Herr Kollege Solms, die Assoziation, die erzeugt werden sollte, war schon klar; sie war von anderen vorher auch schon in der Presse zu lesen. Auch Herr Hörster hat sich so ähnlich eingelassen.
Nun aber zur Sache, zunächst zur Gewerbesteuer. Es geht nicht isoliert darum, wie die SPD zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer steht. Es geht darum, daß diese Koalition endlich Klarheit über die Zukunft der Gewerbesteuer insgesamt schaffen muß. Will sie mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer den Einstieg in den Ausstieg, oder will sie den Gemeinden Planungssicherheit geben? Will sie bei der Gewerbeertragsteuer bleiben, will die Koalition insgesamt wie Herr Waigel sie sogar im Grundgesetz verankern und damit deren Aufkommen sichern? Dies ist bis heute unklar. Es wird vernebelt. Sie müssen die Antwort geben, was mit der Gewerbesteuer wird!
Angesichts der enormen Probleme, mit denen die Kommunen vor Ort zu tun haben, dem Abbau der Infrastruktur, dem Abbau des Sozialangebots, all dem, was auf der Tagesordnung steht, brauchen sie diese Planungssicherheit.
Zu Herrn Schäuble - ich nehme ihm nicht übel, daß er nicht mehr da ist - wollte ich nur sagen: Herr Lafontaine hatte recht, als er den Monti-Bericht zitierte.
Während, so steht es im Monti-Bericht ausdrücklich, die Arbeit allerdings immer höher belastet wurde, sank die steuerliche Belastung der übrigen Produktionsfaktoren insgesamt. So, wie es Lafontaine hier dargestellt hat, war es genau richtig.
Zurück zu unserem fulminanten Finanzminister Waigel. Schon heute ist abzusehen, daß beim Jahressteuergesetz 1997 das gleiche Beratungschaos und die gleiche Beratungshektik entstehen werden wie bei allen Steuergesetzen der letzten Jahre. Die Verantwortung dafür trägt einzig und allein die Bundesregierung, denn sie zwingt das Parlament, Gesetze in einer Weise zu beraten, die mit einem ordnungsgemäßen Verfahren nichts mehr zu tun haben.
Wir überweisen heute in erster Lesung ein Gesetz an die Ausschüsse, das schon für den Beginn dieses Jahres angekündigt war. Aber die Bundesregierung hat ihren Gesetzentwurf, der mit dem heute vorliegenden Entwurf der Koalitionsfraktionen identisch ist, bewußt verschleppt, weil sie sich davon parteipolitische Vorteile versprochen hat.
Der erste Grund hierfür ist: Vor den Landtagswahlen am 24. März wollten Sie den Wählern nicht die Wahrheit sagen: nicht die Wahrheit über die Lage der Staatsfinanzen, nicht die Wahrheit über die Einschnitte, die Sie vorhaben. Monatelang haben Sie behauptet, Sie müßten erst die Ergebnisse der Steuerschätzung im Mai abwarten, denn erst danach hätten Sie die notwendige Klarheit. Dies war aber nur vorgeschoben. Sie sagten: So ist es.
Sie haben die Öffentlichkeit absichtlich getäuscht. Ich zitiere den Bundesfinanzminister aus seiner Presseerklärung zu den Ergebnissen der Steuerschätzung vom 15. Mai 1996: Diese Ergebnisse „sind von der Bundesregierung seit längerem erwartet" worden. Das habe sich schon seit dem Spätsommer 1995 abgezeichnet.
Ja, wenn Sie das alles schon so lange gewußt haben, warum haben Sie sich als Bundesfinanzminister nicht hingestellt, Ihrer Verantwortung gerecht werdend, und dies auch der Öffentlichkeit gesagt? Dazu haben Ihnen Wille und Mut gefehlt,
weil Sie auf Geheiß des Bundeskanzlers und zur Stützung Ihres maroden Koalitionspartners handeln mußten. Die Politik dieser Bundesregierung ist von Falschinformation, Verschleierung, Unwahrheiten und Halbwahrheiten gekennzeichnet.
Was ist das für ein Umgang mit dem Parlament, mit den Bürgerinnen und Bürgern und mit der gesamten deutschen Öffentlichkeit?
Es gibt noch einen zweiten Grund für das Verschleppen Ihres Entwurfs zum Jahressteuergesetz 1997. Sie wollten zum Jahresende Zeitdruck erzeugen, um die Vermögensteuer zu beseitigen. Der Finanzminister selbst hat mit diesem Fristablauf gedroht, wenn die Länder seinen Plänen nicht zustimmen. Das ist kein Stil für den parlamentarischen Entscheidungsablauf. Das ist brutale parteipolitische Instrumentalisierung.
Die Steuer- und Finanzpolitik dieser Regierung verletzt zentrale Grundsätze der Besteuerung. Sie setzt sie zur bewußten Umverteilung von unten nach oben ein - das kann mit Zahlen belegt werden - und zur Klientelbedienung in einem bisher nicht vorstellbaren Ausmaß. Diese Politik der Klientelbedienung und der sozialen Kälte wird von Ihnen semantisch als Politik zur Standortsicherung verschleiert. Die Koalition betreibt tatsächlich pure Gefälligkeitspolitik. Unser Land braucht aber eine solide Steuerreformpolitik.
Joachim Poß
Die bisher aus Ihren Reihen bekanntgewordenen Vorschläge für eine Reform der Einkommensbesteuerung sind auf billigen Stimmenfang angelegt und finanzpolitisch völlig unseriös. Mit Steuergerechtigkeit haben diese Vorschläge überhaupt nichts zu tun.
Seit dem letzten Wochenende hat die F.D.P. nun ihr Stufenmodell. Es bedeutet im Klartext: Progression nur noch für kleinere und mittlere Einkommen, einheitlicher Grenzsteuersatz für die Bezieher hoher Einkommen. Wer als Alleinstehender 5 000 DM im Monat verdient, soll den gleichen Steuersatz haben wie jemand, der 50 000 DM im Monat verdient. Daß es keine Progression mehr geben soll, ist ein schwerer Verstoß gegen die Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit.
Legt man die Durchschnittsbelastung zugrunde, dann ergibt sich nach dem F.D.P.-Stufenmodell für einen Verheirateten mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 200 000 DM eine Steuerbelastung von etwa 25 Prozent. Das ist Klassenkampf von oben mit Hilfe der Steuerpolitik.
Der von der F.D.P. vorgeschlagene Stufentarif ist aber nicht nur unsozial, er ist auch unseriös. Er reißt riesige Finanzlöcher auf, die F.D.P. selbst gibt bereits ein Finanzloch von rund 75 Milliarden DM zu. Das bei den Haushaltsproblemen des Bundes, der Länder und der Kommunen. Das gleiche gilt für den Vorschlag von Herrn Uldall. Hier gibt es sogar noch höhere Ausfälle. Solche Vorschläge sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
Von allen Fachleuten werden diese Stufentarife deshalb zu Recht abgelehnt. Es ist schon ein trauriges Bild, das Sie bei den Reformen der Einkommensbesteuerung abgeben. Erst die kläglichen Versuche bei der Freistellung des Existenzminimums, Buckeltarif usw., und jetzt diese absurden Stufentarife.
Wer eine grundlegende Einkommensteuerreform will, muß sich zuerst ernsthaft Gedanken machen, welche steuerlichen Vergünstigungen und Ausnahmeregelungen er beseitigen will. Dann läßt sich das zur Verfügung stehende Finanzvolumen abschätzen. Ein größeres Volumen erreicht man auch durch konsequente Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht.
Erst dann kann man über Tarifstrukturen reden.
Aber Ihnen geht es gar nicht um eine ernsthafte Reform; es geht Ihnen um Augenwischerei. Sie wollen gar nicht ernsthaft Vergünstigungen abbauen.
Das Jahressteuergesetz 1997 ist dafür ein weiteres Beispiel. Unter „Zielsetzung" steht in Ihrem Gesetzentwurf - schauen Sie nach; das ist Seite 1 -: Abbau von Steuervergünstigungen. Das hat auch Herr Waigel heute morgen erwähnt.
Ein Blick in den Teil „Finanzielle Auswirkungen des Gesetzes" zeigt folgendes: Abbau steuerlicher Vergünstigungen in Höhe von 75 Millionen DM - es handelt sich um den Wegfall der Sonderabschreibungen für Schiffe und Flugzeuge, die ich hier jetzt gar nicht inhaltlich bewerten will -, Ausweitung der steuerlichen Vergünstigungen in Höhe von 400 Millionen DM, nämlich bei der Ansparabschreibung und bei den häuslichen Beschäftigungsverhältnissen. Im Ergebnis ist das also eine Ausweitung von 325 Millionen DM.
Wenn Sie ehrlich wären, hätten Sie nicht in das Gesetz schreiben dürfen: „Abbau steuerlicher Vergünstigungen", sondern Sie hätten schreiben müssen: Ausweitung steuerlicher Vergünstigungen.
Das ist ein Etikettenschwindel, der allerdings charakteristisch für Ihre Politik ist.
Wir haben für die häuslichen Beschäftigungsverhältnisse ein Modell entwickelt, das eine einkommensunabhängige Förderung außerhalb des Steuerrechts vorsieht. Das ist konkrete Steuervereinfachung; die Förderung ist einkommensunabhängig und wird transparent ausgewiesen. Nur, Sie haben gar kein Interesse daran, weil Sie bewußt die einkommensstärkeren Gruppen bevorteilen wollen, und Sie nehmen dafür massive Mißbrauchsmöglichkeiten bewußt in Kauf, wenn Sie eine Regelung im Steuerrecht wollen. Deswegen lehnen wir Ihren Vorschlag ab; unser Vorschlag ist nämlich besser.
Der eigentliche Knackpunkt dieses Gesetzes ist ein verteilungspolitischer Skandal ersten Ranges. Sie haben keine Skrupel, beschlossene Gesetze wieder zu kassieren, um Vermögensmillionären Geschenke in Milliardenhöhe zu machen. Sie wollen die gesetzlich bereits beschlossene Erhöhung des Kindergeldes und des Grundfreibetrags verschieben.
Bei den Familien mit zwei Kindern sammeln Sie pro Monat 40 DM ein. Bei den großen Privatvermögen teilen Sie Geschenke aus, die für einzelne in die Millionen gehen. Die Bundesregierung garantiert einzelnen Vermögensmillionären jedes Jahr einen Volltreffer im Lotto - den Einsatz sollen die Familien mit Kindern und die Bezieher kleiner Einkommen bezahlen. Darum geht es hier.
Sie sagen, da die Sozialhilfe nicht angepaßt werde, sei eine Verschiebung beim Kindergeld und beim
Joachim Poß
Grundfreibetrag zumutbar. Das ist blanker Zynismus. Wenn Sie Ihre Argumentation zu Ende denken, heißt das: Wenn Sie die Sozialhilfe ganz abschaffen, dann brauchen Sie überhaupt kein Kindergeld und auch keinen Grundfreibetrag mehr. Das ist, auf den Punkt gebracht, der Kern Ihrer Politik, und das ist die Linie, die der Bundeskanzler vorgegeben hat - wörtlich, so nachzulesen in der FAZ vom 14. Mai -: „Durchstarten oder abdanken" .
Nein, meine Damen und Herren, in bezug auf diesen verteilungspolitischen Skandal werden Sie sich einer Auseinandersetzung stellen müssen. Hier müssen Sie Farbe bekennen. Es wird Ihnen nicht gelingen, Ihre Position zu verschleiern oder hinter falschen Argumenten zu verstecken.
Die Behauptung, die Abschaffung der Vermögensteuer sei nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zwingend,
ist schlicht falsch. Das Gericht faßt das Ergebnis seiner Prüfung wie folgt zusammen - ich zitiere aus dem Urteil -: „Das Konzept der geltenden Vermögensteuer entspricht den Anforderungen" . Wenn Sie also die Vermögensteuer abschaffen wollen, dann können Sie sich nicht auf das Verfassungsgericht berufen. Sie können sich nicht hinter dem Urteil verstecken.
Wir bleiben dabei: Das Vorhandensein von Vermögen begründet eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das war seit eh und je die Auffassung des Bundesgesetzgebers und auch des Bundesfinanzministers. Diese Begründung steht wörtlich in der Broschüre des Finanzministers „Unsere Steuern von A bis Z", auch noch in der Ausgabe 1995.
In der erst vor einigen Tagen neu aufgelegten Ausgabe 1996 werden Sie diese Passage aber vergeblich suchen. Der Bundesfinanzminister hat offensichtlich angeordnet, daß diese Passage gestrichen wird, weil sie ihn jetzt bei seinen Plänen stört.