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    Plenarprotokoll 13/107 (Zu diesem Protokoll folgt ein Nachtrag) Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 107. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Mai 1996 Inhalt: Wahl der Abgeordneten Erika Reinhardt zur Schriftführerin 9347 A Erweiterung der Tagesordnung 9347 B Geänderte Ausschußüberweisung . . 9348A Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksache 13/4610) 9348 B b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetz) (Drucksache 13/4611) . 9348 B c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) (Drucksache 13/4612) 9348 C d) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit (Drucksache 13/4613) . . . 9348 C e) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksache 13/4614) . . . 9348 C f) Antrag der Gruppe der PDS: Soziale Grundsicherung gegen Armut und Abhängigkeit, für mehr soziale Gerechtigkeit und ein selbstbestimmtes Leben (Drucksache 13/3628) 9348 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ökologisch gestalten, soziale Gerechtigkeit wahren und kommende Generationen entlasten (Drucksache 13/4671) 9348 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitsrechtliche Reformen als Baustein zur Neugestaltung der Arbeit (Drucksache 13/4672) 9349 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunftsfähigkeit durch sozialstaatliche Innovationen gewinnen (Drucksache 13/4674 vom 22. Mai 1996) . 9349 A Michael Glos CDU/CSU 9349 B Rudolf Dreßler SPD 9354 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9359 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 9362 C Dr. Gregor Gysi PDS 9365B, 9377 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 9367 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 9368 B, 9378 B Rudolf Dreßler SPD 9368 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 9371 B Ulrike Mascher SPD 9371 D Rudolf Scharping SPD 9373 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . 9378 C, 9385 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9379 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . 9381 D Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 9382 B, 9388 D Detlev von Larcher SPD 9383 D Dr. Karl H. Fell CDU/CSU 9384 A Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 9384 C Margot von Renesse SPD 9384 C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9385 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . 9387 A Dr. Christa Luft PDS 9388 B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 9390 A Ottmar Schreiner SPD 9390 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 9391D, 9392 B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . 9392 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . 9393D, 9394 C Julius Louven CDU/CSU 9395 B Peter Dreßen SPD 9396 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 9397 C Dr. Gisela Babel F.D.P 9398 D Ulrike Mascher SPD 9401 B Ernst Hinsken CDU/CSU 9401 D Wolfgang Vogt (Düren) CDU/CSU . . . 9404 B Tagesordnungspunkt 4: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern - Neunter Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung zum Neunten Jugendbericht - zu dem Entschließungsantrag des Abgeordneten Matthias Berninger und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern - Neunter Jugendbericht - zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern - Neunter Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung zum Neunten Jugendbericht (Drucksachen 13/70, 13/709, 13/726, 13/3314) 9406 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 9406 B Christel Hanewinckel SPD 9408 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9409 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 9411 B Rosel Neuhäuser PDS 9412 D Johannes Singhammer CDU/CSU . . 9413 D Ursula Mogg SPD 9415 B Kersten Wetzel CDU/CSU 9416 D Klaus Hagemann SPD 9418 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer und zur Änderung anderer Vorschriften (Drucksachen 13/120, 13/3734, 13/3950, 13/4589) 9419 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB Xi - Änderungsgesetz) (Drucksachen 13/3696, 13/ 4091, 13/4521, 13/4688) 9419 C Dr. Heribert Blens CDU/CSU 9419 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9420 D Dr. Peter Struck SPD 9421 C Ulrich Irmer F.D.P 9422 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 9423 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe (Drucksachen 13/2898, 13/3109, 13/3479, 13/3725, 13/3951, 13/4591) 9424 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 13/2746, 13/3475, 13/3720, 13/3728, 13/3949, 13/3937, 13/4686) 9424 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts (Drucksachen 13/2440, 13/2764, 13/3904, 13/4211, 13/4239, 13/4687) 9424 B Hans-Peter Repnik CDU/CSU 9424 B Rudolf Dreßler SPD 9426B, 9433 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9428 A Dr. Gisela Babel F.D.P 9429 B Dr. Heide Knake-Werner PDS 9430 D Horst Seehofer CDU/CSU 9431 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 9435 A Tagesordnungspunkt 14: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechtes für Mitarbeiter/-innen von Presse und Rundfunk und des entsprechenden Beschlagnahmeverbotes auf selbst erarbeitetes Material (Drucksache 13/195) 9435 D b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (Drucksache 13/3129) 9436 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (Teilzeit-Wohnrechtegesetz) (Drucksache 13/4185) 9436 A d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anrechnung von Dienstzeiten im Angestelltenverhältnis auf die beamtenrechtliche Probezeit nach dem Einigungsvertrag (Drucksache 13/4385) 9436 A e) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften (Drucksache 13/4386) 9436 A f) Antrag der Abgeordneten Susanne Kastner, Klaus Lennartz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Änderung der EG-Mineralwasserrichtlinie (Drucksache 13/3335) . . . 9436 B g) Antrag der Abgeordneten Otto Reschke, Hans Büttner (Ingolstadt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Änderung der Übergangsregelung beim Eigenheimzulagengesetz (Drucksache 13/4408) 9436 B h) Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Pinger, Jochen Feilcke und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Roland Kohn und der Fraktion der F.D.P.: Verschuldung der Entwicklungsländer (Drucksache 13/4670) 9436 C i) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Entwicklung der Konvergenz in der Europäischen Union im Jahre 1995 (Drucksache 13/4101) 9436 C Tagesordnungspunkt 15: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1994 über die Satzung der Europäischen Schulen (Drucksachen 13/3106, 13/4468) 9436 D b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. November 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Malediven über den Luftverkehr (Drucksachen 13/3846, 13/4473) 9437 A c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik China über den Seeverkehr (Drucksachen 13/3847, 13/4474) 9437 A d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. September 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malta über den Luftverkehr (Drucksachen 13/3848, 13/4475) 9437 B e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Bosnien und Herzegowina über den Luftverkehr (Drucksachen 13/3850, 13/4500) 9437 B f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen Nr. 1 und Nr. 2 vom 4. November 1993 zu dem Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Drucksachen 13/2482, 13/4501) 9437 C g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen und des EG-Amtshilfe-Gesetzes (Drucksachen 13/3845, 13/4664, 13/4665) 9437 D h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur möglichen Anwendung von Artikel K 9 des Vertrages über die Europäische Union (Drucksachen 13/3668 Nr. 2.74, 13/4534) 9438 A i) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Wohnsiedlung Dr.-Martin-Luther-King-Village in Mainz (Drucksachen 13/4149, 13/4601) 9438 B j) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen, bisher von den französischen Streitkräften (FFA) genutzten Wohnungen in Freiburg (Drucksachen 13/4170, 13/4602) 9438 C k) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin-Steglitz (Drucksachen 13/4218, 13/ 4603) 9438 C 1) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Wohngrundstückes in Laage/Mecklenburg-Vorpommern (Drucksachen 13/4255, 13/4604) . . . 9438D m) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in BerlinCharlottenburg (Drucksachen 13/4256, 13/4605) 9438D n) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Liegenschaft Dolan-Barracks in Schwäbisch Hall-Hessental (Drucksachen 13/4285, 13/4606) 9439A o) bis q) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 120, 121 und 122 zu Petitionen (Drucksachen 13/4573, 13/4574, 13/4575) . . 9439 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes (Drucksachen 13/2713, 13/4699) 9439 B b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Markenrechtsänderungsgesetzes 1996 (Drucksache 13/3841, 13/4700) 9439 C c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (Drucksachen 13/ 4514 Nr. 2.26, 13/4682) 9439 D d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer (Drucksachen 13/3668 Nr. 2.72, 13/4701) 9440A Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, des Straßenverkehrsgesetzes und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (Drucksache 13/3691) 9440A Alfred Hartenbach SPD 9440 B Horst Eylmann CDU/CSU 9443 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 9443 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 9443 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9445 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 9446 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 9447 B Franz Peter Basten CDU/CSU 9448 C Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 9450 A Tagesordnungspunkt 6: a) Große Anfrage der Abgeordneten Klaus Kirschner, Antje-Marie Steen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesundheitliche Gefahren durch Rinderwahnsinn (BSE) (Drucksachen 13/1972, 13/4436) . . . 9451 A b) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umfassende Verbraucherschutzmaßnahmen gegen die Rinderseuche BSE - Sofortprogramm für regionale Fleischerzeugung (Drucksache 13/4388) 9451 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Maßnahmen zum umfassenden Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor der Rinderseuche BSE und zur Stabilisierung des Rindfleischmarktes (Drucksache 13/4676) 9451B Antje-Marie Steen SPD 9451B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 9453 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9455 C Ulrich Heinrich F D P. 9456 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9457B, 9463A, 9469A, 9472 B Günther Bredehorn F.D.P. 9457 C Dr. Hansjörg Schäfer SPD . . . 9457 D, 9462 C Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . 9458 A, 9462 D Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . 9458 B Dr. Ruth Fuchs PDS 9459 A Matthias Weisheit SPD 9460 C Jochen Borchert, Bundesminister BML 9462 A, 9464C, 9468 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . 9464 B, 9466 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9465A Horst Seehofer CDU/CSU 9465 B Editha Limbach CDU/CSU 9467 A Dr. Wolfgang Wodarg SPD 9468 D Editha Limbach CDU/CSU 9469 D Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . 9471 A Tagesordnungspunkt 7: a) Große Anfrage der Abgeordneten Hans Martin Bury, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Postfilialen (Drucksachen 13/2504, 13/4234) 9473 A b) Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Arne Börnsen (Ritterhude), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Remailing unterbinden - Arbeitsplätze in Deutschland sichern (Drucksache 13/4448) 9473 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Manuel Kiper und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Hans Martin Bury, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Postfilialen (Drucksachen 13/2504, 13/4001, 13/4662) 9473A Hans Martin Bury SPD 9473 B Renate Blank CDU/CSU 9474 D Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9476B, 9482B Dr. Max Stadler F D P. 9477 C Gerhard Jüttemann PDS 9478 C Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 9479 C Peter Dreßen SPD 9480 D Klaus Barthel SPD 9482 C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . 9484 D Zusatztagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Gerald Häfner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Diätenerhöhung für Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments (Drucksache 13/4667) 9486A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9486A, 9487D Peter Conradi SPD 9487B, 9495 B Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU . 9488 B Heinz-Georg Seiffert CDU/CSU . . . 9489 A Horst Eylmann CDU/CSU . . . . 9490A, 9496D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9490 C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . 9491B, 9494 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9493 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9494 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . 9495D, 9497 A Dr. Barbara Hendricks SPD 9496 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS . . . 9497 C, 9498 C Michael Teiser CDU/CSU 9498 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 30 GO) 9498 D Tagesordnungspunkt 8: a) Große Anfrage der Abgeordneten Annette Faße, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Perspektiven der deutschen Binnenschiffahrt (Drucksachen 13/1796, 13/ 3378) 9499 C b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung über eine gemeinsame Politik bei der Gestaltung des Marktes der Binnenschiffahrt und von Begleitmaßnahmen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Befrachtung und der Frachtratenbildung im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Binnenschiffsgüterverkehr in der Gemeinschaft Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1101/89 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 über Beihilfen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr (Drucksachen 13/3286 Nr. 2.9, 13/4243) 9499 C Renate Blank CDU/CSU 9500 A Annette Faße SPD 9501 B Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9502 D Lisa Peters F D P. 9503 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS 9505 D Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMV 9505 C Tagesordnungspunkt 9: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Die Rolle der Union im Bereich des Fremdenverkehrs - Grünbuch der Kommission (Drucksachen 13/2306 Nr. 2.106, 13/4214) 9507 A b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Halo Saibold und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Tourismus (Drucksachen 12/7895, 12/8467 Nr. 1.36, 13/1513, 13/1548, 13/4216) 9507 A c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Umweltschutz und Tourismus (Drucksachen 13/1531, 13/4217) . . . 9507 B Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Erbrechtsgleichstellungsgesetz) (Drucksache 13/4183) 9507 D Zusatztagesordnungspunkt 13: Große Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS: Die Situation von Lesben und Schwulen in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 13/1946, 13/4152) 9508 A Christina Schenk PDS 9508 A, 9513 B Hanna Wolf (München) SPD . . 9509 A, 9510 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9509 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS 9510 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9511 A, 9513 C Jörg van Essen F.D.P. 9512 A Zusatztagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft und der Gruppe der PDS: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Drucksache 13/ 4065) 9514 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 15: Antrag der Fraktion der SPD: Erweiterung des Untersuchungsauftrages des 2. Untersuchungsausschusses (Drucksache 13/4698) 9514 A Roll Kutzmutz PDS 9514 B Friedhelm Julius Beucher SPD 9515 A Simone Probst BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9515 D Jürgen Koppelin F.D.P 9516 A, 9518 C Rolf Kutzmutz PDS 9516 B Otto Schily SPD 9517 B, 9518 B Dr. Barbara Hendricks SPD 9517 C Dr. Christa Luft PDS 9518 A Nächste Sitzung 9519 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9591* A 107. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Mai 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 23. 5. 96 Behrendt, Wolfgang SPD 23. 5. 96 * Berger, Hans SPD 23. 5. 96 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 23. 5. 96 Herta Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 23. 5. 96 Göllner, Uwe SPD 23. 5. 96 Gysi, Andrea PDS 23. 5. 96 Hempelmann, Rolf SPD 23. 5. 96 Dr. Höll, Barbara PDS 23. 5. 96 Horn, Erwin SPD 23. 5. 96 Kanther, Manfred CDU/CSU 23. 5. 96 Dr. Kohl, Helmut CDU/CDU 23. 5. 96 Michels, Meinolf CDU/CSU 23. 5. 96 Mosdorf, Siegmar SPD 23. 5. 96 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Petzold, Ulrich CDU/CSU 23. 5. 96 Poß, Joachim SPD 23. 5. 96 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 23.5. 96 Hermann Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 23. 5. 96 - 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 23. 5. 96 90/DIE GRÜNEN Steenblock, Rainder BÜNDNIS 23. 5. 96 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 23. 5. 96 Vosen, Josef SPD 23. 5. 96 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 23. 5. 96 Margareta 90/DIE GRÜNEN *) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung Nachtrag zum Plenarprotokoll 13/107 Deutscher Bundestag Nachtrag zum Stenographischen Bericht 107. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Mai 1996 Inhalt: Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (a - Unterrichtung durch die Bundesregierung: Die Rolle der Union im Bereich des FremdenverkehrsGrünbuch der Kommission, b - Entschließungsantrag zum Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Tourismus, c - Antrag: Umweltschutz und Tourismus) Dr. Gerd Müller CDU/CSU 9523* A Dr. Olaf Feldmann F.D.P 9523* D Monika Brudlewsky CDU/CSU 9524* B Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 9525* D Susanne Kastner SPD 9527* A Halo Saibold BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9528* B Iris Follak SPD 9529* C Christina Schenk PDS 9531* A Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 9532* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Entwurf eines Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder - Erbrechtsgleichstellungsgesetz) Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 9533* B Margot von Renesse SPD 9533* D Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU 9534* D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 9536* A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9537* A Heidemarie Lüth PDS 9537* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 13 (Große Anfrage: Die Situation von Lesben und Schwulen in der Bundesrepublik Deutschland) Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 9538* B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 9539* A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu den Zusatztagesordnungspunkten 14 - Antrag: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - und 15 - Antrag: Erweiterung des Untersuchungsausschusses des 2. Untersuchungsausschusses Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU . 9539* D Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (a - Unterrichtung durch die Bundesregierung: Die Rolle der Union im Bereich des Fremdenverkehrs-Grünbuch der Kommission, b - Entschließungsantrag zum Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Tourismus, c - Antrag: Umweltschutz und Tourismus) Dr. Gerd Müller (CDU/CSU): Der Bezugspunkt dieser Debatte, nämlich das Grünbuch der Kommission im Bereich des Fremdenverkehrs, ist bereits ein Jahr alt, und dennoch ist diese Debatte durchaus aktuell. Bei der derzeit laufenden Europäischen Regierungskonferenz geht es nämlich unter anderem auch um die Überprüfung der Zuständigkeit der EU auf dem Sektor des Fremdenverkehrs. Seit dem Maastrichter Vertrag wurde der Fremdenverkehr in Artikel 3 EG-Vertrag als Tätigkeit der Gemeinschaft genannt. Immer wieder wird allerdings verkannt, daß sich daraus keine spezielle Kompetenznorm ergibt. Maßnahmen der Gemeinschaft im Tourismus - wie dies der Aktionsplan war - werden bisher auf Artikel 235 EG-Vertrag gestützt, der einen einstimmigen Ratsbeschluß fordert. Darüber hinaus ist auch Artikel 100a EG-Vertrag (Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit) als Rechtsgrundlage denkbar, wenn die Maßnahmen der Verwirklichung des Binnenmarktes dienen. Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen der Regierungskonferenz stellt die CDU/CSU-Fraktion eindeutig und unmißverständlich klar, daß es keiner speziellen Gemeinschaftskompetenz für den Tourismus bedarf. Eine weitergehende Kompetenz wäre mit den regionalen Besonderheiten der dezentralen Organisationsstruktur sowie der vorrangigen Kompetenz der Länder unvereinbar. Eine eigene EU-Zuständigkeit würde dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen. In bezug auf die Vorschläge des Grünbuches spricht sich die CDU/CSU-Fraktion für die Option zwei, d. h. für die Beibehaltung des gegenwärtigen Rahmens und Aktionsniveaus der Gemeinschaften im Bereich des Tourismus, aus. Dies geht allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die EU-Kommission zukünftig das Subsidiaritätsprinzip strenger als bisher auslegt und beachtet. Das Europäische Parlament fordert in seiner Entschließung zur Regierungskonferenz vom 17. Mai unter Punkt X: „Der Fremdenverkehr sollte in all seinen europäischen Aspekten eine getrennte und eigenständige gemeinsame Politik mit eigener Rechtsgrundlage und einem eigenen Kapitel in dem überprüften Vertrag bilden." Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also, es besteht durchaus die Begehrlichkeit, Anlagen zum Stenographischen Bericht eine weitgehende Regelungskompetenz auch für die Tourismuspolitik auf EU-Ebene einzuführen. Darüber hinaus möchte ich darauf verweisen, daß die EU zunehmend eine Politik des goldenen Zügels beim Einsatz von Haushaltsmitteln praktiziert. Die indirekte Förderung des Fremdenverkehrs durch die Anwendung bestimmter Gemeinschaftspolitiken hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. In der Europäischen Union beschäftigt sich nicht nur die Generaldirektion XXIII, sondern auch ein Verwaltungsausschuß Tourismus und ein beratender Ausschuß für Tourismus bei der Kommission sowie der Ausschuß für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments mit der Thematik. Da die Tourismuswirtschaft als Querschnittsbereich von vielen Regelungsvorschlägen der EU tangiert ist, möchte ich aufzeigen, wo konkreter Handlungsbedarf besteht: 1. bei der Verwirklichung des Binnenmarktes und der Herstellung von vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen, beispielsweise bei der Rechtsangleichung im steuerlichen Bereich; 2. bei der Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit, beispielsweise beim Einsatz deutscher Reiseleiter im Ausland; 3. bei der Verwirklichung des Verbraucherschutzes. Hier nenne ich das Stichwort Dienstleistungshaftung, Lebensmittelrecht etc. Allerdings ist hier die Grenze der Überreglementierung sehr schnell überschritten; 4. beim Umweltschutz. Ich sehe dringenden Handlungsbedarf bei der Umsetzung des 5. EG-Umweltaktionsprogramms zur Stabilisierung des Weltklimas mit sofortigen Initiativen zur Reduzierung der Steuervergünstigung im europäischen Flugverkehr und der Verwirklichung einer umweltschonenden Mobilität. Hier brauchen wir Bewegung in Europa. Das Thema „Plakette auf Autobahnen" ist noch nicht vom Tisch. Als Vertreter der Alpenregion des Allgäus fordere ich darüber hinaus ein Bündnis zwischen Landwirtschaft und Tourismus. Die Bauern in den Alpen, im Allgäu, aber auch in den Mittelgebirgsregionen und an der Ostsee sind unsere besten Kulturpfleger und leisten einen herausragenden Beitrag. Leider wird ihre Arbeit nicht entsprechend honoriert. Bei der Umsetzung dieser Aufgaben sind wir national gefordert, sehr schnell zu reagieren. Meine Damen und Herren, im Bereich des Fremdenverkehrs sind wir bereits über ausreichende Vorschriften in das EU-Regelwerk eingebunden; weiterer Regelungsbedarf besteht nicht. Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): Tourismus ist ein dynamischer Wirtschaftszweig. Er bringt auch Belastungen für die Umwelt. Das Spannungsfeld von Ökono- mie und Ökologie ist daher ein touristisches Dauerthema. Gerade im Tourismus sind ökologische Verträglichkeit und wirtschaftliche Entwicklung eng verknüpft. Wir Fremdenverkehrspolitiker wissen: Eine intakte Umwelt ist nicht nur unser aller Lebensgrundlage, sondern auch die Existenzgrundlage des Fremdenverkehrsgewerbes. Tourismus und Umweltschutz sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die F.D.P. begrüßt, daß der Zielkatalog der Tourismuspolitik der Bundesregierung im Umweltbereich wesentlich erweitert wurde. Wir wollen einen hohen Umweltstandard durch marktwirtschaftliche Anreize und nicht durch Gebote oder Verbote erreichen. Umweltpolitische Ziele sind nicht im nationalen Alleingang zu erreichen. Sie erfordern eine enge europäische Kooperation. Aber deswegen brauchen wir keine eigenständige EU-Tourismuspolitik. Es ist richtig, daß der Tourismus in den Tätigkeitskatalog der Union aufgenommen wurde. Die F.D.P. wendet sich aber mit Nachdruck gegen eine besondere Kompetenz der EU für den Tourismus. Wir wollen keine zentralistische, reglementierende Brüssler Super-Tourismus-Zentrale. Europäische Tourismuspolitik muß auf das unbedingt notwendige Mindestmaß beschränkt bleiben. Bei allen Kommissions-Aktivitäten muß das Subsidiaritätsprinzip strikt eingehalten werden. Europäische Vielfalt sowohl der Ziel- als auch der Herkunftsregionen ist eine wesentliche Reisemotivation. Dieser Vielfalt kann die Politik nur durch dezentrale Entscheidungsstrukturen gerecht werden. Die Aktivitäten der Kommission zum Europäischen Tourismusjahr 1990 waren keine Empfehlung für eine Ausweitung der EU-Kompetenzen. Die undurchsichtige Mittelverwendung und die mangelhafte Kontrolle waren ein Skandal. Der im Grünbuch vorgeschlagenen Option IV stimmt die F.D.P. nicht zu. Auch die Option III widerspricht unseren Vorstellungen. Diese Ziele sind auch mit der Option II zu erreichen. Die Forderung nach einer „besseren finanziellen Ausstattung" weisen wir mit Nachdruck zurück. Kostenreduzierung, Dezentralisierung und Deregulierung müssen in Zukunft unverrückbare Eckpunkte der EU-Politik sein. Sinnvoll sind EU-Aktivitäten nur auf den Gebieten, die eine europaweite Abstimmung erfordern, z. B.: Entzerrung der Ferienzeiten, Koordination im Ausbildungsbereich, Steuer- und Statistikharmonisierung und nicht zuletzt eine europäische TourismusCharta, die gleiche Rechte für alle Reisende in EU- Ländern sichert. Das ist ein weites Betätigungsfeld. Dafür reicht das vorhandene Instrumentarium aus. Koordination und Integration sind die Haus- und Hauptaufgaben der Kommission, nicht spektakuläre Aktionen. Zusätzliche Kompetenzen und mehr finanzielle Mittel widersprechen dem Grundsatz der Subsidiarität und Regionalität. Sie sind daher abzulehnen. Monika Brudlewsky (CDU/CSU): Der Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Tourismus, der noch aus der letzten Legislaturperiode stammt, hat noch keine lange Tradition in diesem Hause und ist in manchen Bereichen sicher auch noch ausbaufähig. Aber ich denke, wir haben damit eine hervorragende Grundlage erhalten für unsere weitere Arbeit. Im Ausschuß haben wir bereits vor Wochen eine Reihe von Anregungen für Verbesserungen diskutiert. Vor allem der Wunsch, einen solchen Bericht in Zukunft regelmäßig in jeder Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag vorzulegen, fand einhellige Zustimmung. Ergänzend hierzu würde die Vorlage eines separaten Berichtes „Umweltschutz und Tourismus" die besondere Verantwortung dieser Entwicklung unterstreichen. Hierin besteht in diesem Hause wohl Einvernehmen zwischen allen Parteien. Der Bericht und die damit verbundenen Anträge bzw. die auf unsere Initiative hin ergangene Beschlußempfehlung des Ausschusses zeigen aber auch, daß das wirtschaftliche und umweltpolitische Potential, welches der Tourismus bietet, noch nicht hinreichend ausgeschöpft ist. Nach zuverlässigen Schätzungen von Experten wird der Tourismus in den nächsten Jahren einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsbereiche werden. Er stellt andererseits aber auch den Bereich unserer Wirtschaft dar, in dem selten zu findende Übereinstimmung herrscht, daß Umwelt und Tourismus untrennbar miteinander verbunden sind. Hierauf basiert der Antrag der Koalition „Umweltschutz und Tourismus". Die Regierung ist in den vorliegenden Anträgen daher aufgefordert, neben ihren vielfältigen Bemühungen in diesem Bereich einige Umweltgesichtspunkte noch stärker zu berücksichtigen. Hierzu gibt es vor allem in unserem Antrag „Umweltschutz und Tourismus" eine Reihe von Ergänzungen und konkreten Vorschlägen. Gerade der Tourismus gibt die Möglichkeit, Umweltschutz bewußt zu erleben und ökologisches Bewußtsein zu stärken. Die steigende Zahl von Klagen im Reiserecht zeigt, daß viele Bürger - abgesehen von reiseorganisatorischen Problemen - nicht bereit sind, störende Einflüsse in Kauf zu nehmen. Keiner möchte in seinem Urlaub beispielsweise in schmutzigem Wasser baden, oder im Wanderurlaub auf wilde Müllkippen stoßen. Durch diese persönlichen Schlüsselerlebnisse erreichen wir im umweltpolitischen Denken viel mehr Menschen, als durch irgendwelche theoretischen Appelle. Die Deutschen als Reiseweltmeister haben einen gehörigen Marktanteil, den sie zur Durchsetzung ökologischer Positionen nutzen können und sollten. Der Protest einiger Reiseveranstalter und Verbraucher hat bereits in der Vergangenheit geholfen, etliche umweltpolitische Sünden in ökologisch sensiblen Regionen zu verhindern. Wir können hier in der Fortentwicklung umweltpolitischer Grundsätze, die z. B. in der Rio-Konvention, der Alpenkonvention und vielen anderen internationalen Abkommen beschlossen worden sind, eine Vorreiterrolle übernehmen. Eine wichtige Aufgabe für uns sollte die stärkere Förderung des Inlandstourismus sein. Durch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit könnten bei uns etliche Milliarden mehr für die schönsten Tage des Jahres ausgegeben werden. Besonders deutlich wird dies durch das errechnete hohe Reisedevisenbilanzdefizit. Wir sehen im Bereich des Tourismus noch einigen Nachholbedarf, um das Reiseland Deutschland wieder attraktiver zu machen. Gerade im Dienstleistungsbereich müssen wir noch einiges tun. Hier besteht noch ein ungeheures Potential, neue Arbeitsplätze zu schaffen, welches wir nutzen sollten. Darüber sollten wir nicht nur diskutieren, sondern wir müssen entsprechende kostensenkende und arbeitsplatzschaffende Maßnahmen auch realisieren. Der Urlaub in Deutschland für eine durchschnittliche Familie darf nicht teurer sein als in Spanien oder Portugal. Diese Standortfragen müssen wir schnellstens angehen. Vor allem auch in den neuen Bundesländern bietet sich die große Chance, den Inlandstourismus durch einen ökologischen Wandel zu fördern und den Fremdenverkehr als Wirtschaftsfaktor stärker fortzuentwickeln. Die Schaffung von Naturparks und der Wiederaufbau historischer Stadtkerne sind Maßnahmen, die zu einer Belebung des Binnentourismus beitragen können. Einige Regionen - wie Mecklenburg-Vorpommern, die Sächsische Schweiz und meine Heimat, der Harz - bieten ideale und ideelle Voraussetzungen für eine solche Entwicklung. Die erfolgreiche Vermarktung z. B. des Luther-Jahres durch die Rückbesinnung auf die kulturelle Vergangenheit einer ganzen Region, die sich über Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt erstreckte, zeigt, daß vor allem der Kulturtourismus in Deutschland ein wichtiges Marketinginstrument sein kann. Der Bund kann ergänzend durch Förderinstrumente wie den Bundeswettbewerb „Umweltfreundliche Fremdenverkehrsorte in Deutschland" Hilfestellung geben. Immerhin 118 Gemeinden beteiligen sich 1996 an diesem Wettbewerb. Zweistellige Zuwachsraten der Übernachtungen in den neuen Bundesländern stimmen zuversichtlich. Allerdings: Massentourismus hat auch Massenverkehr zur Folge. Auch die ökologischen Belastungen von Feriengebieten im Abwasser- und Emissionsbereich sind Herausforderungen, die nachhaltig bewältigt werden müssen. Eines der Hauptprobleme, wo wir als Politiker gefordert sind, ist die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Entwicklung. Wir haben dafür Sorge zu tragen, daß im Zeitalter des Massentourismus die Infrastruktur so gestaltet wird, daß die Umweltverträglichkeit sichergestellt wird. Auch dies forderte bereits damals unsere Initiative. Solches gilt insbesondere für die Verkehrsinfrastruktur. Immer noch fahren 66 Prozent der Deutschen mit dem Pkw in Urlaub, und über 30 Prozent fliegen mit dem Flugzeug, beides Verkehrsmittel, die extrem umweltbelastend sind, wobei ich einräumen möchte, daß einige Urlaubsziele eben wirklich nur mit dem Flugzeug zu erreichen sind. Unser Antrag zielte bereits darauf ab, den öffentlichen Personenverkehr im überregionalen Verkehr und im Nahverkehr zu fördern. Insbesondere der Ausbau der Bahn muß daher Vorrang erhalten. Die Deutsche Bahn AG hat bereits erste Schritte in diese Richtung getan durch familienfreundliche Tarife und Angebote wie z. B. „Mit Bahn und bike". Dies sind weitere gute Schritte in die richtige Richtung. Ein Punkt, den ich noch ansprechen möchte, betrifft die Kureinrichtungen. Der Kur- und Bäderverband befürchtet, daß eine Reihe von Kureinrichtungen als Folge der Sparmaßnahmen im Zuge des Spar- und Konsolidierungsprogramms der Bundesregierung schließen müßten. Tatsache ist zum einen, daß wir in Deutschland eines der besten und größten Kursysteme der Welt besitzen. Tatsache ist aber auch, daß die Kosten für diese Kurmaßnahmen ein Faktor von vielen für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen sind. Das Sparprogramm kann diesen wichtigen Bereich daher nicht ausnehmen. Aber: Die ambulanten Kuren sind von den geplanten Sparmaßnahmen nicht betroffen, sondern nur die stationären Kuren. Hier müssen die Kureinrichtungen vielleicht auch über neue Konzepte nachdenken. Sofern es tatsächlich in diesem Bereich zu Schließungen in größerem Ausmaß kommen sollte, behält sich die Koalition andere Regelungen vor. Aber wir sollten vor einer allgemeinen Hysterie warnen und erst einmal die tatsächlichen Entwicklungen abwarten. Da die Entwicklung des Tourismus viele Bereiche - wie Wirtschaft, Verkehr, Umwelt - berührt, bedarf es auch auf interministerieller Ebene einer genauen Abstimmung. Auch hierauf zielte unser damaliger Antrag und die auf unserer Initiative basierende vorliegende Beschlußempfehlung. Ich bitte um Ablehnung des Antrags der Grünen. Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Ich möchte zum Koalitionsantrag „Umweltschutz und Tourismus" sprechen. Umweltprobleme haben heute in wichtigen Bereichen eine Brisanz und Dramatik gewonnen, die uns alle weltweit in höchstem Maße alarmieren und herausfordern müssen. Der Tourismus gehört mitten hinein in die aktuelle Diskussion. Daß unsere Positionen ökologisch höchst anspruchsvoll sind, zeigt die bemerkenswerte Tatsache, daß - nach einigen gemeinsam vorgenommenen Veränderungen - auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag unterstützt. Ich möchte Frau Kollegin Saibold dafür sehr danken. Daß der Tourismus ökologisch nicht unschuldig ist, vor allem wenn er als Massenerscheinung auftritt und sensible Regionen berührt, zeigen eindeutige Spuren: zersiedelte Landschaften, bedrohte Tiere und Pflanzen; landschaftszerstörende Architektur von Großprojekten; immer stärkere Verschmutzung der Luft durch Fahrzeug- und Flugzeugabgase; endlose Blechlawinen auf dem Weg in die Erholung; mit parkenden und mühsam vorankriechenden Autos vollgestopfte Ferienorte. Über 50 Prozent der durch den Pkw-Verkehr verursachten Luftverschmutzungen werden in Deutschland durch Freizeitaktivitäten, Fremdenverkehr und Tourismus aus- gelöst. Nach der Prognose des World Travel and Tourism Council soll sich die weltweite Reisetätigkeit in den nächsten zehn Jahren nochmals verdoppeln. Erfreulicherweise können wir festellen, daß das unvermeidbare Spannungsverhältnis zwischen Tourismus und Umweltschutz bei uns erkannt ist. In Deutschland weiß die Branche, daß eine gesunde Umwelt, eine intakte Landschaft, der Schutz von Landschaft und Natur das Fundament des Tourismus sind. Das beweisen eine Fülle von Seminaren und Veranstaltungen zu diesem Thema, die zahlreichen Initiativen für Umweltsiegel im Tourismus, das Engagement der Naturschützer und Tourismusorganisationen, die Tatsache, daß es bei TUI einen Umweltbeauftragten Dr. Iwand gibt, sowie zahlreiche Wettbewerbe und Aktionen. Umfragen zeigen, daß der deutsche Urlauber problembewußt ist. Können wir also für den deutschen Tourismus Entwarnung geben? Nein, leider nicht. Erfahrungen und Untersuchungen zeigen, daß häufig dort, wo der Umweltschutz eine persönliche Einschränkung, Unbequemlichkeiten oder ein bescheidenes finanzielles Opfer verlangt, leider aus vorhandenem ökologischen Wissen die notwendigen praktischen Konsequenzen nicht gezogen werden. Dafür nur wenige Beispiele: Alle Welt redet von der umweltfreundlichen Bahn und von dem umweltfeindlichen Autoverkehr. Dennoch reisen die meisten Deutschlandurlauber mit dem eigenen Pkw, selbst dort, wo die Bahn eine zumutbare Alternative wäre. Und allenfalls ganz wenige haben dabei ein schlechtes Gewissen. Und sicher verbraucht ein modernes Auto oder Flugzeug immer weniger Benzin, aber die Zahl der Pkws und der Flugzeuge hat enorm zugenommen und damit auch der Gesamtverbrauch von Benzin und Kerosin - und ebenfalls damit unvermeidbar die Luftbelastung, gerade auch im Freizeitverkehr. Auch berichten Reiseveranstalter, daß ausgesprochen ökologische Urlaubsangebote, die etwas teurer sind, sich nur schwer verkaufen. Hingegen finden prestigeträchtige Reiseangebote, selbst wenn sie etwas teurer sind, problemlos ihre Abnehmer. Und wie wenig ökologisch verantwortungsbewußt verhalten sich jene, die zu einem zweieinhalbtätigen Weihnachtseinkaufsbummel nach New York fliegen oder zu einem Wochenendtrip nach Mallorca. Sicher Einzelfälle, doch man kennt das, und wer in der Öffentlichkeit regt sich darüber auf? Also, übertriebenes Selbstlob ist durchaus nicht angebracht. Auf dem Umweltgipfel in Rio hat sich die Bundesrepublik Deutschland durch Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich verpflichtet, im Interesse des Klimaschutzes bis zum Jahr 2005 den CO2-Ausstoß um 25 Prozent zu reduzieren. Tatsächlich geschieht auf unseren Autobahnen, Straßen und in der Luft genau das Gegenteil. Noch einmal zum Flugverkehr: Kein anderer Verkehrsträger hat einen so hohen Zuwachs. 1980 lag der Anteil des Flugverkehrs am Gesamtpersonenverkehr in Deutschland noch bei 10 Prozent, 1993 lag er bereits bei 16 Prozent, und mehr als zwei Drittel des Flugverkehrs sind bedingt durch den Tourismus. Es ist sicher richtig, daß die modernen Flugzeuge - wenn sie voll ausgelastet sind - je 100 Kilometer pro Person nur noch drei Liter verbrauchen. Aber angesichts der enormen Entfernungen im Flugtourismus, oft über viele tausend Kilometer, ist jede Flugreise unvermeidbar mit einer enormen Belastung der Umwelt verbunden. Nach Mallorca hin und zurück sind es 2 680 Kilometer, nach Gran Canaria 6 360 Kilometer, nach Santo Domingo 16 000 Kilometer, nach Bangkok 18 300 Kilometer. Natürlich denkt bei uns niemand daran, Flugreisen generell zu verurteilen. Aber jeder muß sich darüber klar sein, daß jede Flugreise ihren gewichtigen ökologischen Preis hat, je weiter, um so höher. Ich halte es durchaus für geboten, einmal darüber nachzudenken, was mit unserer Erde geschieht, wenn unser Reiseverhalten von immer mehr Menschen in immer mehr Ländern dieser Erde in vergleichbarer Weise praktiziert würde. Wofür plädiere ich? Wir sollten begreifen, daß mit jeder Flug-Fernreise untrennbar Doppeltes verbunden ist. Einerseits ermöglicht sie uns die Erfüllung eines alten Menschheitstraumes, das Kennenlernen exotischer Länder, fremder Menschen und faszinierender ferner Kulturen. Doch andererseits bedeutet jede Flugreise unvermeidbar auch die massive Belastung der hochempfindlichen Stratosphäre, unserer ohnehin so gefährdeten Umwelt. Flugreisen dürfen wir daher nicht gedankenlos und verschwenderisch in Anspruch nehmen, sondern nur sehr verantwortungsbewußt und - wenn ich so sagen darf - mit maßvoller Selbstbeschränkung. Was sind weitere Kernforderungen unseres Antrages? Wir fordern die europa- und weltweite Besteuerung von Flugbenzin, emissionsarme Kraftfahrzeuge, Verkehrsminderung und -verlagerung auf Bahn und Busse, verkehrsberuhigte und -freie Ferienorte, mehr Umweltaufklärung für Touristen und Touristiker, Umweltmodellprojekte, Wettbewerbe und ein möglichst europaweites Gütesiegel für umweltfreundliche Angebote, verstärkten Schutz ökologisch empfindlicher Landschaften und eine umweltangepaßte Architektur von Großprojekten sowie mehr Natur- und Landschaftsschutz, insbesondere für Wattenmeer, Nordsee, Ostsee und Alpen. Unser Antrag nennt eine Reihe konkreter Forderungen. Aber im Grunde geht es um noch mehr, um etwas Umfassenderes. Es geht darum, was Frau Bundesministerin Merkel ebenso wie das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie fordern: Wir in den reichen Industrieländern müssen lernen, in unserem Lebensstil bescheidener zu werden, unseren zum Teil überzogenen Konsumansprüchen Grenzen zu setzen. Statt immer nur Fernreisen, auch gelegentlich Urlaub in Deutschland. Statt immer mit dem eigenen Auto zu fahren, öfter einmal mit der Bahn. Statt gedankenlos Energie und Wasser zu verschwenden, sich bewußt um Einsparungen zu bemühen. Wir können nichts Besseres für die Umwelt tun, als die Bürger unseres Landes für diese Tugenden zu gewinnen und uns zu bemühen, durch eigenes Verhalten ein gutes Beispiel zu geben. Susanne Kastner (SPD): Das Positive an der heutigen Debatte ist: Die Regierungsparteien haben die Notwendigkeit erkannt, Umwelt und Tourismus, die vom Grundsatz her häufig Konfliktfelder sind, in Einklang zu bringen. Das Negative ist: In ihrem Antrag wird dieses Ziel nicht erreicht. Kraftvoll sollte der Wurf sein, aber weil die Zielvorgaben nicht erfüllt sind, ist er leider viel zu kurz geworden. Auch die Unterstützung der Grünen hat dem Antrag nichts geholfen. Ich möchte schon auch einmal auf den Beratungsablauf diese Antrages eingehen. Sie, liebe Kollegen von der Union, formulieren einen Antrag mit beachtlichen Analysen, kritisieren in der ersten Lesung hier im Plenum die Schwächen und Versäumnisse der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft, beschimpfen - völlig zu Recht - den Bundeswirtschaftsminister, sagen aber dann kein Wort zu Ihrem eigenen Antrag. Nur gut, dachten wir, da steht ja auch nicht viel drin, was soll man schon groß dazu sagen. Also setzen wir uns zusammen, um gemeinsam einen vernünftigen, zukunftsweisenden Antrag zur Förderung des Fremdenverkehrs und zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu schreiben. Wir haben Vorschläge gemacht, die auch von Ihrem Berichterstatter, Herrn Wittmann, weitgehend mitgetragen wurden. Union, SPD und Grüne hätten gemeinsam einen Antrag verabschieden können, der Umweltschutz, erfolgreiches Unternehmertum und sichere Arbeitsplätze miteinander verknüpft hätte. Aber nein, plötzlich, als es an die Abstimmungen im Ausschuß geht, können Sie dies alles nicht mehr mittragen, und das mit der Begründung, es gäbe Abstimmungsprobleme in der eigenen Fraktion. Ich frage mich ja schon, warum Sie Anträge in die Ausschußberatungen einbringen, die Sie in den eigenen Reihen nicht durchsetzen können. Und ich frage mich genauso, Frau Saibold, warum Sie gemeinsam mit CDU/CSU und F.D.P. einen Antrag verabschieden, von dem Sie wissen oder wissen sollten, daß er weder den ökologischen noch den ökonomischen Zielsetzungen Ihrer Parteiprogramme gerecht wird. Ich fand es jedenfalls sehr spannend zu erfahren, daß die Grünen die Umweltpolitik dieser Bundesregierung so großartig finden, daß sie sie auffordern, diese „unvermindert" fortzusetzen. Bisher hatte ich die Grünen meist anders verstanden, aber man lernt ja nie aus. Unser Problem ist, daß die Chance „global zu denken und lokal zu handeln", in diesem Antrag nicht genutzt wurde, weshalb wir ihn auch ablehnen. Sie reden in diesem Antrag davon, die Bundesregierung solle ihre umweltpolitischen Initiativen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen fortsetzen. Welche denn, bitte, wenn Sie in diesem Zusammenhang von „unterstützen" und „anstreben" reden, aber keinerlei konkrete Vorgaben machen? Wo denn, bitte, wenn Sie davon reden, daß das Potential der National- und Naturparks für eine umwelt- und sozialverantwortliche regionale Tourismusentwicklung durch Unterstützung von Modellvorhaben und -projekten stärker zu unterstützen sei, Sie aber gleichzeitig so ein Modellprojekt für die Verkehrsentwicklung im Bayerischen Wald vehement ablehnen? Widersprücherlicher kann man Politik doch gar nicht bestreiten, als Sie dies zur Zeit tun. Vor Ort alles versprechen und in Bonn dagegen sein, diese Art von Politik lassen wir Ihnen nicht durchgehen, da werden wir auch weiter laut sagen, wie wir so etwas nennen: doppelzüngig. Was uns in diesem Antrag fehlt, sind zum Beispiel die konkreten gesetzlichen Aktivitäten und Forderungen. Wo ist denn etwa die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes? Ich denke, wir brauchen auf allen Ebenen eine umfassende Integration des Umwelt- und Landschaftsschutzes in tourismusbezogene Planungen. Warum also sträuben sich die Koalitionsfraktionen so dagegen? Seit zwölf Jahren wird diese Novellierung von Ihrer Regierung versprochen, bisher hat es noch kein Umweltminister und noch keine Umweltministerin geschafft. Ein anderes Beispiel: Gerade auch im Tourismusbereich ist die Preisentwicklung von Wasser und Abwasser oft eine existentielle Frage. Hören Sie sich einmal die Klagen der Hoteliers und Gastwirte insbesondere in den neuen Ländern an. Eine Senkung der Gebühren über das Abwasserabgabengesetz ist hier nämlich leider auch keine Lösung, weil es die Fremdenverkehrsbranche dann anschließend über den Verlust von Wasserqualität und damit von Attraktivität der Urlaubsgebiete doppelt bezahlen müßte. Wo also bleiben auf diesem Gebiet Ihre Aktivitäten und Forderungen an die Bundesregierung? Wo bleibt Ihr Protest gegen die Absicht der Bundesregierung, den kommunalen Betreibern von Wasser- und Abwasseranlagen jetzt auch noch 15 Prozent Mehrwertsteuer zu berechnen und damit die Gebühren weiter zu erhöhen? Und dann der Autoverkehr und die damit verbundene Luftbelastung! Viele Kurstädte sind davon bedroht, weil sie ihre Prädikatisierung verlieren werden, wenn hier nicht bald umgesteuert wird. Sie streiten heftig für Autobahnen (A 4, A 71), statt sich für vernünftige Ortsumgehungen einzusetzen. Das ist total veraltetes Denken und verschärft die Probleme in den betroffenen Kommunen. In der letzten Legislaturperiode haben wir einen Antrag zum Fahrradtourismus eingebracht. Leider finde ich auch zu diesem Thema keinen Ansatz in Ihrem Antrag. Dabei wäre es doch eine echte Chance zur Entlastung bei den CO2-Emissionen, wenn wir den Fahrrahrdtourismus besser fördern würden, gekoppelt mit anderen umweltfreundlichen Verkehrsanbindungen. Wo bleibt zum Beispiel der schon lange geforderte Bundeswegeplan für Fahrradwege? Und warum haben Sie das Gemeindeverkehrswegefinanzierungsgesetz nicht weitergeführt, damit die Kommunen auch von seiten des Bundes Geld für den Ausbau des ÖPNV bekommen? Vertane Chancen überall. Ähnlich sieht es im Bereich der direkten Tourismusförderung aus. Die EU ist Ihnen da ein ganzes Stück voraus. Sie haben in Ihrem Antrag einen Abschnitt darüber, daß der Tourismus am Prinzip der Nachhaltigkeit gefördert werden muß. Nur die Umsetzung ist wieder einmal mehr als kläglich. Sagen Sie uns doch bitte, wieviel für die Förderung von Umweltaufklärung, wieviel für modellhafte Projekte von Ihnen bereitgestellt wird. Die Durchführung von Wettbewerben ist sicher ein richtiger Ansatz, aber es reicht leider nicht. Die Förderkriterien der Bundesregierung sind schon lange nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen eine Umorientierung auf Umweltfreundlichkeit, Sozialverträglichkeit und Begünstigung einheimischer Potentiale, gerade im Bereich von Neubauten oder bei Modernisierungsmaßnahmen. Die Kriterien ökologisch, barrierefrei und familienfreundlich müßten hier oberste Priorität haben. Die heutige Debatte gibt die Möglichkeit, aktuell auf das Desaster im Bereich des Fremdenverkehrs einzugehen, das in Ihrem Sparkonzept schlummert. Die Fremdenverkehrswirtschaft gehört zu den eindeutigen Verlierern Ihres Konzeptes. Sie wollen die Kuren auf drei Wochen beschränken. Damit treffen Sie den Nerv des Fremdenverkehrs in den strukturschwachen Regionen, denn genau dort sind die Kureinrichtungen gezielt aufgebaut worden. Sie streichen 25 Prozent der Geschäftsgrundlage für Kureinrichtungen mit dem Ergebnis, daß nach Befürchtungen der Rentenversicherer 100 Kurkliniken geschlossen und damit rund 18 000 Arbeitsplätze wegfallen werden. Sie haben anscheinend immer noch nicht begriffen, daß der Fremdenverkehr oft das wirtschaftliche Rückgrat der strukturschwachen Regionen darstellt. Im nun folgenden freien Fall der Kureinrichtungen werden unsere Fremdenverkehrsregionen weiter belastet. Wir können daher nur erneut feststellen: Der Fremdenverkehr hat bei dieser Bundesregierung schlechte Karten. Ich kann für meine Fraktion nach den Beratungen dieses Antrages nur folgendes Fazit ziehen: CDU/ CSU, F.D.P. und Grüne verabschieden heute umweltpolitische Lippenbekenntnisse, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Das Umweltbundesamt hat gerade erst in einem Bericht für das Umweltministerium festgestellt, daß die deutsche Umweltpolitik nicht weit genug geht und viele Möglichkeiten ungenutzt läßt. Daß sich hier heute eine schwarzgrüne Koalition zu einem „Weiter so" bekennt, macht den Unterschied zwischen öffentlichen Erklärungen und tatsächlicher Politik deutlich. Meine Fraktion schließt sich einem solchen Doppelspiel nicht an. Halo Saibold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Umweltministerin Merkel hat auf der ITB 96 eine asiatische Redewendung in bemerkenswerter Weise auf den Tourismus gemünzt: „Tourismus ist wie ein Feuer, man kann damit seine Suppe kochen aber auch sein Haus abbrennen." Mit dieser Redewendung ist in gelungener Weise die Ambivalenz des Tourismus beschrieben: einerseits verbinden wir mit Urlaub Erholung, Abwechslung vom Alltag, Bildung und vieles andere mehr, was uns angenehm erscheint. Und in wirtschaftlicher Hinsicht hat sich der Tourismus zu einem der größten Arbeitgeber entwickelt: alleine in Deutschland hängen ungefähr zwei Millionen Arbeitsplätze davon ab. Dies ist die eine Seite. Die andere Seite ist die, daß wir durch unsere touristischen Aktivitäten Natur und Umwelt immer mehr belasten oder gar zerstören, sei es durch den Urlaubsverkehr mit Pkw oder Flugzeug, sei es durch das fortschreitende Erschließen immer neuer Reiseziele in bisher nicht erschlossenen Gebieten, um nur zwei Aspekte zu nennen. Genau diesen Zusammenhang zwischen Natur und Umwelt einerseits und wirtschaftlich tragfähigem Tourismus andererseits, hat nach vielen Jahren der Diskussion auch die Welt-Tourismus-Organisation erkannt. Um es auf den Punkt zu bringen: Was ökologisch schädlich ist, ist auch ökonomisch schädlich. Deshalb fordert selbst der Präsident der WTO nachdrücklich, daß die Politik ihre Verantwortung endlich wahrnimmt. Es ist die Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Tourismusentwicklung zu schaffen, die mit Natur und Umwelt schonend umgeht, auf Sozialstrukturen Rücksicht nimmt und Menschen die Chance bietet, ihren Lebensunterhalt im Tourismus zu bestreiten. Wer diese Entwicklung einseitig den Mechanismen des Marktes überläßt, manövriert den Tourismus in eine Sackgasse - auf Kosten von Mitweltzerstörung und Arbeitsplätzen. Deshalb ist es sehr erfreulich, und wir begrüßen es ausdrücklich, daß die Fraktionen von CDU/CSU und FDP inzwischen ebenfalls die Notwendigkeit des Handelns erkannt haben und im Antrag zu Umweltschutz und Tourismus die Bundesregierung auffordern, sich in stärkerem Umfang als bisher für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen einzusetzen. Meine Fraktion begrüßt weiter, daß unsere Änderungsvorschläge weitgehend in den Antrag aufgenommen wurden. Dadurch ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt gelungen, damit sich der Tourismus - um auf die Redewendung von Frau Merkel Bezug zu nehmen - nicht zum alles vernichtendem Feuer ausweitet. - So weit, so gut. Nur, die schönsten Sonntagsreden und wohlformulierten Anträge des Deutschen Bundestages nützen nichts, wenn den Worten keine Taten folgen. Die in diesem Antrag formulierten Forderungen müssen von der Bundesregierung schnell und konsequent umgesetzt werden. Und da bin ich skeptisch, wenn ich mir die tourismuspolitische Bilanz und Kompetenz dieser Bundesregierung so anschaue. Ich fordere daher die Koalitionsparteien auf, mit Nachdruck ihren Einfluß auf die Bundesregierung für die Umsetzung des Antrages geltend zu machen. Ihre Glaubwürdigkeit - meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen - hängt davon ab, und um die steht es eh nicht gut. Bei vielen Beratungen im Ausschuß habe ich den Eindruck, daß die meisten von Ihnen bereits vergessen haben, was in Ihrem nunmehr veränderten Antrag steht. Deshalb will ich es hier nochmals an einigen Punkten verdeutlichen: Unser weitergehender, umfassender Entschließungsantrag zum Tourismusbericht der Bundesregierung wird zwar heute von Ihnen abgelehnt, aber viele Punkte daraus finden sich nach entsprechenden Ergänzungen in Ihrem Antrag zu Umweltschutz und Tourismus wieder. - Sie haben unsere Forderung übernommen, daß nur mehr ein am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierter Tourismus zu fördern ist. - Sie haben unsere Forderung nach verstärkter Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene übernommen, da der Individualverkehr das größte ökologische Problem darstellt. - Auch Sie haben neben der Umweltverträglichkeit nunmehr die Berücksichtigung der Sozialverträglichkeit der Tourismusentwicklung übernommen, was ich als großen Erfolg für die Bündnisgrünen betrachte. - Auch Sie wollen nunmehr, daß Umweltverbände bei touristischen Aktivitäten mit einbezogen und sogar unterstützt werden. - Auch Sie verlangen nunmehr, daß Modellvorhaben und Modellprojekte für eine umweit- und sozialverantwortliche Tourismusentwicklung gefördert werden und daß die regionalen Organisationen stärker einbezogen werden. Dies entspricht in der Praxis dem Prinzip des „Runden Tisches". Ferner steht im Antrag: Der europaweite Abbau der Steuerbefreiung für Flugbenzin muß vorangetrieben werden. Ich sehe hier jedoch keine Bemühungen der Bundesregierung, also machen Sie Druck! Sie haben meine Initiative auf Durchführung einer Imagekampagne für Urlaub in Deutschland im Ausschuß mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt, fordern in Ihrem hier vorliegenden Antrag nunmehr aber Information und Aufklärung der Bevölkerung über Probleme des Massentourismus und das Aufzeigen von alternativen Urlaubsformen. Ich bin gespannt, wie diese Forderung umgesetzt wird und was Sie dazu beizutragen haben. Sie haben meine Forderung nach einem zukunftsorientierten touristischen Gesamtkonzept der Bundesregierung nicht übernommen. Immerhin habe ich erreicht, daß Sie jetzt die Bundesregierung auffordern, zumindest für den Bereich „Umwelt und Tourismus" ein Konzept vorzulegen. Sie sehen also, daß der vorliegende Antrag bei weitem nicht alle von uns als notwendig erachteten Maßnahmen für eine zukunftsfähige Tourismuspolitik enthält. In Anbetracht dessen, daß auch „die längste Reise mit dem ersten Schritt beginnt", stimmen wir diesem Antrag jedoch zu. Dieser in schwarz-grüner Zusammenarbeit erarbeitete Antrag ist trotz seiner Unzulänglichkeiten viel zu schade, um in den Verliesen der Administration zu verschwinden. Deshalb fordere ich die Koalitionsparteien nochmals auf, der Bundesregierung auf die Sprünge zu helfen und mit Nachdruck die Umsetzung dieses Antrages einzufordern. Die Koalitionsparteien werden in Zukunft an den Inhalten dieses Antrages gemessen werden, und Sie können sich darauf verlassen, daß ich Ihr weiteres Verhalten genauestens beobachten werde. Sie und die Bundesregierung sind jetzt gefordert, zu beweisen, daß dieser Antrag nicht nur ein „Papiertiger" ist und alsbald in der Versenkung verschwindet. Für weitere, wichtige Konkretisierungen der politischen Rahmenbedingungen - zum Beispiel für die Einführung einer sozialen Ökosteuerreform, die gerade für den touristischen Bereich viele positive Auswirkungen hätte - biete ich Ihnen schon heute meine Unterstützung an. Iris Follak (SPD): Neben den umweltpolitischen Aspekten, die meine Kollegin Susanne Kastner vorhin bereits aufgegriffen hat, gibt der Entschließungsantrag der Grünen zum „Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Tourismus" eine Möglichkeit, die heutige Tourismusdebatte inhaltlich auszuwerten. Als ostdeutsche Abgeordnete will ich nach vielen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Fremdenverkehrsverbänden auf regionaler und auch Landesebene, mit Hoteliers und Gastwirten, mit Bürgermeisterinnen und Stadträtinnen Ihnen ein Bild von der Situation, den Problemen und auch den Perspektiven des Fremdenverkehrs in den neuen Bundesländern vermitteln. Die im folgenden aufgezeigten Mißstände sprechen für sich. Hier ist jede Polemik fehl am Platze, hier sind vielmehr Lösungen gefordert, die eine breite Konsensfähigkeit voraussetzen. Unsere Situation im Ausschuß unterscheidet sich positiv von anderen, da hier nicht selten gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Es muß uns gelingen, im Tourismus der neuen Bundesländer Impulse zu setzen, damit besonders die wirtschaftlich schwachen Gebiete davon profitieren können. Wenn man die Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes heranzieht, beabsichtigen die Hotel- und Gaststättenbetriebe in den neuen Bundesländern keineswegs neue Einstellungen. Sie gehen eher von Entlassungen aus. Legt man die Zahlen des Bundesministeriums für Wirtschaft zugrunde und stellt die steigenden Übernachtungszahlen, die in Ostdeutschland mit durchschnittlich +15 % recht hoch liegen, ist das eine erfreuliche Entwicklung. Sieht man dabei jedoch auf der anderen Seite die Bettenkapazität, die um 18 % gestiegen ist, ist die reale Auslastung hier gesunken. Also keine wirklich positive Entwicklung. Trotz dieser Zahlen bleibt zu Recht die Angst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, daß sie bei den nächsten Einsparungen von ihrem Arbeitgeber entlassen werden, der auf Grund einer geringeren Gewinnerwartung Arbeitsplätze abbauen möchte. Ein weiteres Beispiel sind die westdeutschen Investoren, die vielleicht weniger Abschreibungsmöglichkeiten sehen und aus diesem Grunde die Betriebe schließen werden. Meine Damen und Herren, die neuen Bundesländer dürfen nicht zu einem Abschreibungsland herunterkommen. Das gilt für alle Bereiche, nicht nur für die Fremdenverkehrswirtschaft! Nach statistischen Schätzungen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr muß Deutschland als Ferienland attraktiver gemacht werden. Zielgruppenorientierte preiswerte Pauschalangebote sind eine Möglichkeit, neue Kundenkreise zu gewinnen. Angebote für Senioren, die zu 44 % einen Deutschlandurlaub bevorzugen, müßten mehr in die Werbung einbezogen werden. Außerdem ist ein weiterer Schwerpunkt in der verstärkten Auslandswerbung zu sehen. Nur 11 % der Urlauber kamen 1995 aus dem Ausland, um hier in Deutschland ihre Ferien zu verbringen. Diese Untersuchung zeigt Versäumnisse in der Kundenwerbung und Vermarktung „Deutschland als Urlaubsland" auf. Nun werde ich auf einige Problemaspekte bei der Entwicklung des Tourismus in den neuen Bundesländern hinweisen, die häufig schon in einem wesentlich früheren Stadium auftreten, nicht erst bei der Vermarktung. Erstens. Was nützt es, wenn das Regierungspräsidium in Chemnitz eine Broschüre für Kommunalverwaltungen herausgibt, in der sämtliche Förderprogramme auf Bundes- und Europaebene stehen? Es handelt sich um sage und schreibe 144 solcher Programme. Da für einige dieser Maßnahmen die notwendigen Verwaltungsvorschriften immer noch nicht erstellt worden sind, können Anträge gar nicht eingereicht, geschweige denn bearbeitet werden. Außerdem muß ich fragen: Welcher Bürgermeister oder welcher Kommunalverwaltungsmitarbeiter ist in der Lage, bei einem derartigen Antragsdschungel noch den Überblick zu bewahren? Das zeigt sich dann auch in folgenden Zahlen mehr als deutlich: Bis zum heutigen Zeitpunkt ist vom Regierungspräsidium Chemnitz noch kein einziger Antrag des Jahres 1996 bewilligt worden, und es ist bereits Ende Mai. Dies, meine Damen und Herren, gibt es wirklich und ist traurige Realität in Ostdeutschland. Zweitens. Was passiert, wenn ein engagierter Hotelbesitzer einen ehemals volkseigenen Betrieb ankauft, renoviert und dann neueröffnen will? Dieser Hotelbesitzer macht bei der Eröffnung nicht selten die Erfahrung, daß zu seinem Hotel noch immer keine Zufahrtsstraße gebaut ist. Diese aber sollte bis zur Geschäftseröffnung fertiggestellt werden. Da sitzt er nun mit Hotelbetten und Reservierungen, aber ohne Gäste, da diese nicht zu seinem Haus gelangen können. Genau dieselbe Situation treffen nicht selten auch die Gästehäuser an, die von den Kommunen verwaltet werden. Gerade in der heutigen Zeit ist eine sinnvoll funktionierende Infrastruktur notwendig, wenn man auf eine prosperierende Fremdenverkehrswirtschaft setzen will. Drittens. Wem nützt es, wenn ein bundesweit einheitliches Informations- und Reservierungssystem entstehen würde? Tatsache ist, daß die hierfür zuständigen Fremdenverkehrsämter in den neuen Bundesländern nicht nur personell unterbesetzt sind. Eine von meiner Fraktion initiierte Umfrage zeigt deutlich, daß einem hauptamtlichen Leiter beziehungsweise einer Leiterin fast ausschließlich Kräfte im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Seite gestellt sind. Diese sind meist auf zwei Jahre begrenzt, so daß sich eine intensive Einarbeitung häufig nicht rentiert. Kaum sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingearbeitet, verlassen sie die Wirkungsstätte, und das ganze Spiel muß von vorne beginnen. Viertens. Was nützt es, wenn nach wie vor neue Hotels und Beherbergungsbetriebe gebaut werden? Bei einer Auslastung von 39 % sind keine neuen Betriebe notwendig, sondern die vorhandenen müssen einerseits entsprechend vermarktet werden. Andererseits muß der Qualitätsstandard der vorhandenen Hotels und Beherbergungsbetriebe stimmen. Sie wissen es selber, meine Damen und Herren, die kinderreiche Familie muß eine geeignete Unterkunft finden können, ebenso müssen die Erwartungen des Millionärs optimal erfüllt werden. Also weg vom Abschreibungsland Ostdeutschland hin zu einer gut durchdachten Vermarktung des vorhandenen! Ich rede hier nicht wie der Blinde von der Farbenwelt. Die geschilderten Zustände muß man an Ort und Stelle ansehen und erleben; daher ist es erfreulich, daß auf meine Einladung der zuständige Ministerialdirektor im Bundesministerium für Wirtschaft zu Gast bei mir in der Erzgebirgsregion war. Dieser zeigte sich zum einen erfreut über das Engagement der anwesenden Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bereich der Fremdenverkehrswirtschaft, mußte jedoch auch zugeben, daß die Dramatik der Situation vor Ort allgemein unterschätzt wird. Ich persönlich bin froh, daß sich das Bundesministerium für Wirtschaft selber einen Überblick über die Situation verschaffen konnte, und bin des weiteren gespannt, welche Lösungsvorschläge von dort unterbreitet werden. Meine Damen und Herren, die Bereitschaft zu investieren ist in den fünf neuen Ländern grundsätzlich gegeben, da man erkannt hat, daß der Tourismus gerade in ländlichen Gebieten einer der wenigen Wirtschaftszweige ist, der noch ein Wachstum verzeichnen kann. Mit 340 000 Arbeitsplätzen, die direkt oder indirekt als Zulieferbetriebe vom Tourismus leben, stellt diese Branche einen relevanten Teil auf dem Arbeitsmarkt dar. Nicht fehlendes Engagement oder Kapital, nicht mangelnde Phantasie oder Geschäftssinn sind die Ursachen für die existierenden Probleme, sondern es ist das Fehlen eines überzeugenden Gesamtkonzeptes. Ich sage Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, man wird in Zukunft darauf achten müssen, daß nicht nur hier und dort mal ein Förderprogramm bewilligt wird, sondern man muß für verschiedene Regionen verschiedene Gesamtkonzepte entwickeln, durch die sich die einzelnen Gegenden ganz individuell vermarkten und präsentieren können. Hier möchte ich als Beispiele nur die „Silberstraße" in Sachsen und die Mecklenburgische Seenplatte in Mecklenburg-Vorpommern nennen. Hier profitieren sowohl kleine Orte und Gemeinden als auch große Städte von einer einheitlichen Vermarktung. Ich hoffe, daß man gemeinsam - in Ministerien und auch über Parteigrenzen hinweg - Möglichkeiten findet, die vorhandenen Kräfte zu nutzen, etwas Vernünftiges daraus zu machen unter Berücksichtigung der Menschen und der Umwelt. Christina Schenk (PDS): Wegfahren, verreisen, den Urlaub weit entfernt von den heimischen Regionen verbringen - das ist ein Bedürfnis, das offenbar viele Menschen in der Bundesrepublik haben. Dabei muten die Autoschlangen, kilometerlange Staus inklusive, die übervollen Flughäfen, die wir jedes Jahr wieder in den Nachrichten besichtigen können, wie eine große Fluchtbewegung an. Möglichst weit weg - das ist das Bestreben der meisten. Die Tourismuswirtschaft boomt. Aber der Preis für diese Reisewut ist hoch: Zerstörung der Natur, Vernichtung von Subsistenzwirtschaft, Verschmutzung von Luft und Wasser, Verbreitung von Krankheiten und sehr oft auch die Zerstörung der Kultur sind die Folgen des Tourismus. Die Suche nach Erholung, nach Ruhe, nach Natur- und Kulturerlebnissen, nach Sport und Bewegung ist gewinnträchtig gestaltbar. Im Zuge der Gewinnmaximierung werden die Ressourcen, die zur Befriedigung dieser Wünsche notwendig sind, durch die Befriedigung eben dieser Bedürfnisse zerstört. Die vor der Industriegesellschaft Flüchtenden vernichten, was sie suchen. Leider mußte erst eine Verknappung der Ressourcen, auf die der Tourismus angewiesen ist, eintreten - in diesem Fall eine unzerstörte Natur -, ehe ein Umdenkprozeß in Gang gekommen ist. Immerhin sind mittlerweile positive Entwicklungen erkennbar geworden. Eine nachhaltige Tourismuspolitik muß die Bedürfnisse der Touristinnen und Touristen und die Interessen der Einwohnerinnen und Einwohner in den bereisten Ländern sowie die Bedingungen für den Erhalt der dortigen Umwelt und Kultur miteinander in ein dauerhaftes Gleichgewicht bringen. Etwa 50 % der Reisenden gibt inzwischen an, das Naturerleben im Urlaub zu suchen. Dann allerdings müssen sich auch die Ansprüche der Reisenden wandeln: Der Wunsch nach intakter Natur und nach uneingeschränkten Sportmöglichkeiten zugleich ist nun einmal nicht erfüllbar! Es müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen Erhalt bzw. eine Wiederherstellung der Ressourcen garantieren. Dazu gehören auch Anstrengungen zur stärkeren Sensibilisierung und Aufklärung sowohl der Reisenden als auch der Bereisten. Die örtlichen Institutionen in den Zielorten müssen direkt an den tourismusrelevanten Entscheidungen beteiligt werden. Es sind Voraussetzungen zu schaffen - für eine Reduzierung des Individualverkehrs, z. B. durch autofreie Landschaften und durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, - für eine umweltfreundliche Energieversorgung, - für eine sparsame Verwendung von Wasser, - für sinnvolle Entsorgungskonzepte, - für einen schonenden Umgang mit der Natur, gegebenenfalls auch mit administrativen Maßnahmen, wie die zeitweilige Sperrung von Gebieten, wenn die Regeneration des Bestands an Tieren und Pflanzen dies erfordert. Es gibt bereits eine Reihe von Aktionen, die zu einem umweltfreundlicheren Urlaub beitragen. Als Beispiel sei hier nur die Wassersparaktion in Tunesien genannt, das zu den wasserärmsten Regionen gehört. Eine Einheimische/ein Einheimischer verbraucht durchschnittlich 25 1 Wasser pro Tag, eine Touristin/ein Tourist 700 l! Die Urlauberinnen und Urlauber haben sich aktiv beteiligt und es konnten bis zu 30 % Wasser gespart werden - immerhin ein Beginn. Die zunehmende Sensibilisierung für den Zustand der Umwelt muß genutzt werden, um den Druck auf die Anbieter zu erhöhen. Ich schlage vor, eine Informationspflicht in den Reisebüros einzuführen, die alle Reisenden über die durch den Tourismus verursachte Umweltzerstörung aufklärt und die notwendigen Gegenmaßnahmen erläutert. Der Antrag der CDU/CSU ist so allgemein formuliert, daß konkrete Effekte nicht bzw. nicht im erforderlichen Maße zu erwarten sind. Statt Ausbau des öffentlichen Verkehrs werden lediglich verbrauchsarme Pkws gefordert. Verkehrsberuhigung soll es nur „im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten" geben usw. usf. Das heißt, eine Umstrukturierung, eine strukturelle Änderung der gegenwärtigen Situation ist nicht gewollt. Der Entschließungsantrag der Bündnisgrünen läßt auch einige Wünsche offen: zum Beispiel ist nicht einzusehen, warum Arbeitsplätze im Fremdenverkehr nur renten-, nicht aber sozial- und arbeitslosenversicherungspflichtig sein sollen. In vielen Punkten können wir jedoch zustimmen, z. B. der Forderung, den Tourismusbeirat um Vertreterinnen und Vertreter der Naturschutzverbände zu ergänzen, die Subventionierung des Flugbenzins zu beenden und das Primat der Nachhaltigkeit im Tourismus zu fordern. Denn daran wird sich die Zukunft des Tourismus entscheiden. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Zu den Beschlußempfehlungen zu den Tagesordnungspunkten 9 a bis c möchte ich einige Bemerkungen machen. Zunächst zu 9 a: Beschlußempfehlung und Bericht zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - „Die Rolle der Union im Bereich des Fremdenverkehrs - Grünbuch der Kommission". Im April 1995 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch über die Rolle der Union im Bereich des Fremdenverkehrs vorgelegt, dessen Inhalt die Bundesregierung mit großem Interesse zur Kenntnis genommen hat. Die Bundesregierung vertritt zu der Frage einer europäische Tourismuspolitik die Auffassung, daß angesichts des zunehmenden nationalen und internationalen Wettbewerbs im Tourismus und der immer enger werdenden Finanzspielräume der Einfluß der Europäischen Union im Tourismusbereich auf die Gebiete beschränkt werden sollte, die notwendig einer einheitlichen Lösung bedürfen. Die Bundesregierung ist deshalb gegen die Einführung eines speziellen Kompetenztitels für Tourismus. Sie hat dies gegenüber der Kommission deutlich zum Ausdruck gebracht. Auf zusätzliche Finanzinstrumente kann durchaus verzichtet werden, da z. B. im Rahmen der Strukturfonds und anderer bestehender Förderprogramme ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. In der Bundesrepublik leben Fremdenverkehr und Tourismus aus der regionalen Differenziertheit der einzelnen Fremdenverkehrsgebiete und -regionen. Eine zentral ausgerichtete Fremdenverkehrspolitik auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaften würden diese regionalen Eigenheiten nivellieren und damit dem Tourismus in Deutschland eine seiner wesentlichen Grundlagen entziehen. Gerade die regionale Vielfalt und die landschaftlichen und kulturellen Besonderheiten machen den Tourismusstandort Deutschland interessant. Die Kommission sollte auf die Berücksichtigung tourismuspolitischer Belange bei der Formulierung und Gestaltung von solchen Politiken hinwirken, für die bereits eine Gemeinschaftskompetenz vorhanden ist. Ich denke hierbei an die Verbraucher- und Umweltpolitik und an Maßnahmen im Bereich der Verkehrspolitik. Zu 9 b: Beschlußempfehlung und Bericht zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Halo Saibold und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung der Bundesregierung - „Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Tourismus". Dem Entschließungsantrag kann ich nicht zustimmen. Der Tourismusbericht der Bundesregierung belegt, daß viele der in der Beschlußempfehlung angesprochenen Maßnahmen bereits in Angriff genommen worden sind. Bei der Forderung nach zusätzlichen Maßnahmen sollten immer auch die zur Verfügung stehenden knappen Mittel bedacht werden. Eine grundsätzliche Umorientierung der Tourismuspolitik halte ich weder für geboten noch für notwendig. Mit der Aufnahme des Ausgleichs von Ökonomie und Ökologie in den Zielkatalog der Tourismuspolitik wird den umweit- und sozialpolitischen Anliegen Rechnung getragen. Die notwendigen Abstimmungsprozesse werden durch die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung gesichert. Die von den Grünen vorgeschlagenen weiteren Prüfungsverfahren, zusätzlichen Koordinierungsstellen und ähnliches würden nur den bürokratischen Aufwand erhöhen. Ebensowenig halte ich angesichts der zahlreichen Publikationen zu dem Thema „Massentourismus und seine negativen Auswirkungen" eine bundesweite Informationskampagne für notwendig. Die Verbraucher zeigen zunehmende Sensibilität bei der Umweltqualität touristischer Angebote. Die Tourismuswirtschaft hat in der Vergangenheit gezeigt, daß umweltpolitische Belange, z. B. bei Reiseveranstaltern und Gastgewerbe, hohe Priorität haben. Eine bessere Verzahnung von Auslands- und Inlandswerbung, die auch von der Bundesregierung angestrebt wird, wird dazu beitragen, den Tourismusstandort Deutschland zu stärken und zusätzliche Synergieeffekte zu erzielen. Besonders gefordert sind hier Bund und Länder, die Tourismuswirtschaft und die DZT. Die qualitative Verbesserung der Ausbildungsgänge - nicht nur im Tourismusbereich - ist ein ständiges Anliegen der Bundesregierung. Verschiedene Maßnahmen wurden in Angriff genommen, z. B. die Anpassung der Ausbildungsordnungen an zeitgemäße Berufsbilder, die Diskussion um neue Berufsfelder im Tourismus sowie die Finanzierung des Deutschen Seminars für Fremdenverkehr als Weiterbildungsinstitut. Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Aufbau eines bundesweiten Informations- und Reservierungssystems dringend notwendig. Diesbezüglich sind sich Bund, Länder und der Deutsche Fremdenverkehrsverband einig, und ich gehe davon aus, daß das System DIRG nun auf gutem Wege ist. Die Bundesregierung erstattet dem Deutschen Bundestag, insbesondere dem Bundestagsausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus, regelmäßig Bericht über ihre tourismuspolitischen Aktivitäten. Der Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des Tourismus wird regelmäßig aktualisiert. (Zum nächsten Mal im Herbst 1997). Zu 9 c: Beschlußempfehlung und Bericht zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. „Umweltschutz und Tourismus". Der Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. stellt das notwendige Zusammenspiel von Umweltschutz und Tourismus zutreffend dar. Zwischen Tourismus und Natur- und Landschaftsschutz besteht weitgehende Interessenparallelität. Einem konstruktiven Dialog zwischen Tourismuswirtschaft und Umweltschützern messe ich deshalb besondere Bedeutung bei. Denn nur mit wirkungsvollen Maßnahmen zum Umwelt- schutz können die natürlichen Grundlagen des Tourismus dauerhaft gesichert werden. Der Bereich Umweltschutz muß integraler Bestandteil der Politik zur Entwicklung des Tourismus sein. Ich halte es daher nicht für erforderlich, einen gesonderten Bericht über Umweltschutz und Tourismus vorzulegen. Vielmehr sollte dieses Thema in den nächsten Tourismusbericht integriert werden. Die deutsche Tourismuswirtschaft hat erkannt, daß Umweltschutzmaßnahmen sich imagefördernd auswirken können und auch Standortvorteile im internationalen Wettbewerb bedeuten. Es gibt bereits wichtige übergreifende umweltpolitische Handlungsebenen und Instrumente. Beispiele sind die Rio-Konvention, das Tourismusprotokoll der Alpenkonvention, das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag, die Umweltverträglichkeitsprüfungen für touristische Anlagen und vieles mehr. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Mittel bisher zahlreiche Projekte der Fremdenverkehrswirtschaft im Umweltschutz unterstützt. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal besonders auf den derzeit laufenden Bundeswettbewerb „Umweltfreundliche Fremdenverkehrsorte" hinweisen, der gemeinsam vom BMWi, BMU und dem Deutschen Fremdenverkehrsverband durchgeführt wird. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Entwurf eines Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder - Erbrechtsgleichstellungsgesetz) Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Das Grundgesetz trägt dem Gesetzgeber in Art. 6 Abs. 5 auf, den nichtehelichen - oder wie es dort noch heißt: „unehelichen" - Kindern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Die Verwirklichung dieses Verfassungsauftrags treibt die Bundesregierung mit dem heute zur Beratung anstehenden Entwurf eines Erbrechtsgleichstellungsgesetzes aus meinem Haus weiter voran. Bereits im Jahre 1969 hat der Gesetzgeber einen entscheidenden ersten Schritt getan: Nichtehelichen Kindern wurde ein Erbrecht nach ihrem Vater und ihren väterlichen Verwandten eingeräumt. Vor einer völligen erbrechtlichen Gleichstellung ist der Gesetzgeber zurückgeschreckt, indem er nichtehelichen Kindern gegenüber der Ehefrau und den ehelichen Kindern nur einen sogenannten Erbersatzanspruch eingeräumt hat, der in seiner Höhe dem Wert des ihnen „eigentlich" zustehenden Erbteils entspricht. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber nichtehelichen Kindern die Möglichkeit eingeräumt, von ihrem Vater einen „vorzeitigen Erbausgleich" zu verlangen. Dieses Sondererbrecht der nichtehelichen Kinder stammt noch aus einer Zeit, in der diese als „Störenfriede" in einer Familiengemeinschaft empfunden wurden. Diese Auffassung ist heute von der gesellschaftlichen Wirklichkeit überholt. Immer mehr Kinder wachsen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder bei nur einem Elternteil auf. Allein in den neuen Bundesländern werden mehr als 40 % der Kinder nichtehelich geboren. Die Reform des Kindschaftsrechts, zu der ich Ihnen bereits vor einigen Wochen an dieser Stelle berichtet habe, und der vorliegende Entwurf tragen nicht nur dieser gesellschaftlichen Wirklichkeit Rechnung. Sie entsprechen auch meiner Überzeugung, daß der Staat nicht durch seine Gesetze und Institutionen bestimmte Schicksale, bestimmte Lebensbilder, bestimmte Daseinspläne bevorzugen darf. Der Entwurf zieht hieraus die Konsequenzen, indem er die genannten Sondervorschriften ersatzlos streicht. Ich freue mich, daß der Bundesrat diesen Ansatz grundsätzlich unterstützt. Er will allerdings - anders als noch in der vergangenen Legislaturperiode - auch die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder einbeziehen und damit eine Übergangsregelung der Reform aus dem Jahre 1969 abschaffen. Seinerzeit wurden Kinder, die älter als 21 Jahre waren, nicht in den Anwendungsbereich des neuen Rechts einbezogen. Eine Stichtagsregelung bringt zwar immer Härten mit sich und ist den Betroffenen nur schwer plausibel zu machen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aber bestätigt, daß er das Vertrauen potentieller Erblasser auf die Weitergeltung des alten Rechtszustandes, in dem es überhaupt kein Erbrecht für nichteheliche Kinder gab, um so eher für schutzwürdig halten durfte, je älter die nichtehelichen Kinder bei Inkrafttreten des Gesetzes waren. Ansonsten hätte der Gesetzgeber im Jahre 1969 eine Vielzahl von Vaterschaftsanfechtungen heraufbeschworen, selbst in Fällen, in denen die Geburt mehr als 21 Jahre zurücklag. Diese Überlegungen haben durch den Zeitablauf noch an Gewicht gewonnen. Sollen wir jetzt Anfechtungsverfahren entscheiden, wenn die Geburt bald 50 Jahre zurückliegt? Und: Soll ein 75- bis 80jähriger Vater heute eine Vaterschaft anfechten müssen, mit der sich alle in den geltenden Rechtsbahnen längst arrangiert haben? Ich halte es nicht für angemessen, daß der 1969 gewährte und vom Verfassungsgericht gebilligte Vertrauensschutz jetzt wieder entzogen wird. Dieser Streitpunkt soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir uns im Grundsatz einig sind: Nichteheliche und eheliche Kinder sollen erbrechtlich gleichgestellt und der Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes insoweit nunmehr vollständig erfüllt werden. Margot von Renesse (SPD): Um es vorweg zu sagen: Der Regierungsentwurf zum Erbrecht ist dem Ziel, der Gleichstellung aller Kinder eines Erblassers, schon erfreulich nahe gekommen, auch wenn er - wie ein Golfball vor dem Loch - noch ein kleines bißchen davor steckengeblieben ist. Doch dazu später. Kinder sind Kinder, ob sie „ehelich" sind oder nicht, geliebt oder ungeliebt, der Stolz ihrer Eltern oder ihr Kummer. Die unterhaltsrechtliche Verantwortung in beiderlei Richtung ist dieselbe, die Chancen für gelungene oder gescheiterte Elternschaft gleich. Was also hat so lange den Gesetzgeber gehindert, das Selbstverständliche zu tun: die Gleichstellung aller Kinder auch im Erbrecht zu bewirken? Nennen wir die Angst beim Namen, die viele umtreibt: Da könne es einen Fremdling, einen Bastard in der Erbengemeinschaft geben, der nichts als Unfrieden in eine erbende Familie trägt. Unsinn! Als ob enge Blutsverwandtschaft Frieden in der Erbengemeinschaft gewährleistete! Und schon heute kommen viele Erbengemeinschaften, in denen sich Halbgeschwister aus geschiedenen Ehen des Erblassers zusammenfinden, gelegentlich auch friedlich miteinander aus. Wollen wir etwa, wie es allen Ernstes von erlauchter Fachautorität vorgeschlagen wurde, das volle Erbrecht aller Kinder aus geschiedenen Ehen auf das der nichtehelichen Kinder nach heutigem Recht reduzieren, so daß die Scheidung ihrer Eltern auch sie selbst vorn Vater oder der Mutter rechtlich trennte? Das dürfte kaum mit Art. 6 der Verfassung vereinbar sein. Was ist die Begründung für das gesetzliche Erbrecht naher Angehöriger? Es ist mitnichten die Zuneigung oder gar Liebe zwischen Erblasser und Erben. Solche wackligen Anknüpfungstatbestände verachtet das BGB. Die Erbengemeinschaft ist nicht, wie manche Spätromantiker immer noch meinen, als Familientisch minus Erblasser konzipiert. Die rationale Begründung für das starke Angehörigenerbrecht - übrigens auch mit seinen steuerrechtlichen Privilegien - ist die höchstrangige ökonomische Verantwortung der Angehörigen füreinander. Diese heißt zu Lebzeiten Unterhaltsverpflichtung, nach dem Tode Erbrecht. Gut beraten sind bei größeren Vermögen immer diejenigen, die mit Hilfe von Testamenten Streit unter den Hinterbliebenen vermeiden und Betriebe zusammenhalten helfen. Da gilt es klug vorzusorgen und an die klassische Frage zu denken: „Wes wird sein, das du bereitet hast?" Auch Begünstigungen nichtehelicher Kinder müssen abgebaut werden, die das geltende Recht vorsieht. Der vorgezogene Erbausgleich, den ein nichteheliches Kind von seinem Vater heute verlangen kann und mit dem es beansprucht, ihn bei lebendigem Leibe schon zu beerben, ist eine widerliche Groteske. Gewiß hat der Gesetzgeber dem nichtehelichen - und damit ungeliebten - Kind einen Ausgleich für eine vermutete Großzügigkeit von Vätern ehelicher Kinder geben wollen, die der erwachsenen Tochter eine Aussteuer, dem erwachsenen Sohn das Grundkapital für eine Betriebsgründung zuschanzte. Aber wo sind wir denn? Wo gibt es das denn heute noch in den Familien, insbesondere gegenüber Kindern auch aus geschiedenen Ehen? Ich habe etwas gegen diesen vorzeitigen Erbausgleich, weil er mich an das Gleichnis vom verlorenen Sohn erinnert und es mich immer unangenehm berührt, wenn das Recht Eltern vor ihren Kindern strammstehen läßt. Gleichbehandlung des Nachwuchses ist auch hier am Platze, da Eltern weit über die Volljährigkeit ihrer Kinder hinaus für lange Ausbildungszeiten ein offenes Portemonnaie haben müssen. So weit, so gut mit dem Regierungsentwurf. Wir werden ihn im Zusammenhang mit dem Entwurf zur Kindschaftsrechtsreform beraten, zu der er inhaltlich gehört. Es war immer ein Unding, ihn in der letzten Legislaturperiode als Einzelnovelle vorzulegen. Ich freue mich, daß der Zusammenhang, wie wir Sozialdemokraten immer verlangt haben, nun gewahrt ist. Aber über eines müssen wir doch noch streiten: Warum um alles in der Welt soll die Gleichstellung nur für die Kinder gelten, die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes geboren sind? Aus Gründen des Vertrauensschutzes? Den gibt es nur, wenn in berechtigtem Vertrauen auf den Bestand geltenden Rechts disponiert und gehandelt wurde. Wer aber hat denn wohl im Vertrauen darauf, daß es nichts erben werde, ein Kind gezeugt? Diese Vorstellung bringt mich zum Lachen. Wieso auch soll das Vertrauen darauf, daß man einem nichtehelichen Kind gegenüber keine Verantwortung trägt, „berechtigt" und darum schützenswert sein? Im Unterhaltsrecht sehen wir das ganz anders - und das mit Recht, weil es nicht eine grundlegende Neuerung aus gesetzgeberischer Willkür, sondern die Ausprägung anthropologischer Konstanten ist, wenn wir nunmehr auf dem Standpunkt stehen, nichteheliche Väter seien mit ihren Kindern ebenso verantwortlich verbunden wie mit ehelichen. Vor den Verwirrungen, die das neue Recht in bestehende Rechtsverhältnisse bringen könnte, habe ich ebensowenig Angst wie die Regierung vor den viel zahlreicheren Fällen nach 1949, auf die sie selber die Rückwirkung erstrecken möchte. Daß es sich nur um die Fälle unechter Rückwirkung handeln kann, wo also die Erbfälle noch nicht eingetreten sind, ist ohnehin aus verfassungsrechtlichen Gründen eindeutig. Noch eine Bemerkung zum Schluß: Vor einiger Zeit hörte ich einen Kollegen aus der Koalition einen Satz mit den Worten beginnen: „Da hat man ein uneheliches Kind, und dann hat man noch drei eigene ..." Das genau ist die Unterscheidung, die wir alle nicht mehr wollen. Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die völlige erbrechtliche Gleichstellung von nichtehelichen Kindern geschaffen werden. Diesen war bis 1970 jegliche erbrechtliche Berechtigung nach ihrem Vater versagt. Denn bis zu diesem Zeitpunkt galten das nichteheliche Kind und sein Vater als nicht miteinander verwandt. Mit dem Nichtehelichengesetz vom 19. August 1969 wurde bekanntlich eine deutliche Besserstellung der nichtehelichen Kinder eingeführt, allerdings nach wie vor keine völlige Gleichstellung: Der Erbersatzanspruch bei gesetzlicher Erbfolge ist zwar materiell dem Erbteil des ehelichen Abkömmlings gleich, aber die Rechtsposition ist nicht dieselbe, da das nichteheliche Kind nicht wie die ehelichen Kinder gesamthänderisch berechtigter Miterbe wird. Als bloßer Gläubiger muß der Erbersatzberechtigte auch vom Nachlaßgericht beim Erbfall nicht von Amts wegen ermittelt werden, was dazu führen kann, daß das nichteheliche Kind keine Kenntnis vom Erbfall erlangt. Das geltende Recht ist immer wieder - und inzwischen verstärkt - in die Kritik geraten. Dabei wird vor allem auf die gewandelte rechtliche und soziale Situation nichtehelicher Kinder seit dem Nichtehelichengesetz hingewiesen: eine gesellschaftliche Diskriminierung nichtehelicher Kinder findet heute praktisch nicht mehr statt; die Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften nimmt zu, und diese werden zunehmend akzeptiert; die Zahl von Ein-ElternFamilien steigt mit wachsender Scheidungsrate. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 7. Mai 1991 festgestellt: Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, bedarf stets einer überzeugenden Begründung. Abweichungen von den für eheliche Kinder geltenden Vorschriften sind deshalb grundsätzlich nur zulässig, wenn eine förmliche Gleichstellung der anderen sozialen Situation des nichtehelichen Kindes nicht gerecht würde oder dadurch andere, ebenso geschützte Rechtspositionen beeinträchtigt würden. Danach läßt sich eine Schlechterstellung nichtehelicher Kinder nicht mehr ohne weiteres mit dem pauschalen Hinweis rechtfertigen, die mögliche Vielfalt der Lebenssituation nichtehelicher Kinder unterscheide sich von den typisierenden Lebensumständen ehelicher Kinder. Damit bestätigt das Bundesverfassungsgericht seine geänderte dogmatische Position, die erstmals in der im 74. Band (Seite 33 ff.) veröffentlichten Entscheidung bezogen worden war. Daraus - wie es manche Kritiker der derzeitigen Regelung tun - zu folgern, die geltende Rechtslage sei verfassungswidrig, halte ich für gewagt. Allerdings macht auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich, daß sich ein Wandel in den Verhältnissen vollzogen hat, dem auch das Recht Rechnung zu tragen hat. § 1934 a BGB beruht im Grunde auf der Annahme, daß das nichteheliche Kind ein „Störenfried" im bestehenden Familienverband sei, mithin sein Ausschluß aus der Erbengemeinschaft den Frieden innerhalb dieser Rechtsgemeinschaft wahre. Der Gesetzgeber ging damals davon aus, daß zwischen Vater und ehelichem Kind bzw. mit dessen Mutter regelmäßig eine gelebte Eltern-Kind-Beziehung besteht, dagegen praktisch nie zwischen Vater und nichtehelichem Kind. Diese Voraussetzung ist - wie der Vizepräsident des OLG München, Wolfgang Edenhofer, bei einem Expertengespräch auf Einladung der CDU/CSU-Mitglieder des Rechtsausschusses überzeugend dargelegt hat - erbrechtlich unlogisch und durch die Entwicklung der sozialen Verhältnisse überholt; denn das gesetzliche Erbrecht der Verwandten ist im BGB nicht von einer gelebten Beziehung zwischen Erblasser und Erben abhängig gemacht worden. Außerdem: Sofern beim Kind über die bloße Verwandtschaft hinaus nur eine tatsächliche innere Beziehung zwischen Vater und Kind das volle Erbrecht rechtfertigt, muß dies für a 11e Kinder gelten, nicht nur für nichteheliche. Bei Scheidungskindern z. B. ist häufig das Ende einer gelebten Beziehung zum Vater festzustellen, während es andererseits zahlreiche nichteheliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern gibt, in denen sehr wohl eine gelebte Beziehung besteht. Angesichts dessen lassen sich meines Erachtens kaum noch überzeugende Argumente für die Beibehaltung der erbrechtlichen Sonderstellung nichtehelicher Kinder finden. Der Entwurf sieht deshalb die Streichung aller im BGB enthaltenen erbrechtlichen Sonderregelungen für nichteheliche Kinder vor, mit der Konsequenz, daß nichteheliche Abkömmlinge auch neben dem überlebenden Ehegatten und den ehelichen Abkömmlingen des Erblassers zu gesamthänderisch berechtigten Miterben werden. Spannungen unter den Miterben werden dabei zwar in Kauf genommen; als allgemeines Problem „heterogener" Erbengemeinschaften dürften sie jedoch ohnehin kaum vermeidbar sein. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Erblasser natürlich die Möglichkeit hat, die Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen abweichend von der gesetzlichen Erbfolge zu regeln. Aus diesem Grund halte ich auch den Einwand für nicht durchgreifend, die Gleichstellung der nichtehelichen Kinder würde vor allem für Unternehmen große Probleme schaffen. Außerdem ist in Unternehmen meist im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung eine Regelung über die Erblichkeit oder eine Unternehmensnachfolge getroffen. Noch ein Wort zur Stichtagsproblematik: Der Bundesrat will im Gegensatz zum Regierungsentwurf auch die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder in erbrechtlicher Hinsicht den ehelichen Kindern gleichstellen. Hierfür lassen sich durchaus Argumente anführen, es sprechen aber auch gute Gründe dagegen, die es in den bevorstehenden parlamentarischen Beratungen abzuwägen gilt. Der mit dem Nichtehelichengesetz eingeführte vorgezogene Erbausgleich ist vom rechtspolitischen Schicksal des Erbersatzanspruchs grundsätzlich unabhängig. Er könnte deshalb auch nach Wegfall des Erbersatzanspruchs fortbestehen. Motiv für den vorzeitigen Ausgleichsanspruch war seinerzeit, das sogenannte Lebensdefizit des nichtehelichen Kindes auszugleichen. Die Antwort auf die Frage, ob mit einer Streichung der §§ 1934a, b BGB auch der vorzeitige Erbausgleich beseitigt werden soll, hängt also davon ab, ob der Gesetzgeber es bei voller erbrechtlicher Gleichstellung noch für geboten ansieht, mit Hilfe dieses Rechtsinstituts weiterhin einer Benachteiligung nichtehelicher Kinder entgegenzuwirken. Dies ist nach unserer Ansicht heute - jedenfalls in genereller Hinsicht - zu verneinen. Entwicklungsmäßige, soziale und wirtschaftliche Nachteile können sachgerecht heute nur noch aus der konkreten Lebenssituation des einzelnen - nichtehelichen oder ehelichen - Kindes begründet werden. Auch läßt sich der Wunsch, durch einen vorgezogenen Erbausgleich künftigen Erbkonflikten vorzubeugen, nicht auf den Fall des nichtehelichen Kindes beschränken. Andererseits würde die Ausweitung des vorzeitigen Erbausgleichs auf eheliche Kinder die Dispositionsfreiheit des künftigen Erblassers noch weiter einschränken und somit an die Schranken des Art. 14 Grundgesetz stoßen. Der Wegfall des vorzeitigen Erbausgleichs ist damit gerechtfertigt. Hildebrecht Braun (Augsburg) (F.D.P.): Was lange währt, wird endlich gut. Viele Jahre hat es gedauert, bis in unserer Gesellschaft der Konsens darüber gewachsen ist, daß Diskriminierungen in jeder Form, die an die Art der Geburt anknüpften, aus dem deutschen Recht beseitigt werden müßten. Es ist schon eine befremdliche Regelung, die es zu ersetzen gilt: Da tut das Gesetz so, als sei die Bilderbuchfamilie, wo jeder nur das Wohl des anderen Familienmitgliedes im Auge hat, noch immer die Regel. Richtig ist, daß die Ehe an Attraktivität und die Familie an Integrationskraft verloren haben. So sind im Jahr 1992 in den neuen Bundesländern 33,6 %, also ein Drittel aller Kinder, geboren worden, ohne daß die Eltern verheiratet waren. Da unterstellt die gegenwärtige gesetzliche Regelung doch, daß im Erbfalle die Angehörigen dieser Bilderbuchfamilie in trauter Friedfertigkeit das Ererbte im Geiste des Verstorbenen ausschließlich dem Wohle der verbleibenden Familie widmen würden. Richtig ist natürlich, daß schon heute der Erbfall oft die größte Gefährdung für ansonsten intakte Familien darstellt. Jeder Anwaltskollege wird uns bestätigen, daß über die Nichteinigung bei der Verteilung des Erbes Geschwister und Eltern in besten Familien zu Feinden geworden sind. Ja, die Heftigkeit der Streitereien um Ererbtes, also letztlich um Vermögen ohne eigene Leistung wird gelegentlich noch in ihrer Heftigkeit übertroffen durch Streitigkeit von Nachbarn über die Thujen-Hecke. Das geltende Recht hat sich der Einsicht verwehrt, daß natürlich schon heute Millionen von Kindern aus zweiter Ehe des Erblassers im Erbfall mit den Kindern aus erster Ehe, zu denen sie oft keinen Kontakt haben, eine Erbengemeinschaft bilden. Der Gesetzgeber hat dies als hinnehmbar erachtet, während er die Erbengemeinschaft mit dem nichtehelichen Geschwister als unzumutbare Belastung bewertete. Welch eine Diskriminierung! Schwang nicht 1969 noch die Vorstellung der ethischen Minderwertigkeit des nichtehelich geborenen Kindes, des Bastards mit? Es kommt wohl nicht von ungefähr, wenn in der Gesetzesbegründung 1969 auf eine Stellungnahme aus der Entstehungsphase des BGB verwiesen wurde, wo vermerkt wurde: Meistens steht der Vater dem unehelichen Kinde gleichgültig oder fremd gegenüber ... Es ermangeln hier völlig die sittlichen Voraussetzungen für die Begründung einer familienrechtlichen Beziehung ... Der heutige Bundestag erlaubt sich eine derartige Bewertung der Entstehung eines nichtehelichen Kindes gewiß nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Es gibt Zehntausende von nichtehelichen Vätern, die keineswegs nur Zahlväter sind, sondern sich mit großem Engagement, ja mit elterlicher Liebe um ihr Kind kümmern. Tausende von Vätern kämpfen um die Teilhabe an der elterlichen Sorge, nicht etwas aus Machtgründen, sondern weil sie ihre Verantwortung gegenüber dem Kind kennen und die besondere menschliche Nähe eines Elternteils zu seinem Kind als Realität wahrnehmen. Dies ist eine wunderbare Sache, die der Bundestag nur mit allem Nachdruck unterstützen kann. Die bisherige gesetzliche Regelung benachteiligt auch eheliche Kinder, die keinen Erbersatzanspruch haben. Sie führt auch zu einem grotesken Ergebnis: Wenn das nichteheliche Kind den Erbersatzanspruch gegen den Vater geltend macht, so endet hiermit ja nicht nur die erbrechtliche Beziehung zwischen dem Kind und dem Vater, sondern auch zwischen dem Vater und dem Kind. In anderen Worten: Wenn das Kind vor dem Vater verstirbt, ist der Vater nicht mehr Erbe. Wenn keine Verwandten vorhanden sind, soll an Stelle des Vaters der Staat erben. Eine solch abenteuerliche Konstellation muß geändert werden. Das neue Gesetz wird eine Rechtsangleichung zwischen den alten und den neuen Bundesländern bringen, aber darüber hinaus auch eine Entwicklung nachvollziehen, die in unseren Nachbarstaaten längst stattgefunden hat. Nicht nur Österreich hat sie; auch die in manchen rechtspolitischen Dingen eher zögerliche Schweiz hat bereits 1976 das nichteheliche Kind dem ehelichen gleichgestellt. Lassen Sie mich noch kurz auf die Gesetzesbegründung eingehen: Sie verweist zu Recht darauf, daß auch die jetzt gefundene Lösung keineswegs das Nachdenken über die Grundlagen des Erbrechts beendet. So werden Erwägungen angestellt, die durchaus verdienen, weiter bedacht zu werden, etwa, ob nicht den Kindern im Falle des Versterbens eines Elternteils nur ein Erbersatzanspruch gegenüber dem überlebenden Ehegatten zustehen sollte. Ich könnte mir gut vorstellen, daß dies dem Zusammenhalt in der Familie dienlich sein könnte. Der Gesetzentwurf lehnt einen Antrag des Bundesrates ab, auch vor dem 1. Juli 1949 Geborenen das Erbrecht zuzusprechen. Ich gestehe, daß mir die Begründung dieser Weigerung nicht einleuchten mag. Hierüber wird sicherlich in der Gesetzesberatung noch intensiv zu sprechen sein. Eigentlich will ich, daß es in Zukunft keinerlei Diskriminierung von nichtehelichen Kindern mehr gibt, auch nicht von solchen, die das 47. Lebensjahr bereits vollendet haben. Lassen Sie mich am Ende eine Anregung an die Damen und Herren im Justizministerium geben: Der Gesetzentwurf und seine Begründung übernehmen die Sprache des BGB, das nun bald 100 Jahre alt sein wird. Es werden nichteheliche Abkömmlinge den ehelichen Abkömmlingen gegenübergestellt. Muß es denn wirklich sein, daß wir von Kindern und Enkeln immer noch als Abkömmlingen sprechen? Wäre es nicht an der Zeit, derartige technische Begriffe, die uns Menschen als Objekte rechtlicher Konstruktionen so erscheinen lassen, ebenso aus der Gesetzesprache zu entfernen wie die schrecklichen Frauenspersonen, die uns nirgends mehr begegnen außer im deutschen BGB, wo es zum Beispiel bisher völlig unwidersprochen in § 825 heißt: „Wer eine Frauensperson durch Hinterlist ... zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt, ist ihr zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet."? Aber, Herr Bundesjustizminister, auf diese Bestimmung, die kaum einer kennt, kommen wir in Kürze zurück, wenn wir familienrechtliche Vorschriften der verdienten Runderneuerung zuführen. Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist wirklich ein langer Weg vom dramatischen Schicksal des Gretchen in Goethes Faust bis zum heutigen Tag. Die Nichtehelichengesetzgebung der siebziger Jahre versuchte die Gretchensituation zu mildern. Heute nichtehelich geboren zu sein und in einer sogenannten Teilfamilie zu leben bedeutet meist keine gesellschaftliche Stigmatisierung mehr. Die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in allen Bereichen des juristischen und politischen Lebens ist eine überfällige Konsequenz aus den gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Dieser Entwicklung muß auch die Politik endlich und umfassend Rechnung tragen. Unsere Fraktion hat im Antrag „Für eine gesetzliche Neuregelung des Kindschaftsrechts" die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in allen Bereichen gefordert. Ein Sonderrecht für nichteheliche Kinder im Erbrecht ist durch nichts gerechtfertigt und stellt eine Ungleichbehandlung gegenüber ehelichen Kindern dar. Der Erbersatzanspruch diente erklärtermaßen der Rücksichtsnahme auf Verwandte, die dem Erblasser „tatsächlich nahestehen". Das nichteheliche Kind wurde als „fremder Eindringling" in deren Angelegenheiten betrachtet. Die Streichung von Erbersatzanspruch und vorgezogenem Erbausgleich wird von uns unterstützt. Es ist an der Zeit, daß nichteheliche Kinder endlich auch erbrechtlich den ehelichen Kindern gleichgestellt werden. Allerdings scheint Ihnen nach diesem Schritt schon die Puste für die weitere Wegstrecke ausgegangen zu sein. Das betrifft zum Beispiel die Absicht, Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren sind, aus dieser Regelung auszunehmen. Diese Ausnahme stammt aus dem Nichtehelichengesetz von 1970 und war schon damals, als es um allererste Versuche einer Gleichstellung ging, kaum nachzuvollziehen. Es ist aber heute halbherzig, diese unverhältnismäßige und willkürliche Benachteiligung beizubehalten. Gleiche Rahmenbedingungen sollten für alle gelten, unabhängig vom Geburtsdatum. Deshalb schließen wir uns in diesem Punkt der Empfehlung des Bundesrates an. Die erbrechtliche Gleichstellung ist aber nur ein Teil einer Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern. Weitergehende Reformen stehen dringend an. Zum Beispiel die Regelung des Unterhalts. Unsere Fraktion will, daß die Höhe des Unterhalts für alle anspruchsberechtigten Kinder, gestaffelt nach Alter, zukünftig einheitlich festgelegt wird. Er sollte sich am tatsächlichen Lebensbedarf orientieren. Wenn Sie den vorzeitigen Erbausgleich abschaffen, wo ist dann noch die Berechtigung für die Möglichkeit, zur Abgeltung aller Ansprüche einmalig eine Unterhaltsabfindung zu vereinbaren? Meine Damen und Herren, sinnvolle Einzelregelungen, wie sie uns heute zum Erbrecht vorliegen, entbinden die Bundesregierung nicht von ihrer Pflicht, endlich einen Entwurf zur umfassenden Reform des Kindschaftsrechts vorzulegen. Wir brauchen ein Gesetz, das im Interesse der Kinder Erbrecht und Unterhaltsrecht regelt. Wir brauchen klare Bestimmungen zur elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht. Und das Recht auf und die Verpflichtung zur gewaltfreien Erziehung muß endlich gesetzlich durchgesetzt werden. Wir hoffen, daß Ihnen da die Puste nicht vorzeitig ausgeht, und sind gespannt auf Ihren Entwurf. Heidemarie Lüth (PDS): Die Neufassung eines Erbrechtsgleichstellungsgesetzes ist längst überfällig, weil hier geltendes Recht nicht nur - wie im Gesetzestext vermerkt - problematisch geworden ist, sondern weil es zu den antiquierten, lebensfernen und kinderunfreundlichen, ja Kinder und deren Mütter diskriminierenden Vorschriften gehört. Es muß schon verwundern - oder eigentlich auch nicht -, wenn die Bundesregierung selbst feststellt, daß die entstandenen realen Familienstrukturen, verfassungsrechtliche Vorgaben, Vorgaben des Einigungsvertrages von 1990 und die europäische Rechtsvereinheitlichung eine Neufassung von Erbansprüchen nichtehelicher Kinder erforderlich machen, aber dies erst 1996 ins Auge gefaßt wird. Notwendig ist unbedingt die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in Erbschaftsangelegenheiten. Das betrifft sowohl die gesamthänderische Berechtigung als Miterbe wie auch den Wegfall des vorgezogenen Erbausgleiches. Welche Geburtswehen hierbei auszustehen waren, macht der Umstand deutlich, daß im Referentenentwurf noch vor- geschlagen wurde, nichteheliche Kinder zu Erben zweiter Klasse zu machen. Keinen Grund sehen wir - wie bekanntlich der Bundesrat auch -, hinsichtlich der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder die bisherige Rechtslage beizubehalten. Liest man die Begründung für das Gesetz, so erkennt man den gleichen defensiven Ansatz wie auch im Gesetzentwurf zur Reform des Kindschaftsrechts. Ausgangspunkt, Maßstab und die eigentliche moralische Kategorie ist immer wieder die „normale Ehe" mit dem ehelichen Kind. Bedauerlicherweise wird dies auch noch gestützt in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1991: „Den Maßstab der Gleichstellung bildet der ,Normalfall' des ehelichen Kindes, das in einer stabilen Ehe aufwächst." Die Größe und der moralische Wille der Väter wird bemüht, und in diesem Sinne wird über das Kind entschieden. Das läßt noch aufschlußreiche Diskussionen erwarten. Im übrigen steht doch wohl eine generelle Änderung des Erbrechts ins Haus. Aber da traut sich die Regierung offensichtlich nicht ran, weil dies einen nicht gewollten Sinn für Realitäten zur Bedingung haben müßte. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu dem Zusatztagesordnungspunkt 13 (Große Anfrage: Die Situation von Lesben und Schwulen in der Bundesrepublik Deutschland) Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Erstens. Die PDS hat sich mit insgesamt 38 Einzelfragen zu unterschiedlichsten Rechtsbereichen an die Bundesregierung gewandt, um deren bisherige und zukünftige Tätigkeit zum Schutz vor Diskriminierung und zur Erzielung einer absoluten rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung für gleichgeschlechtlich Veranlagte und für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im einfach-gesetzlichen Bereich anzuregen. Daneben wird mit den Fragen auch auf aufklärende und meinungsbildende Maßnahmen gezielt. Zweitens. In der Bundesrepublik Deutschland respektiert der Staat die Höchstpersönlichkeit der Entscheidung des einzelnen über sein Sexualleben. Das Recht der Bundesrepublik verbietet es, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren oder sachwidrig ungleich zu behandeln. Das ist der in Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich abgesicherte Grundsatz mit Rechtsschutzgarantie und der Verfassungsbeschwerde als Ultima ratio. Und weil dies existiert, sind so viele der in den Fragen enthaltenen indirekten Aufforderungen und Vorwürfe an die Adresse der Bundesregierung rechtlich überflüssig und politisch „just for show". Drittens. Es wird nicht verkannt, daß trotz des rechtlichen Diskriminierungsverbots die gleichgeschlechtliche Veranlagung von Menschen eine beträchtliche Lebenserschwernis darstellen kann. Die Frage ist, ob die Belastung und ihre Folgen für die Betroffenen so unerträglich sind, daß der Sozialstaat - über das Verbot der rechtlichen Diskriminierung hinaus - sie ihnen abnehmen muß, weil sie dem einzelnen keine Chance zu einem erfüllten Leben mehr lassen. Der Sozialstaat ist nicht dafür da, dem einzelnen alle Lebensrisiken und Lebenserschwernisse abzunehmen, alle Unterschiede gewissermaßen einzuebnen. Er soll das nicht, weil er das nicht kann, weil die Suche nach immer mehr Gleichheit und immer mehr Sicherheit auch zu immer mehr Abhängigkeit und immer weniger Freiheit führt, sich im Ergebnis schließlich auch gegen die wendet, denen zu dienen sie vorgibt. Das Leben ist bunt, und die Eigenschaften sind nicht gleich verteilt. Es gibt Heterosexuelle und Homosexuelle. Es gibt Menschen mit stabiler und solche mit labiler Gesundheit, Menschen, die schön sind, und Menschen, die häßlich sind und darunter leiden. Es gibt sehr kluge und sehr dumme Menschen, Menschen mit Normalwuchs, Menschen mit Übergröße und Kleinwüchsige. Die erhebliche Abweichung vom Durchschnitt, von der Norm, kann leicht eine Belastung für den Betroffenen sein - in meinen Augen nicht selten auch eine schwerere Belastung als eine geschlechtliche Veranlagung. Viertens. Viele Gleichgeschlechtliche oder ihre Apologeten begehren für die homosexuelle Lebensgemeinschaft die gleichen Rechte wie für die Ehe. In der Tat hat unser Staat die Ehe mit Privilegien ausgestattet. Die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, aus der typischerweise die Familie mit Kindern hervorgeht und die als kleinste gesellschaftliche Einheit Ausgangspunkt der Sozialisation des Menschen darstellt und die für das Wohl eines Volkes oder einer Gesellschaft von lebenswichtiger Bedeutung ist, ist privilegiert. Daraus folgt nicht, daß alle ähnlichen Beziehungen ebenfalls zu privilegieren sind. Natürlich gibt es im Einzelfalle Ehen, die sich als weniger gut erweisen als andere Lebensgemeinschaften, die von großer Verantwortung getragen werden und im besonderen Fall die Unterstützung der Allgemeinheit verdienten. Aber wir können nicht für jeden Einzelfall ein Gesetz machen. Der Staat muß sich auf idealtypische Tatbestände beziehen. Anderes ist aus praktischen Gründen nicht machbar. Fünftens. Bei der Ausgestaltung der Wohnungsbauförderung gebührt der Familie der Vorrang vor anderen Formen der Gemeinschaft. Bei der Frage des Eintritts in einen bestehenden Mietvertrag scheint mir die immer größere Ausweitung des Kreises der Eintrittsberechtigten mit dem Recht des Vermieters, grundsätzlich selbst zu bestimmen, wem er eine Wohnung vermietet, nicht kompatibel. Die Frage der Adoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner ist zu diffizil, als daß sie hier in einem Minutenbeitrag abgehandelt werden könnte. Das Wohl des Kindes muß der Maßstab sein - und nur dieses. Nachteile im Erb- und Steuerrecht scheinen mir teils hinnehmbar, teils überwindbar z. B. durch die Errichtung eines Testaments. Das Besuchsrecht im Strafvollzug muß in der Tat geregelt werden, das Besuchsrecht auf der Intensivstation ebenfalls. Eine Ablehnung der Gleichstellung mit der Ehe bedeutet nicht die Ablehnung jeglicher Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft; unter der Voraussetzung freilich, daß dort, wo besondere Rechte gefordert werden, auch besondere Pflichten übernommen werden müssen. Insgesamt läßt sich sagen, die Situation der gleichgeschlechtlich Veranlagten in Deutschland bietet keine Veranlassung zu Panik und Feldgeschrei. Aber es ist auch nicht ein Gebiet, auf dem jede Reform schlechthin überflüssig wäre. Das Thema bleibt auf der Tagesordnung. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Juistz: Die Situation von Homosexuellen ist wiederholt Gegenstand parlamentarischer Anfragen gewesen. Die Ihnen vorliegende Große Anfrage thematisiert keine grundsätzlich neuen Aspekte. Ich bin mir deshalb sicher, Ihr Verständnis dafür zu haben, daß auch die Antworten nicht sonderlich überraschen. Lassen Sie mich die wesentlichen Punkte kurz zusammenfassen. Die freiheitliche Gesellschaft ermöglicht es jedermann, sein Leben und die von ihm geführte Partnerschaft nach eigenen Vorstellungen zu gestalten - auch und gerade dann, wenn diese Vorstellungen von denen anderer, insbesondere von denen der Mehrheit abweichen. Dies ist für mich als Liberalen selbstverständlich. Die Diskriminierung bestimmter Lebensentwürfe durch den Staat, seine Gesetze und Institutionen ist in der liberalen Bürgergesellschaft nicht hinnehmbar. Diese Gestaltungsfreiheit genießt grundrechtlichen Schutz. Niemand darf auf Grund seiner Lebensgestaltung, seiner Werteeinstellung, seiner sexuellen Orientierung, diskriminiert, d. h. schlechter behandelt werden als andere. Die Bundesregierung hat dies immer bekräftigt. Sie hat wiederholt darauf hingewiesen - und tut dies heute gern nochmals -, daß das geltende Recht dieses Landes eine Diskriminierung Homosexueller nicht zuläßt. Im Gegenteil: Das Grundgesetz selbst enthält das Verbot sachwidriger Ungleichbehandlung, nämlich den Gleichheitssatz des Art. 3. Vorschläge, die eine Ergänzung durch ein besonderes, auf die sexuelle Identität zielendes Diskriminierungsverbot zum Gegenstand hatten, erhielten im Rahmen der Verfassungsreform 1994 nicht die erforderliche Mehrheit. Sie hätten dem Gleichheitssatz auch in der Tat substantiell nichts hinzufügen können, was er nicht schon enthielte. Einfachrechtliche Regelungen, die Menschen mit homosexueller Orientierung gezielt benachteiligen, also im eigentlichen Wortsinne diskriminieren, gibt es nicht. Es gibt Regelungen, die Ehe und Familie begünstigen. Und die Rechtsprechung vollzieht das gleichermaßen. Beides findet seine Rechtfertigung in dem Verfassungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG. Die dort begründete Verpflichtung der gesamten „staatlichen Ordnung" zum „besonderen Schutz" von Ehe und Familie würde nicht erfüllt, wenn alle Lebensformen pauschal gleichgestellt und Ehe und Familie damit eben nicht mehr „besonders" geschützt würden. Deshalb sind wir als Gesetzgeber sehr wohl gefragt, wenn auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften Hürden gegenüberstehen, welche die ihnen garantierte Gestaltungsfreiheit zwar formal nicht beschränken, für die Betroffenen aber eine schwere Belastung sind. Ein Beispiel hierfür ist das Mietrecht. Nach dem Tod des Mieters gewährt das Gesetz Ehepartnern die Möglichkeit, in den Mietvertrag einzutreten. Die Rechtsprechung hat dies auf Partner heterosexueller Lebensgemeinschaften ausgedehnt, Partner homosexueller Lebensgemeinschaften aber ausdrücklich nicht in den Schutz einbezogen. Dies beabsichtige ich im Rahmen der anstehenden Mietrechtsreform zu ändern. Auf anderen Feldern und im Alltag werden Homosexuelle im übrigen zumeist durch individuelles Fehlverhalten anderer diskriminiert. Dem ist mit Gesetzen nicht zu begegnen. Hier sind wir nicht als Gesetzgeber, sondern als Politiker gefragt und gefordert, Verständnis zu wecken und Toleranz zu fördern. Insofern hat auch diese Debatte, wenn auch zu unfreundlich später Stunde, zumindest den Wert, diese Absicht zu bekräftigen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu den Zusatztagesordnungspunkten 14 - Antrag: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - und 15 - Antrag: Erweiterung des Untersuchungsauftrages des 2. Untersuchungsausschusses Andreas Schmidt (Mühlheim) (CDU/CSU): Die parlamentarische Untersuchung von Vorgängen, die in der Öffentlichkeit von Interesse sind oder die interessant gemacht worden sind, durch Untersuchungsausschüsse erfreut sich besonderer Beliebtheit vor allem bei der Opposition. Öffentliches Interesse an bestimmten Vorgängen legitimiert für sich allein nicht die Einsetzung des schärfsten parlamentarischen Kontrollinstrumentes, nämlich eines Untersuchungsausschusses. Das Umfeld außerhalb und innerhalb des Parlamentes sollte beachtet werden. Dazu gehört zum Beispiel, inwieweit die ständig vorhandenen Kontrollmechanismen des Parlamentes geeignet sind und genutzt werden, um bestimmten Vorgängen nachzugehen, diese aufzuklären und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Die PDS beantragt eine parlamentarische Untersuchung zum Thema Bremer Vulkan. Dem hat sich die SPD politisch mit einem in der Form und möglicherweise im Inhalt abweichenden Antrag zehn Wochen später angeschlossen. Beide Anträge unterliegen nicht dem Minderheitenrecht des Art. 44 Abs. 1 Grundgesetz, so daß der Bundestag insofern frei ist zu entscheiden, wie es ihm zweckmäßig erscheint. Das Thema Bremer Vulkan ist unter mehreren Gesichtspunkten von Interesse: Staatliche Einflußnahme und staatliche Subventionen verbunden mit dem Verdacht roten Filzes sind zum einen grundsätzliche Probleme, zum anderen spezielle in Bremen; dort wurde dazu am Montag dieser Woche ein Untersuchungsausschuß eingesetzt. Was die Frage von Geldern der Treuhandanstalt bzw. der BvS für die Ostwerften im Bremer VulkanVerbund anbelangt, so gibt es hier selbstverständlich auch ein Interesse des Bundestages zu wissen, was konkret geschehen ist. Es ist allerdings nicht so, als ob der Bundestag bisher schlafend den Ereignissen zugesehen hätte. Der für solche Angelegenheiten zuständige Ausschuß des Bundestages, nämlich der Haushaltsausschuß, hat sich mit entsprechenden Themen bereits beschäftigt. Unter dem 11. März und dem 10. April 1996 hat er auf seine Anforderung hin Berichte des Bundesfinanzministeriums erhalten. Zwei weitere Berichte hat der Haushaltsausschuß angefordert, und er wird sie - so wie es heute aussieht - noch vor der Sommerpause erhalten. Schließlich erwartet der Haushaltsausschuß bzw. der Rechnungsprüfungsausschuß einen Bericht des Bundesrechnungshofes - ebenfalls noch vor der Sommerpause. Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, weshalb derzeit die Notwendigkeit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu diesen Vorgängen bestehen sollte. Wir lehnen deshalb den Antrag der PDS ab. Was den SPD-Antrag anbelangt, so läßt er im unklaren, ob es um Fragen im Zusammenhang mit dem Bremer Vulkan gehen soll. Wir sind deshalb bereit, ihn nach Überweisung an den Geschäftsordnungsausschuß zu prüfen. Wir halten es für selbstverständlich, daß dieser seine Beschlußempfehlung nicht ohne die Einholung eines Votums des von der Erweiterung seines Auftrages bedrohten 2. Untersuchungsausschusses vorlegt. Die SPD wird im Geschäftsordnungsausschuß Gelegenheit haben, darzulegen, ob, wann und inwieweit das Thema Bremer Vulkan nach ihren Vorstellungen mit der Erweiterung des Untersuchungsauftrags aufgegriffen werden soll, obwohl es derzeit auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen geben soll. Im übrigen erinnere ich an folgendes: Der Vorsitznde des 2. Untersuchungsausschusses, der Kollege Volker Neumann, SPD, hat am 29. Februar 1996 im 2. Untersuchungsausschuß zu Protokoll gegeben, der derzeitige Untersuchungsauftrag des 2. Untersuchungsausschusses beinhalte auch das Thema Bremer Vulkan, allerdings könne man sich damit nicht befassen, denn es sei kein abgeschlossener Vorgang. Insbesonder wird aber die SPD darlegen können, welche sonstigen konkreten Vorkommnisse mit Hilfe des Erweiterungsantrags Gegenstand der Untersuchung des 2. Untersuchungsausschusses werden sollen und inwiefern der 2. Untersuchungsausschuß freie Kapazitäten für weitere Aufträge hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß Voraussetzung für die Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses, der ja auch nicht auf einem Minderheitenrecht der SPD beruht, das Ergebnis der interfraktionellen Gespräche war: Dort hatten wir uns darauf verständigt, Doppelarbeit innerhalb des Parlamentes zu vermeiden. Deshalb wurde in den Text unter III. des Untersuchungsauftrags ausdrücklich die Formulierung aufgenommen, daß nicht zum Gegenstand des Untersuchungsauftrags gehört, wozu der Bundesrechnungshof Feststellungen getroffen hat. Sollte die SPD-Fraktion daran etwas geändert haben wollen, also die Grundlage für die Ermöglichung der Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses nachträglich beseitigen wollen, so müßte die SPD schon sehr detailliert und gut begründet darlegen, was sich sei jener Zeit geändert hat.
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    Das waren jetzt so viele Relativsätze, Wenn-Sätze und eingeschobene Halbsätze, daß ich den Einzelfall wirklich nicht aus dem Stegreif beantworten kann. Mir ist der Fall nicht bekannt. Wenn Sie ihn mir zuleiten, bekommen Sie von mir eine detaillierte Antwort, weil mich das natürlich auch interessiert. Aber so kann ich es wirklich nicht beantworten. Ich bitte dafür um Verständnis.
    Die Briefzustellung gehört natürlich zu der Frage einer vernünftigen Postversorgung auch auf dem Lande. Da ist in der Vergangenheit manches passiert - jetzt komme ich noch einmal auf die Postfilialen zu sprechen -, was zu Kritik Anlaß gibt. Die Benehmensregelung ist von der Post meines Erachtens viel zu eng ausgelegt worden. Wir haben uns darüber im Regulierungsrat unterhalten. Wir haben auch Kriterien festgelegt. Aber da geht es manchmal nach der Methode: Weiß das die Katz? Ich bin der Meinung, das muß durchgezogen werden, und zwar auch mit denen, die es vor Ort vollziehen. Da ist manches nicht so gelaufen, wie ich es mir vorstelle, weil ich die angemessene Versorgung mit postalischen Einrichtungen für notwendig halte.
    Ich will jetzt noch ein paar Sätze zu dem zweiten Teil sagen, nämlich zu der Frage des Remailings. Worum geht es hier? Mit Respekt, ich wollte den Kollegen Rexrodt auf Grund seiner Ausführungen, die ich auch in einer Agenturmeldung gelesen habe, anrufen. Das war wegen einer Dienstreise nicht möglich. Ganz so einfach, wie er es jedenfalls nach der Agenturmeldung dargestellt hat, ist die Problematik nicht. Darüber müssen wir uns noch etwas unterhalten, auch über die anderen Fragen, die er angesprochen hat. Ich pflege solche Dinge dann aber in etwas anderer Form abzuhandeln.
    Meine Damen und Herren, so einfach, wie es dort zitiert worden ist, „internationale Arbeitsteilung" , ist das nicht. Man muß schon genau hinschauen, ob bei internationaler Arbeitsteilung die Kostensituation tatsächlich die gleiche ist. Wenn es nämlich mit der internationalen Arbeitsteilung so einfach wäre, bräuchten wir keinen Weltpostvertrag und auch alles das nicht, was inzwischen verhandelt wurde. Das kann Sendungen betreffen, die für Deutschland bestimmt sind, ebenso wie Sendungen für Drittländer. Wir müssen unterscheiden, ob die absendefertige Postsendung vom Absender selbst beziehungsweise von einem eingeschalteten Transportunternehmen ins Ausland befördert wird. Das ist physisches Remailing. Im Gegensatz dazu steht das - das wurde hier durcheinandergebracht - nicht physische Remailing. Hier werden die Sendungen selbst im Ausland gedruckt und versandfertig gemacht. Der Inhalt der Sendungen wird in diesem Fall per Datenträger oder auf einem Telekommunikationsweg elektronisch ins Ausland übermittelt.
    Die Hauptursache für Remailing-Aktivitäten ist darin zu sehen, daß die internationalen Endvergütungssätze - Sie, Herr Kollege Stadler, haben das dankenswerterweise angesprochen -, wie sie innerhalb des Weltpostvereins vereinbart sind, für Postbetreiber in Hochpreisländern unbefriedigend, das heißt zu niedrig sind.
    1994 wurden beim Weltpostkongreß in Seoul Erhöhungen der Endvergütungen beschlossen. Für Massensendungen wurde ein völlig neues Abrechnungsverfahren eingeführt, das erstmals einen Bezug zu den tatsächlichen Bearbeitungskosten im Bestimmungsland herstellt.
    Die Postunternehmen der Europäischen Union haben mit Ausnahme von Spanien darüber hinaus ein Abkommen abgeschlossen, nach dem untereinander höhere Endvergütungen als im Weltpostvertrag verrechnet werden sollen. Dieses Abkommen von Reims koppelt die Endvergütungen an den Inlandstarif des Bestimmungslandes.
    Nun ist dieses Reims-Abkommen teilweise als Kartell interpretiert worden, und deshalb prüft die Europäische Kommission gegenwärtig, ob dieses Kartell, wenn es denn eines sein sollte, zugelassen werden kann.
    Für die Bundesregierung ist es im Zusammenhang mit Remailing-Aktivitäten vorrangiges Ziel, in überstaatlichen Vereinbarungen auf ein. kostengerechtes Endvergütungssystem hinzuarbeiten. Hierzu sind auch die betroffenen Postunternehmen selbst aufgerufen.
    Ich möchte im übrigen darauf hinweisen, daß die Remailing-Problematik bereits heute gesetzlich geregelt ist, und zwar im Gesetz zu den Verträgen des Weltpostvereins. Durch das Ratifizierungsgesetz ist Art. 25 des Weltpostvertrags, der das Remailing regelt, deutsches Recht. Aber die Frage ist, ob physisches Remailing darunter fällt. Die Gerichte haben das inzwischen anders entschieden.
    Selbst wenn wir eine gesetzliche Regelung anstreben würden, könnten wir sicherlich nicht über den Weltpostvertrag hinausgehen. Es ist auch das Recht der Europäischen Union tangiert, und die EU-Kommission sieht es als Verletzung des EG-Vertrages an, wenn die postalische Beförderung im Zusammenhang mit nichtphysischem Remailing beeinträchtigt würde.
    Lassen Sie mich noch einige Sätze zu den Zahlenangaben und Prognosen, die die Deutsche Post AG zum Thema Remailing gemacht hat, sagen. Die Behauptung, wonach die Deutsche Post AG durch Re-

    Bundesminister Dr. Wolfgang Bötsch
    mailing jährlich Betriebsverluste in Höhe von 500 Millionen DM macht, ist nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für das genannte gefährdete Potential von 3 Milliarden DM.
    Eine solch dramatische ökonomische Verschärfung des Remailing-Problems müßte sich an einer spürbaren Zunahme des eingehenden Auslandsverkehrs bzw. an einer merklichen Abnahme des abgehenden Auslandsverkehrs ablesen lassen. Solch signifikante Änderungen sind aber von der Deutschen Post AG bis dato nicht belegt worden.
    Ferner muß bei einer ökonomischen Bewertung auch der abgehende internationale Briefverkehr berücksichtigt werden. Es war eine Grundidee des Weltpostvertrags, daß der abgehende Briefverkehr in das Ausland die Kosten erwirtschaftet, die durch die Zustellung des eingehenden Verkehrs entstehen.
    Es liegen bisher keine Anhaltspunkte vor, daß der gesamte internationale Briefverkehr der Post defizitär wäre. Im Gegenteil: Der Auslandsverkehr erscheint nach wie vor sehr lukrativ. Ich sehe deshalb auch in Remailing-Aktivitäten, solange sie sich im gegenwärtigen Umfang bewegen, keinen Rechtfertigungsgrund für notwendige Tarifanpassungen bei Privatkunden, wie das von Ihnen befürchtet wurde.
    Unabhängig davon halte ich es gleichwohl für wichtig, daß wir den eingeschlagenen Weg, im internationalen Bereich zu kostendeckenden Endvergütungen zu kommen, konsequent weiterverfolgen. Ich bin der festen Überzeugung, daß es gelingen wird, für die Fragen im Zusammenhang mit dem Remailing zumindest im europäischen Bereich - das interessiert uns in vorderster Linie - in absehbarerer Zeit akzeptable Lösungen zu finden.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu einer Kurzintervention erhält nun der Abgeordnete Manuel Kiper das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manuel Kiper


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundespostminister hat mir eine klarstellende Zwischenfrage nicht erlaubt. Darum muß ich jetzt noch einmal das Wort ergreifen.
    Herr Bundespostminister, Sie haben mir unterstellt, daß ich Sie hier nicht richtig zitiert habe. Aber ich bin offensichtlich der einzige, der Ihre Antworten auf Große Anfragen richtig liest; vielleicht nicht der einzige im Lande, aber offensichtlich scheinen Sie selber oder Ihr Haus das nicht mehr im einzelnen zu tun.
    Mir ist natürlich klar - darüber brauche ich keine Belehrung -, daß der Gewährleistungsauftrag in Art. 87 f Abs. 1 niedergelegt ist. Und wenn Sie meiner Rede aufmerksam zugehört haben, was Sie offensichtlich teilweise getan haben, dann werden Sie auch bemerkt haben, daß ich im weiteren vom
    Art. 87f Abs. 1 des Grundgesetzes sprach. Als ich Sie aber zitierte, Herr Minister, da habe ich zitiert, was in der Antwort auf die Frage 3 der Großen Anfrage der SPD zu Postfilialen von Ihnen niedergelegt ist. Da ist von einem Gewährleistungsauftrag nach Art. 87 ff. Grundgesetz die Rede. Und „ff." heißt auf deutsch nicht „f", sondern heißt „folgende". Darauf möchte ich Sie aufmerksam machen. Und wenn Sie, Herr Bundespostminister, wieder einmal meinen, mich belehren zu müssen, dann suchen Sie sich doch Dinge aus, bei denen es vielleicht nötiger ist als beim Grundgesetz.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)