Rede von
Dr.
Antje
Vollmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich jedenfalls war in Nürnberg dabei und habe die Rede des Herrn Finanzministers gehört. Deswegen kann ich sie auch beurteilen.
Ich würde gegenüber manchen anderen Interpretationen tatsächlich sagen: So viel dramatischer als im Jahr zuvor war sie nicht.
Sie war sogar, mit Verlaub, in manchen Passagen ganz genau so wie die Rede im Jahr zuvor.
Das war dann für gerade dieses Jahr vielleicht etwas zuwenig.
Ich kann das sagen: Ich habe mich auf dem Sudetendeutschen Tag ein bißchen wie auf einem CSU- Parteitag gefühlt.
Das ist auf Dauer nicht gut.
Die Rede hat übrigens zu laut gefordert, wovon Sie eigentlich schon wissen müssen, daß es längst in den Gesprächen und in den ausgearbeiteten Erklärungen enthalten ist. Diesen Charakter darf eine Rede in dieser Situation vor diesen Zuhörern nicht haben: Man darf nicht pathetisch, lauthals den Eindruck erwekken, die Dinge ständen anders, als sie, wie Sie wohl wissen, wirklich stehen.
Das zweite, das Sie, glaube ich, nicht bedacht haben, ist ein Unterschied zwischen den Sudetendeutschen Tagen vor zehn Jahren oder vor fünf Jahren und der heutigen Situation: Sie haben nämlich inzwischen ein zweites sehr sensibles, hochaufmerksames Publikum für diese Reden, und das ist die deutsche Öffentlichkeit. Die deutsche Öffentlichkeit - das kann man ganz sicher sagen - versteht, je mehr Monate und Jahre ins Land gehen, immer weniger, worin noch so ein Problem besteht, daß wir mit den tschechischen Nachbarn keinen Frieden schließen können.
Das dritte Publikum war die tschechische Öffentlichkeit. Man kann sich fragen, ob Sie mit dieser Rede Ihren Parteikollegen in Prag einen wirklichen Dienst erwiesen haben; die Wahlergebnisse sprechen nicht dafür. Diese tschechische Öffentlichkeit hat - daß das bedacht wird, vermisse ich manchmal bei den CSU-Politikern und auch bei Vertretern der Sudetendeutschen Landsmannschaft - eine solch erstaunliche Entwicklung gemacht - gerade auch in bezug auf die Debatte über ihre eigene Vergangenheit -, sie hat einen solchen Schritt nach vorne gemacht in der Bereitschaft, darüber zu diskutieren, sie hat eine solche demokratische Reife gezeigt - auch die Sozialdemokraten -, indem sie die nationale Karte nicht gezogen hat; daß ich denke: Sie hat sich schneller bewegt und politischer gesprochen als Sie auf diesem Tag.
Wir sollten uns mit der Vergangenheit und mit Reden, die in der Vergangenheit gehalten wurden, eigentlich nicht länger aufhalten. Wir sollten gucken: In welcher Lage sind wir in bezug auf die Zukunft und in bezug auf die Erklärungen zwischen den beiden Parlamenten? Da sind wir tatsächlich in einer sehr schwierigen Situation; das habe ich die ganze Zeit über befürchtet. Auch in der Politik muß man die Eisen schmieden, wenn sie heiß sind. Dinge, die zu tun Regierungen Vollmacht haben, darf man auch gegenüber Landsmannschaften nicht immer und immer wieder auf die lange Bank schieben. Man darf nicht immer und immer wieder auf den nächsten Sudetendeutschen Tag warten.
Da erwarte gerade ich von denen, die besondere Freunde der Sudetendeutschen sind, nämlich von den Mitgliedern und führenden Vertretern der CSU, daß endlich auch sie ihren Part spielen, wenn die Brücke geschlagen wird, damit diese Erklärung zustande kommt. Ich denke, daß auch Sie seit langem sehen, daß auch zum Beispiel ich und Vertreter meiner Partei und der Sozialdemokraten sich bemühen, die Spitze ihrer Möglichkeiten auszunutzen, damit endlich diese Erklärung zustande kommt.
Sie bezeichnen die Sudetendeutschen als vierten Stand Bayerns, und Sie haben immer Ihre besondere Nähe zu ihnen betont. Ihr Part ist nun, denen zu sagen: Das war das politisch Mögliche, was wir für euch erreicht haben;
Dr. Antje Vollmer
jetzt ist es genug. Ich bin immer davon ausgegangen: Es geht nicht ohne die Bereitschaft eines großen Teils der Sudetendeutschen; es geht nicht ohne die Mitwirkung Bayerns. Aber diese zu formulieren, das genau erwarte ich von den Vertretern der CSU. Das bedeutet auch ein bißchen Tapferkeit gegenüber dem Freund.
Sie dürfen nicht aus innenpolitischen Gründen den Sudetendeutschen immer nur nach dem Munde reden. Damit sind Sie nicht auf der Höhe der Zeit.
Es ist ein ganz dringlicher und wirklich ernsthafter Wunsch von mir, daß Sie endlich diese Rolle spielen.
Denn im Moment ist die Lage in bezug auf den Abschluß von Erklärungen schwierig. Wir haben keinen Partner in der Tschechischen Republik, mit dem wir sie abschließen könnten. Wir könnten aber von unserer Seite durch die Bereitschaft zur Versöhnung einiges dafür tun, daß die Regierungsbildung in der Tschechischen Republik einfacher wird.
Ich will noch eines sagen. Durch den Prozeß der Entwicklung der Debatte in der Tschechischen Republik hat sich die Politik des Außenministers Zieleniec, der immer auf den Konsens mit den Sozialdemokraten gesetzt hat, als außerordentlich klug und weitsichtig erwiesen. Das sollten wir in diesem Hause ruhig einmal sagen. Es hat nämlich manchmal auch andere Stimmen gegenüber diesem Außenminister gegeben. Ich finde, er ist ein hochpolitischer Partner, der die schwierige Konsensbildung in seinem Land auch in bezug auf die Vergangenheitsdebatte vorangebracht hat. Ich denke, mit diesem Partner und mit den Partnern im tschechischen Parlament insgesamt sollten wir dieses Stück der Politik, diesen letzten Stein der deutschen Außenpolitik, endlich zum Ende bringen.
Ich danke Ihnen.