Rede von
Dr.
Christian
Ruck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stellen fest, daß die Vernichtung der Tropenwälder ein erschreckendes Maß erreicht hat und unvermindert anhält, trotz der Konferenz von Rio. Das weltweite Desaster in den Wäldern und Savannen hat sich noch verstärkt, da inzwischen durch die Verhältnisse in Rußland auch weite Teile der nördlichen Wälder kurz und klein geschlagen werden. Die Vernichtungsrate zeigt eher steigende Tendenz, und allein zum Brennholzsammeln werden im Jahr 2000 rund 2,4 Milliarden Menschen mehr Holz in ihrer Umgebung abschlagen, als nachwachsen kann.
Dies bedeutet, daß wir mit unveränderter Geschwindigkeit auf die ökologischen und ökonomischen Folgen dieser Naturzerstörung zurasen - sie wurden zum Teil schon genannt: regionale und globale Klimaverschlechterung, Verknappung der Süßwasserreserven usw. - mit all den schlimmen bekannten und prognostizierten Folgen für den Lebenswert ganzer Regionen, für die Lebenschancen ganzer Völker und für die ganze Völkergemeinschaft.
In einer so dramatischen Situation ist es richtig und wichtig - auch wenn es jetzt schon Freitag nachmittag ist -, vorbehaltlos zu diskutieren, was wir anders oder besser machen müssen. Aber dabei gilt es auch, die Erfolge zu sehen, die uns Perspektiven aufzeigen können: Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist nicht nur quantitativ im Tropenwaldschutz Vorreiter, sondern hat, Herr Schubert, den natürlichen Ressourcenschutz als Querschnittsaufgabe in fast allen Projekten und Programmen fest verankert.
Die globale Umweltfazilität von Weltbank und Vereinten Nationen hat ihre Pilotphase bestanden und leistet gute Arbeit. Unbestritten hat sich auch bei den internationalen Entwicklungsbanken, insbesondere der Weltbank, ein Sinneswandel vollzogen. Selbst in Brasilien - das muß man gerechterweise sagen - ist vieles zum Besseren in Bewegung gekommen.
Nach zähem Vorlauf sind viele unserer bilateralen oder von uns initiierten multilateralen Programme und Projekte in Gang gekommen und laufen gut. Als Beispiele nenne ich die Sicherung der Waldschutzzonen und die Verbesserung der Wasserwirtschaft, etwa im Süden Brasiliens. Manche Länderregierungen in Brasilien sind dabei äußerst engagiert, zum Beispiel in Amapa. Selbst der berühmt-berüchtigte Gouverneur des Bundesstaates Amazonas, Herr Mendez, der vorher angeblich im Wahlkampf kostenlos Kettensägen verteilt hat, soll eine Wendung um 180 Grad vollzogen haben. Auch höre ich von unseren Entwicklungsexperten vor Ort, daß die brasilianische Bundesregierung und die Parlamentarier in Brasilien im Laufe der letzten Jahre einen spürbaren Meinungswandel zugunsten des Tropenwaldschutzes vollzogen haben und daß es gerade Präsident Cardoso ist, der das seit 1995 spürbar anschiebt.
Aber wir sehen natürlich auch mit großer Sorge die neuen Tendenzen in der Indianerpolitik Brasiliens. Ich glaube, das haben alle, Bundesregierung, Parlamentarier und Nichtregierungsorganisationen, zum Ausdruck gebracht. Die brasilianische Regierung wiederum hat durch den Justizminister immer wieder erklärt, daß sich für die Indianer auch mit dem neuen Dekret nichts zum Negativen ändern wird. Hier sollten wir ihn beim Wort nehmen und warten,
Dr. Christian Ruck
was am 8. Juli passiert, wenn die Katze aus dem Sack gelassen wird, und dann entsprechend reagieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, viele Projekte und Projekterfolge im einzelnen und auch manch positiver politischer Meinungswandel in den Entwicklungsländern selbst und bei uns können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Maßnahmen zum Schutz und zur Rettung der Wälder allgemein und der Tropenwälder im besonderen weltweit verbessert und intensiviert werden müssen, und zwar sowohl von unserer Seite aus als auch in den Tropenländern selbst. Lassen Sie mich dabei fünf Punkte nennen, die aus meiner Sicht für einen langfristigen Erfolg unserer Politik unabdingbar sind.
Erstens. Auch gute Umweltvorhaben in der Entwicklungspolitik können noch verbessert und ausgeweitet werden, insbesondere auch in internationaler Sicht. Ich denke dabei zum Beispiel an Projekte, bei denen gerade der Schutz der Wälder gegenwärtiges und zukünftiges Einkommen für die Bevölkerung vor Ort garantiert - hier haben wir einige gute Beispiele etwa im Bereich von Nationalparkprojekten, wo die umwohnende Bevölkerung wirklich unmittelbar das Geld bekommt, das dort verdient wird -, an Programme, die eine breitere Umweltbildung in der Bevölkerung und bei den Entscheidungsträgern vermitteln, an Hilfe beim Aufbau einer effizienten Umweltadministration und Umweltgesetzgebung und schließlich an Programme, mit denen bereits erprobte Methoden der nachhaltigen Waldnutzung und einer umweltverträglichen Landesplanung und Raumordnung in großem Maßstab durchgesetzt werden.
Ich glaube, zu einer Schicksalsfrage in der Entwicklungszusammenarbeit wird auch der Transfer von Technologie, und zwar gerade im Energiebereich. Dabei muß es durch angepaßte Technologie gelingen, den unglaublichen Brennholzbedarf gerade in der Dritten Welt zu befriedigen und so allmählich wieder annähernd eine Balance zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen.
- Frau Eid, die Bundesregierung tut hier, glaube ich, was sie kann. Nur gibt es hier auch einige Akzeptanzschranken in der Dritten Welt - das haben wir neulich diskutiert -, für deren Überwindung wir erst noch ein Rezept finden müssen.
- Auch bei uns. Dazu komme ich noch.
Zweitens. Wir müssen noch stärker als bisher die Ursachen oder Begleiterscheinungen der Umweltzerstörung an der Wurzel packen, das heißt - das wurde auch von meinen Vorrednern schon betont - die Armutsbekämpfung und die Eindämmung des Bevölkerungswachstums verstärken. - Der neueste Bevölkerungsbericht bestätigt übrigens, daß der Kampf gegen letzteres nicht so hoffnungslos ist, wie mancher gedacht hat. - Dies bedeutet auch das Einwirken auf die internationalen und vor allem nationalen Rahmenbedingungen. So wäre zum Beispiel eine Erhöhung der Entwicklungshilfe oder eine weitere Entschuldung in vielen Ländern Lateinamerikas, zum Beispiel auch in Brasilien, ohne eine effiziente Sozial- und Agrarreform vollkommen sinnlos.
Drittens. Bei dem Versuch, durch nationale und internationale Vereinbarungen das Eigeninteresse der Tropenwaldländer an der Erhaltung ihrer Naturschätze zu wecken, müssen wir in den nächsten Jahren endlich einen Durchbruch erzielen. Das gilt sowohl für eine praktikable Kennzeichnung von Tropenholz aus umweltverträglicher Holzgewinnung als auch für Modelle zum Beispiel in Costa Rica, mit denen das ungeheure wissenschaftliche Potential von Tropenwäldern beispielsweise für die internationale Medizin und Pharmazie in einem fairen Interessenausgleich zwischen waldbesitzendem Land und High-Tech-Forschungsland genutzt werden kann.
Viertens. Die internationale Entwicklungspolitik leidet nach wie vor an gewaltigen Einbußen ihrer Schlagkraft, weil sie von seiten der Gebernationen noch zu wenig koordiniert ist. Die Umwelt- und Entwicklungsinstitutionen der Vereinten Nationen beispielsweise sind schwachbrüstig und in viele Einzelteile zerfleddert. Auch die Arbeitsteilung zwischen Europäischer Union und den Einzelstaaten ist in der Entwicklung nicht vorhanden, und - was noch schlimmer ist - selbst die bilateralen Entwicklungspolitiken innerhalb der Geberländer widersprechen sich oft gegenseitig diametral, zum Beispiel die Deutschlands und Frankreichs zum Thema Tropenwaldschutz oder die Deutschlands und Japans.
Schließlich fünftens. Gerade der Fall Brasilien zeigt uns, wie wenig wir insgesamt Einfluß auf die Entwicklungs- und Umweltpolitik reicher, großer und selbstbewußter Tropenwaldstaaten nehmen können. Wir können Projekte anbieten, wir können Know-how anbieten, aber ansonsten können wir vor allem nur versuchen, auf allen Ebenen politische Überzeugungsarbeit zu leisten. Dies gilt nicht nur für Reisende in Sachen Umwelt- und Entwicklungspolitik.
Wir sind allerdings bei unserem Einwirken auf Politiker der Tropenwaldländer um so glaubwürdiger, je ernsthafter wir unser Kooperationsangebot gestalten - zum Beispiel im Rahmen der weiteren Öffnung unserer Märkte - und je ernsthafter und entschlossener wir in unserem eigenen Natur- und Umweltschutz in den nächsten Jahren vorankommen.