Rede von
Hans
Klein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Verheugen, über große Teile Ihrer Rede könnte man reden. Sie sollten aber die sudetendeut-
Hans Klein
schen Sozialdemokraten für Ihre Argumentation tunlichst nicht in Anspruch nehmen.
Denn was Männer wie Jaksch, Wanka, Hochfelder - ich weiß nicht, wie weit Ihnen die Namen vertraut sind -
zu dieser Frage erklärt haben, steht in diametralem Gegensatz zu dem, was Sie eben hier gesagt haben.
Im übrigen stelle ich mir die Frage: Was wollten Sie eigentlich wirklich damit erreichen, sich unter diesem scheinheiligen Vorwand mit der Rede des Bundesfinanzministers in Nürnberg auseinanderzusetzen? Sie haben überhaupt nichts zu seiner Rede gesagt,
kein Wort - außer einer allgemeinen polemischen Bemerkung über „Waigel und Stoiber" , wie Sie das nannten.
Wo sind wir denn? Sie kommen als SPD hierher und sagen, Sie müßten sich mit der Rede auseinandersetzen, die Sie nicht gehört
und offensichtlich auch nicht gelesen haben. Wenn Sie sie vor sich liegen haben, heißt das noch nicht, daß Sie sie gelesen haben.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wem nützen Sie mit dieser Debatte? Wessen Interessen vertreten Sie?
Die der Sudetendeutschen nicht, die der Deutschen auch nicht.
Auch den tschechischen Interessen dient es nicht, daß wir hier Gespräche dieser Art führen.
Im Gegensatz zu fast allen anderen in diesem Hohen Hause hatte ich den Vorzug - ich meine wirklich Vorzug -, die Rede des Bundesfinanzministers in Nürnberg zu hören.
Dabei handelte es sich um die Beschreibung eines Stücks deutscher Geschichte, auch eines Stücks persönlicher Geschichte: von dem Bauernbuben aus Oberrohr, dem eine sudetendeutsche Familie damals das Tor zur Welt aufgestoßen hat. Da sprach ein
Mann in Dankbarkeit über das Zusammentreffen mit den vertriebenen Sudetendeutschen. Das war das Kernstück seiner Rede.
Darüber kann man doch jetzt nicht hinweggehen, als wäre das eine billige polemische Sonntagsrede gewesen.
Ich frage Sie: Glauben Sie im Ernst, daß man mit dieser Art der Einforderung von Papieren, Kompromißformeln und mühsam ausgehandelten, im Grunde genommen inhaltslosen Worthülsen der Versöhnung von zwei Völkern dient?
Die Versöhnung der Menschen ist sehr viel weiter fortgeschritten, als Sie das hier beschreiben.
Aber es kann doch wohl nicht sein, daß Sie hier sagen, verehrter Herr Kollege Verheugen: Die sudetendeutsche Landsmannschaft - was ist das schon? Was sind schon 3 Millionen Menschen?
Wenn auch nur ein Teil von ihnen - aber ein großer Teil - in dieser Landsmannschaft organisiert ist - -
- Entschuldigung, Sie reden hier - nicht in dieser Debatte, aber bei anderer Gelegenheit - mit großer Verve über die Menschenrechte in Tibet.
Aber die Menschenrechte von 3 Millionen von Haus und Hof Verjagten sind Ihrer Meinung nach eine Sache, die Sie nur noch mit einem Nebensatz abtun.
240 000 Ermordete erwähnen Sie nur noch in einem Nebensatz.
Herr Meckel, Sie haben in Ihrer letzten Rede ein paar bemerkenswerte Äußerungen gemacht. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, haben Sie gesagt: Es hilft uns nichts, wenn wir mit dem Unrecht vor oder nach 1945 argumentieren.
Diese Meinung teile ich. Es muß aber erst einmal auf beiden Seiten bekannt werden.
Wir müssen es auf beiden Seiten bekennen.
Hans Klein
Es geht auch nicht, daß wir nur von den deutschen Verbrechen und von dem den Deutschen widerfahrenen Unrecht reden. Verbrechen sind auf beiden Seiten geschehen. Wir müssen auf das Rechtsempfinden der Menschen - für mich sind wir alle Menschen: die Tschechen wie die Sudetendeutschen -
Rücksicht nehmen. Das ist unsere Aufgabe in diesem Hohen Hause.