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    Plenarprotokoll 13/105 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 105. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Mai 1996 Inhalt: Tagesordnungspunkt 13: Abrüstungsdebatte Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie der Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis (Jahresabrüstungsbericht 1995) (Drucksache 13/4450) 9255 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Uta Zapf, Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umfassendes Atomteststoppabkommen (Drucksache 13/4567) 9255 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshof zur Frage der völkerrechtlichen Legalität des Einsatzes oder der Androhung des Einsatzes von Atomwaffen (Drucksachen 13/1879, 13/3661) 9255 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ludger Volmer, Angelika Beer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue europäische Sicherheitsarchitektur und die Rolle der französischen Atomwaffen (Drucksachen 13/2456, 13/3897) . . . 9255 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Keine Atomwaffentests durch China und Frankreich (Drucksachen 13/2443, 13/4467) 9255 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vertragsverletzung des EURATOM-Vertrags durch Frankreich - zu dem Antrag des Abgeordneten Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Frankreich wegen Mißachtung des Artikels 34 Abs. 2 des Euratom-Vertrags - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Willibald Jacob, Rolf Köhne und der Gruppe der PDS: EURATOM-Vertrag im Zusammenhang mit den geplanten Atomtests im MururoaAtoll (Drucksachen 13/2749, 13/2270, 13/ 2200, 13/4470) 9255 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Helmut Haussmann und der Fraktion der F.D.P.: Den KSE-Vertrag achten, die Rüstungskontrolle in Europa neuen Herausforderungen anpassen - zu dem Antrag der Abgeordneten Gernot Erler, Volker Kröning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Abrüstung konventioneller Streitkräfte in Europa: Sicherung und Fortentwicklung des KSE-Vertrages (Drucksachen 13/3711, 13/3134, 13/ 4565) 9256 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Hans-Dirk Bierling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Olaf Feldmann, Ulrich Irmer und der Fraktion der F.D.P.: Umsetzung des Übereinkommens zur Abrüstung chemischer Waffen (Chemiewaffenübereinkommen) - zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Abrüstung chemischer Waffen (Drucksachen 13/3231, 13/2595, 13/ 4569) 9256 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 9256 C Uta Zapf SPD 9258 D Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . 9262 A Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9263 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9265 B Volker Kröning SPD 9267 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . 9267 C Dr. Olaf Feldmann F.D.P 9268 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 9269 B Claus-Peter Grotz CDU/CSU 9270 D Gernot Erler SPD 9271 D Hans-Dirk Bierling CDU/CSU 9274 B Hans Raidel CDU/CSU 9275 D Zusatztagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Inkraftsetzen der 2. Stufe der Pflegeversicherung (Drucksachen 13/3811, 13/4566) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz) (Drucksachen 13/2393, 13/4566) 9277 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . 9277 D, 9281 D, 9283 D Gerd Andres SPD 9278C, 9289D, 9291C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9281 D Dr. Barbara Hendricks SPD 9283 C Ottmar Schreiner SPD 9284 B Dr. Gisela Babel F.D.P 9284 C Petra Bläss PDS 9285 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . 9286 D, 9291 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 9288 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9288 C Tagesordnungspunkt 15: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung der Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes in die deutsche Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsüberleitungsgesetz) (Drucksache 13/4249) 9292 A b) Antrag der Abgeordneten Cem Özdemir, Kerstin Müller (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Stimmungsmache gegen Aussiedler zulassen (Drucksache 13/3892) 9292 B Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Monika Knoche und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rücknahme der Mikro-Antibabypillen der dritten Generation vom Markt (Drucksache 13/4274) 9292 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9292 C, 9294 C Anneliese Augustin CDU/CSU . 9293 B, 9295 A Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . 9295 B Nächste Sitzung 9296 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9297* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (a - Gesetzentwurf: Staatsangehörigkeitsüberleitungsgesetz [StAÜbG]; b - Antrag: Keine Stimmungsmache gegen Aussiedler zulassen) Erwin Marschewski CDU/CSU 9297* D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 9298* C Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9299* D Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P . . . 9300* B Ulla Jelpke PDS 9300* D Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 9301* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Antrag: Rücknahme der Mikro-Antibabypillen der dritten Generation vom Markt) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 9302* B Dr. Ruth Fuchs PDS 9303* B Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 9304* A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 9304* D Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1996 9255 105. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Mai 1996 Beginn: 9.30 Uhr
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    *) Anlage 3 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barnett, Doris SPD 10. 5. 96 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 10. 5. 96 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 10. 5. 96 Peter Harry Dr. Däubler-Gmelin, SPD 10. 5. 96 Herta Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 5. 96 Francke (Hamburg), CDU/CSU 10. 5. 96 Klaus Geis, Norbert CDU/CSU 10. 5. 96 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 10. 5. 96 Gleicke, Iris SPD 10. 5. 96 Haschke (Großkenners- CDU/CSU 10. 5. 96 dorf), Gottfried Hermenau, Antje BÜNDNIS 10. 5. 96 90/DIE GRÜNEN Heyne, Kristin BÜNDNIS 10. 5. 96 90/DIE GRÜNEN Dr. Höll, Barbara PDS 10. 5. 96 Hoffmann (Chemnitz), SPD 10. 5. 96 Jelena Jung (Düsseldorf), SPD 10. 5. 96 Volker Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 10. 5. 96 Angelika 90/DIE GRÜNEN Kuhlwein, Eckart SPD 10. 5. 96 Lederer, Andrea PDS 10. 5. 96 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 10. 5. 96 Erich Dr. Maleuda, PDS 10. 5. 96 Günther Mehl, Ulrike SPD 10. 5. 96 Michels, Meinolf CDU/CSU 10. 5. 96 Mosdorf, Siegmar SPD 10. 5. 96 Müller (Zittau), Christian SPD 10. 5. 96 Reichardt (Mannheim), CDU/CSU 10. 5. 96 Klaus-Dieter Schmidt (Aachen), Ulla SPD 10. 5. 96 Schönberger, Ursula BÜNDNIS 10. 5. 96 90/DIE GRÜNEN Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Schubert, Mathias SPD 10. 5. 96 Schultz (Everswinkel), SPD 10. 5. 96 Reinhard Seibel, Wilfried CDU/CSU 10. 5. 96 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 10.5.96 Steenblock, Rainder BÜNDNIS 10. 5. 96 90/DIE GRÜNEN Tappe, Joachim SPD 10. 5. 96 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 10. 5. 96 Thierse, Wolfgang SPD 10. 5. 96 Vosen, Josef SPD 10. 5. 96 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 5. 96 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 10. 5. 96 Wieczorek-Zeul, SPD 10.5.96 Heidemarie Dr. Wolf, Winfried PDS 10. 5. 96 Zierer, Benno CDU/CSU 10. 5. 96 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (a - Gesetzentwurf: Staatsangehörigkeitsüberleitungsgesetz, b - Antrag: Keine Stimmungsmache gegen Aussiedler zulassen) Erwin Marschewski (CDU/CSU): Die jüngste Kampagne der SPD gegen Aussiedler ist ein trauriges Kapitel der deutschen Politik. Durch die verfassungswidrige Forderung nach einer Zuzugsbeschränkung für Aussiedler sollten Neidgefühle geweckt und in Wählerstimmen umgemünzt werden. Die Wählerinnen und Wähler in unserem Land haben dieses Unternehmen scheitern lassen. Sie haben damit recht getan. Und noch etwas: Rigide Zuzugsbeschränkungen bewirken das Gegenteil dessen, was ihre Befürworter erreichen wollen: Sie verunsichern die im Ausland lebenden Volksdeutschen und verstärken auf diese Weise deren Wunsch, nach Deutschland zu gelangen. Damit wird zugleich das wichtige Ziel in Frage gestellt, den Menschen dort eine gesicherte Existenz zu ermöglichen, wo sie jetzt leben. Aussiedler sind Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit, die nach Art. 116 unseres Grundgesetzes Anspruch auf Verleihung der deut- schen Staatsangehörigkeit haben. Deshalb darf ihnen niemand das Recht streitig machen, nach Deutschland zu kommen. Dies gilt um so mehr, als wir gegenüber den deutschen Volksgruppen im Ausland eine besondere historische Verantwortung haben. Den diese hatten wie kaum eine andere Gruppe unseres Volkes unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges zu leiden. Obwohl persönlich meist schuldlos, wurde an ihnen Vergeltung für den Naziterror geübt. Dies dürfen wir nicht vergessen, und dies werden wir nicht vergessen! Es ist auch aus anderen Gründen unredlich, eine Neiddebatte gegen Aussiedler zu führen. Die staatlichen Maßnahmen zur Eingliederung von Spätaussiedlern beschränken sich inzwischen im wesentlichen auf die Gewährung von Sprachförderung, Eingliederungshilfe und Renten. Ferner haben wir im Rahmen unseres „Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung" beschlossen, die Leistungen nach dem Fremdrentengesetz weiter zu begrenzen. Die Forderung von SPD und Grünen nach einem Einwanderungsgesetz können wir nicht teilen. Denn Tatsache ist: - Ein Einwanderungsgesetz suggeriert weitere Zuwanderungsmöglichkeiten, die wir nicht akzeptieren können. Denn: Seit 1990 ist jährlich rund eine 3/4 Million Menschen nach Deutschland gekommen. Was wir also brauchen, ist keine weitere Zuwanderung, sondern eine Zuwanderungsbeschränkung. - Darüber hinaus: Die Einreise von Asylbewerbern ist nicht begrenzbar. Das Asylrecht ist ein subjektives Grundrecht, das keine zahlenmäßige Begrenzung zuläßt. - Dies gilt auch für den Zuzug von EG-Staatsangehörigen. Auch hier ist nach der Rechtsordnung der EU keine Beschränkung möglich. - Und last not least: Ein Einwanderungsgesetz ist ohne feste Zuwanderungsquoten undenkbar. Das aber bedeutet: Für humanitäre Einzelfallentscheidungen, die unser heutiges Ausländerrecht immer ermöglicht, bliebe jenseits der Quotenerfüllung kein Raum; und gesteuerte Einwanderung heißt Auswahl zugunsten des Einwanderungslandes. Aber: Wäre es wirklich richtig: bei Bedarf gerade die Berufsgruppen aus Entwicklungsländern nach Deutschland kommen zu lassen, die in den Heimatländern dringend gebraucht werden? Dies ist nicht human; dies ist unmenschlich. Es besteht auch kein Anlaß, die Aussiedlerdebatte mit der allgemeinen Diskussion über die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zu vermengen. Denn: Die Forderung insbesondere nach genereller Zulassung der doppelten Staatszugehörigkeit hat keineswegs das Ziel, den Status der Heimatvertriebenen zu sichern oder gar zu verbessern. Hier geht es vielmehr allein um einen grundlegenden Wandel der Ausländerpolitik, der zudem geeignet ist, die im Ausland lebenden Volksdeutschen zu verunsichern. Wahr ist allerdings: Das aus dem Jahr 1913 stammende Staatsangehörigkeitsrecht ist in Teilen veraltet und daher reformbedürftig. Deswegen werden wir reformieren. Dabei bedarf es aber einer Gesamtschau, die die Grundprinzipien des Staatsangehörigkeitsrechts ebenso im Auge behält wie die Vielzahl der Detailprobleme. Der Bundesrat hat mit dem vorliegenden Entwurf eines Staatsangehörigkeitsüberleitungsgesetzes einen akzeptablen Vorschlag unterbreitet. Das nach der gegenwärtigen Rechtslage zwingend vorgeschriebene besondere Einbürgerungsverfahren für Heimatvertriebene soll entfallen. Statt dessen soll die deutsche Staatsangehörigkeit bereits im Zuge der Anerkennung als Heimatvertriebener kraft Gesetzes festgestellt werden. Dadurch wird eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung erreicht, die wir selbstverständlich unterstützen. Wir werden die Koalitionsvereinbarung im Bereich der Innenpolitik Punkt für Punkt umsetzen. Dies gilt für die Kriminalitätsbekämpfungsgesetze ebenso wie für die Reform des öffentlichen Dienstes; dies gilt auch für die Neufassung des Staatsangehörigkeitsrechts. Wir werden das Staatsangehörigkeitsrecht reformieren - selbstverständlich noch in dieser Legislaturperiode. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Der Gesetzesentwurf des Bundesrates, mit dem wir uns heute mittag befassen, trägt mehr zur Entlastung und Erleichterung bei, als das etwas langatmige Wort „ Staatsangehörigkeitsüberleitungsgesetz " ahnen läßt. Der Sachverhalt ist so schlicht und einleuchtend, daß er schon längst hätte geregelt werden können! Aber bei dieser Bundesregierung paart sich ja immer wieder Mangel an Fantasie mit dem Hang zur Unbeweglichkeit. Wieder einmal ist eine Nachhilfestunde in Sachen Verwaltungsvereinfachung nötig: Es geht darum, daß Spätaussiedler mit ihrer Anerkennung zugleich automatisch das werden, worauf sie einen Anspruch nach Artikel 116 unseres Grundgesetzes haben: deutsche Staatsangehörige. Bisher müssen sie trotzdem noch ein umständliches Einbürgerungsverfahren durchlaufen. Eine aufwendige Prozedur, die man abschaffen kann - zum Wohle der betroffenen Menschen, zur Entlastung der zuständigen Behörden und auch der öffentlichen Kassen. Gelten soll die neue Regelung auch für die nichtdeutschen Ehegatten - sofern die Ehe bei Verlassen des Herkunftslandes mindestens 3 Jahre bestanden hat - und für die gemeinsamen Kinder. Die SPD-Bundestagsfraktion macht sich diese Bundesratsinitiative, die das Land Schleswig-Holstein eingeleitet hat, mit voller Überzeugung zu eigen. Sie ist logisch, dient dem Interesse der Aussiedler und ihrer Familien und ist ein Beispiel dafür, wie unser Staat mit einfachen Gesetzesänderungen schlanker werden und Geld einsparen kann. Der Verstoß aus der Länderkammer findet sich im übrigen auch als wichtiger Bestandteil in unserem Antrag zur Neuregelung des Staatsangehörigkeits- rechts wieder, der nun auch schon mehr als ein halbes Jahr auf die parlamentarische Behandlung im Innenausschuß harrt, weil sich die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen nach wie vor in internen Meinungsverschiedenheiten über dieses Thema verhakelt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Skandal, den Sie uns mit der inzwischen jahrelangen Verschleppung eines wichtigen Reformvorhabens liefern, wird durch die inzwischen eingetretene Friedhofsruhe zwischen CDU/CSU und F.D.P. nicht kleiner! Ich kann mir schon denken, was die Bundesregierung gleich zu dem heute debattierten Gesetzesentwurf zur Überleitung der Staatsangehörigkeit sagen wird: Ja, man wolle ja auch die Entlastung der Behörden - aber alles soll lieber gemeinsam mit der umfassenden Reform des Staatsangehörigkeitsrechts aufgegriffen werden. Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, sparen Sie sich doch wolkige Ankündigungen, wenn Sie nicht die Kraft haben, sie in die Tat umzusetzen! Eher kommt ja ein Hamster im Laufrad voran als Sie mit der überfälligen Modernisierung unseres verstaubten Staatsangehörigkeitsrechts! Sie waren zwar nach den jüngsten PKK-Krawallen fix mit der Verschärfung der Ausweisungs- und Abschiebungstatbestände und haben uns kürzlich auch ein paar - freilich absolut unzureichende - Verbesserungen für den Aufenthalt lange hier lebender Zuwanderer serviert. Aber ein Kernstück der Integration, nämlich Einbürgerungserleichterungen und den großzügigeren Umgang mit der doppelten Staatsbürgerschaft, bleiben Sie schuldig. Ein armseliges Schauspiel! Übrigens darf ich Sie beim Stichwort „Mehrstaatigkeit" darauf hinweisen, daß bei den Einbürgerungsverfahren für Aussiedler die deutschen Behörden kaum etwas dagegen haben, wenn die Antragsteller ihre bisherige Nationalität beibehalten. Das entlarvt den anhaltenden Widerstand vor allem der Kollegen aus der CSU nicht nur als ungerechtfertigt, sondern auch als unaufrichtig. Denn eigentlich, verehrte Kollegen, müßten doch Ihre Bedenken auf alle Gruppen zutreffen: die Deutschstämmigen ebenso wie die Ausländer! Doppelzüngig und widersprüchlich ist auch der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen unter dem Titel „Keine Stimmungsmache gegen Aussiedler zulassen". Das ist ein eilig zusammengeschriebenes Papier, mit dem vier Wochen vor den Landtagswahlen der Streit um die Behandlung des Themas aufgespießt werden sollte. Halten wir fest: Einer Zuzugssperre für Aussiedler - wie es der Antrag formuliert - hat damals kein sozialdemokratischer Politiker das Wort geredet. Ich sage zugleich an dieser Stelle sehr deutlich: Keine Partei, auch nicht die SPD, darf auch nur den Verdacht erwecken, sie mache eine Minderheit zu Sündenböcken für Frust, soziale Not und Angst in der Bevölkerung um Arbeit und Auskommen, und keine Partei - auch nicht Bündnis 90/Die Grünen - sollte dem politischen Konkurrenten Aussagen andichten, die dieser so nicht getan hat. Ich glaube, meine Anmerkung zum Disput über die Behandlung des Themas „Aussiedler" in politisch aufgeheizten Wahlkampfzeiten war so klar, daß auch das jetzt Folgende nicht mißverstanden werden kann: Es ist sehr wohl legitim und verständlich, angesichts stark geschrumpfter Eingliederungshilfen und zusammengestrichener Sprachkurse für Spätaussiedler die Frage zu stellen, ob die Bundesregierung dem Gebot der Integration von 220 000 Menschen jährlich unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt noch gerecht wird. Der Vorstandssprecher der Grünen, Jürgen Trittin, war es, der zur Aufnahme von Aussiedlern sagte: „Das Boot ist nicht voll, sondern wir haben gesagt, man muß das begrenzen. Es kann das nicht ad infinitum geben. " Und die Arbeitsgruppe Migration der F.D.P. nennt in ihrem Kriterienkatalog für ein Zuwanderungsgesetz mit festgelegten Kontingenten unter anderem Menschen, die „einen begründeten Antrag auf Anerkennung als Spätaussiedler unter der Maßgabe jährlich abzusenkender Höchstquoten" stellen. Sehen Sie, meine Damen und Herren, deshalb sollten Sie aufrichtig bleiben und nicht mit gespaltener Zunge reden. Wir jedenfalls kündigen Ihnen für die nächste Zeit einen wohldurchdachten, abgewogenen Beitrag zur Situation der Spätaussiedler im engeren Sinne und zu unseren Vorstellungen von einer gesteuerten, jährlich zu gestaltenden Zuwanderung an. Und ich wünsche mir darüber eine ruhige, sachkundige und fundierte Diskussion - nicht nur im Parlament und in den Parteien, sondern am besten mit den Betroffenen: den Spätaussiedlern und anderen Gruppen von Zuwanderern. Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Alten Testament - 3. Mose 16.21 - heißt es: „daß also der Bock alle ihre Missetat auf sich in die Wildnis trage; und er lasse ihn in die Wüste." Und dann jagte der Hohepriester den Ziegenbock, mit den Sünden des ganzen Volkes beladen, in die Wüste. Zu solchen Sündenböcken drohen auch Aussiedler gemacht zu werden, wenn - wie jüngst in den Landtagswahlkämpfen geschehen - ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Zuzug von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und sozialen und wirtschaftlichen Problemen in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt wird. Ich weiß, Herr Lafontaine, Sie haben am Wochenende auf dem Juso-Bundeskongreß erklärt, es sei nicht Ihre Absicht gewesen, Aussiedler zu stigmatisieren. Doch wir sollten uns alle über eins im klaren sein: Wer solche Themen im Wahlkampf hochkocht, trägt auch die Verantwortung, wenn die Ressentiments gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen steigen. Ich möchte vor diesem Hohen Haus eindringlich dafür plädieren, diese Debatte sensibel und sachlich zu führen. Wir kennen die Strategie, wie sie in der Vergangenheit insbesondere von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, gegenüber Asylbewerbern betrieben wurde, wie jüngst auch die hier lebenden Kurden für die Gewalttaten einer Min- derheit verantwortlich gemacht wurden. Ein solches Vorgehen gefährdet den sozialen Frieden, gefährdet das friedliche Zusammenleben. Es sind die Sünden von uns allen und besonders die dieser Bundesregierung, die zu den wirtschaftlichen Problemen führen. Da kann der Bock nichts dafür. Ja, wir müssen die Debatte über die Zuwanderung führen, sachlich, ohne Ängste zu schüren - nicht nur über die Aussielder, sondern über die gesamte Zuwanderung, die über die Aufnahme von Flüchtlingen hinausgeht. Wir fordern daher ein Einwanderungsgesetz, das die Zuwanderung einheitlich regelt. Anachronistische Merkmale wie die Blutszugehörigkeit gehören nicht in eine zeitgemäße Konzeption von Zuwanderung. Das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz von 1992 und das Bundesvertriebenengesetz stehen nach unseren Vorstellungen mittelfristig zur Disposition. Auf längere Sicht sollten - nach einer Übergangszeit - alle Zuwanderer, unabhängig von ihrer Abstammung, nach den gleichen Kriterien Zugang finden. Die Aussiedlerinnen und Aussiedler werden dabei auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen, nicht zuletzt auch auf Grund der Diskriminierung dieser Menschen in den GUS-Staaten sowie auf Grund der vielfältigen verwandtschaftlichen Beziehungen, die bereits zu Menschen in Deutschland bestehen. Die Reduzierung der Zuwanderungsquote für Aussiedlerinnen und Aussiedler ist nach unserem Einwanderungskonzept auf längere Sicht nicht ausgeschlossen. Sie wird aber auf Grund der besonders schwierigen Bedingungen für Deutschstämmige in den Staaten der GUS immer einen bedeutenden Stellenwert behalten. Von populistischen Stammtischparolen halten wir nichts. Die Aussiedlerinnen und Aussiedler haben einen Anspruch auf Rechtssicherheit und - wie übrigens alle Zuwanderer - auf vernünftige Eingliederungshilfen. Ein Wort noch zum Staatsangehörigkeitsüberleitungsgesetz, über das wir im Ausschuß diskutieren sollten. Es freut mich, von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu hören, daß sie diese Frage zusammen mit der vorgesehenen Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts behandeln will. Das zeigt immerhin, daß sie dieses Reformvorhaben noch nicht vergessen hat. Ja, aber wann kommt denn da einmal etwas? Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Uns liegen hier zwei sehr unterschiedliche Vorlagen auf dem Tisch, die jedoch ein und dieselbe Personengruppe betreffen, nämlich die Spätaussiedler. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen hat sich für's erste erledigt. Die Landtagswahl in BadenWürttemberg ist vorbei, die Kampagne ist beendet, genützt hat sie nicht ihren Erfindern von der SPD, sondern der Partei der sogenannten Republikaner. Ein paar Fakten über die Spätaussiedler sind inzwischen hoffentlich noch einmal deutlich geworden: Die positive Altersstruktur, die im Vergleich geringere Zeit der Arbeitslosigkeit und die Rentensituation, die in Wahrheit ganz anders aussieht, als es Vorurteile und manche Schlagzeilen uns glauben machen wollen. Zum Gesetzentwurf des Bundesrates kann ich nur sagen: Ein sehr vernünftiger Vorschlag! Aus der Stellungnahme der Bundesregierung geht hervor, daß sie die vorgeschlagene Vereinfachung der Einbürgerung im Prinzip ebenfalls für richtig hält. Wir reden viel vom „schlanken Staat" und von Entbürokratisierung - hier ist eine Chance dazu. Die Einbürgerungsbehörden sind überlastet, weil sich - endlich - immer mehr Menschen, die unter uns leben, dazu entschließen, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Der Antragsstau, der augenblicklich festzustellen ist, ist zum Teil überflüssig, und er ist nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme für die Antragsteller. Was liegt näher, als sie von den Anspruchseinbürgerungen der Spätaussiedler zu entlasten? - Wenn die Rechtsstellung geklärt ist - ja. Warum dann nicht ein einfacheres Verfahren wählen? Die Bedenken, eine erneute Teilregelung einzuführen, halte ich nicht für stichhaltig. Die Bundesregierung kündigt eine „vertiefte Prüfung" an. Ich bitte sie herzlich: Prüfen Sie meinetwegen tief, aber prüfen sie rasch. Ich bin sicher, Sie werden sich den stichhaltigen Gründen nicht verschließen. Ulla Jelpke (PDS): Auch wir sind der Ansicht, daß das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht neu gestaltet und möglichst weit gefaßt werden soll. Die Bundesrepublik muß sich als ein Einwanderungsland begreifen. Es müssen endlich die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge und auch die sogenannten Aussiedler die tatsächliche - und gleichberechtigte - Möglichkeit haben, sich hier anzusiedeln, und möglichst schnell und unbürokratisch die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen können. Die Bundesratsinitiative geht demgegenüber weiter von dem völkischen Erfordernis einer deutschen Blutszugehörigkeit aus. Geradezu abstoßend ist es, wenn ich mir in Erinnerung rufe, in welchem Kontext diese Bundesratsinitiative gestartet wurde. Führende Vertreter der SPD entfachten aus heiterem Himmel eine Hetzkampagne gegen Aussiedlerinnen und Aussiedler: Ausländerfeindlichkeit und soziale Existenzängste ihrer vermeintlichen Wählerklientel wurden unverfroren benutzt, um den lahmen sozialdemokratischen Wahlkampfkarren in Baden-Württemberg aus dem Dreck zu ziehen. Dies war mehr als geschmacklos - und es ist brandgefährlich, nämlich dann, wenn zu denselben Stammtischargumenten gegriffen wird, mit denen zunächst die Republikaner und zu Zeiten der unseligen Asyldebatte auch die Unionsparteien gegriffen haben. Als sich die SPD entschloß, die faktische Abschaffung des Asylrechts mitzutragen, waren auslän- derfeindliche Stimmen vereinzelt auch aus der Sozialdemokratischen Partei zu vernehmen. Daß - aus vordergründigen Motiven - heute aber Teile der SPD-Spitze diese Hetzkampagne entfachen, ist beschämend. Insofern unterstützen wir das Anliegen des von den Grünen vorgelegten Antrages nachdrücklich. Allerdings - auch er ist nicht frei von Populismus. Warum - so frage ich mich - mußten die Grünen ausgerechnet die Hetze gegen Aussiedler dafür nutzen, ihr neues Einwanderungsgesetz zu promoten? In ihren im November letzten Jahres von Cem Özdemir vorgestellten einwanderungspolitischen Eckpunkten wird das grüne Dilemma offenkundig. Sie schlagen Quoten vor, die sie mit Rücksicht auf die „Notwendigkeiten" letztlich der führenden deutschen Wirtschaftsunternehmen sowie „solider Planungsgrundlagen in der Bundesrepublik" festgelegt haben. Das führt dazu, daß - bei gleichbleibender Migration durch Aussiedler - faktisch kein Platz mehr für andere Einwanderer übrigbleibt. Das von den Grünen geforderte Einwanderungsgesetz bleibt in seinen Details erneut hinter grünen Vorstellungen aus der vergangenen Wahlperiode zurück. Es wird trotz der beabsichtigten Humanität letztlich immer auch ein Einwanderungsverhinderungsgesetz sein - mit allen Konsequenzen, sich nun nämlich aber richtig abzuschotten. Eduard Lintner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Während es beim Gesetzentwurf des Bundesrates um ein eher technisches Problem, nämlich die Art und Weise der Oberführung der Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, der sogenannten Statusdeutschen, in die deutsche Staatsangehörigkeit geht - eine Frage, der kaum materielles Gewicht zukommt -, geht es im Beschlußantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um die von SPD-Politikern meines Erachtens leichtfertig ins Gespräch gebrachte weitere Zuwanderungsbegrenzung bzw. überhaupt eine Zuzugssperre für deutsche Aussiedler. Zum Gesetzentwurf des Bundesrates kann ich hier einfach feststellen, daß die Zielsetzung grundsätzlich mit den Vorstellungen des Bundesinnenministeriums zu diesem Problem übereinstimmt. Es ist daher ohnehin beabsichtigt, bei der für diese Legislaturperiode vereinbarten umfassenden Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts eine Regelung der automatischen Überleitung der Statusdeutscheneigenschaft in die deutsche Staatsangehörigkeit zu treffen und so einen wirksamen Beitrag zu einem „schlanken Staat" zu leisten - durch den damit verbundenen Wegfall einer Vielzahl von Einbürgerungsverfahren. Was wir allerdings nicht mitmachen werden, ist die vollständige Beseitigung des Status „Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit" , wie er in Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Es sprechen einfach praktische Erwägungen gegen eine bereits bei der Aufnahme im Bundesgebiet einsetzende Erwerbsautomatik. Wenn sich nämlich im vertriebenenrechtlichen Verfahren herausstellt, daß eine aufgenommene Person nicht die Spätaussiedlereigenschaft besitzt - was in der Praxis zwar nicht häufig, aber immer wieder einmal vorkommt -, muß die vorangegangene, zu Unrecht erfolgte Behandlung als deutscher Staatsangehöriger rückgängig gemacht werden. Nach der Konzeption meines Hauses soll der Staatsangehörigkeitserwerb daher erst nach endgültiger Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft eintreten. Einen ganz grundsätzlichen Einwand möchte ich aber noch zu bedenken geben: Es ist wenig sinnvoll, anstelle einer umfassenden Neuregelung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts jetzt wieder nur eine Teilreform durchzuführen. „Schlanker Staat" kann nicht heißen, daß der Gesetzgeber flickschusternd eine Teilreform nach der anderen vornimmt und die gesetzesvollziehende Verwaltung mehr oder weniger dicht hinterherhechelt. Empfehlenswert wäre es vielmehr, die ohnehin anstehende Gesamtreform zu nutzen, auch dieses Anliegen dort zu regeln. Zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist folgendes zu sagen: Die Bundesregierung kann beim Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwar der Überschrift „Keine Stimmungsmache gegen Aussiedler zulassen" zustimmen, der inhaltlichen Begründung aber nicht. Ein Einwanderungsgesetz oder eine Änderung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes sind nicht nötig, denn durch das Bundesvertriebenengesetz in der Fassung, die es durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz erhalten hat, sind die regelungsbedürftigen Sachverhalte transparent und verläßlich, was der Entschließungsantrag ja fordert, völlig hinreichend geklärt. Es besteht auch kein Anlaß zu einer Änderung des Verfahrens, weil sich auch der Verwaltungsvollzug zwischen Bund und Ländern bewährt hat. Sie sollten anerkennen, daß gerade mit dem Bundesvertriebenengesetz der ungeregelte Zuzug von Spätaussiedlern vermieden wird und so die Grundlagen für die sozialverträgliche Aufnahme und Integration der Spätaussiedler in den Städten, Kreisen und Gemeinden geschaffen werden. Wenn Schwierigkeiten aufgetaucht sind, hat die Bundesregierung stets angemessen reagiert. So zum Beispiel mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Wohnortzuweisungsgesetzes, das es ermöglicht, die Spätaussiedler gleichmäßiger, als es bisher der Fall sein konnte, auf das Bundesgebiet zu verteilen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung Initiativen ergriffen, - in den Herkunftsgebieten Tests zur Prüfung der Sprachkompetenz durchzuführen, - verstärkt darauf hinzuwirken, daß nur solche Personen als Spätaussiedler aufgenommen werden, die zumindest über einfache deutsche Sprachkenntnisse verfügen, - Eigeninitiativen zum Erlernen der deutschen Sprache zu fördern, vorhandene Kenntnisse zu vertiefen und - verstärkt Sprachkurse zum Beispiel in Begegnungsstätten anzubieten. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung keine Veranlassung, das Verfahren der Aufnahme und Eingliederung der Spätaussiedler sowie die Regelungen über die jährliche Zuzugszahl grundlegend umzustellen. Im Gegenteil, jede Hektik und Änderung fördern nur die latent vorhandene Sorge und Angst bei den Betroffenen, das Tor könnte geschlossen werden. Und das wiederum könnte Hunderttausende in Bewegung setzen und an unsere Grenzen führen. Das könnte niemand verantworten, weder die Regierung noch die Opposition. Im Interesse der Vermeidung solche Panikreaktionen müssen Regierung und Opposition zusammenwirken und - wenn nötig - dann behutsam und mit überzeugenden Argumenten Änderungen vornehmen. Um diese Form der Zusammenarbeit bitte ich Sie im Interesse der Aussiedler und von uns Einheimischen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Antrag: Rücknahme der Mikro-Antibabypillen der dritten Generation vom Markt) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (F.D.P.): Jede Frau, die sich entscheidet, zur Familienplanung die Pille einzusetzen, muß wissen, daß das mit einem gewissen Risiko behaftet ist. Arzneimittel gibt es nicht ohne jegliche Nebenwirkungen. Bei der Pille ist es das Thromboserisiko, gerade wenn zusätzliche Risikofaktoren hinzukommen, wie z. B. das Rauchen. Die Frage, um die es hier geht, ist also nicht, ob überhaupt ein Risiko mit dieser Form der Empfängnisverhütung verbunden ist, sondern, ob speziell mit den Antibabypillen der dritten Generation ein besonders hohes Risiko verbunden ist. Dies behaupten die Grünen, ohne hierfür jedoch irgendeinen überzeugenden Nachweis liefern zu können. Ich zitiere aus der Begründung zu dem Antrag der Grünen, die Mikro-Antibabypillen der dritten Generation vom Markt zu nehmen: „Mehrere hundert schwere venöse Thromboembolien und wahrscheinlich einige Todesfälle von Frauen in Deutschland hätten vermieden werden können, wenn rechtzeitig zum Schutz der Gesundheit von Frauen die MikroAntibabypillen der dritten Generation vom Markt genommen worden wären. " Das ist billige Polemik. Diese Aussage läßt sich nach den Stellungnahmen zahlreicher Experten, die wir im Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages angehört haben, nicht halten. Experten aller teilnehmenden EU-Staaten haben in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärt, daß sie keine Notwendigkeit zur Einschränkung der Verordnung oder gar einer Aufhebung der Zulassung für gestoden- oder desogestrelhaltige Mikropillen sehen. Auch der Europäische Ausschuß für Arzneimittelspezialitäten bei der Europäischen Arzneimittelagentur, der sich vor kurzem erneut mit dem Thromboserisiko bei den gestoden- und desogestrelhaltigen oralen Kontrazeptiva befaßt hat, sieht keine solche Notwendigkeit. Die Daten aus mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus dem Gebiet der Epidemiologie haben keineswegs ein neues und größeres Thromboserisiko der Mikropille mit Desogestrel und Gestoden, den Gestagenen der sogenannten dritten Generation, ergeben. Vielmehr liegt dieses in dem Bereich oder sogar unterhalb des Bereiches, der bisher aus früheren Studien für die Pille bekannt war. Jetzt sei es zu einem Rückgang der Ereignisse von bisher vier pro 10 000 Frauenjahre auf etwa zwei pro 10 000 Frauenjahre bei Präparaten der zweiten Generation gekommen. Es geht also um vier oder zwei von 10 000 Frauen, die diese Präparate über ein Jahr nehmen. Genau um diese Dimension geht es und nicht um eine Gefahr, die neu ist und auf einmal das Leben der Pillenanwenderin bedroht. Ganz offensichtlich - und das ist durch eine Reihe von Untersuchungen belegt - gibt es Unterschiede im Risiko für Thrombosen bei Frauen, die Präparate der einen oder anderen Gruppe einnehmen. Frauen mit erkannten und nicht erkannten Risikofaktoren werden eher mit Präparaten der jüngsten Generation behandelt. Diese Frauen sind jünger als die andere Gruppe und nehmen die Präparate in der Regel über eine kürzere Zeit ein. Daraus können die hier beschriebenen Unterschiede durchaus resultieren. Die Experten der CPMP (Arzneispezialitätenausschuß der Europäischen Union) haben dem in ihrer Empfehlung vom 19. April 1996 Rechnung getragen. Um aber den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen der Patientinnen Rechnung zu tragen, kommt der Europäische Ausschuß im einzelnen unter Einbeziehung von Sicherheitserwägungen zu folgenden Feststellungen, die von Ärzten und Anwenderinnen berücksichtigt werden müssen: Erstens. Wenn in der Vergangenheit eine Thromboembolie bestanden hat oder akut besteht, sollen keine Mikropillen der dritten Generation angewandt werden. Zweitens. Wenn bestimmte Risikofaktoren, wie z. B. Venenthrombosen in der Familie, Übergewicht oder Krampfadern, vorliegen, soll darauf verzichtet werden. Und grundsätzlich gilt bei der Verordnung der Antibabypille: Erstens. Wenn ein erhöhtes Risiko venöser thrombolischer Ereignisse vorliegt, wie zum Beispiel bei schweren Verletzungen oder ausgedehnten operativen Eingriffen, sollte das Absetzen oraler Kontrazeptiva erwogen werden. Zweitens. Wenn Thromboseverdacht besteht, sollte die Mikropille während der diagnostischen Abklärung abgesetzt werden. Drittens. Bei einer unklaren Diagnose venöser thromboembolischer Ereignisse sollten mit den Anwenderinnen alternative kontrazeptive Methoden besprochen werden, da es sich bei dem Ereignis um ein erstes Signal auf eine mit der Anwendung oraler Kontrazeptiva verbundene Thromboseneigung handeln kann. Wenn diese Bedingungen und Anleitungen beachtet werden, sehen die Experten kein Problem darin, auch die Mikropillen nach wie vor zu verordnen. Dann ist es Sache von Arzt und Patientin, die Entscheidung zu treffen. Für die Zulassung von Arzneimitteln ist in der Bundesrepublik das Bundesinstitut für Arzneimittel in Berlin zuständig. Auch das Bundesinstitut hat die Entwicklung bei den Mikropillen der dritten Generation natürlich sehr eingehend beobachtet, und es hat die Studien, die hierzu erstellt worden sind, genauestens gesichtet. Im Oktober letzten Jahres hat es, zum Schutze der Verbraucherinnen, eine Erstanwendung dieser Pillengeneration bei Frauen unter 30 Jahren untersagt. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen worden, daß diese Frauen ganz besonders vom Thromboserisiko betroffen sind. Wohlgemerkt: Es handelt sich dabei um eine vorbeugende Schutzmaßnahme, die kontinuierlich auf ihre Rechtfertigung hin überprüft werden muß. Eine solche Überprüfung wird Ende Juni stattfinden auf der Grundlage der europäischen Erkenntnisse. Man muß die weitere Entwicklung im Auge behalten. Natürlich ist es notwendig, daß Ärzte und Ärztinnen sich mit ihren Patientinnen sehr genau darüber unterhalten, welche Form der Kontrazeption unter welchen Bedingungen die richtige ist. Da tragen die Ärzte auch eine ganz große Verantwortung. Aber die Panikmache, die die Grünen zum jetzigen Zeitpunkt anzetteln, ist völlig daneben. Sie führt gerade zu der beklagten unverantwortlichen Verunsicherung der betroffenen Frauen. Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die um 10 Prozent erhöhte Zahl von Schwangerschaftsunterbrechungen, wie sie zum Beispiel in Großbritannien nach der unnötig ausgelösten Pillenhysterie im letzten Herbst auftraten. Dem darf nicht Vorschub geleistet werden. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Die parlamentarische Befassung mit dem Problem der Antibabypillen der dritten Generation hat erneut die in diesem Lande seit langem bestehenden Mißstände im Umgang mit Arzneimittelrisiken aufgezeigt. Wieder wurde deutlich, daß verordnende Ärzte in der Regel zu wenig und zu spät informiert werden, ja daß im Gegenteil die Werbung der Pharmafirmen ihnen oft das Gefühl einer hohen, dann aber doch nicht gerechtfertigten Sicherheit der jeweiligen Medikamente vermittelt. Dies wiederum trägt dazu bei, daß sie ihrerseits die Patientinnen tendenziell unzureichend informieren und die notwendige Risikoerfassung sowie eine anschließende individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung allzu häufig nicht in erforderlicher Weise vornehmen. Erneut erleben wir eine oberste Bundesbehörde, die unter mannigfaltigem Druck steht, deren Durchsetzungsfähigkeit von vornherein begrenzt ist und deren Entscheidungen deshalb durch vielerlei Rücksichtnahmen beeinträchtigt werden. Immer wieder zeigt sich auch, daß das Melde- und Erfassungssystem für unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Bundesrepublik nur äußerst unzureichend funktioniert. Verstärkt werden all diese Mißstände durch eine bis heute überaus mangelhafte Ausbildung der Ärzte in der immer wichtiger werdenden medizinischen Spezialdisziplin der Epidemiologie. Insgesamt wird zu lange vertuscht, verschwiegen oder zerredet, statt vom ersten Verdachtsmoment an die dann unabdingbar erforderlichen wissenschaftlichen Untersuchungs- und Überprüfungsverfahren sowie eine sofort notwendige Information und Aufklärung der Ärzte und ihrer Patienten in Gang zu setzen. Kommt es dann irgendwann - häufig noch dazu durch eine sensationshungrige Presse - zu Katastrophenmeldungen und zum nachfolgenden „Katastrophenmanagement", sind rationale Entscheidungen oft nur noch schwer zu treffen. Fazit: Es gibt nach wie vor keine systematischen, rechtzeitig einsetzenden sowie kontinuierlich und solide arbeitenden Mechanismen für den Umgang mit Arzneimittelnebenwirkungen. Es ist völlig unbegreiflich, daß diese seit langem bekannte Situation in einem Land mit hochentwickelter Arzneimittelproduktion für die Regierung kein Anlaß zu energischem Handeln ist. Ich meine, daß ist der erste und eigentliche Skandal, von dem immer wieder geredet werden muß. Was das aktuelle Problem der Risikobewertung bei den Antibabypillen der dritten Generation betrifft, so haben unseres Erachtens die bisherigen Aktivitäten einschließlich der dazu durchgeführten Anhörung noch keine eindeutigen Entscheidungsgrundlagen für das Parlament erbringen können. Es hat sich eher bestätigt, daß die wissenschaftliche Diskussion noch keineswegs entschieden ist, ja daß dafür zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einmal alle notwendigen Voraussetzungen gegeben sind. Ungeachtet der immer in Rechnung zu stellenden bekannten Interessenlagen der pharmazeutischen Industrie können aber auch die durchaus objektiv bestehenden Schwierigkeiten und möglichen Verzerrungseffekte, die mit der epidemiologischen Methodik in der Tat verbunden sein können, nicht einfach von der Hand gewiesen werden. Dies gilt sicher um so mehr, als in nächster Zeit weitere Ergebnisse kommen werden, von denen ein genauerer Aufschluß über die gegenwärtig noch strittigen Fragen erwartet werden kann. Mit anderen Worten: Eine abschließende Bewertung der hier vorliegenden und ohne Zweifel sehr komplizierten Sachprobleme scheint uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder möglich noch zweckdienlich zu sein. Für notwendig halte ich allerdings, daß bereits heute die erforderlichen Schlußfolgerungen für eine sorgfältige und individuelle Verordnungsweise dieser Medikamente gezogen werden. Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Der Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages hat in mehreren Sitzungen über die oralen Kontrazeptiva und damit verbundenen Nebenwirkungen diskutiert. Es fanden umfangreiche Informationen durch die zuständige Bundesoberbehörde statt. Ein langes Expertengespräch des Ausschusses wurde am 6. März dieses Jahres durchgeführt, bei dem viele renommierte, auch internationale Wissenschaftler anwesend waren. Die Daten und Fakten liegen Ihnen in den Drucksachen und Protokollen des Ausschusses vor. Ich kann mich also wegen der Kürze der Zeit auf grundsätzliche Anmerkungen beschränken. Es gibt für den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen keinerlei Berechtigung. Es kann für diesen Antrag deshalb auch keine Zustimmung geben. Es ist weder Auftrag noch Aufgabe des Bundestages, über die Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln, über die Zulassung von Arzneimitteln oder über Risikomaßnahmen bei Arzneimitteln zu beschließen. Dies gehört in die Kompetenz der zuständigen Bundesoberbehörde, in diesem Fall des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Dort sitzen die Experten, dort wird die wissenschaftliche Arbeit gemacht, dort ist Literatur vorhanden, und dort können die Kontakte zu externen Wissenschaftlern geknüpft werden. Und nur dort können die notwendigen fachlichen Entscheidungen getroffen werden. Der Bundesminister für Gesundheit wird sich in solche fachlichen Entscheidungen der zuständigen Behörden nicht einmischen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat bei der Bearbeitung der anstehenden Problematik, nämlich der Frage der Verdopplung des Risikos von venösen Thromboembolien bei der Anwendung oraler Kontrazeptiva mit den Wirkstoffen Gestoden und Desogestrel im Vergleich zu den oralen Kontrazeptiva der zweiten Generation, bisher eine fachlich gründliche und schnelle Arbeit geleistet. Es hat zusammen mit den britischen Kollegen als erste Behörde in Europa das Problem vor dem CPMP (Committee for Proprietory Medicinal Products - Arzneimittelspezialitätenausschuß), das heißt, dem zuständigen europäischen Gremium, thematisiert. Es hatte sogar vorher schon wesentliche Anregungen gegeben für die Studien, die inzwischen die Diskussion auf eine vernünftige epidemiologische Basis gelenkt haben. Es hat als erste und bisher einzige Behörde in Europa eine Maßnahme getroffen, die risikominimierend ist. Diese Maßnahme beinhaltet, daß Frauen unter 30 Jahren bei der Ersteinstellung mit oralen Kontrazeptiva die in Rede stehenden Pillen der dritten Generation nicht verordnet bekommen. Diese Maßnahme umfaßt auch, daß in den Beipackzetteln deutliche Hinweise für Arzt und Anwenderin in bezug auf die Risiken gegeben werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat uns alle im Gesundheitsausschuß ausführlich und schnell informiert. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen in der Behörde dafür danken und ich weise Ihre Vorwürfe, Frau Knoche, entschieden zurück. Die epidemiologischen Studien haben noch einige Fragen offen gelassen, so zum Beispiel die Frage, ob das Herzinfarktrisiko durch Pillen der verschiedenen Generationen unterschiedlich beeinflußt wird und welchen Einfluß Störgrößen möglicherweise gehabt haben könnten. Diese Fragen sollen soweit wie möglich beantwortet werden. Eine europäische Arbeitsgruppe, zu der auch deutsche Wissenschaftler zählen, wird mit den Autoren dieser Studien Kontakt aufnehmen und in den nächsten Monaten weitere Analysen der Daten vornehmen. Die im November 1995 angeordneten Maßnahmen gelten bis zum 30. Juni dieses Jahres. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird unter Berücksichtigung der Datenlage zunächst innerhalb der kommenden beiden Monate und dann nach Abschluß der zusätzlichen Datenanalyse durch die europäische Arbeitsgruppe über das weitere Vorgehen entscheiden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß bei neuen Erkenntnissen eine neue Bewertung erfolgt und gegebenenfalls neue Entscheidungen getroffen werden. Und ebenso selbstverständlich ist es, daß dies - wie bisher auch - zügig geschieht und darüber umfassend informiert wird. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 696. Sitzung am 3. Mai 1996 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Geflügelfleischhygienegesetz (GFlHG) - Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Mai 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Unterstützung der Zollverwaltungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3286 Nr. 1.4 Finanzausschuß Drucksache 13/3668 Nr. 2.38 Drucksache 13/3790 Nr. 2.14 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/3938 Nr. 2.24 Drucksache 13/3938 Nr. 2.34 Drucksache 13/3938 Nr. 2.39 Drucksache 13/3938 Nr. 2.40 Drucksache 13/3938 Nr. 2.44 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/4137 Nr. 2.47 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/3182 Nr. 1.11 Drucksache 13/3668 Nr. 2.14 Drucksache 13/3668 Nr. 2.31 Drucksache 13/3668 Nr. 2.33 Drucksache 13/3938 Nr. 2.36 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/1614 Nr. 2.18 Drucksache 13/3668 Nr. 2.1
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Kinkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall von Mauer und Stacheldraht hat die Welt grundlegend verändert. Die seither erfolgten dramatischen Abrüstungsdurchbrüche sind Teil dieses historischen Wandels. Europa war während des Kalten Krieges ein einziges bedrohliches Waffenlager. Seitdem sind zwischen Atlantik und Ural fast 50 000 Panzer, Artillerie, Hubschrauber und Kampfflugzeuge verschrottet worden. Weltweit waren noch 1990 weit über 60 000 nukleare Sprengköpfe einsatzbereit. Heute zerstören die USA und Rußland zusammen jedes Jahr 4 000 Atomsprengköpfe. Bis zum Jahre 2003 werden diese gefährlichsten Waffen auf etwa ein Drittel, also zirca 20 000, reduziert sein.
    Ja, das ist immer noch viel zu viel. Aber trotzdem ist es im Vergleich zu dem, was war, ein gewaltiger Erfolg. Wir hätten uns das vor zehn Jahren nicht träumen lassen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Heute geht es der Abrüstung gerade wegen ihrer großen Erfolge ein klein wenig wie der NATO: Einige meinen, sie sei nun weniger wichtig, wenn nicht gar überflüssig geworden. Dazu kann ich nur sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Weitere Fortschritte bei Abrüstung, Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung sind eine entscheidende Voraussetzung dafür, daß die Welt nicht erneut in feindliche Lager zerfällt und daß die Menschheit ihre ganze Kraft endlich der großen Friedensaufgabe unserer Zeit zuwenden kann: der Bekämpfung von Armut und Umweltzerstörung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb dürfen wir in unserem Abrüstungsengagement nicht nachlassen.
    Viele der schlimmsten Waffen, zum Beispiel die noch vorhandenen rund 45 000 nuklearen Sprengköpfe und die über 70 000 Tonnen chemischer Kampfstoffe allein in Rußland und den USA, können nicht einfach überwacht, abgerüstet und vernichtet werden. Das ist vielmehr ein technisch komplizierter, langwieriger und auch unwahrscheinlich teuerer Prozeß. Wir Deutschen helfen dabei, so gut es geht.
    Mit Rußland und der Ukraine laufen langjährige Programme zur Beseitigung nuklearer und chemischer Waffen; in Kürze wird auch Weißrußland dazukommen.
    Jede Mark, mit der wir zur Beseitigung dieser gefährlichen Hinterlassenschaft des Kalten Krieges bei-

    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    tragen, ist, wie ich meine, wirklich gut angelegtes Geld.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, nächste Woche beginnt die Überprüfungskonferenz zum KSE-Vertrag. Dabei geht es um einen Eckpfeiler europäischer Sicherheit. Die fast 50 000 zerstörten Waffensysteme, das enge Netz an Verifikation und gegenseitiger Information, breit angelegte vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen - all das steht hinter der völlig umgewandelten Situation, in der wir uns heute in Europa befinden. Es hat den Alptraum eines strategischen Überraschungsangriffs auf unser Land beseitigt; Grund genug für uns, bei dieser bevorstehenden Konferenz alles zu tun, damit die Wirkungskraft dieses Vertrages bewahrt wird.
    Während die einstigen Gegner in der Ost-WestAuseinandersetzung abrüsten, wird in anderen Teilen der Welt weiter aufgerüstet.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Leider!)

    Dieses verlagerte Wettrüsten unterminiert nicht nur die Stabilität wichtiger Regionen, es entzieht vor allem auch die Gelder für den dringend notwendigen und ungeheuer wichtigen wirtschaftlichen Aufbau dort.
    Die Rüstungsausgaben der Entwicklungsländer werden auf jährlich 150 bis 200 Milliarden Dollar geschätzt, soviel wie die Ausgaben für Gesundheit und Erziehung zusammen. Das muß man sich einmal vorstellen.
    Wer die Krisenherde dieser Welt von Bosnien bis Ruanda betrachtet, weiß: Oft sind es Waffen primitivster Art, mit denen ganze Regionen und Landstriche im wahrsten Sinne des Wortes terrorisiert werden.
    Allein im letzten Jahr wurden weltweit 20 000 Menschen durch Minen getötet oder verstümmelt. Die geschätzten 10 Millionen versteckten Minen kennen keinen Waffenstillstand. Sie unterscheiden eben nicht zwischen Soldaten, Männern, Frauen, Kindern. Diese heimtückischen Mordwerkzeuge machen auch nach dem Ende von Feindseligkeiten ganze Landstriche, ganze Regionen auf Dauer unbewohnbar.
    Ich habe mich deshalb persönlich sehr stark für einen deutschen Verzicht auf Antipersonenminen eingesetzt, und mit der Entscheidung, künftig auf diese Waffen vollständig zu verzichten, ist die Bundesregierung mit wahrhaft gutem Beispiel vorangegangen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das war auch gerade vor Beginn der dritten Genfer Verhandlungsrunde über eine Verschärfung des Landminenprotokolls ein ganz, ganz wichtiges Signal. Ich hoffe, daß das weltweit Schule macht.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Es ist auch in Genf sehr gut angekommen!)

    In Genf wurden jetzt erheblich schärfere und teilweise völlig neue Verbote und Beschränkungen für
    Einsatz und Export von Landminen vereinbart. Natürlich wären wir gern weitergegangen, besonders bei den Antipersonenminen. Dennoch glaube ich, ein erster und wichtiger Erfolg zur Ächtung dieser Menschheitsgeißel ist erreicht, und wir dürfen uns nicht entmutigen lassen.
    Jetzt muß das neue Minenprotokoll möglichst rasch in Kraft treten und weltweit Geltung erlangen. Dafür müssen wir uns mit Nachdruck einsetzen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich appelliere auch an alle Länder, dem Beispiel der Staaten zu folgen, die, wie Deutschland, ein einseitiges Exportmoratorium beschlossen haben. Die Länder, die das UN-Waffenübereinkommen bisher noch nicht unterzeichnet haben, fordere ich zum baldigen Beitritt auf.
    Genf ist noch nicht das Ende des Kampfes, den wir gemeinsam in dieser Richtung führen müssen.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Auch im ehemaligen Jugoslawien, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Abrüstung einer der Schlüssel für eine friedliche Zukunft. Das militärische Ungleichgewicht zwischen bosnischen Serben und der Föderation Bosnien und Herzegowina liegt bei den meisten schweren Waffen bei 3:1. Bei einigen Waffenkategorien ist das Verhältnis sogar noch schlechter. Dieses Ungleichgewicht darf jetzt nicht durch Aufrüstung ausgeglichen werden.

    (Gernot Erler [SPD]: Genau das passiert aber!)

    - Wir versuchen es ja zu verhindern.
    Die Rüstungskontrollvereinbarungen des Dayton-Abkommens sind vor allem deutscher Initiative zu verdanken. Ich erinnere daran, daß auf meine Initiative am 18. Dezember 1995 auf dem Petersberg hierzu die Auftaktkonferenz im OSZE-Rahmen stattgefunden hat.
    Ende Januar ist das Abkommen über Vertrauensbildung in Bosnien und Herzegowina abgeschlossen worden. Es wird umfassende militärische Transparenz schaffen. Der OSZE - das ist ein Novum - wird dabei bei Verifikation und Streitschlichtung eine wichtige Rolle zugewiesen. Aber wir müssen den Konfliktparteien zurufen - sie müssen das wissen -: Rüstungskontrolle und Wiederaufbau gehören zusammen. Wer rüsten will und weiter aufrüstet, verwirkt die Hilfe beim Wiederaufbau.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sind an sich bei der Abrüstungsproblematik im früheren Jugoslawien im Vergleich zu anderen Bereichen der Umsetzung des Daytoner Abkommens relativ weit gekommen. Ich habe vor zwei Tagen in den USA wieder ausführliche Gespräche zu diesem Themenkreis geführt. Wenn ich mir die Gesamtimplementierung des Daytoner Abkommens ansehe, dann

    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    darf ich feststellen: Der Abrüstungsbereich - zumindest so, wie es bisher aussieht - ist relativ weit gediehen. Aber ich räume ein: Das ändert nichts daran, daß wir mit großer Sorge darauf achten müssen, daß jetzt nicht sozusagen über andere Kanäle eine Wiederaufrüstung erfolgt.
    Meine Damen und Herren, der vorliegende Abrüstungsbericht der Bundesregierung zeigt: 1995 war ein Jahr von bemerkenswerten Fortschritten auf dem Weg, unsere Welt mit weniger Waffen sicherer zu machen. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr konnten wir in New York zusammen mit 174 anderen Staaten den Atomwaffensperrvertrag unbefristet verlängern. Das war ein großer Erfolg. Wenn wir auch den atomaren Geist nicht in die Flasche zurückzwingen können - das werden wir wohl jedenfalls auf absehbare Zeit nicht schaffen -, so müssen wir doch alles tun, um ihn wenigstens zu zähmen.
    Unser Beitrag war für den positiven Ausgang dieser Konferenz außerordentlich wichtig. Entsprechend war auch unser Engagement. Ich glaube, daß unsere besondere Glaubwürdigkeit als ein Staat, der ein für allemal auf Massenvernichtungswaffen verzichtet hat, dabei eine große Hilfe war. Das ist etwas, was uns bei dieser Konferenz und bei anderen Konferenzen dieser Art außerordentlich entgegenkommt.
    Meine Damen und Herren, das nächste vordringliche Ziel ist jetzt das generelle Verbot von Atomtests. Die Verhandlungen über einen umfassenden nuklearen Teststopp müssen spätestens im Herbst dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen werden. Ich rufe alle Staaten auf, auch in der Zeit bis zum Inkrafttreten einer solchen Vereinbarung keinerlei Atomtests mehr durchzuführen.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Die internationale Überwachung des Teststopps wird auch von uns einen erheblichen finanziellen Beitrag erfordern. Ich bitte Sie alle hier im Deutschen Bundestag um Verständnis und sehr herzlich um Unterstützung.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Trotz Sparhaushalt!)

    Mit der unbegrenzten Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags und dem erwarteten umfassenden Verbot von Atomtests sind zwei wesentliche Forderungen meiner Zehn-Punkte-Initiative vom Dezember 1993 erfüllt. Was sind nun die nächsten Schritte?
    Es geht um die Umsetzung des Verhandlungsmandats zum Produktionsstopp für Spaltmaterial zu Waffenzwecken, dem sogenannten Cut-off. Es geht um die Aushandlung eines Verifikationsprotokolls auf der Überprüfungskonferenz zur B-Waffen-Konvention Ende 1996. Es geht um die Ratifizierung des START-II-Vertrages auch durch die russische Duma, nachdem der US-Senat dies getan hat. Es geht um die rasche Inkraftsetzung des Chemiewaffen-Übereinkommens sowie des Vertrags über den Offenen Himmel.
    Bei den Gesprächen in Washington ist wieder deutlich geworden, daß wir bei den Überlegungen, die zur Erweiterung der NATO angestellt werden, von russischer Seite verstärkt mit Einwendungen zum KSE-Vertrag und zur START-Problematik zu rechnen haben. Das ist etwas, was wir in unsere Überlegungen einbeziehen müssen und was bei der Diskussion der NATO-Erweiterung, so glaube ich, in der Zukunft eine relativ große Rolle spielen wird.
    Meine Damen und Herren, Abrüstung bleibt auch nach dem Ende des Kalten Krieges für unsere Außenpolitik von absolut zentraler Bedeutung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich bin froh - ich sage das deutlich und klar -, daß wir hier einen parteiübergreifenden Konsens haben. Daß das so ist, hilft in den internationalen Verhandlungen außerordentlich und hat unsere deutsche Position im internationalen Dialog zur Abrüstung ganz entscheidend gestärkt.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich erinnere nur an die Ratifikation des Chemiewaffen-Übereinkommens, an die Entschließung zur Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages und an die Entschließung zum Verbot von Antipersonenminen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen des Bundestages für diese Unterstützung.
    Europa und die Welt sind in den vergangenen Jahren sicherer geworden. Dazu haben Abrüstung, Rüstungskontrolle und natürlich auch die Nichtverbreitung wesentlich beigetragen.
    Die Bilder von den Krisenherden dieser Welt beweisen jedoch Tag für Tag: Es bleibt noch unendlich viel zu tun. Die Widerstände am Verhandlungstisch sind oft sehr groß, aber ich versichere Ihnen, daß die Bundesregierung in ihren Anstrengungen nicht nachlassen wird. Unseren Kindern und Enkeln eine friedliche und bewohnbare Welt zu hinterlassen ist jede Anstrengung wert. Deshalb muß die Abrüstung als ganz, ganz wesentliches Thema auf unserer Tagesordnung bleiben.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Uta Zapf.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uta Zapf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe voll Befriedigung, Herr Außenminister, Ihre Betonung gehört, daß Abrüstung von zentraler Bedeutung bleibt und daß die Bundesregierung sich mit ihrer ganzen Kraft in diesem Bereich engagieren will.

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sie werden das unterstützen!)

    - Wir werden das ganz sicher unterstützen; wir haben das in der Vergangenheit heftig unterstützt, ja sogar angetrieben, Herr Nolting. Sie werden das sicher nicht vergessen haben.

    Uta Zapf
    Trotzdem muß ich sagen: Ich bedaure, daß das Thema Abrüstung in der allgemeinen politischen Diskussion und in den Debatten des Deutschen Bundestages einen geringen Stellenwert einnimmt. Das läßt sich sehr genau an dem mühsamen Zustandekommen dieser Abrüstungsdebatte aufweisen - immer wieder verschoben, immer wieder verkürzt -, auch daran, wie mit den eingebrachten Anträgen umgegangen worden ist: Sie wurden spät in der Nacht aufgerufen, und dann haben die Redner und Rednerinnen ihre Beiträge zu Protokoll gegeben, weil niemand im Saale war. Auch heute sehe ich den Saal nicht überbesetzt, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Zuruf von der CDU/CSU: Sie wissen doch genau, warum!)

    Heute steht der Abrüstungsbericht 1995 auf der Tagesordnung. Ich möchte allerdings daran erinnern, daß wir den Abrüstungsbericht für das Jahr 1994, der heute nicht auf der Tagesordnung steht, überhaupt noch nicht verabschiedet haben. Formal gesehen ist dies ein Mangel, inhaltlich allerdings nicht,

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Die Abrüstung geht eben schneller als die Berichte!)

    weil es ja wenig Sinn macht, einen völlig veralteten und überholten Bericht zu diskutieren.
    Beschämend ist das Desinteresse deshalb, weil die Feststellung im Abrüstungsbericht der Bundesregierung, die Herr Kinkel eben noch einmal bestätigt hat, richtig ist, daß Rüstungskontrolle, Abrüstung und vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen dazu beigetragen haben, Europa in den vergangenen Jahren sicherer zu machen. Deshalb sollten Abrüstungsthemen ganz vorn auf der Tagesordnung stehen.
    Der Abrüstungsbericht der Bundesregierung verdient Aufmerksamkeit. Er ist ein umfassender, interessanter, materialreicher Bericht und ein wichtiges Arbeitsinstrument für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einmal die ausgezeichnete Zusammenarbeit im Bereich des Unterausschusses Abrüstung und Rüstungskontrolle positiv hervorheben. In kooperativer Anstrengung der Fraktionen ist es gelungen, wichtige Abrüstungsverhandlungen mit gemeinsamen Initiativen parteiübergreifend zu unterstützen, und auch heute liegen zwei solche gemeinsamen Initiativen - die eine zum KSE-Vertrag und die andere zum ChemiewaffenÜbereinkommen - hier vor.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Dieses Lob der Opposition freut uns!)

    Wir bedanken uns auch ausdrücklich bei den Abrüstungsabteilungen der Ministerien für die gute Zusammenarbeit.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Damit komme ich auch schon zum Ende des Lobens.

    (Zuruf des Abg. Günther Friedrich Nolting [F.D.P.])

    - Doch, doch, jetzt kommen all die Einschränkungen. Die müssen erwähnt werden, Herr Nolting.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Das Loben war so schön bisher!)

    - Es hat Ihnen gefallen. Aber jetzt kommt das, was mir besser gefällt.
    Ein solches Lob kann allerdings nicht dazu führen, die Unterschiede zwischen meiner Fraktion und den Fraktionen der Regierungskoalition zu verwischen. Ein ganz wichtiger Unterschied liegt darin, daß wir uns mit dem bislang in der Abrüstung Erreichten weniger leicht zufriedengeben als die Koalition. Als Abgeordnete haben wir nicht die Aufgabe, die Regierung zu loben, sondern auf Mängel deutlich hinzuweisen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Richtig! Weiterer Zuruf von der SPD: Das andere machen die ja schon! Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Lob tut auch gut, wo es berechtigt ist!)

    Einen allgemeinen Mangel der Abrüstungspolitik der Bundesregierung offenbart dieser Bericht überdeutlich. Es mangelt ihr an Kreativität und an neuer Initiative:

    (Günter Verheugen [SPD]: Das ist aber wahr!)

    kein Wort zu möglichen Perspektiven präventiver Abrüstung oder der Verhinderung qualitativer Aufrüstung; kein Ansatz zur Fortentwicklung der konventionellen Abrüstung in Europa - dazu wird mein Kollege Gernot Erler noch Stellung nehmen -; bei den Positionen zu laufenden Verhandlungen ein ängstliches Anpassen an den Konsens der Großmächte und westlicher Industriestaaten.
    Die vielgelobte Zehn-Punkte-Initiative von Herrn Außenminister Kinkel

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Verdient Lob!)

    enthält keinen einzigen Vorschlag, der nicht schon vorher durch die USA abgesegnet wurde.
    Auch bei den Landminen, Herr Außenminister, wozu Sie eben lobend hervorgehoben haben, was die Bundesregierung in der letzten Zeit gemacht hat, nämlich völlig auf Antipersonenminen zu verzichten, sind Sie nicht in der Vorreiterrolle gewesen; sondern eine ganze Reihe europäischer Staaten und NATO-Staaten haben diese Rolle übernommen

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Kleine! Sehr kleine! Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Was haben Sie gegen kleine Staaten? Diese Arroganz!)

    - nicht nur kleine - und ihren Verzicht erklärt. Ich denke, das muß man hier deutlich machen, auch

    Uta Zapf
    wenn wir dankbar sind, daß der Verzicht doch erklärt wurde - wenn auch spät.
    Wo bleiben die Vorschläge zum Ausbau und zur Stärkung der OSZE im Bereich der friedlichen Konfliktregelung? Wo bleibt der Beitrag der Bundesregierung, wenn es um die Einrichtung eines zivilen Friedensdienstes geht? Sie haben im Zusammenhang mit Dayton auf die Wichtigkeit des zivilen Aufbaus hingewiesen.
    Es gibt einen interfraktionellen Antrag, der sogar mit den Kirchen abgestimmt ist. Er hängt in der CDU/CSU-Fraktion und wird blockiert. Ich fordere Sie auf, diesen Antrag in den Bundestag einzubringen und zur Diskussion zu stellen, damit wir über die Ausgestaltung einer solchen Institution reden können.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Lassen Sie mich als weiteres Beispiel die C-Waffen-Konvention anführen. Das Abkommen ist noch immer nicht in Kraft. Sie haben es beklagt, Herr Minister. Bisher haben zwei wichtige Staaten, Rußland und die USA, dieses Abkommen noch nicht ratifiziert. Es ist offenkundig, daß auch die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung nicht ausgereicht haben. Die Bundesregierung muß mehr tun.
    Wer ständig vor der Gefahr chemischer Waffen warnt, aber noch nicht einmal in der Lage ist, seine engsten Partner und Freunde zur Ratifizierung zu drängen oder seinen ganzen politischen Einfluß, den eine Männerfreundschaft aufzubringen vermag, einzusetzen, bringt wohl zuwenig Mut vor seinen Männerfreunden auf.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Keine Einmischung in innere Angelegenheiten! Heiterkeit Zuruf von der SPD: Das ist eine äußere Angelegenheit!)

    - Das war auch nicht so, sondern politisch gemeint, Herr Feldmann.
    Meine Damen und Herren, wir haben uns parteiübergreifend für die unbefristete und unkonditionierte Verlängerung der Geltung des Nichtverbreitungsvertrages eingesetzt. Die Glaubwürdigkeit eines solchen Einsatzes verlangt aber auch, daß man jetzt intensiv auf den Abschluß weiterer notwendiger Vereinbarungen dringt, die das Nichtverbreitungsregime stärken können und die in den Konferenzdokumenten zur Verlängerungskonferenz angesprochen sind.
    Die Nichtkernwaffenstaaten knüpften an ihre Zustimmung hohe Erwartungen. Insbesondere forderten sie Fortschritte bei der verbindlichen Zeitplanung für nukleare Abrüstung und eine äußerste Zurückhaltung der Kernwaffenstaaten bei Atomwaffentests. Diese Erwartungen sind in hohem Maße durch die Kernwaffentests von China und Frankreich enttäuscht worden.
    China hat erneut einen Atomwaffentest angekündigt und ist offensichtlich unerschütterlich willens, seine Tests bis zum Abschluß eines Teststoppvertrages auszuführen.
    Frankreich hat die Serie seiner Tests abgeschlossen. Ich finde es aber bedauerlich, daß die Bundesregierung den Protest, den wir mit einem Antrag, der auf der heutigen Tagesordnung steht, angemeldet haben, nicht unterstützt hat. Auch dies halte ich für einen politischen Mangel.
    Dieses Verhalten der Kernwaffenstaaten führte zu erheblichen Verärgerungen bei den nicht gebundenen Staaten. Der Konsens bei wichtigen Abrüstungsvorhaben ist gestört, und dadurch kann unter Umständen der Fortgang bei wichtigen Vereinbarungen behindert werden. Diese wichtigen Vereinbarungen sind: ein umfassendes Verbot von Atomtests, das in diesem Jahr abgeschlossen werden soll; ein Abkommen über das Verbot der Produktion waffenfähigen Spaltmaterials, das sogenannte Cut-off; die Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten, also der „safeguards", der IAEO zur besseren Aufdeckung illegaler Atomprogramme und die Einrichtung eines internationalen Plutoniumüberwachungsregimes.
    Meine Damen und Herren, ein Vertrag zum umfassenden Teststopp wäre nur dann ein wichtiger Schritt zur nuklearen Abrüstung, wenn er in der Tat die Weiterentwicklung von Nuklearwaffen bremsen oder verhindern würde - so steht es im Abrüstungsbericht. Dies. bedeutet als Mindestforderung nicht nur die sogenannte Zero Threshold Option, wie sie jetzt auf dem G-7-Gipfel vorgesehen worden ist, sondern auch das Verbot subkritischer Tests, also Tests, bei denen keine Kernsprengungen ausgelöst werden. Diese müssen ebenso in den Verbotstatbestand einbezogen werden.
    Offensichtlich ist die Bundesregierung aber nicht bereit, diese weitergehende Forderung zu tragen.
    Atomtests werden in Zukunft ohnehin durch Computersimulation ersetzt werden. Hier wird ein Problem deutlich: Die Kernwaffenstaaten wollen offensichtlich ihre Kernwaffenforschung fortsetzen. Sie argumentieren, daß diese Forschung aus Gründen der Sicherheit in bezug auf alternde Arsenale notwendig sei. Der Jason-Report, der in den USA im August vergangenen Jahres veröffentlicht worden ist, hat dieser Darstellung ausdrücklich widersprochen. Es ist offensichtlich, daß die Gesamtheit der neu geplanten Technologien sowohl für oberirdische Kernwaffenexperimente als auch für die Computersimulation von nuklearen Explosionen geeignet ist, die Erforschung und Entwicklung von neuen Kernwaffen zu ermöglichen. Ich denke, dies sollten wir nicht mittragen.

    (Beifall bei der SPD)

    Durch diesen Ansatz entsteht bei den Nichtkernwaffenstaaten natürlich der Verdacht, daß das umfassende Teststoppabkommen dazu dient, den Kreis der kernwaffenbesitzenden Staaten auf die bisherigen zu begrenzen - wogegen ja nichts einzuwenden ist; das wollen wir ja alle. Der erhoffte Schritt hin zum Ende der Atomwaffenproduktion findet nicht statt. Herr Minister, Sie haben diesen erhofften Schritt zum

    Uta Zapf
    Ende der Atomwaffenproduktion im Abrüstungsbericht ausdrücklich angesprochen.
    Wer also den Verdacht ausräumen will, hier werde ein Vertrag nur für die Habenichtse gemacht, ohne die eigene Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung einlösen zu wollen, muß endlich Fortschritte in weiteren Bereichen einfordern.
    Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Teststoppabkommen und dem „ Cut-off"-Abkommen. Das „Cut-off " -Abkommen soll dazu dienen, die Herstellung von Kernwaffen sozusagen an der materiellen Wurzel abzuschneiden. Damit würde ein „Cut-off" -Abkommen einen wesentlichen Schritt zu einer kernwaffenfreien Welt darstellen. Bisher haben die Verhandlungen zu diesem „Cut-off" - obwohl ein Mandat vorliegt - noch nicht begonnen. Auch auf der Prioritätenliste der Bundesregierung, Herr Minister, habe ich das „Cut-off" vermißt.
    Außenminister Kinkel hat in seiner Zehn-PunkteInitiative, die hier schon angesprochen worden ist, das „Cut-off" auch nur mit einem einzigen Satz unterstützt. Das scheint es ja wohl schon gewesen zu sein.
    Wir fordern die Bundesregierung auf - um das „Cut-off"-Abkommen endlich in die Gänge zu bringen -, die Forderung der ungebundenen Staaten nach der Einrichtung eines neuen Ad-hoc-Ausschusses zum Thema „Nukleare Abrüstung" zu unterstützen. Die Kernwaffenstaaten lehnen die Koppelung dieser beiden Verhandlungsansätze ab. Wer aber Proliferationsgefahren ernsthaft bannen will, wer die Noch-Habenichtse von Atomwaffengelüsten abhalten will, muß auch mit dem im Atomwaffensperrvertrag festgeschriebenen Abrüstungsgebot Ernst machen. Die Einrichtung eines solchen Ad-hoc-Ausschusses ist eine berechtigte Forderung.
    Im Zusammenhang mit dem Verhandlungsmandat zum „Cut-off" verlangen Pakistan und Ägypten auch die ausdrückliche Einbeziehung bereits existierender Lagerbestände von Spaltmaterial in das Verhandlungsmandat. Sie haben selber auf die große Menge an Abrüstungsplutonium hingewiesen, die herumliegt. Deshalb ließe sich meines Erachtens auch dieser Punkt im Rahmen eines internationalen Plutoniumregimes, das solche Bestände unter internationale Kontrolle stellt, lösen. Ich meine, auch das ist ein Punkt, auf den wir hinarbeiten müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist die Verbesserung der Safeguards. Es gibt Vorschläge der IAEO, die im sogenannten 93-plus-2-Paket enthalten sind, von denen einige schon umgesetzt wurden. Die weitestgehenden Vorschläge in Teil 2 des Paketes, die umfangreiche Inspektionen und ein Umweltmonitoring vorsehen, sind allerdings noch nicht umgesetzt. Hier scheint die Bundesregierung im Bremserhäuschen zu sitzen.
    Damals haben Sie diese Maßnahmen auf unsere Kleine Anfrage hin positiv beurteilt. Um so mehr bin ich erstaunt, wenn ich nun in internationalen Publikationen lesen muß, daß sich die Bundesregierung offensichtlich heftig gegen die Umsetzung dieser Maßnahmen stemmt.
    Herr Außenminister, ich fordere Sie auf, diesen Maßnahmen zuzustimmen. Das Beispiel Iran macht deutlich, daß die Entdeckung verdeckter Atomwaffenprogramme nur durch ein verbessertes Monitoring möglich ist und daß die vermuteten verdeckten Atomprogramme des Iran mit den bisherigen Kontrollmöglichkeiten nicht aufzuspüren waren. Deswegen sind diese Safeguards von höchster Wichtigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Zuletzt möchte ich ein Thema ansprechen, das auf der Tagesordnung der Abrüstungsagenda stehen muß, nämlich das Abkommen über das Verbot biologischer Waffen.
    Obwohl die 4. Überprüfungskonferenz zum BWÜ in der Zeit vom 25. November bis 13. Dezember 1996 ansteht, wird das BWÜ in dem Prioritätenkatalog der Bundesregierung nicht erwähnt. Dabei ist es aus vielen Gründen notwendig, die Konvention über biologische Waffen zu verbessern und sie um vertrauensbildende Maßnahmen sowie ein funktionierendes Verifikationsregime zu ergänzen.
    Der rasche Fortschritt in der Mikrobiologie und der Biotechnologie sowie die zunehmenden Proliferationsgefahren, die sich insbesondere am Beispiel Irak gezeigt haben, machen Transparenz und Kontrolle zu einer vordringlichen Aufgabe im Bereich der Eindämmung biologischer Waffen. Das Verifikationsregime, das im Zusammenhang mit dem Chemiewaffenübereinkommen erarbeitet worden ist, kann hier ein Vorbild sein.
    Jetzt kommt wieder ein bißchen Lob; das muß zum Schluß auch noch einmal sein.

    (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Endlich! Wir haben schon Entzugserscheinungen!)

    - Ja, Sie haben schon Entzugserscheinungen. Die Transparenz, die die Bundesrepublik -