Rede von
Eva-Maria
Bulling-Schröter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung stellt fest, daß nur 2 bis 10 Prozent der Tropenwaldvernichtung aus unsachgemäßen Formen der Holznutzung resultieren. Nur zu einem verschwindend kleinen Teil sei Deutschland an Importen von Tropenholz beteiligt. Das mag alles sein. Ist sie deshalb aber weniger verantwortlich?
Nein, denn Deutschland setzt als drittgrößter Gläubiger der Entwicklungsstaaten genauso wie IWF und Weltbank bei seinen Wirtschaftsbeziehungen auf Privatisierung, Deregulierung und Freihandel. Mangels industrieller Basis kann die Schuldenlast der Trikontländer nur noch mit weiter ausgedehnter Land- und Forstwirtschaft sowie mit Rohstofflieferungen, also mit Naturzerstörung, ausgeglichen werden. Dem fällt in vielen Ländern auch der Regenwald zum Opfer.
Dies passiert in einem Prozeß, in dem - wie die Bundesregierung feststellt - in Relation zu den Industriegütern die Preise für Agrargüter ständig zurückgehen.
Eva Bulling-Schröter
Ein Bericht des „World Wide Fund for Nature" weist nach, daß das Wirtschaftswachstum in Costa Rica Milliardenwerte an natürlichen Ressourcen gekostet hat. Der Aufbau von riesigen Rinderherden zur Steigerung von Handelseinnahmen zerstörte die traditionelle Landwirtschaft genauso wie große Waldgebiete. Die einsetzende Erosion verwüstet fruchtbares Land. Die Wirtschaft wuchs zwar nominell, doch der Wert der Wälder, Acker und Fischbestände sank in 20 Jahren um 4 Milliarden US-Dollar.
Die von Brasilien in den letzten Jahren erwirtschafteten Handelsüberschüsse gingen vollständig zur Schuldentilgung drauf. Mehr als ein Drittel der Ausfuhren bezog sich dabei auf Produkte der Land- und Forstwirtschaft oder des Bergbaus.
Die Schuldenlast ist bis heute nur geringfügig auf unter 100 Milliarden Dollar gesunken. Aber zu welchem Preis? - Der Druck der Gläubiger hat Brasilien eine neoliberale Wirtschaftspolitik aufgezwungen. Die Wirtschaft ist gewachsen; die Inflation gebremst. Der durchschnittliche Monatslohn eines Brasilianers ist allerdings seit 1983 um ein Drittel gesunken, während umgekehrt der Monatsverdienst der Reichsten um 18 Prozent stieg.
40 Prozent der Brasilianer arbeiten bitterarm in der Schattenwirtschaft, hauptsächlich auf dem Land. Sie werden von Latifundistas benutzt, um immer neue Feld- und Weidegebiete zu erschließen. Dabei werden der Regenwald und die Siedlungsgebiete der Ureinwohner zerstört.
Wen wundert es, daß Bonner Programme zum Schutz der brasilianischen Indianer weitgehend ins Leere laufen? Gerade sind rund 3 000 brasilianische Goldsucher in das Gebiet der Yanomani-Indianer eingedrungen, weil das Reservat am Amazonas seit März aus finanziellen Gründen nicht mehr von der nationalen Indianerbehörde überwacht werden kann. Tragisch!
Ein Stopp der Regenwaldvernichtung und der Schutz der dortigen Bewohner erfordern in erster Linie nicht punktuelle Hilfsprogramme, sondern eine umfassende Neuorientierung der internationalen wirtschafts- und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der Länder.