werktagen ist die Gefahr des Abwanderns gebannt, am Samstag - uns wäre der Kompromiß 14 Uhr lieber gewesen - reduziert.
Wir stimmen deshalb für den Komromiß und nicht für seine Ablehnung, weil es keinen Sinn gibt, bei zwei weit auseinanderweichenden Positionen - Beibehaltung oder Abschaffung eines Gesetzes - die eine Seite zum Einlenken zu bewegen, dann aber auf der Extremposition zu beharren.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zu Tagesordnungspunkt 19a und b
(a - Antrag:
Umsetzung der Habitat II-Empfehlungen;
b - Antrag:
Einlösung der Versprechen von Rio
auf der VN-Konferenz Habitat II in Istanbul);
und Zusatztagesordnungspunkte 8 und 11
(Antrag:
Siedlungspolitik mit der Agenda von Habitat II
in Einklang bringen;
Antrag:
Städtebauförderung als wichtiges
Investitionsinstrument erhalten und ausbauen)
Peter Götz (CDU/CSU): „In den Städten entscheidet sich die Zukunft der Menschheit." Die Richtigkeit dieses in den letzten Monaten immer wieder genannten Satzes, wurde auf der Weltsiedlungskonferenz der Vereinten Nationen über menschliche Siedlungen, Habitat II, in Istanbul bestätigt. Denn noch vor der Jahrtausendwende wird die Hälfte der Erdbevölkerung in Städten leben. In 30 Jahren dürften es schon zwei Drittel sein. Das heißt, die Verstädterung wird in den kommenden Jahren alarmierend zunehmen und vor allem die Entwicklungsländer in wachsende Bedrängnis bringen.
Im Mittelpunkt von Habitat II standen die Themen „angemessene Unterkunft für alle" und „nachhaltige Entwicklung in einer Welt mit zunehmender Verstädterung".
Auf der Konferenz wurde deutlich, daß sich die zu bewältigenden Herausforderungen aus der Verantwortung der Regierungen nicht nur für die Entwicklungsländer, sondern auch für die Industrieländer und die Reformstaaten Mittel- und Osteuropas ergeben.
So ist nach langen Diskussionen das Recht auf angemessene Unterkunft ausdrücklich als Bestandteil der Menschenrechte bestätigt worden. Die Regierungen haben ihre Verpflichtung anerkannt, Schritt für Schritt die Wohn- und Lebensverhältnisse in den Städten im Interesse der dort lebenden Menschen zu verbessern.
Hier an dieser Stelle danke ich für unsere Fraktion der Bundesregierung, an vorderster Stelle Ihnen, Herr Minister Töpfer, ganz besonders für Ihren persönlichen Einsatz vor und in Istanbul.
Wir wissen, daß die Deklaration von Istanbul an den unterschiedlichen Positionen zu scheitern drohte. Es ist Ihrem international hohen Ansehen und Ihrem persönlichen Engagement zu verdanken, daß Sie mit einem Votum der Europäischen Union, aber auch der Amerikaner im Rücken quasi in den letzten Stunden vor Konferenzende eine Einigung erreicht haben. Insofern ist die „Deklaration von Istanbul" nicht nur ein positives Ergebnis der Weltkonferenz, sondern auch Ihr ganz persönlicher Erfolg.
Wir Parlamentarier haben uns bei einem zweitägigen Treffen der „Global Parliamentarians on Habitat" zu Beginn der Konferenz intensiv mit den Themen „nachhaltige Siedlungsentwickung" und „angemessene Unterkunft" auseinandergesetzt und uns nach langwierigen Diskussionen auf eine Erklärung verständigt, die in die Beratungen eingebracht worden ist. Demnach sollen die Siedlungen so entwickelt werden, daß sie wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Anforderungen in gleicher Weise gerecht werden.
Was bringt Habitat II wem? Eine Frage, die von Unbeteiligten immer wieder gestellt wird, gehört auch in eine solche Debatte wie die heutige.
Ich sage: Habitat II war bereits insofern erfolgreich, weil sich die Nationen dieser Erde zur Vorbereitung auf die Weltkonferenz mit den eigenen Problemen der Stadt- und Siedlungsentwicklung, aber auch mit Fragen der Wohnraumversorgung intensiv auseinandergesetzt haben. Auf der ganzen Welt sind - wie in Deutschland - Nationalkomitees gebildet worden, die sich die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans und einer nationalen Agenda zur Aufgabe gemacht haben. Allein die stattgefundene Bewußtseinsbildung und der Erfahrungsaustausch untereinander sind ein besonderer Wert an sich, der hoch einzuschätzen ist.
Ein großer Erfolg von Istanbul ist für mich auch, daß die Gemeinden auf internationaler Ebene stärker beteiligt werden. Hier hat eine für die UN wichtige Weichenstellung stattgefunden.
Die Tatsache, daß sich neben den Regierungen nicht nur die Parlamentarier, sondern auch die Städte und Gemeinden sowie die Nichtregierungsorganisationen einbringen konnten, war in der Vergangenheit nicht selbstverständlich.
In den westlichen Ländern ist die Erkenntnis, daß die Fragen einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu den großen Herausforderungen der Menschheit gehören, auffällig gestiegen. Nur, dabei darf es nicht bleiben. Der wichtigere Teil der Botschaft von Istanbul beginnt jetzt - nach Istanbul. Die entscheidende Frage lautet: Wie erfolgt die Umsetzung dessen, was beraten und beschlossen wurde?
Wir brauchen in der Zukunft verstärkt eine globale Umwelt- und Entwicklungszusammenarbeit in Fragen der Siedlungsentwicklung. Wenn wir wissen, daß die Weltbevölkerung täglich um 280 000 Einwohner, also um eine Stadt der Größe Bonns, wächst und in 25 bis 30 Jahren nach Schätzungen der UNO doppelt so viele Menschen in den Städten leben werden wie heute, macht dies die Dimension, um die es geht, deutlich.
Das heißt, wir müssen die Vereinbarungen der Habitat-Agenda Schritt für Schritt umsetzen. Alle Regionen der Welt müssen ein gemeinsames Interesse an der Bewältigung der unlösbar erscheinenden Herausforderungen haben:
Erstens. Um ortsspezifische Lösungen durchzusetzen, sind starke demokratische Strukturen in den Gemeinden gemeinsam mit ausreichenden finanziellen und institutionellen Kapazitäten unabdingbar, das heißt, Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Dazu gehören für uns selbstverständliche Begriffe
wie Subsidiarität und Dezentralisierung. Ohne solche lokal-demokratische Strukturveränderungen erscheinen die Probleme der Mega-Städte unlösbar. Dies gilt übrigens nicht nur für die Dritte Welt, sondern genauso für die Ballungsräume in den Industrienationen.
Zweitens. Wir brauchen eine Erfolgskontrolle in Form von internationalen und nationalen Berichtsmodalitäten. Im Rahmen des Treffens von über 150 Parlamentariern aus aller Welt haben wir in Istanbul verabredet, die jeweiligen nationalen Regierungen bei der Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen kritisch zu begleiten. Dies wird in Deutschland einfacher sein als in vielen Ländern mit anderen parlamentarischen und demokratischen Strukturen.
Auf der Konferenz - aber auch in der großen internationalen Ausstellung in Istanbul, in der sich übrigens Deutschland eindrucksvoll und angemessen mit einer Auswahl von 16 Modellbeispielen über den Stand deutscher Stadtentwicklung präsentierte - wurde deutlich, daß sehr wohl geschaut wird: „Wie machen's die Deutschen?"
Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir Veränderungen anstoßen wollen. Insofern haben wir eine besondere Verantwortung, der wir gerecht werden wollen und müssen.
So sind wir selbstverständlich gefordert, auch bei uns die möglichen Schritte zur Umsetzung der Habitat-Agenda zu tun. Sowohl der bereits angesprochene Nationalbericht als auch der im Deutschen Nationalkomitee erarbeitete Nationale Aktionsplan bieten hierfür geeignete Orientierungspunkte und Leitlinien.
Das heißt, wir müssen selbst unsere Hausaufgaben machen. Es wird Aufgabe des Parlaments sein, bei anstehenden Gesetzesänderungen sorgfältig darauf zu achten, daß die in Istanbul vereinbarten Rahmenbedingungen beachtet werden.
Mit der gestern im Deutschen Bundestag gemeinsam beschlossenen Änderung des Baugesetzbuches und der damit verbundenen Verfahrenserleichterung bei der Genehmigung von Wind- und Wasserkraftanlagen stärken wir regenerative Energien. Auch das ist ein positives Signal im Sinne der Deklaration von Istanbul.
Die anstehende Novelle des Baugesetzbuches wird uns in den nächsten Monaten beschäftigen. Sie bietet weitere Ansätze für praktisches Handeln im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung.
Auch die Förderkriterien der Städteförderung sollten wir vor diesem Hintergrund überprüfen. Darauf wird mein Kollege Willner noch näher eingehen.
In unserem ureigensten Interesse sind wir - bei allen Problemen, die wir in Deutschland zu bewältigen haben - gut beraten, nicht zu vergessen, daß bei einer immer enger zusammenwachsenden Welt der Friede und die Lösung globaler Umweltprobleme auch davon abhängen, daß die Menschenrechte weltweit verwirklicht werden und angemessene, menschenwürdige Unterkunft für alle ermöglicht wird.
Wanderungsbewegungen auf den Kontinenten haben Ursachen. Zu diesen Ursachen gehören an vorderster Stelle neben Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit Fragen der Lebensqualität und der Wohnraumversorgung. Deshalb kann es nur im Interesse der Industrienationen sein, mit Wissen und Knowhow dort zu helfen, wo diese Probleme zum Mittelpunkt des täglichen Lebens gehören.
Die politisch Verantwortlichen aller Ebenen müssen bei dem raschen Wachstum städtischer Agglomeration weltweit neue Ansätze für die Integration von Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik sowie von Wirtschafts- und Umweltpolitik finden, um die sozialen, kulturellen und ökologischen Herausforderungen der Städte qualitätvoll für die Stadtbewohner meistern zu können. Dafür lohnt es sich, gemeinsam zu arbeiten.
Gert Willner (CDU/CSU): Erstens. Städtebauförderung heißt Beschäftigung für Handwerk und Mittelstand. Deshalb lautet die wichtigste Botschaft: Die Städtebauförderung wird nicht - wie befürchtet - gestrichen. Damit sind die aktuell geäußerten Sorgen vieler Städte und Gemeinden und der kommunalen Spitzenverbände vom Tisch. Das ist ein klares Signal an die Länder.
Ich stelle ausdrücklich fest: Die Städtebauförderung ist für die CDU/CSU-Fraktion ein wichtiges Anliegen. Mit der Städtebauförderung existiert seit 25 Jahren ein Förderprogramm für die städtebauliche Erneuerung von Innenstädten und Gemeinden. Insgesamt hat der Bund dafür bisher über 12 Milliarden DM ausgegeben.
Zweitens. Die Frage nach der künftigen Ausrichtung der Städtebauförderung muß im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Die Aufforderung der SPD an die Bundesregierung, die Städtebauförderungsmittel für „umweltpolitische" und „soziale Aufgaben" einzusetzen, ist weder die einzige noch die richtige Antwort. Diese SPD-Überlegungen erscheinen wenig präzise und verschwommen. Wir haben Zweifel, ob mit dem Einsatz von Mitteln der Städtebauförderung für umweltpolitische und soziale Aufgaben die bisher anerkannten Wirkungen für Investitionen und Beschäftigung erreicht werden können. Aus der Sicht der CDU/CSU ist folgendes wichtig:
Die Städtebauförderungsmittel müssen auf den Einsatz im Rahmen des Wohnungsbaus konzentriert werden - sowohl für Neubau als auch die Modernisierung veralteter Wohnungen. Dies gilt für den sozialen als auch den frei finanzierten Wohnungsbau. Damit werden attraktive Wohnbereiche in der Innenstadt geschaffen. Auch ein Einsatz für die Umnutzung von Brachflächen im Innenbereich für Wohnbauzwecke ist Ziel, aber auch die Prüfung, wie Städtebauförderung gleichgewichtiger in den neuen und alten Bundesländern möglich ist, und das uneingeschränkt weiter zu verfolgende Ziel der Städtebauförderung muß es sein, auch künftig private Investitionen zu aktivieren.
Drittens. Nun reicht es nicht, wie die SPD es macht, einfach mehr Geld zu fordern. Geld ist knapp, und wir wollen nicht eine zusätzliche Verschuldung. Wir wollen runter von den Schulden. Wenn man
nicht eine Neuverschuldung in Kauf nehmen will, müssen Alternativen überlegt werden. Deshalb wollen wir einen flexibleren Mitteleinsatz im Haushalt des Bauministers und der Länder, wie es durch den Einstieg auf Grund der Anträge der CDU/CSU-Fraktion im Haushalt 1996 bereits geschehen ist: Es muß möglich sein, Mittel des sozialen Wohnungsbaus in städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen einzusetzen.
Die Revitalisierung der Innenstädte und Stadtteilzentren ist eine städtebauliche Herausforderung und orientiert sich an dem Leitbild des Ausbaus und der Stärkung dezentraler Raum- und Siedlungsstrukturen. Dies entspricht auch in hohem Maße den Wünschen der Bevölkerung.
Deshalb kann es keine einseitige Förderung von wenigen Wachstumsregionen geben. Deshalb muß die regionale Eigenkraft gestärkt werden, d. h. auch die Förderung regionaler kommunaler Initiativen. Dabei kommt aus unserer Sicht einer engen Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden eine herausgehobene Bedeutung auch mit der Bildung von Schwerpunkten der Entwicklung und infrastrukturellen Ausstattung zu.
Viertens. Die herausragende wirtschaftliche Bedeutung der Städtebauförderung für die Städte und Gemeinden wird nicht nur durch die Feststellung der Bundesregierung im Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 belegt, sondern auch durch zwei gerade vorgelegte Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung.
Im Ergebnis werden mit jeder Mark, die Bund und Länder im Städtebauförderungsprogramm bereitstellen, zusätzlich 2,20 DM an weiteren öffentlichen Mitteln eingesetzt, zusammen also 3,20 DM. Und dieser Bündelungseffekt, so stellt es auch das Institut fest, trägt wesentlich zur positiven Wirkung der Städtebauförderung auf das private Investitionsvolumen bei. Alle zur Sanierung eingesetzten öffentlichen Mittel regeln das 1,8fache an privaten Investitionen an. Rechnerisch stehen nach Darstellung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung jeder Mark, die Bund und Länder im Städtebauförderungsprogramm finanzieren, 5,80 DM private Investitionen gegenüber.
Fünftens. Die Städtebauförderung hat also erstens Investitionswirkung, zweitens Beschäftigungswirkung und gibt Anstoßeffekte. Und was besonders hervorgehoben werden muß: Die Anstoßeffekte aus Städtebauförderungsmitteln beschränken sich nicht nur auf die geförderten Gebiete, sondern haben Ausstrahlung weit in den Nachbarschaftsraum der Städte und Gemeinden.
Lassen Sie uns gemeinsam - Bund und Länder - dafür einsetzen, daß Städtebauförderung auch künftig erhalten bleibt, wir Einvernehmen in den Zielen erreichen und die Städtebauförderung auch künftig positive Wirkungen für Investitionen und Beschäftigung entfalten kann.
Volkmar Schultz (Köln) (SPD): „Stadtluft macht frei" - mit dieser Hoffnung zogen Millionen von Menschen in früheren Jahrhunderten vom Land in die Stadt, von der Zinsknechtschaft in ein besseres
Leben. Die Städte wurden die Kraftzentren von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und gesellschaftlicher Entwicklung. In den Städten entstanden die neuen sozialen Bewegungen.
Wer sich Mexiko City oder Monrovia heute anschaut, der muß bezweifeln, ob Stadtluft immer noch frei macht. Die explosionsartigen Veränderungen in den Megacities finden ebendort statt, wo jegliche Voraussetzungen für ein anständiges Leben fehlen. Sie führen zu ökonomischen, sozialen und kulturellen Entwurzelungen ganzer Generationen. Und das endet bekanntlich in ökologischem, ökonomischem und sozialem Desaster. Die marodierenden Kinderkrieger in Westafrika, die ihre Familienbande, ihre Heimat, ihre Stammeskultur und ihre Autoritäten verloren haben, sind nur ein lebendes Beispiel.
Leider hat Habitat wichtige Fragen nicht diskutiert, etwa den Zusammenhang fehlender ziviler Entwicklung und überhoher Rüstungsausgaben. Diese Nichtbefassung ist wohl Ausdruck des schlechten internationalen Gewissens. Aber ich will nicht verkennen, daß Habitat auch wichtige Fragen angeschnitten, wenigstens für einige Zeit die Aufmerksamkeit der Welt auf die meines Erachtens gefährlichste tickende Zeitbombe gelenkt hat. Habitat hat auch deutlich gemacht, daß es die reichen Industriegesellschaften sind, die eine besondere Verantwortung dafür tragen, daß ökologisch nachhaltige Entwicklungen eingeleitet werden. Immerhin verbraucht ein Viertel aller Menschen in den reichen Industrieländern drei Viertel aller Primärenergie.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Nationalbericht liefert über weite Strecken zutreffende Analysen der Probleme der Stadt- und Siedlungsentwicklung in unserem Lande. Aber die aktuelle Politik dieser Regierung entspricht den Erkenntnissen in wesentlichen Punkten nicht. Im Gegenteil: Sie fördert weitere Suburbanisierung und Flächenfraß. Sie reduziert ihr Engagement für die Wohnungsversorgung ärmerer Bevölkerungsschichten. Sie läßt die Gemeinden mit den wachsenden Problemen der Innenentwicklung und der sozialen Segregation im Stich. Sie verweigert schließlich ein Steuersystem, das den sparsamen Umgang mit Ressourcen fördert. Selbst die Automobilfirmen wie etwa BMW oder Ford sind gedanklich schon viel weiter als diese Regierung.
Deutschland hat sich in Rio verpflichtet, die Agenda 21 umzusetzen - und sie beläßt es bei zweifelhaften Selbstverpflichtungen der Industrie. Längst ist allen Experten klar, daß der CO2-Ausstoß in Deutschland nicht sinken, sondern zunehmen wird. „Tu nix und rede darüber", ist das Motto dieser Regierung, die es einem einzelnen Bundesland, nämlich NRW, überläßt, eine Transferstelle für nachhaltige Entwicklung in den Städten und Regionen des Landes einzusetzen. Dafür an dieser Stelle ein Dank an Frau Ministerin Brusis und die Beschämung darüber, daß so etwas auf Bundesebene offensichtlich nicht möglich ist.
Statt dessen sonnt sich Herr Töpfer in Istanbul mit den „best practices" aus Deutschland, allen voran mit der internationalen Bauausstellung Emscherpark, die freilich erst auf Intervention eines einzelnen Ab-
geordneten im Nationalkomitee nachnominiert werden mußte.
Meine Damen und Herren, die Zukunft unserer Städte entscheidet über die Zukunft des Standortes Deutschland, und insofern steht die Stadtentwicklungspolitik vor einer entscheidenden Anpassungsphase. Was Theoretiker der Stadtentwicklung schon seit einigen Jahren vorhersagen, scheint heute für viele in den Städten ansatzweise sichtbar zu werden: eine Gefahr der Auflösung unserer traditionellen, vitalen, durchmischten und kompakten Stadt ohne soziale Ausgrenzung in Richtung auf große uniforme, ungestaltete suburbane Räume, in Richtung auf zunehmende Disparitäten zwischen Armut und Reichtum, überhöht durch ethnische Probleme, in Richtung auf kulturelle Verflachung, auf Mißachtung der Baukultur und Bedeutungslosigkeit des Stadtbildes, in Richtung auf dramatisch steigende Mobilität und in Richtung auf ökologischen Raubbau an lebenswichtigen Ressourcen.
Dies ist ein weltweites Phänomen. Vieles haben wir bisher verhindern können. Vieles haben wir dank dem Einsatz bedeutender Fördermittel vor allem der Länder und der Gemeinden, dank viel Phantasie und Überzeugungskraft und einfach besserer Alternativen mildern und abbremsen können. Aber massive ökonomische, weltweit angelegte Tendenzen wird man auf die Dauer nicht aufhalten können, wenn es nicht gelingt, die Rahmenbedingungen deutlich zu verändern. Denn diese Entwicklung ist keine Zwangsläufigkeit.
Kein Sachzwang höhlt die Urbanität unserer Städte aus. Es sind die von uns allen gesellschaftlich gesetzten Rahmenbedingungen. Die Kosten der Mobilität, die Kosten des Verbrauchs von Fläche, die Energiekosten, die Kosten von Arbeit, die Steuerung von Zuwanderung nach Deutschland, die Verteilung von Arbeit und Einkommen, die gesellschaftliche Relevanz des sozialen Netzes, das Kapital, das wir in die Köpfe der Menschen investieren, die Art und Weise, wie staatliche Institution und private Unternehmen miteinander umgehen, die Intensität, wie wir die vorhandenen Möglichkeiten des technischen Fortschrittes etwa in der Automobilproduktion nutzen - dies alles sind entscheidbare, auf der Agenda gegenwärtiger Politik stehende Fragen, die über das Schicksal unserer Städte im Übergang zum nächsten Jahrhundert entscheiden.
Wenn es also, wie ich meine, Optionen gibt, wenn wir nicht Gefangene einer vorgegebenen Entwicklungsrichtung sein wollen, dann macht es Sinn, über den Tellerrand des aktuellen Geschehens hinaus zu denken. Das vermissen wir bei der Bundesregierung und den Regierungsparteien.
Sie können durch Ihre Mehrheit Anträge der Opposition zur Stadterneuerung auf die Tagesordnung setzen und wieder absetzen. Aber Sie können uns nicht davon abhalten, über das Thema zu reden. Sie werden auch die vielfältigen und qualifizierten Stimmen, die im Nationalkomitee versammelt sind, nicht mehr zum Schweigen bringen. Wir werden alle gemeinsam immer wieder von dieser und von allen weiteren Bundesregierungen nachhaltige Stadtentwicklung, die wirklich diesen Namen verdient, als politische Priorität einfordern. Wir werden so lange nachsetzen, bis Sie endlich den schönen Reden eine gute Praxis folgen lassen, bis Sie aufhören, die Gemeinden, in denen sich Fortschritt und Zukunftsgestaltung vollzieht, finanziell aufzuzehren.
Erst dann, wenn wir unserer Verantwortung vor der Weltgesellschaft und vor unseren eigenen Enkelkindern gerecht werden, erst dann können wir nachhaltige Stadtentwicklung zum „Exportschlager", wie Herr Töpfer das nennt, machen. Die jetzige Politik der Bundesregierung wird diesem Anspruch in keiner Weise gerecht.
Ingrid Becker-Inglau (SPD): In den vergangenen zwei Wochen hat in Istanbul die letzte große Weltkonferenz der Vereinten Nationen in diesem Jahrtausend stattgefunden. Die wohl wichtigste Erkenntnis dieser zweiten Konferenz über menschliche Siedlungen „Habitat II" läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Zukunft der Menschheit liegt in den großen Städten. Angesichts der enormen Probleme der ausufernden Riesenmetropolen wird es nun aber entscheidend darauf ankommen, daß die zwei zentralen Forderungen des Aktionsplans und der Deklaration von Istanbul erfüllt werden:
Das heißt erstens, daß das Menschenrecht auf eine angemessene Unterkunft verwirklicht werden muß.
Das heißt zweitens, daß wir geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um die Städte sicherer, gesünder, lebenswerter zu machen.
Die ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme der urbanen Ballungszentren haben bedrohliche Ausmaße angenommen. Dies spiegelt sich auch im Sprachgebrauch wider. Mittlerweile reden wir nicht mehr von Städten, sondern von sogenannten Megacities. In den Medien werden die Riesenmetropolen sogar als „tickende Zeitbomben" und „urbane Monster" bezeichnet.
Die Zeit drängt also - und das unterstreicht auch der im Mai vorgelegte Weltbevölkerungsbericht der Vereinten Nationen deutlich. In weniger als zehn Jahren wird der größte Teil der Menschen in Städten leben! In absoluten Zahlen bedeutet das: 3,3 Milliarden Menschen im Jahre 2005.
Schon heute leben weltweit 2,6 Milliarden Menschen in Städten. Davon sind 600 Millionen obdachlos, und dies überwiegend in Entwicklungsländern. Die Folgen dieser Entwicklung sind Umwelt- und Luftverschmutzung, Müll- und Abwasserentsorgungsprobleme und Wasserknappheit in den Megacities.
Alle Fachleute sind sich einig, daß diese Folgeerscheinungen eines unkontrollierten Wachstums der Städte auch eine Situation ergeben, die nicht nur für die betroffenen Länder und Städte explosiv ist. Denn die Slumbewohner von heute sind die Flüchtlinge von morgen; und das ist auch unser Problem.
Die gestern von den Vereinten Nationen organisierten Aktionen zum „Tag des Flüchtlings in Afrika" haben das ganze Ausmaß der Flüchtlingsproblematik noch einmal in geradezu bedrückender Weise deutlich gemacht. Folgerichtig sind deshalb auch die
Industrieländer in der Agenda 21 des Umweltgipfels von Rio aufgefordert worden, eine nachhaltige Entwicklung in der Stadt- und Siedlungsplanung zu unterstützen. Demnach sollen sich Siedlungen so entwickeln, daß sie wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Anforderungen in gleicher Weise gerecht werden. Dabei, und das ist der entscheidende Punkt, sind alle Partner gefordert, sowohl auf internationaler wie auch auf nationaler und lokaler Ebene.
Bedauerlich ist jedoch, daß die Bundesregierung für die Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen im internationalen Bereich keine zusätzlichen Mittel im Entwicklungshaushalt bereitgestellt hat. Es fehlt wieder einmal das Geld - es fehlen aber auch die notwendigen ergänzenden Maßnahmen. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, im Rahmen ihrer Entwicklungspolitik dafür Sorge zu tragen, daß die großen Metropolen stärker als bisher gefördert werden - ohne die ländlichen Regionen völlig zu vernachlässigen.
Das Ziel dieser Förderung muß sein, regierbare Verwaltungseinheiten zu schaffen und die Bewohner an Entscheidungen teilhaben zu lassen.
In diesem Zusammenhang sind die Stichwörter Dezentralisierung und Verteilung von Verantwortlichkeiten von besonderer Bedeutung: Die Städte und Kommunen müssen auch selbst aktiv werden können - sie müssen sich selbst helfen dürfen.
Und sie wollen es auch: Dies beweist die Teilnahme von 500 Bürgermeistern und 6 000 Vertretern von Nichtregierungsorganisationen am Städtegipfel. Beeindruckend war, daß die Praktiker an der Basis nicht mehr alles den Zentralregierungen überlassen wollen. Hier besteht die Chance, Demokratisierung, Dezentralisierung und Partizipation wirklich umzusetzen. Nutzen wir sie, helfen wir, sie zu organisieren.
Es hat sich außerdem gezeigt, daß finanzielle Unterstützung immer dort erfolgreich ist, wo die Gelder direkt in die Verantwortung der Städte gelangen - nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Die Gemeinden wissen einfach besser, wo der Schuh am ehesten drückt.
Und sie haben durch die bereits bestehenden Vorzeigemodelle im Rahmen des weltweiten „Best Practices''-Wettbewerb des Habitat-II-Sekretariats in Nairobi ermutigende und vor allem konkrete Beispiele dafür erhalten, wie in Zukunft die Ideen für umweltverträglichen Städtebau, Stadterneuerung und soziales Wohnen umgesetzt werden können.
Der Erfolg dieses Best-Practices-Projektes gibt Anlaß zur Hoffnung. Deshalb sind in diesem Bereich auch weitere Anstrengungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erforderlich.
In der verabschiedeten Deklaration von Istanbul heißt es, die Städte müßten „sicherer, gesünder, lebenswerter werden" und von einer nachhaltig wirkenden Siedlungs- und Stadtentwicklungspolitik geprägt werden. Diese Ziele können jedoch nur erreicht werden, wenn auch elementare Aufgaben wie Abfall, Abwasserentsorgung und Wasserversorgung, Bildung und Gesundheit, Gewerbeflächenerschließung und Verkehr und Wohnungsbau in den Städten und Gemeinden der Entwicklungsländer entsprechend gefördert werden.
Wir fordern die Bundesregierung deshalb auch auf, ihre entwicklungspolitischen Bemühungen gerade in diesen Bereichen zu verstärken. Die Beispiele der Best Practices sind ein erster und zukunftsweisender Einstieg.
Aber auch in dem Bereich der Frauenförderung müssen die Anstrengungen verstärkt werden: Das in Istanbul proklamierte Menschenrecht auf Wohnen hat auch viel mit Frauenrechten zu tun. Weltweit werden ein Drittel der Haushalte von Frauen alleine geführt, in Afrika und Lateinamerika liegt die Zahl sogar bei 50 Prozent. Von den 1,4 Milliarden Armen auf der Welt sind 70 Prozent Frauen und Mädchen. Gesetze, Traditionen bzw. Gewohnheitsrechte machen es ihnen schwer, aus dieser bedrückenden Lage herauszukommen.
In vielen Ländern haben Frauen wenig Chancen, einen Kredit für den Kauf einer eigenen Unterkunft zu erhalten. Noch gravierender sind die fehlenden Erb- und Besitzrechte. Hier müssen wir mithelfen, Änderungen zu erwirken.
Eine wichtige Voraussetzung ist die Aufnahme von Gleichberechtigung der Frauen und sozialer Gerechtigkeit in das Habitat-Abschlußdokument.
Absichtserklärungen alleine helfen nicht weiter. Wir müssen die Umsetzung wollen. Das bedeutet: mehr Bildungs- und Gesundheitsfürsorgeprogramme, insbesondere für den Bereich der Familienplanung, um die Entwicklungsmöglichkeiten ,von Frauen in der Gesellschaft zu stärken.
Darüber hinaus sollten alle Bemühungen unterstützt werden, die den Bedürfnissen von Frauen und Familien bei der Städteplanung Rechnung tragen.
Was die Nichtregierungsorganisationen und die sogenannten Basisgruppen betrifft, so meine ich, hat Habitat II positive Akzente gesetzt. Die Zivilgesellschaft, wie etwa Initiativgruppen oder Nachbarschaftshilfen, wird durch die Beschlüsse von Istanbul zur Mitarbeit und Mitwirkung ermutigt.
Regierungen und Verwaltungen allein sind mit der Bewältigung der vielen Probleme überfordert. Die Bundesregierung sollte sich deshalb der Förderung dieser Gruppen in besonderer Weise widmen und darauf achten, daß in diesem Bereich die internationale Zusammenarbeit verbessert wird.
Der Tagungsort Istanbul war selbst ein Ort, der all diese Probleme der Megacities präsentiert hat. Istanbul war aber auch ein Ort, der all denen Mut gemacht hat, die die Bewältigung der Probleme in Angriff nehmen müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viel zu tun. Packen wir es an, und zwar möglichst jetzt!
Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zuallererst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Minister Töpfer, sehr herzlich für das große inhaltliche Engagement bedanken, das Sie bei der Konferenz für die Qualifizierung der Habitat-Agenda
und für die Durchsetzung der „Istanbul Declaration" aufgebracht haben. Bedanken möchte ich mich auch bei Ihnen und bei allen Kolleginnen und Kollegen aus den beteiligten Ministerien für den offenen und kollegialen Umgang in der deutschen Delegation und gegenüber allen NGO-Vertreterinnen. Vor allem möchte ich mich dafür bedanken, daß Sie sich dafür eingesetzt haben, türkische Polizeieinsätze zu verhindern und die schnelle Freilassung von türkischen Menschenrechtlern einzufordern, die auf der Demonstration am 8. Juni 1996 verhaftet wurden. Auch, daß Sie Herrn Kanar, den Vorsitzenden der türkischen Menschenrechtsvereinigung, empfangen haben, war ein wichtiges politisches Zeichen.
Die Habitat-Konferenz war nur teilweise ein wirklicher Schritt nach vorne. Die Probleme der rapiden Verstädterung und der Verarmung in den Megastädten sind der Weltgesellschaft eigentlich schon längst über den Kopf gewachsen. Dies war auch in Istanbul deutlich spürbar. Habitat II war eine Demonstration guter Absichten, die aber nur punktuell die Wurzeln der Probleme tangieren und die keine einklagbaren Verpflichtungen enthalten. Beinahe wäre die Habitat-Agenda hinter die Konventionen der bisherigen UN-Konferenzen zurückgefallen. Das Recht auf eine angemessene Unterkunft ist in einer Weise festgeschrieben worden, die nicht individuell einklagbar ist, die aber hilft, gesellschaftlichen und moralischen Druck auszuüben. Positiv ist, daß das Recht auf Wohnen auch die Forderung nach einer Mindestausstattung an Licht, Wasser, Sanitäranlagen und Abfallentsorgung enthält und die Forderung nach öffentlicher Gesundheitsvorsorge. Auch soll das Wohnen besser mit Arbeitsplätzen und Arbeitsgelegenheiten verknüpft werden.
Die in Peking formulierten Frauenrechte sind mehr schlecht als recht gerade noch gerettet worden. Die „nachhaltige Entwicklung" als ökologisch-ökonomisches Oberziel wurde diplomatisch aufgelöst in „wirtschaftliches Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz". Schließlich wollen weder die Länder des Südens ihr Recht auf Wirtschaftswachstum beschnitten sehen noch wollen die reichen Länder des Nordens sich zu Wachstumsverzichten verpflichten.
Zentrale Fragestellungen wurden ausgeklammert oder oberflächlich abgehakt, zuallererst die Frage, ob und wieweit die beiden Grundforderungen der Konfernz - das Recht auf Wohnen und eine nachhaltige Siedlungsentwicklung - bei anhaltendem Bevölkerungswachstum überhaupt miteinander vereinbar sind. Tabu war auch der Einfluß der Weltwirtschaftsordnung auf die Verstädterung und die Verarmung. Die dramatischen Flüchtlingsströme durch regionale Kriege und brutale Menschenrechtsverletzungen wurden höflich thematisiert. Immerhin - darauf hatte ich in der deutschen Delegation sehr gedrungen - ist es gelungen, eine Formulierung zur Ächtung der Menschenrechtsverletzungen in die „Istanbuler Erklärung" aufzunehmen.
Der wichtigste Erfolg von Habitat II lag in der Einbeziehung der Bürgermeisterinnen und Kommunalvertreterinnen und der „Nicht-Regierungs-Organisationen". Natürlich war dies zugleich ein Zeichen der Hilflosigkeit der Nationalregierungen, die selbst immer weniger mit den Problemen der Megastädte fertig werden. Aber dieses Zeichen heißt: Nicht mit weniger, sondern nur mit mehr Demokratie und mit mehr Aktivierung und Beteiligung der Bürgerinnen können die Probleme angepackt werden.
Für uns ist klar, daß die Versprechungen von Istanbul ebenso wie die von Rio im eigenen Land und in den internationalen Beziehungen Folgen haben müssen, und wir werden mit Entschiedenheit nachhaken und selbst weitere eigene Initiativen entwickeln. Denn schließlich ist Habitat ein Beweis, daß grüne Positionen die richtigen und dringend notwendigen sind, wenn der Planet Erde und die Menschheit im nächsten Jahrhundert noch miteinander auskommen sollen.
Unsere vier zentralen Forderungen sind ein Armutsbekämpfungsprogramm im eigenen Land mit deutlichen Zeichen für den Abbau von Wohnungsnot und Obdachlosigkeit, die Suche nach wirksamen Instrumenten zum Abbau der Arbeitslosigkeit, eine Städtebaupolitik, die die Zersiedelung nachhaltig eindämmt und nicht weiter forciert - wie das mit den Beschleunigungsgesetzen und mit dem Regierungsentwurf zur Novelle des Baugesetzbuches beabsichtigt ist - und eine Politik der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die nicht unsere Exportinteressen, sondern die wirtschaftliche, soziale und ökologische Stabilisierung in den Ländern der Dritten Welt in den Mittelpunkt rückt.
Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.): Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit Habitat II geht eine Serie wichtiger Weltkonferenzen der Vereinten Nationen zu Ende. Nach dem Umweltgipfel in Rio war der Weltbevölkerungsgipfel in Kairo und der Weltsozialgipfel in Kopenhagen für das Thema der globalen Entwicklung menschlicher Siedlungen von besonderer Bedeutung. Bis zum Jahr 2025 wird sich die Zahl der Stadtbewohner aller Voraussicht nach auf 5 Milliarden verdoppelt haben. Dann werden allein in den Städten so viele Menschen leben wie heute auf dem Globus insgesamt. Menschen, die sauberes Wasser, Arbeit und angemessene Unterkunft brauchen. Und es ist noch nicht ausgemacht, ob die Entschlossenheit zur Lösung der damit verbundenen Probleme überall vorhanden ist. Insofern ist es mehr wie bedauerlich, daß nur so wenige Staats- und Regierungschefs den Weg nach Istanbul gefunden haben. Die Bundesregierung allerdings war ausgezeichnet vertreten. Mein besonderer Dank gilt Ihnen, Herr Töpfer, und Ihrem Engagement. Sie haben mit Ihrem großen Ansehen in den Vereinigten Nationen eine wichtige Rolle auf dieser Konferenz gespielt. Dies wird der gewachsenen Bedeutung der Bundesrepublik Deutschland gerecht. Bitte geben Sie diesen Dank auch Ihren Mitarbeitern weiter, die in der jahrelangen Vorbereitung ausgezeichnete Arbeit geleistet haben.
Wie immer bei diesen Konferenzen zu globalen Problemen enthält das Schlußdokument eine Mischung aus Absichtserklärungen und konkreten Forderungen an die Regierungen. Insofern liegt das Schlußdokument von Istanbul auf der Linie vorangegangener Konferenzen. Wirtschaftliches Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz, drei gleich-
wertige einander beeinflussende Ziele, sind die Vorgaben für die zukunftstaugliche „nachhaltige" Entwicklung der Städte. Diese Formulierung spiegelt deutlich wider, daß die Politik in Deutschland auf dem richtigen Weg ist. Entgegen den Einlassungen der Opposition ist für die F.D.P. die Formulierung, daß das Recht auf menschenwürdige Unterkunft für alle aus den allgemeinen Menschenrechten abgeleitet wird und damit einen Auftrag an die Regierung beinhaltet, ohne daß er vom einzelnen Bürger einklagbar wäre, vernünftig.
Mit großem Bedauern mußten wir sehen, wie noch in der Schlußphase der Konferenz die Fundamentalisten dieser Welt versuchten, die Ergebnisse der Bevölkerungskonferenz von Kairo wieder umzuwerfen. Die Bauexperten aller europäischen Regierungen verdienen einen besonderen Dank dafür, daß sie auf diesem, ihnen höchstens persönlich nahe liegenden Feld, die Freiheit der Familienplanung im Dokument bewahrt haben. Ein besonders wichtiger Punkt war die Einbeziehung der NROs, der Bürgermeister und Stadtexperten. Eine menschenwürdige Entwicklung der mit ständig größer werdenden Armuts- und Umweltproblemen kämpfenden Städte kann nur über die engagierte Arbeit der Verantwortlichen vor Ort sichergestellt werden. Insofern ist dieser Schritt der Vereinten Nationen ein Meilenstein hin zu einer Dezentralisierung, einer Voraussetzung für die Nachhaltigkeit von Entwicklung.
Dokumente haben wir nun genug. Jetzt sind Regierungen und Parlamente zum Handeln aufgefordert. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der Regierung in der Umsetzung der Ergebnisse von Istanbul für eine menschenwürdige Welt.
Klaus-Jürgen Warnick (PDS): Unbestritten ist, daß die deutsche Delegation mit Minister Töpfer in Istanbul einen rührigen Chef hatte, welcher sich redlich um ein gutes Ergebnis mühte. Um so mehr möchte ich heute drei Punkte einklagen, und ich hoffe, sehr geehrter Herr Minister, in Ihnen dabei einen Partner zu haben. Schließlich geht es auch um Ihre Glaubwürdigkeit.
Was meine ich? - Die Weltkonferenz Habitat II war noch nicht beendet, schon verkündete Entwicklungsminister Spranger, daß auch sein Ressort einen Beitrag zum Sparhaushalt leisten und die Entwicklungshilfe kürzen wird. Die Bundesregierung schiebt ihre miserable Finanzpolitik vor, um die ohnehin lächerlichen Summen für soziale Verpflichtungen gegenüber anderen Staaten und Völkern zusammenzustreichen. Dabei sind die Leidtragenden der Strukturanpassungspolitik auch des deutschen Kapitals gerade die Entwicklungsländer.
Deswegen fordert die PDS zum ersten, daß die Bundesregierung durchsetzt, daß mindestens die in der UNO vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes für Entwicklungspolitik bereitgestellt werden. Alles andere ist für eines der reichsten Länder der Welt unmoralisch und unakzeptabel.
Die Situation in der Bundesrepublik ist gekennzeichnet durch konsumorientierte und ressourcenverzehrende Lebensstile und Wirtschaftsweisen. Zunehmender Reichtum und Wohnflächenverbrauch bei den einen führen gleichzeitig zu vermehrter Armut und Wohnungsnot für einen wachsenden Teil der Bevölkerung. Zu den Ursachen gehören Kapitaldominanz in der Wohnungswirtschaft, großzügige Rechte der wirtschaftlichen Verwertung von Wohnungen bei Neubau, Modernisierung und Eigentümerwechsel sowie die Spekulation mit Boden.
Die Bundesregierung trägt mit ihrer Politik Verantwortung dafür, daß ein wachsender Teil der Bevölkerung unter ungesunden und menschenunwürdigen Wohn- und Lebensbedingungen leidet. Die vorrangige Förderung und Propagierung der Eigentumsbildung verschärft diese Entwicklung. Folgen sind steigender Wohnflächenverbrauch, Ghettobildung, Zersiedlung und Bodenversiegelung sowie wachsender motorisierter Individualverkehr.
Der offensichtliche Widerspruch zwischen den Zielstellungen in der Agenda von Habitat II und im nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung einerseits und der von der Bundesregierung praktizierten, propagierten und geförderten Politik, vor allem in den Bereichen Siedlungsentwicklung, Wohnen, Verkehr und Umwelt, andererseits muß aufgelöst werden. Es gibt ausgezeichnete Analysen und Situationsdarstellungen im Nationalbericht, aber die Vorschläge der Bundesregierung für eine künftige Wohnungs- und Siedlungspolitik stehen dazu im Widerspruch, sofern überhaupt konkrete Schlußfolgerungen angeboten werden.
Deshalb eine zweite Forderung nach Istanbul: Die Siedlungspolitik in Deutschland muß mit der Agenda von Habitat II in Einklang gebracht werden.
Für das Jahr 1995 geht laut dem Nationalbericht Habitat II die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. von einem weiteren Anstieg der Obdachlosigkeit auf eine Gesamtzahl von Wohnungslosen zwischen rund 870 000 und 960 000 aus, davon rund 43 000 in den neuen Ländern. Neben diesen Obdachlosen gibt es eine nicht bekannte Zahl unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen. Im rasanten Tempo nähern sich Obdachlosenzahlen in ostdeutschen Städten dem in über 40 Jahren aufgebauten Westniveau. Herr Töpfer, ich frage Sie: Was ist das für eine nachhaltige Entwicklung, wenn Kinder in diesem Land zu Tausenden in Obdachlosenasylen aufwachsen?
Es ist und bleibt ein Skandal, wenn sich die Koalitionsparteien für ihre angeblich erfolgreiche Wohnungspolitik - wie in der gestrigen wohnungspolitischen Debatte - mit Eigenlob überschütten. Eine realitätsferne Selbstbeweihräucherung, wie ich es noch sehr unangenehm von der 1989 davongejagten DDR-Führung in Erinnerung habe. Kein Wort von den Herren Töpfer, Braun und Kansy zu der wachsenden Zahl von Obdachlosigkeit bedrohter und betroffener Menschen.
Kein Wort zum Fehlen einer bundesweiten Wohnungsnotfallstatistik sowie eines tragfähigen Gesamtkonzeptes zur Bekämpfung und Beseitigung von Wohnungsnot und Obdachlosigkeit - wohlgemerkt, von Obdachlosigkeit, nicht von Obdachlosen. Das Vertreiben von Obdachlosen aus den Stadtzentren und Bahnhöfen, das Schleifen von Wagenburgen und die Räumung von Häusern, die nach länge-
rem ungenehmigten Leerstand besetzt wurden, sind jedenfalls keine Lösung. Ebenso finde ich es unerträglich, wenn einige sich an der Obdachlosigkeit dumm und dämlich verdienen, während für wirklich helfende Projekte und Initiativen die Mittel gestrichen werden.
Deshalb eine dritte Forderung nach Habitat II: Das Menschenrecht auf Wohnung muß als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen und die Politik entsprechend mit neuen Prioritäten versehen werden.
Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Habitat II liegt nun hinter uns; heute vor einer Woche haben wir die Verhandlungen in Istanbul zum Abschluß geführt. Ich bin mir mit meinem Ministerkolleginnen und Kollegen aus den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einig, daß diese Konferenz ein Erfolg ist.
Was haben wir bei Habitat II erreicht? Wir haben zwei Dokumente verabschiedet, die Habitat-Agenda mit einem Globalen Aktionsplan und die Erklärung von Istanbul, die beide deutlich machen, daß die Herausforderung durch das Städtewachstum in der ganzen Welt eine gemeinsame Verantwortung aller Staaten begründen, auch gemeinsame Antworten zu finden. Diese Beschlüsse unterstreichen, daß sich eine „Kultur der weltweiten Solidarität" entwickelt hat, in der die Industrieländer gemeinsam mit den Entwicklungsländern und den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas nach Lösungen für globale Herausforderungen suchen. Und da nunmehr bald die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt, da etwa zwei Drittel des Bevölkerungswachstums in den Städten stattfindet, ist die Zukunft der Städte ein zentraler Aspekt der weltweiten nachhaltigen Entwicklung, die wirtschaftliche Entwicklung, sozialen Ausgleich und umweltpolitische Verträglichkeit einschließt. Istanbul selbst ist als eine rasch wachsende Megastadt an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien ein eindrucksvolles Beispiel für die soziale und politische Sprengkraft, die in dieser Entwicklung steckt.
Lassen Sie mich einige zentrale Ergebnisse hervorheben:
Das Prinzip der nachhaltigen Stadtentwicklung wurde von allen Staaten anerkannt und festgeschrieben. Es ist von allen Staaten anerkannt, daß sich auch die Siedlungsentwicklung in den Rahmen einer weltweiten Strategie der nachhaltigen Entwicklung stellen muß, so wie sie in Rio 1992 beschlossen wurde. Noch vier Monate vor der Konferenz, bei der letzten Vorbereitungskonferenz in New York, hatte es nicht so ausgesehen, als ob eine Einigung möglich wäre. Es hat sich bestätigt, daß der Gedanke einer nachhaltigen Entwicklung gerade von Ländern, die unter starkem Wachstumsdruck stehen, mit Mißtrauen betrachtet und häufig als der Versuch einer Einschränkung eigener Entwicklungsperspektiven angesehen wird.
Voraussetzung für diese Einigung war, daß die Industrieländer ihre eigene Verantwortung für eine nachhaltige Stadtentwicklung anerkannt haben.
Nachhaltige Produktions- und Kosummuster in den Städten herbeizuführen, den Energieverbrauch zu mindern und die Energieeffizienz zu erhöhen, die "Stadt der kurzen Wege" zu fördern - dies ist vor allem eine Aufgabe der Industrieländer. Die Städte, wie sie sich im Norden entwickelt haben, können nicht das Modell für die rasch wachsenden Megastädte der Dritten Welt sein. Hier stehen die Industrieländer in der Verantwortung, Technologien und Konzepte zu entwickeln, die auch in der Dritten Welt eine nachhaltige Stadt, die nicht die ökologischen Ressourcen des ländlichen Raumes ausplündert und vernichtet, möglich machen.
Das „Recht auf angemessene Unterkunft" wird ausdrücklich als Bestandteil der Menschenrechte bestätigt, so wie es bereits in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 festgelegt wurde. Die Regierungen habe ihre Verpflichtung unterstrichen, die Herstellung von Mindeststandarts für würdige Wohn- und Lebensverhältnisse in den Städten als eine öffentliche Aufgabe zu verfolgen. In diesem Zusammenhang wurde immer wieder auf das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland verwiesen, wo sich Bund, Länder und Gemeinden mit einem erheblichen Einsatz an öffentlichen Mitteln für eine Verbesserung der Wohnungsversorgung einsetzen.
Erstmals ist in einem UNO-Dokument die besondere Rolle der Gemeinden anerkannt und festgeschrieben worden. Das Prinzip der örtlichen Selbstverwaltung, der Dezentralisierung von Verantwortung und der Ausstattung der örtlichen Körperschaften mit eigenen finanziellen Mitteln ist ein wichtiger Meilenstein für eine strukturelle Verbesserung des institutionellen Aufbaus. Dies wird nicht nur zu einer Effizienzsteigerung der bilateralen und multilateralen Entwicklungshilfe führen; es ist auch ein Signal für Demokratie, Transparenz und bürgernahe Verwaltung auf der ganzen Welt. Die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister, die in Istanbul anwesend waren, sind für diesen Erfolg außerordentlich dankbar.
Ein sehr wichtiges Thema war das Konzept für die Umsetzung der Konferenz-Beschlüsse. Der Globale Aktionsplan der Habitat-Agenda ist auf mindestens 10 Jahre angelegt, und wir haben erreicht, daß die Umsetzung der Empfehlungen in regelmäßigen Abständen, zuerst im Jahr 2001, gemeinsam verfolgt wird. Diese Umsetzung muß zu allererst in den einzelnen Ländern, in den Gemeinden, in den Stadtteilen stattfinden. Die staatliche Seite, Bund und Länder, müssen hierzu ihren Beitrag leisten. Viele Empfehlungen, die im Globalen Aktionsplan stehen, müssen darüber hinaus durch den privaten Sektor, ja auch durch die privaten Haushalte und die einzelnen Bürger umgesetzt werden. Ich weise nur auf das zentrale Problem des Wasserverbrauchs in den Städten hin, das sich immer mehr als ein kritischer Aspekt der globalen Zukunft herausschält. Der private Sektor muß neue Technologien entwickeln, die eine Verminderung des Wasserverbrauchs in den Städten ermöglichen, und der Kunde, der Verbraucher, muß diese Technologien am Markt nachfragen und einsetzen. Die Umsetzung der Habitat-Agenda geht also über die öffentliche Hand weit hinaus.
Hinsichtlich der Umsetzung im internationalen Rahmen haben wir uns darauf geeinigt, das Mandat der hierfür eingesetzten UN-Organisationen, also der Kommission für Menschliche Siedlungen und des UN-Zentrums für Menschliche Siedlungen in Nairobi, zu stärken. Diese Mandate sind im nächsten Jahr zu überprüfen und an die Aufgabenstellung der Habitat-Agenda anzupassen.
Die Erwartungen einiger Entwicklungsländer nach zusätzlichen Finanztransfers für den Globalen Aktionsplan konnten sich nicht erfüllen. Die westlichen Länder haben sehr deutlich gemacht, daß der Reformprozeß in den Vereinten Nationen zu einer Straffung und damit zu einer Stärkung der jeweiligen Fachorganisationen führen muß und daß die neue Prioritätensetzung, die die Habitat-Agenda ohne Zweifel erfordert, in diesen Reformprozeß eingebunden sein muß.
In der Erklärung von Istanbul sind die wichtigsten Ergebnisse in prägnanter Form zusammengefaßt. Daß diese Erklärung doch noch zustande kam, nachdem die Vorarbeiten auf Expertenebene ins Stocken geraten waren, ist auch ein Ergebnis der politischen Solidarität der Europäer und der engen Abstimmung mit den USA. Dafür möchte ich mich bei unseren Partnern ganz herzlich bedanken.
Ich möchte mich auch bei allen Delegationsteilnehmern aus der Bundesrepublik Deutschland sehr herzlich für ihre Beiträge bedanken. Die Delegation des Deutschen Bundestages hat sehr effektiv unsere gemeinsamen politischen Prioritäten auch bei den Versammlungen der Parlamentarier geltend gemacht. Es ist wieder einmal deutlich geworden, daß die Regierungsdelegationen sehr viel wirksamer arbeiten können, wenn die Unterstützung von der parlamentarischen Seite her deutlich wird.
Ich möchte ferner den Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinden danken, die in Istanbul die Rolle einer selbstbewußten gemeindlichen Selbstverwaltung überzeugend demonstriert haben.
Die Gemeinden waren in Istanbul erstmals als Konferenzpartner mit hervorgehobenen Mitwirkungsrechten am Tisch. Dies hat sich positiv auf die Konferenzbeschlüsse ausgewirkt. Es ist gemeinsam zu überlegen, wie in Zukunft sichergestellt werden kann, daß die wichtigen Beiträge der Gemeinden in den einschlägigen UN-Gremien Gehör finden können.
Auch die Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern haben unsere Verhandlungsführung unterstützt, wofür ich ebenfalls danke.
Schließlich gilt mein Dank auch den Vertreterinnen und Vertretern der Verbände, der Berufsvereinigungen, der Bürgergruppen und auch der Landesentwicklungsgesellschaften, die in der Deutschen Delegation und dann außerhalb das Bild Deutschlands auf dieser Konferenz mitgeprägt haben.
Die Konferenz ist zu Ende; jetzt geht es darum, die Umsetzung zu gestalten. Istanbul hat deutlich gemacht, daß nachhaltige Stadtentwicklung für uns in Deutschland vor allem in unseren Gemeinden, in Stadt und Land, vorangebracht werden muß. Nur wenn wir unsere eigenen Aufgaben ernsthaft verfolgen, können wir glaubwürdig mit anderen Ländern darüber verhandeln, was weltweit zu tun ist. Die Umsetzung ist nicht nur eine Sache der Bundesregierung, sondern sie muß Länder und Gemeinden, Verbände, Bürgergruppen in gleicher Weise einbeziehen wie bei der Vorbereitung der Konferenz. Ich werde deshalb für den Herbst zu einer Umsetzungskonferenz einladen, bei der wir uns mit allen Beteiligten über ein gemeinsames Konzept zur Umsetzung verständigen wollen.
Wir fangen nicht bei Null an. In vielen Städten und Gemeinden sind bereits Vorhaben unterwegs oder abgeschlossen, die Schritte in Richtung nachhaltige Stadtentwicklung sind. Über die Projekte des umweltgerechten Planens und Bauens, über „Lokale Agenda 21" , über nachhaltige Stadtentwicklungskonzepte finden bereits viele Empfehlungen der Habitat-Agenda ihren Eingang in die Praxis. Gleichwohl können wir noch nicht zufrieden sein. Wir müssen den Rückenwind, den wir von Habitat II erhalten haben, nutzen, um diese Vorhaben in den Städten und Gemeinden weiter zu unterstützen.
Lassen Sie mich noch etwas zur politischen Begleitmusik dieser Konfenz sagen: Im Vorfeld von Habitat II wurden Befürchtungen laut, daß diese Konferenz Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen um die Verwirklichung der Menschenrechte in der Türkei und vor allem um die Kurdenpolitik der türkischen Regierung geben könnte. Wir haben uns hiermit während der Konferenz intensiv auseinandergesetzt. Auch während der Konferenz schien es zeitweise so, als ob eine Zuspitzung der in der Türkei bestehenden Konflikte mit Auswirkungen auf die Konferenz eintreten könnte. Dies ist zum Glück nicht geschehen, was nicht zuletzt auch auf eine feste Haltung der Europäischen Union zurückzuführen war. Ich selbst habe ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des türkischen Menschenrechtsvereins geführt und dabei die Schritte erläutert, die die Europäische Union im Interesse eines unbeeinflußten und ungestörten Konferenzablaufs unternommen hat.
Insgesamt hat auch die türkische Regierung ihr Interesse an einer erfolgreichen Konferenz richtig bewertet und eine Zuspitzung vermieden. Ich möchte von hier aus der türkischen Regierung und insbesondere den Bewohnern von Istanbul meinen herzlichen Dank dafür aussprechen, daß sie so eindrucksvolle Gastgeber dieser Konferenz waren.
Habitat II war voraussichtlich die letzte der großen UNO-Konferenzen in diesem Jahrzehnt. Wir treten jetzt voll in die Phase der Umsetzung, der Erfolgskontrolle und der Prioritätenüberprüfung ein. Ich möchte alle Beteiligten ermutigen, an der Umsetzung mit dem gleichen Engagement mitzuwirken, das sie in der Vorbereitung von Habitat II gezeigt haben.
10286* Deutscher Bundestag - 13, Wahlperiode - 114. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1996
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zu Tagesordnungspunkt 20
(Antrag:
Verschärfung der Maßnahmen gegen die
fortschreitende Gefährdung der
menschlichen Gesundheit und der Umwelt
durch bodennahes Ozon);
und Zusatztagesordnungspunkt 9
(Antrag:
Änderung des „Sommersmog-Gesetzes" -
Gesetz zur Änderung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes
vom 19. Juli 1995)
Gila Altmann (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit diesem Zitat aus einer Presseinformation kann man das Handlungskonzept der Umweltministerin zusammenfassen. Frau Merkel versucht sich in der jetzigen Situation einzurichten, versucht Normalität vorzugaukeln, wo nichts normal und dringender Handlungsbedarf angesagt ist.
Die ausführliche Debatte ist letztes Jahr geführt worden, dieses Jahr ist anscheinend aus dem Thema die Luft raus, weil die Wetterlage bislang für vergleichsweise geringe Ozonwerte gesorgt hat. Und trotzdem ist es höchste Zeit, aktiv zu werden:
Daß Ozon Schädigungen unabhängig von Schwellenwerten bei Menschen, Tieren und Pflanzen hervorruft, ist nichts Neues, auch nicht, daß Kinder, Allergiker, Asthmatiker besonders gefährdet sind. Ab Konzentrationen von 100-150 μg/m3 Luft sind signifikante Lungenfunktionseinbußen vor allem bei Kindern nachweisbar. Die Schädigungen der inneren Organe sind ungleich höher als bei Erwachsenen.
Anlaß für unseren Antrag ist, daß in den letzten Monaten eine Vielzahl von neuen Forschungsergebnissen über die Auswirkungen bodennahen Ozons bekanntgeworden sind, die auf ein bisher unterschätztes Risikopotential für Mensch und Umwelt hinweisen und uns eigentlich die Ruhe rauben sollten. Ich möchte hier nur drei Beispiele nennen:
Beispiel 1: Eine Studie des Department of Public Health Sciences, St. George's Hospital, London, zum Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und täglicher Sterblichkeitsziffer in London in den Jahren 1987-1992 kommt zu dem Schluß, daß „die OzonWerte mit einem signifikanten Anstieg der Sterblichkeitsziffer bei Herz- und Kreislauf- und Atemwegserkrankungen in Zusammenhang gebracht werden müssen".
Beispiel 2: Eine Untersuchung des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums hat ergeben, daß eine „klare Korrelation zwischen der Ozondosis und dem Fall von grünen Fichtennadeln" besteht und belegt damit erstmals einen Zusammenhang zwischen der Ozondosis und Waldschäden.
Beispiel 3: Greenpeace hat 600 wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Ozon ausgewertet. Ergebnis: Es besteht ein eindeutig nachweisbarer Zusammenhang zwischen Ozonsmog sowie Asthma und anderen Atemwegserkrankungen bei Kindern. Nach Meinung der Verfasser müssen Kinder als Hauptbetroffene des Sommersmogs angesehen werden. Sie fordern für Fahrzeuge ohne Katalysator Fahrverbote ab einem Wert von 120 µg/m3 Luft.
Nach einem Jahr Ozon-Verordnung ist es an der Zeit Bilanz zu ziehen. Sowohl von uns wie auch von der SPD-Fraktion liegen Anträge zur Verschärfung vor, auf Bundesratsebene sind ähnliche Initiativen im Gang.
Ein Wort zu dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion: Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie nicht unseren Antrag unterstützen, sondern einen eigenen, völlig unzureichenden Antrag eingebracht haben, der auch die Initiative der SPD-regierten Bundesländer, die genau wie wir Fahrverbote ab 180 μg/m3 Luft fordern, konterkariert.
Die Ozon-Verordnung hat sich - wie erwartet - in der Praxis als völlig unbrauchbar erwiesen. Selbst bei Werten, die weit über 240 μg/m3 Luft liegen, wird kein Fahrverbot ausgesprochen, da der Wert an drei, mindestens 50 Kilometer entfernten Stationen gemessen werden muß. Und selbst wenn einmal ein Ozon-Alarm ausgelöst werden würde: Zahlreiche Ausnahmeregelungen sorgen dafür, daß praktisch alle weiterfahren können. Die vorliegende Ozon-Verordnung ist und bleibt die Lizenz zum Weiterrasen!
Und was macht die Bundesregierung? Frau Merkel verfällt in Ignoranz, redet schön, verharmlost in unverantwortlicher Weise. Anstatt diese alarmierenden Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und in Handeln umzusetzen, werden frisierte Erfolgsmeldungen in die Öffentlichkeit lanciert.
Eine konsequente Ursachenbekämpfung ist endlich angesagt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen zum Beispiel fordert eine Reduzierung der Ozon-Vorläufersubstanzen Kohlenwasserstoffe und Stickoxide um 50 Prozent bzw. um 80 Prozent, um zu einer merklichen Senkung der Ozonbelastung zu kommen.
Es wird höchste Zeit, die geltende Ozon-Verordnung an die Realität anzupassen und drastisch zu verschärfen: Herabsetzung des Grenzwertes für Fahrverbote von 240 µg/m3 Luft auf 180 µg/m3 Luft, Einschränkungen der Ausnahmeregelungen von Fahrverboten, jährliche Überprüfung der Grenzwerte auf ihre Plausibilität und Praktikabilität. Das ist ja wohl das mindeste und kann nur der erste Schritt sein.
Wir wiederholen unsere Forderung nach einem Vorsorgekonzept zur drastischen Reduktion der Ozon-Vorläufersubstanzen, um bereits im Vorfeld absehbarer Ozon-Perioden vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, sowie umgehend den Entwurf einer neuen, verschärften Ozon-Verordnung anhand oben genannter Punkte. Auch die Kinder in diesem Land haben das Recht auf Gesundheitsschutz!
Zu diesem Vorsorgekonzept gehören: Erarbeitung eines Konzepts zur schrittweisen Reduktion der gefahrenen Pkw- und Lkw-Kilometer, die Einführung autofreier Sonntage, ein Tempolimit von 30/80/100 - grundsätzlich, und nicht erst bei Ozonalarm -, strengere Abgasvorschriften für Pkw's und Lkws, eine
Raumordnungspolitik, die, wie von der EnqueteKommission „Mobilität und Klima" gefordert, die Verkehrsvermeidung in den Mittelpunkt stellt.
Wir werden daher eine öffentliche Anhörung zur Überprüfung der '95er Ozon-Verordnung angesichts der neuen wissenschaftlichen Studien und veränderten Meßmethoden beantragen, damit das Versteckspiel des Bundesumweltministeriums endlich ein Ende hat! Aussitzen und verharmlosen ist unverantwortlich. Kommen Sie endlich Ihrer Sorgfaltspflicht für alle Bürgerinnen und Bürger nach, anstatt der Autolobby die Stange zu halten!
Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU): Weltweit besitzen wir in der Bundesrepublik das strengste Ozongesetz. Leider ist es wieder einmal notwendig, einen Beitrag zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion zu leisten.
Mit ist völlig unklar, warum man wenige Monate, nachdem das Ozongesetz den Vermittlungsausschuß verlassen hat, schon wieder mit der Diskussion über Grenzwerte und zusätzliche Fahrverbote beginnen muß, obwohl weder ausreichende Erfahrungen mit dem Gesetz noch neue Erkenntnisse der Wissenschaft vorliegen.
Aus dem Blickwinkel der Grünen mag es enttäuschend sein, daß in der Bundesrepublik im Sommer immer noch Autos auf den Straßen fahren.
Die Tatsache, daß die im Gesetz vorgegebenen Werte dieses Jahr noch nicht eingetreten sind, ist doch vielmehr ein Erfolg und bestätigt die Politik der langfristigen Senkung der Emission der Ozonvorläufersubstanzen.
Doch - wie kann es anders sein - wenn die Grünen das Thema pünktlich zum Sommerbeginn wieder auf die Tagesordnung setzen, holt auch die SPD ihre alten Anträge aus der Schublade und frisiert sie etwas um.
Im Antrag der Grünen werden, wie schon vor einem Jahr, u. a. die Herabsetzung der im Gesetz festgeschriebenen Werte von 240 auf 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und eine weitere Verschärfung der Fahrverbote gefordert; Sonntage in den Sommermonaten sollten zu autofreien Sonntagen erklärt werden.
Weitere Verbote und die Beschränkung der Fahrgeschwindigkeiten, also Tempolimits, werden als Allheilmittel angepriesen - also nichts Neues.
Was ein solches Konzept - eine weitere Absenkung der Grenzwerte und weitere Fahrverbote - für den Wirtschaftsstandort bedeutet, dürfte allen klar sein.
Die Forderung, schon bei 180 μg/m3 Luft Fahrverbote zu erlassen, kann nur zum Ziel haben, die Mobilität der Bevölkerung in den Sommermonaten, also in der Hauptreisezeit, einzuschränken.
Dabei sieht die Realität ja so aus, daß die Spitzenozonwerte seit den 80er Jahren beständig gesunken sind. In den 70er Jahren waren die Ozonwerte in etwa doppelt so hoch.
Sogar in Ihrem Antrag räumen Sie auf Seite 2 ein, daß an den Stationen eigentlich sinkende Meßwerte gemessen werden. So deutlich wollen Sie das hier nur nicht sagen, da sonst offensichtlich wird, wie wenig Sinn Ihr Antrag zu diesem Zeitpunkt hat.
Auf Seite 3 des Antrages haben Sie erkannt, daß die langfristige Doppelstrategie, die wir ja seit langem verfolgen, sinnvoller ist, als sich eingleisig auf Fahrverbote zu verlassen.
Ich hoffe, Sie sind sich darüber im klaren, welche Wirkung die alljährliche Neuauflage dieser Diskussion auf die Bevölkerung hat. Ängste der Bürger werden doch hier für parteipolitische Zwecke mißbraucht. Mit der Sache an sich hat das hier gar nichts mehr zu tun!
Durch falsche Risikoeinschätzung und falsche Tatsachen soll die Öffentlichkeit verunsichert werden.
Wir haben schon bei der Konzeption des Gesetzes vor einem Jahr darauf gedrängt, Problemlösungen zu entwickeln, die vernünftig und - das möchte ich hier auch noch einmal ausdrücklich betonen - auch umsetzbar sind.
Nach der Absenkung des Konzentrationswertes für Ozon auf 240 µg/m3 und der Klarstellung der Ausnahmebestimmungen bei den Fahrverboten wird eine Regelung getroffen, die im Gegensatz zu den von den Fraktionen der SPD und der Grünen angestrebten Regelungen sowohl gesundheitsschädliche Ozonkonzentrationen im Sommer vermeiden hilft wie auch die verkehrsbeschränkenden Maßnahmen auf das notwendige Maß beschränkt.
Die Sachverständigenanhörung des Umweltausschusses zum Ozon-Gesetzentwurf der Koalition im vergangenen Jahr hatte unsere Position weitgehend bestätigt.
Die Grünen haben schon damals mit ihren panikerzeugenden Horrorvisionen von wissenschaftlicher Seite kaum Unterstützung erfahren.
Die von ihnen beschworene gesundheitsschädigende Wirkung von 120 μg/m3 ist reines Schüren von Angst.
Dieser Wert geht von einer vollkommen unrealistischen Voraussetzung aus.
Die Belastung müßte täglich acht Stunden in geschlossenen Räumen, und das ununterbrochen an 220 Tagen im Jahr, erfolgen.
In der Anhörung ist außerdem deutlich geworden, daß die immer wieder geforderten Tempolimits keine große Wirkung auf die Reduzierung bodennahen Ozons haben. Wir lehnen daher ein Tempolimit ab.
Bei der Durchsetzung eines Tempolimits bei einer Ozonkonzentration von 180 μg/m3 Luft, wie das von der Opposition gefordert wird, würde sich, wenn sich 80 % der Autofahrer an die Tempolimits halten würden, eine Reduzierung der flüchtigen organischen Substanzen um nur ca. 1,58 % ergeben. Das Ozon würde lediglich um maximal 3 bis 5 % reduziert. Einige Versuche ergaben sogar nur eine Reduktion des Ozons von 1 bis 3 %, was dem Bereich der Meßungenauigkeit zugerechnet werden kann.
Bei den im Gesetz fesgeschriebenen Maßnahmen - Fahrverbote für Kfz mit hohem Schadstoffausstoß bei Überschreiten des Warnwertes von 240 μg/m3 Luft - würden hingegen die flüchtigen organischen Substanzen um ca. 55 % vermindert, und das Ozon würde sich um 10 bis 15 % verringern.
Ein weiteres Ergebnis der Anhörung aber war, daß mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei empfindlichen Personen ab 240 μg/m3 Luft gerechnet werden muß.
Es ist hinsichtlich unserer Zielsetzung klar: Diese möglichen Belastungen auch eines Teils der Bevölkerung müssen durch die Senkung der Ozonspitzenwerte auf dem Wege vernünftiger, praxisorientierter Regelungen vermieden werden.
Auch bei kurzfristigen Maßnahmen zur Kappung von Ozonspitzenwerten hat eine Rechsgüterabwägung zu erfolgen. So muß von vornherein deutlich werden, daß Berufspendler, die in einer anderen zumutbaren Art und Weise ihren Arbeitsplatz nicht erreichen können, doch ausnahmsweise auf ein nicht schadstoffarmes Fahrzeug zurückgreifen dürfen, um ihren Arbeitsplatz erreichen zu können.
Außerdem werden andere Maßnahmen, wie die Einführung der emissionsbezogenen Kfz-Steuer, die Zahl der Autos ohne geregelten Kat bis zum Jahr 2000 weiter stark reduzieren. Ich halte steuerliche Anreize hier für wesentlich sinnvoller als das Bevormunden der Bürger durch immer mehr Verbote.
Derzeit ist nichts und niemand in Gefahr! Das ist das Ergebnis aller seriöser Studien. Neuerdings wird mit Hilfe einer Greenpeace-Studie, die auf falschen Voraussetzungen beruht, versucht, das Thema neu aufzuwärmen.
Auch die Unterstellung, die Bundesregierung habe die Meßmethoden geändert, um das Auslösen des Ozonalarms zu verhindern, ist völlig unsinnig.
Das Meßverfahren wurde bereits im Sommer 1992 an die EU-Richtlinie hierzu angepaßt.
Dieser Umsetzung wurde im Bundesrat auch zugestimmt. Seit 1994 war dieses Meßverfahren das gültige Meßverfahren. Das heißt, die Bundesregierung hat dieses geltende Meßverfahren zugrunde gelegt. Der Vorwurf ist also völlig falsch; eigentlich wissen Sie das ganz genau!
Außerdem frage ich mich, ob Untersuchungen der Ozonwirkungen bei 0 °C wesentlich sinnvoller sind als bei 20 °C. Meines Wissens entsteht Sommersmog - wie der Name schon sagt -, im Sommer, also in der Regel deutlich über 0 °C.
Eine Umrechnung auf die alten Werte ist schon allein deswegen unsinnig, da die alte Skala nicht fehlerfrei war und außerdem heute international nicht mehr vergleichbar wäre. Menschen in Grenzgebieten würden die wechselnden Angaben nicht mehr verstehen.
Es geht hier aber um eine sachgerechte Behandlung des Problems. Vorrangiges Ziel unserer Politik ist, eine dauerhafte und nachhaltige Verminderung der Ozon-Vorläufersubstanzen zu erreichen und kurzfristig reagieren zu können.
Das Ozongesetz wird genau dieser Zielrichtung gerecht. Dieses Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.
Von der Bundesregierung wurden in der Vergangenheit bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeleitet, wie insbesondere die Einführung des Katalysator, die Großfeuerungsanlagenverordnung sowie die TA Luft, die dazu geführt haben, daß derzeit ca. 600 000 Tonnen Stickstoffoxide und Kohlenwasserstoffe pro Jahr weniger emittiert werden als noch zu Beginn der 80er Jahre.
Die Mineralölindustrie hat bereits auf freiwilliger Basis emissionsarme Benzinsorten angeboten, und die Bundesregierung hat seit langem auf EU-Ebene am AUTO-Öl-Programm mitgearbeitet.
Jedoch stammt nur ein Drittel aller „Ozonvorläufer" aus dem Autoverkehr. Deshalb ist darüber hinaus u. a. eine Reduzierung der Lösemittelemissionen dringend geboten.
Das betrifft insbesondere den industriellen und den gewerblichen Bereich. Wir stehen dafür ein, daß mit einem verstärkten Einsatz des Öko-Audit, mit ökonomischen Anreizen und gegebenenfalls auch mit ordnungspolitischen Instrumenten die Emissionen bis zum Jahr 2005 in diesem Bereich deutlich gesenkt werden.
Ich sehe keinen Sinn darin, die Bürger, die auf ihr Auto angewiesen sind, unnötigerweise zu drangsalieren. Ein Vorgehen, wie die Grünen und die SPD das wollen, kann für den Burger kaum noch nachvollziehbar sein.
Außerdem ist es noch zu früh für eine Novellierung des Gesetzes, da derzeit noch keine neuen Erkenntnisse vorliegen.
Deswegen werden wir den Antrag der Grünen und den Antrag der SPD ablehnen.
Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD): Die ersten sonnigen Wochen im Frühling 1995 bescherten uns sehr schnell die bekannten hohen Ozonwerte des Sommersmogs. „Keine Panik!" hätte man sich gerne gesagt.
Im Sommer 1995 hatte der Bundestag ja ein Gesetz zur Bekämpfung des bodennahen Ozons erlassen. Die Bevölkerung würde also vor den Gesundheitsschädigungen des giftigen Reizgases geschützt werden. Doch das ist keinesfalls so!
Obwohl in der Anhörung im parlamentarischen Prozeß von der Mehrheit der Experten niedrigere Grenzwerte für die Auslösung des Ozonalarms zum Schutz der Gesundheit eingefordert wurden und außerdem die Vollziehbarkeit des von der Regierung eingebrachten Gesetzentwurfs angezweifelt wurde, haben die Koalitionsfraktionen mit ihrer Mehrheit einen Papiertiger geboren. Denn das gültige Sommersmog-Gesetz ist völlig unwirksam. Eine vom Heidelberger Umwelt- und Prognose-Institut (UPI) vorgenommene Auswertung aller Ozondaten der letzten sechs Jahre in der Bundesrepublik ergibt, daß das Gesetz nahezu keinerlei Auswirkung auf die realen Ozonbelastungen hat.
In den letzten sechs Jahren wurde der Auslösewert des Sommersmog-Gesetzes (240 Mikrogramm) rund 400mal überschritten; es wäre jedoch nur an einem einzigen Tag 1992 wegen der Bedingungen dieses Gesetzes Sommersmog-Alarm in Hessen und BadenWürttemberg ausgelöst worden. Das liegt daran, daß die 240 µg/m3 an mindestens drei Meßstellen in 50 km Entfernung überschritten sein müssen.
Aber selbst wenn der seltene Fall eintreten sollte, daß die harten Bedingungen des Ozongesetzes erfüllt wären, um Alarm auszulösen, könnte dies keine große Wirkung entfalten; denn es werden nicht nur zur „Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen sowie für andere unabweisbar erforderliche Fahrten auch für schadstoffreiche Fahrzeuge Ausnahmen zugelassen", sondern auch zur Aufrechterhaltung des Produktionsablaufs. Dies aber wird so verstanden, daß sowohl die Berufspendler als auch die Ferienreisenden ihren Weg weiter im PKW fortsetzen dürfen. Damit wird das Gesetz in seiner Auswirkung so lächerlich, daß sogar das Geld für die Durchführung der Anhörung zum Fenster hinausgeschmissen ist.
Der Gesetzesinhalt steht in krassem Gegensatz zu einer Äußerung von Umweltministerin Merkel in ihrer Broschüre „Schritte zu einer nachhaltigen, umweltgerechten Entwicklung: Umweltziele und Handlungsschwerpunkte in Deutschland", die sie in diesem Monat herausgegeben hat. Dort lesen wir auf Seite 17f.:
Neue Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen dem Eintrag gefährlicher Stoffe in die Umwelt ... und bestimmten Krankheitsbildern . . . geben Anlaß, dem Thema „Umwelt und Gesundheit" anhaltend besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Weit gefehlt! Denn: Der Schwellenwert für einen Ozonalarm wird dadurch weiter erhöht, daß die Meßmethoden zur Erfassung der Ozonkonzentrationen umgestellt worden sind. Eine veränderte Kalibrierung der Meßgeräte und eine Normierung der Meßwerte an 20 °C statt bisher 0° führt dazu, daß der Auslösewert für Fahrverbote für Autos ohne Katalysator tatsächlich bei 287 Mikrogramm/m3 Luft liegt, wenn die alten Meßdaten zur Grundlage gemacht werden.
Diese Unwirksamkeit und die im Frühjahr dieses Jahres veröffentlichte Studie „Krank durch Ozonsmog" hat uns veranlaßt, erneut einen Versuch zu unternehmen, Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von den Koalitionsfraktionen, davon zu überzeugen, daß Handeln dringend erforderlich ist, statt Symbolpolitik zu betreiben, wie Sie es im vergangenen Jahr mit Ihrem Ozongesetz getan haben.
Die Greenpeace-Studie weist vor allem noch einmal auf die Gesundheitsschäden bei Kindern hin. Ozonsmog schwächt danach u. a. die Immunabwehr, löst Allergien aus und begünstigt selbst bei gesunden Menschen die Asthmabereitschaft.
Staatssekretär Klinkert meinte allerdings auf meine Frage am 22. Mai 1996, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus der Studie zu ziehen gedenke, es würden darin keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgetragen. Da kann ich nur sagen: Um so schlimmer, wenn Ihnen dies alles schon bekannt war und Sie dennoch nicht gehandelt haben!
Aber - so Staatssekretär Klinkert - die Bundesregierung sieht auch heute keine Veranlassung - weitergehende Konsequenzen aus der Studie zu ziehen. Ob man in dieser Hinsicht auf europäischer Ebene sensibler ist? In einem Bericht zu Ozonkonzentrationen in den Monaten Juni und Juli 1994 lesen wir:
Mit über 3 100 Episoden im Sommer 1994 wurde die Häufigkeit deutlich, mit der der zum Schutz der menschlichen Gesundheit bestimmte Grenzwert von 180 µg/m3 überschritten wird. Dieser Schwellenwert stellt lediglich eine geringe Sicherheitsmarge dar. Besonders im Falle des Ozons, mehr als für die meisten anderen Schadstoffe, ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, den Ernst der im Sommer 1994 erreichten Belastungswerte zu erkennen.
Und in ihrem Grünbuch zum Verkehr schreibt die EU Ende 1995:
Da jedoch der Hauptanteil der Emissionen auf den Straßenverkehr entfällt, sollten Maßnahmen für diesen Verkehrsträger mit einer gewissen Dringlichkeit entwickelt werden.
Zahlreiche Untersuchungen verweisen uns immer wieder darauf, daß die Belastung der Umwelt und der menschlichen Gesundheit durch ubiquitär vorkommende organische und anorganische Schadstoffe und Verbrennungsprodukte an einem kritischen Punkt angelangt ist. Dabei spielt der photochemisch-oxidative Smog mit hohen Konzentrationen an Ozon, Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen und Aldehyden eine besondere Rolle. In der Vergangenheit betrugen natürliche mittlere Ozonwerte der nördlichen Hemisphäre 20-40 μg/m3, heute werden während Sommersmog-Episoden bereits zehnfach höhere Werte erreicht.
Gleichzeitig nehmen die entzündlichen Erkrankungen der Atemwege, besonders in Städten mit hoher Luftverschmutzung durch Verkehr und Industrie signifikant zu. Man weiß heute, daß die Erkrankungen der Atemwege als ein Warnzeichen für umweltbedingte Erkrankungen verstanden werden müssen; nämlich als Ausdruck steigender Expositionen einer komplexen Mischung von Fasern, Partikeln, Bakterien, Allergenen, flüchtigen organischen Chemikalien (VOCs), Tabakrauch und anderen Verbrennungsprodukten.
Eine Vielzahl unerwünschter gesundheitlicher Auswirkungen sind die Folge: Irritationen der Schleimhaut; Infektionen der Schleimhaut; Allergien und Pseudoallergien und Hyperreagibilität in den Atemwegen mit einem Anstieg allergischer und nichtallergischer Infekte sowie Asthma. Kinder und Jugendliche sind davon besonders betroffen.
Daß die Zunahme entzündlicher und/oder chronischer Atemwegserkrankungen nicht nur der morbiden Phantasie einiger Ökospinner entspringt, belegen epidemiologische Studien, die zumindest auch der Bundesregierung bekannt sein dürften. Dabei können Umweltschadstoffe nicht nur selbst antigen und somit Verursacher von allergischen Reaktionen
sein, sondern sie können auch zu einer aggressiveren Allergenität natürlicher Antigene (z. B. Birkenpollen) führen. Das erklärt auch das häufigere Auftreten von Pollenallergie in Industrie- und Stadtgebieten gegenüber ländlichen Bereichen.
In diesem Zusammenhang spielen hohe Ozonbelastungen eine wichtige Rolle; denn sie verursachen nicht nur Schäden an den empfindlichen Pflanzen und an bestimmten Materialien, sondern sie gefährden auch die Gesundheit von Menschen und Tieren.
Ozon verstärkt die virusinduzierten immunologischen Reaktionen in der Lunge. Die Gruppe der Allergiker und Asthmatiker ist erhöht gefährdet, wenn auch auf Grund interindividueller Differenzen nicht vorhergesagt werden kann, wer zu den „Empfindlichen" gehört.
Auch die wissenschaftliche Datenlage bezüglich der chronischen und langfristigen Schädigungen der Schleimhaut der Atemwege ist eindeutig. Aus Kreisen der Hals-, Nasen-, Ohrenärzte wird uns mitgeteilt, daß die Schleimhaut im Bereich der Atemwege so geschädigt werden kann, daß weitere Schadstoffe, die sich im Feinstaub befinden, verstärkt wirken können und in einem Synergieeffekt Allergien, Störungen des Immunsystems und pathologisch nachweisbare Veränderungen in der Lunge hervorrufen können. Wenn Patienten mit symptomatischem Asthma (SAB) und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) geschützt werden sollen, dürften Tagesmittelwerte von 90 gg/m3 nicht überschritten werden.
Über den begründeten Verdacht der Kanzerogenität und gentoxischen Wirkung des Reizgases Ozon haben wir ja bereits im vergangenen Jahr gesprochen. Darüber hinaus ergaben einjährige Untersuchungen eines Münchner Forscherteams in Büroräumen, daß in geschlossenen Räumen die negativen Auswirkungen bezüglich der eingeschränkten Lungenfunktionen noch stärker sind. Prof. Fruhmann:
Fest steht, daß die Ozonwerte im Büro durch veraltete Kopiergeräte, Laserdrucker, Luftfilteranlagen und ultraviolette Lampen ansteigen können. Auf jeden Fall spielt Ozon in Innenräumen eine wesentlich größere Rolle, als man bisher angenommen hat.
Wir sind es den Menschen schuldig, daß wir handeln.
Mit unserem Antrag legen wir Ihnen erneut den Vorschlag vor, ein Stufenkonzept zur Sommersmog-bekämpfung umzusetzen.
Wir fordern,
1. daß die Bevölkerung bei einem Wert von 110 µg/ m3 bodennahem Ozon (120 µg/m3 altes Meßverfahren) über mögliche gesundheitliche Auswirkungen auf besonders empfindliche Gruppen, wie z. B. Kinder und Allergiker, informiert wird,
2. daß bei 160 µg/m3 Ozon (180 gg/m3 altes Meßverfahren) differenzierte Tempolimits und Fahrverbote für Kraftfahrzeuge ohne Abgasreinigungsanlagen verordnet werden,
3. daß bei 210 gg/m3 Ozon (240 gg/m3 altes Meßverfahren) flächendeckende Fahrverbote mit nur begrenzten Ausnahmen und Produktionseinschränkungen ausgesprochen werden.
Daß unsere Grenzwerte keinesfalls übertrieben sind, belegt Ihnen die Tatsache, daß die Weltgesundheitsorganisation - WHO - und der Verein Deutscher Ingenieure - VDI - eine Belastung von 120 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft als Obergrenze zur Vermeidung von Gesundheitsschäden ansetzen.
Die Forderung nach Zurückdrängung des Individualverkehrs und der „Vorfahrt für Gesundheit und Umwelt" findet zahlreiche Verbündete. So forderte die Ärztekammer Niedersachsen bereits 1994 „dauerhafte Fahrverbote in innerstädtischen Ballungszonen, zeitlich befristete Fahrverbote in weiteren Gebieten, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Verminderung vor allem des nächtlichen Verkehrs, Verbesserung und Verbilligung des öffentlichen Nahverkehrs" usw.
Ich will auch gleich Ihrem Einwand entgegentreten, den Sie mit Sicherheit wieder vorbringen werden: nämlich unser Antrag auf eine verbesserte Ozongesetzgebung sei Panikmache und Hysterie. Wir verängstigten die Menschen draußen nur, während es angezeigt sei, langfristig etwas gegen Ozonbildung zu tun.
In dem letzten Punkt kann ich Ihnen natürlich recht geben, und Sie finden in unserem Antrag auch verschiedene Maßnahmen, die dringend durchgeführt werden müßten, damit die Vorläufersubstanzen von Ozon wirksam zurückgedrängt werden. Diese Maßnahmen kündigen Sie zum Teil auch an, aber mit der Umsetzung hapert es gewaltig.
Denn: daß die Bundesregierung hier Entscheidendes tut, konnten wir bisher nicht feststellen. Deshalb werden wir in den kommenden Jahren immer noch mit viel zu hohen Ozonkonzentrationen rechnen müssen, und die Politik ist aufgefordert, hier auch kurzfristig etwas zu tun.
Wenn wir dafür sorgen, daß es durch ein abgestuftes Verfahren erst gar nicht zum Erreichen dieser hohen Ozonwerte kommt, dann wird die Bevölkerung beruhigt sein können, weil wir tatsächlich vorsorgenden Gesundheitsschutz betreiben.
Wenn aber das Handeln der Politik nur darin besteht, Papier zu produzieren, muß die Bevölkerung sich selbst um ihren Gesundheitsschutz kümmern, muß sie sich informieren, muß über die Auswirkungen von Ozon geredet werden. Es wird nicht zu vermeiden sein, daß hier auch Ängste - und zwar berechtigte Ängste - entstehen und nicht verdrängt werden können.
Nehmen wir also unsere Verantwortung als Politiker ernst, sorgen wir dafür, daß im Jahre 1996 ein wirksames Ozongesetz verabschiedet wird!
Birgit Homburger (F.D.P.: Mit dem Antrag versuchen die Grünen, die parlamentarische Abstimmungsniederlage im letzten Sommer zu korrigieren. Mit angeblich neuen Erkenntnissen werden alte Forderungen wieder aufgewärmt. Alter Wein in neuen
Schläuchen, und dazu noch schlecht gemacht: Sie verlangen eine Novellierung der „Ozon-Verordnung" ! Haben Sie vergessen, daß der Deutsche Bundestag ein Ozon-Gesetz verabschiedet hat? Haben Sie es überhaupt gelesen? Dann wüßten Sie, daß das Gesetz keine „Grenzwerte" festsetzt, wie Sie es nennen, sondern Konzentrationswerte als Auslöser von Ländermaßnahmen. Und Sie fordern die Bundesregierung auf, einen neuen Verordnungsentwurf vorzulegen. Kann die grüne Fraktion keinen eigenen Gesetzentwurf formulieren?
Vergessen haben Sie wohl auch die Ergebnisse der Anhörung im letzten Jahr, die Grundlage unserer Entscheidung war. Es liegen keinerlei neue Erkenntnisse vor. Die Sachverständigenanhörung hat gezeigt, daß wir mit dem Schwellenwert von 240 Mikrogramm/m3 Luft für Fahrverbote richtig liegen. Deshalb hat die F.D.P. damals bei der CDU diesen schärferen Schwellenwert durchgesetzt, damit die Fahrverbote auch wirklich greifen. Ebenso ist die F.D.P. für sachgerechte und nicht zu großzügige Ausnahmeregelungen eingetreten. Wir können die Schichtarbeiter, das Krankenhauspersonal, die Hotelfachkräfte, Menschen, die nachts oder früh am Morgen arbeiten, wenn der ÖPNV nicht zur Verfügung steht, nicht von den Arbeitsplätzen fernhalten. Das wäre einfach unverhältnismäßig. Deshalb lehnen wir Ihre Forderungen nach weiterer Reduzierung der Ausnahmen ab.
Und die von Ihnen geforderte jährliche Überprüfung der Grenzwerte, oder genauer gesagt, der Schwellenwerte, ist ein Beispiel der grünen Regelungswut. Je nach dem wie sonnig das Jahr ist, wird das Gesetz geändert. Wir brauchen Verläßlichkeit und nicht grüne Regelungshektik.
Die SPD läuft mit ihrem nachgeschobenen Antrag den Grünen hinterher. Auch sie wärmt die alten Forderungen auf. Vergessen oder eher verdrängt ist der Flop mit dem Heilbronner Großversuch. Die Anhörung hat es vor einem Jahr bestätigt: Kurzfristige Tempolimits nützen zur Ozonreduzierung nichts. Sie bringen keine Erfolge, die über die üblichen Meßungenauigkeiten hinausgehen. Sie wollen Tempolimits nicht weil sie helfen, sondern weil sie leichter zu überwachen sind als Fahrverbote. Das ist AlibiPolitik, die die F.D.P. nicht mitmacht.
Das Ozon-Gesetz wird vor allem bei langen, schönen Wetterperioden zur Senkung der Ozonspitzenkonzentrationen beitragen. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Zentrales Anliegen der F.D.P. ist es, solche Spitzenwerte gar nicht erst entstehen zu lassen. Deshalb bleibt die F.D.P. bei Ihrer Forderung, daß die Grundbelastung mit Vorläufersubstanzen gesenkt werden muß. Dazu gehört nicht nur der Ausstoß von Stickstoffoxiden aus dem Straßenverkehr, sondern dazu gehören auch die flüchtigen Kohlenwasserstoffe. Hier besteht noch ein großer Handlungsbedarf. In der Industrie, im Gewerbe und im Freizeitbereich müssen mehr lösemittelfreie oder zumindest lösemittelarme Produkte eingesetzt werden. Der Bundestag hat mit seiner Entschließung bei der Verabschiedung des Ozon-Gesetzes darauf hingewiesen und die Bundesregierung schnellstens zur Vorlage von Vorschlägen gebeten. Daß der Bericht noch nicht vorliegt, ist kein Zeichen von Untätigkeit.
Ich weiß, daß über eine Lösemittel-Richtlinie in der EU verhandelt wird. Ich bitte die Bundesregierung, sich mit Nachdruck für eine baldige Verabschiedung der Richtlinie einzusetzen. Es wäre allerdings schön, wenn wir im Zusammenhang mit den Ausschußberatungen zu diesem Antrag auch über einen Bericht mit Vorschlägen der Bundesregierung beraten könnten.
Bei der Reduzierung von Schadstoffen aus dem Straßenverkehr sind wir auf gutem Wege. Die EURO-
2-Norm ab 1997 halbiert den Schadstoffausstoß von Pkw gegenüber den heute gültigen Grenzwerten. Und EURO 3 wird in vier Jahren eine weitere Absenkung bringen. Die Erneuerung der Fahrzeugflotte durch die Ausmusterung der älteren bei zunehmendem Anteil der modernen schadstoffarmen Fahrzeuge wird die Schadstoffreduzierung beschleunigen.
Mit dem jetzt von der Koalition eingebrachten Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz wird - nach Nachbesserung durch die F.D.P. - ein finanzieller Anreiz gesetzt, um Kat-lose Fahrzeuge durch schadstoffarme Fahrzeuge zu ersetzen. Gerade diese Fahrzeuge tragen weit überproportional zum Ausstoß der Vorläufersubstanzen bei. Ihre Ausmusterung wird dadurch beschleunigt. Und mit der ab 2003 vorgesehenen Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer werden wir über den Spritpreis weitere Signale für Verkehrsvermeidung und Verbrauchssenkung setzen.
Mit ihrem Antrag konzentrieren sich die Grünen nur auf den Straßenverkehr, und damit zeigen sie, worum es den Grünen wirklich geht: nicht um eine umfassende Strategie zur dauerhaften Senkung der Ozon-Belastung, sondern um ein Vehikel, um ein Angstthema für ihr verkehrspolitisches Steckenpferd, das flächendeckende Tempolimit. So wird mit Ängsten Politik gemacht.
Eva Bulling-Schröter (PDS): Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist einleuchtend, eindeutig und klar, wir unterstützen ihn vorbehaltlos.
Als vor einem Jahr die Ozonverordnung erlassen wurde, kritisierten die Umweltverbände und die Opposition die Grenzwerte für die Vorwarnstufe von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und für das Fahrverbot bei 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft als völlig unzureichend - unzureichend wegen des von diesen Grenzwerten ausgehenden mangelnden Gesundheitsschutzes, unzureichend wegen der zahllosen Ausnahmen und der absurden Meßverfahren, die den eigentlichen Sinn dieses Gesetzes völlig durchlöchern.
Nun ist der Wissensstand ein anderer als vor einem Jahr. Die Erkenntnisse über die Gefährlichkeit des bodennahen Ozons sind durch neue Gutachten weiter untersetzt. Ich möchte die Gutachten nicht noch einmal im einzelnen erwähnen, meine Kollegin Gila Altmann hat sie in ihrer Rede schon erläutert. Die Konsequenz kann nur lauten, die Sommersmogverordnung muß geändert werden.
Für uns steht die Ursachenvermeidung für die Entstehung des bodennahen Ozons im Mittelpunkt. Dort
10292* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1996
steht an erster Stelle der Straßenverkehr. Wie im Antrag erwähnt, stammen von ihm 80 Prozent der Vorläufersubstanzen bei Stickoxiden und über 55 Prozent bei den flüchtigen Kohlenwasserstoffen. Während die Wuppertal-Studie „Zukunftsfähiges Deutschland" unter anderem fordert, bis zum Jahre 2005 die Emissionen dieser beiden Stoffgruppen auf 20 Prozent des heutigen Niveaus zu senken, arbeitet die Politik der Bundesregierung offensichtlich daran, den entsprechenden Ausstoß zu erhöhen.
Der Vergleich der Entwicklung des Straßengüterverkehrs mit der des Schienengüterverkehrs zeigt dies deutlich. Während sich der Schienengüterverkehr in den letzten sechs Jahren nahezu halbiert hat, ist der Straßengüterfernverkehr im selben Zeitraum um fast die gleiche Dimension, daß heißt um sage und schreibe 60 Milliarden Tonnenkilometer gewachsen. Die Verkehrsleistungen auf den Straßen stiegen insgesamt um 50 Prozent.
Alle seriösen Prognosen rechnen mit einem weiteren Anstieg des Güterverkehrs auf der Straße - zu Lasten des Verkehrs auf der Schiene - und mit einem erhöhten NOx- und VOC-Ausstoß, also einem Ansteigen der Ozonwerte, als toxischer Folge.
Die Bahn wird trotzdem weiter demontiert. Nach Angaben der Bundesregierung wurden seit 1994 mehr als 7 500 Weicheneinheiten und 1 140 Kilometer Betriebsgleise abgebaut. Tendenz steigend, denn insgesamt sind 7 000 des heute noch 40 000 Kilometer umfassenden Eisenbahnnetzes unmittelbar von Stillegung bedroht. Das System Flächenbahn steht vor dem Aus. Die Autoindustrie und ihre Lobby wird dank Wissmann und Dürr verkehrspolitische Freudenfeste feiern.
Die Novellierung der Ozonverordnung kann nur ein dünnes gesundheitspolitisches Schutzschild sein. Notwendig ist darüber hinaus eine verkehrspolitische Offensive in Richtung Schienenverkehr und ÖPNV. Aber wer will das schon?
Anlage 6
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Cornelia Yzer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Drucksache 13/4908 Frage 46):
Was unternimmt die Bundesregierung gegen den nicht zuletzt aus einer immer stärker zu beobachtenden Technikfeindlichkeit in Schule und Gesellschaft resultierenden, dramatischen Rückgang der Immatrikulationen an den Technischen Universitäten?
Zu der Frage einer generellen Technikfeindlichkeit in Schule und Gesellschaft gibt es in einschlägigen Studien der Bildungsforschung keine eindeutigen Belege. Dies ergibt z. B. die Auswertung der CD-ROM „Bildungsforschung" des Fachinformationssystems Bildung zum Stichwort ,,Technikfeindlichkeit" aus den letzten acht Jahren. In dieser Hinsicht gleichermaßen unergiebig sind die großen Jugenduntersuchungen oder -befragungen, z. B. von SINUS und SHELL.
Unbestritten ist sicher, daß in der Bevölkerung ein kritisches Bewußtsein gegenüber den Risiken von Technik gewachsen ist. Dies ist aber nicht automatisch mit Technikfeindlichkeit gleichzusetzen. Voraussetzung für mehr Technikakzeptanz ist allerdings eine umfassende Information der Öffentlichkeit, die transparent und objektiv Chancen und Risiken neuer technologischer Entwicklungen aufzeigt. Wissenschaft, Wirtschaft und Politik stehen hier gleichermaßen in der Verantwortung, aber auch den Medien kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. Angesichts der für den Nichtfachmann oftmals kaum zu überblickenden Komplexität technischer Zusammenhänge sind sachliche Information und objektive Berichterstattung notwendige Voraussetzungen, um eine stärkere Aufgeschlossenheit gegenüber den Chancen und Möglichkeiten der Technik zu erreichen. Dies gilt in besonderem Maße für den Schulbereich, wobei anzumerken ist, daß diejenigen Schülergruppen, die sich für ein natur- oder ingenieurwissenschaftliches Studium interessieren, in der Regel eine positive Grundeinstellung zur Technik mitbringen.
Mit dem in den letzten Jahren deutlichen Rückgang der Immatrikulationen an Technischen Universitäten wird ein Tatbestand angesprochen, dessen weitere Entwicklung auch von der Bundesregierung mit Sorge beobachtet wird. Dies gilt insbesondere für die natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge. Zur Verdeutlichung zunächst einige Daten der aktuellen amtlichen Statistik: Demnach ist die Zahl der Studienanfänger in den Natur- und Ingenieurwissenschaften an den Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland von 1992 bis 1995 um rd. 23,5 % (von rd. 107 600 auf 82 400) gesunken. In diesem Zeitraum lag der Rückgang in den Ingenieurwissenschaften mit rd. 25 % (von rd. 64 900 auf rd. 48 800) höher als in den Naturwissenschaften mit rd. 21 % (von rd. 42 700 auf rd. 33 600). Die Situation an einzelnen technisch orientierten Universitäten sieht dabei durchaus unterschiedlich aus. Während an einigen Standorten die Studienanfängerzahl um etwa ein Drittel, in einem Fall sogar um mehr als die Hälfte abgesunken war, erfolgte an anderen Standorten ein geringerer Rückgang, in wenigen Fällen sogar bereits eine gegenläufige Entwicklung. Zu berücksichtigen ist auch, daß an vielen Hochschulen durch die sinkenden Studienanfängerzahlen auch Überauslastungen abgebaut wurden.
Erklärungsansätze für den Rückgang der Studienanfängerzahlen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften müssen dabei unterschiedliche Einflußfaktoren einbeziehen:
- So ist der o. g. Rückgang der Studienanfängerzahlen 1992 bis 1995 auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in diesem Zeitraum zu sehen. Dieser beträgt rd. 9 %. Gleichwohl sind die natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge mit rd. 23,5 % deutlich überproportional betroffen.
- Als traditionell besonders konjunkturabhängige Fächer haben sich die in den letzten Jahren relativ plötzlich und deutlich verschlechterten Arbeitsmarktchancen der Absolventen entsprechend negativ auf das Studienwahlverhalten ausgewirkt.
Die gegenwärtige Situation ist dabei kein neues Phänomen. Durch marktwirtschaftliche Konjunkturverläufe bedingte Schwankungen der Studienanfängerzahlen wie auch der - durch lange Studienzeiten zeitverzögerten - Absolventenzahlen hat es auch in der Vergangenheit gerade auch im Ingenieurbereich wiederholt gegeben.
- Allerdings ist auch zu fragen, inwiefern sich hier neben den konjunkturabhängigen Schwankungen zusätzlich grundlegendere und langfristige Strukturveränderungen der Wirtschaft im Rahmen von Globalisierungsstrategien und Kostenreduzierungen im Produktions- und Personalbereich auswirken.
Den veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes an die Qualifikationen der Absolventen natur- und ingenieurwissenschaftlicher Fachrichtungen entsprechend, sind weitere inhaltliche und strukturelle Anpassungen der jeweiligen Studiengänge notwendig. Dies gilt insbesondere für die nicht-technischen Qualifikationsanforderungen im Bereich von Kommunikations- und Sozialkompetenzen. Angesichts der kurzen Innovationszyklen des Wissens gerade im technischen Bereich ist auch eine deutlichere Aufteilung zwischen grundständigen Studienangeboten und entsprechenden Weiterbildungsangeboten erforderlich.
Die erforderliche Neuorientierung der Ausbildung an den Hochschulen wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) im Einklang mit den Zielsetzungen der Hochschulstrukturreform nachhaltig gefordert. Für die aus Sicht des BMBF unbefriedigende und schleppende Umsetzung dieser Zielvorstellungen stehen allerdings in erster Linie die zuständigen Länder sowie die Hochschulen in der Verantwortung.
Angesichts der gegenwärtig allein im Ingenieurbereich mit rd. 40 000 sehr hohen Arbeitslosenzahl - darunter im übrigen eine beträchtliche Zahl junger Ingenieure unter 35 Jahren und Berufsanfänger - müssen auch die Unternehmen und Betriebe ihr Einstellungsverhalten, ihre Angebote und ihre Beteiligung am Qualifikationserhalt, an Weiterbildung und Teilzeit überdenken. Ausgehend vom Deutschen Ingenieurtag des letzten Jahres in Saarbrücken hat Bundesminister Dr. Rüttgers daher eine Initiative zum ,, Ingenieurdialog" mit den hier Verantwortlichen aus Wirtschaft, Hochschulen und Ländern ergriffen. Erste Ergebnisse des Ingenieurdialogs wird Bundesminister Dr. Rüttgers noch in diesem Jahr der Öffentlichkeit vorstellen.
Anlage 7
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 698. Sitzung am 14. Juni 1996 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen:
- Gesetz zur Änderung von Erstattungsvorschriften im sozialen Entschädigungsrecht (ErstÄG)
- Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen und des EG-Amtshilfe-Gesetzes
- Gesetz zur Änderung des AGB-Gesetzes und der Insolvenzordnung
- Markenrechtsänderungsgesetz 1996
- Allgemeines Magnetschwebebahngesetz (AMbG)
- Gesetz zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1994 über die Satzung der Europäischen Schulen
- Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 24. November 1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten
- Gesetz zu den Protokollen Nr. 1 und Nr. 2 vom 4. November 1993 zu dem Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
- Gesetz zu dem Abkommen vom 9. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik China über den Seeverkehr
- Gesetz zu dem Abkommen vom 10. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Bosnien und Herzegowina über den Luftverkehr
- Gesetz zu dem Abkommen vom 10. November 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Malediven über den Luftverkehr
- Gesetz zu dem Abkommen vom 9. September 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malta über den Luftverkehr
- Zwanzigstes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Siebzehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes
- Gesetz zur Feststellung des Bedarfs von Magnetschwebebahnen (Magnetschwebebahnbedarfsgesetz - MsbG)
Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt:
Die Bundesregierung wird aufgefordert sicherzustellen,
- daß der Bau der Transrapidstrecke Berlin-Hamburg nicht zu Kürzungen oder zur zeitlichen Streckung von Projekten nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz führt und
- daß Investitionsausgaben für den Bau des Fahrwegs der Magnetschwebebahn nach Maßgabe des Magnetschwebebahnbedarfsgesetzes vom Bund nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel finanziert werden.
Die Bundesregierung wird des weiteren aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß Kosten des Betriebs der Magnetschwebebahn Berlin-Hamburg nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert werden.
Begründung:
Mit seiner Entschließung verdeutlicht der Bundesrat - unabhängig von der Haltung einzelner Länder zur Referenzstrecke der Magnetschwebebahn - seine Auffassung, daß angesichts der bislang nicht abschließend geklärten Finanzierungsfragen Absicherungen notwendig sind. Sowohl im Interesse der Gleichstellung mit anderen Verkehrsträgern als auch im Hinblick auf die Investitions- und Folgekosten des Projekts selbst hält der Bundesrat die Wahrung des Vorrangs der Projekte nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz und den Haushaltsvorbehalt für erforderlich.
Angesichts der neuen Finanzierungsform, die gesetzlich nicht geregelt ist, bedarf es nach Ansicht des Bundesrates zusätzlich der Klarstellung, daß die Betriebslasten des Transrapid nicht aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren sind. Eine derartige Finanzierung von Betriebskosten bedeutet zudem eine Wettbewerbsverzerrung, die insbesondere den Fernverkehr der Bahn schlechter stellen würde.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 19. Juni 1996 ihren Antrag „Zügige Auszahlung der Kapitalentschädigung für ehemalige politische Häftlinge in den fünf neuen Bundesländern" - Drucksache 13/299 - und ihren Antrag „Unzulässige Verschärfung des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes des Bundes vom 21. August 1995 durch das Bayerische Schwangerenberatungsgesetz und das Bayerische Schwangerenhilfeergänzungsgesetz" - Drucksache 13/4827 - zurückgezogen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 14. Juni 1996 ihren Antrag „Einlösung der Versprechen von Rio auf der VN-Konferenz Habitat II in Istanbul" - Drucksache 13/4616 - zurückgezogen.
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht:
1. Unterrichtung durch die Bundesregierung
Förderung von Teilzeitbeschäftigung bei den Bundesressorts
- Drucksachen 12/6868, 13/725 Nr. 16 -
2. Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über das Prgramm zur Schaffung zusätzlicher Teilzeitarbeitsplätze im öffentlichen Dienst
- Drucksachen 12/6936, 13/725 Nr. 17 -
3. Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zu Punkt 16 „Mehr Teilzeitarbeit" des Aktionsprogramms für mehr Wachstum und Beschäftigung
- Drucksachen 12/6983, 13/725 Nr. 18 -
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat.
Innenausschuß
Drucksache 13/4466 Nr. 2.12 Drucksache 13/4466 Nr. 2.52 Drucksache 13/4466 Nr. 2.59 Drucksache 13/4514 Nr. 1.3 Drucksache 13/4514 Nr. 2.33
Finanzausschuß
Drucksache 13/4514 Nr. 1.2 Drucksache 13/4514 Nr. 2.28
Ausschuß für Wirtschaft
Drucksache 13/3668 Nr. 1.1 Drucksache 13/3668 Nr. 1.2 Drucksache 13/3668 Nr. 1.3 Drucksache 13/3668 Nr. 1.9 Drucksache 13/3668 Nr. 1.15 Drucksache 13/3668 Nr. 1.16 Drucksache 13/3668 Nr. 1.17 Drucksache 13/3668 Nr. 1.18 Drucksache 13/3668 Nr. 1.22 Drucksache 13/3668 Nr. 1.23 Drucksache 13/3668 Nr. 2.6 Drucksache 13/3668 Nr. 2.9 Drucksache 13/3668 Nr. 2.10 Drucksache 13/3668 Nr. 2.18 Drucksache 13/3668 Nr. 2.21 Drucksache 13/3668 Nr. 2.23 Drucksache 13/3668 Nr. 2.26 Drucksache 13/3668 Nr. 2.27 Drucksache 13/3668 Nr. 2.41 Drucksache 13/3668 Nr. 2.42 Drucksache 13/3668 Nr. 2.45 Drucksache 13/3668 Nr. 2.56 Drucksache 13/3668 Nr. 2.57 Drucksache 13/3668 Nr. 2.64 Drucksache 13/3668 Nr. 2.67 Drucksache 13/3668 Nr. 2.68 Drucksache 13/3668 Nr. 2.69 Drucksache 13/3668 Nr. 2.70 Drucksache 13/3668 Nr. 2.73 Drucksache 13/3790 Nr. 2.11 Drucksache 13/4137 Nr. 2.28 Drucksache 13/4466 Nr. 2.37 Drucksache 13/4514 Nr. 2.31
Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/3938 Nr. 2.9
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Drucksache 13/2988 Nr. 1.2
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Drucksache 13/3938 Nr. 1.2