Rede von
Prof. Dr.
Jürgen
Rochlitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bedauern es sehr, daß Ihnen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, nur ein dünner, beinahe nichtssagender Kommentar zu den umfangreichen Abhandlungen des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen zu den globalen Bodenproblemen gelungen ist.
Daran hat auch Ihr Beitrag von heute, Herr Staatssekretär, nichts geändert.
Bei den nationalen Bodenproblemen haben Sie von Ihrer eigenen Bodenschutzkonzeption von 1985 hier im Land bisher rein gar nichts umgesetzt. Gut ein halbes Dutzend Referentenentwürfe zu einem Bodenschutzgesetz haben Sie bis jetzt verschlissen und nun gerade einmal einen zur Anhörung der Verbände gebracht, und der ist - es sei mir gestattet, Herr Kampeter - bodenlos schlecht, auch wenn Sie versucht haben, ihn schönzureden.
Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, besetzen wieder einmal verbal ein Thema, bewegen sich dabei aber auf demselben niedrigen Niveau wie die Bundesregierung, glauben gar, in Ihrem Antrag ohne jede Begründung auskommen zu können. Immerhin ist eines Ihrem Papier zugute zu halten: Die zentrale Aussage „Bodenschutz ist notwendig" könnte glatt von uns sein, nur ist unsere Initiative nicht wie bei Ihnen mit diesem Satz erledigt. Er ist bei uns lediglich die Überschrift eines kompletten Bodenschutzgesetzes, welches wir in den nächsten Tagen hier einbringen werden und womit wir wieder einmal originäre Regierungsarbeit erledigen werden. Das sollte Ihnen, Herr Staatssekretär, und Ihrer Ministerin doch zu denken geben. Gerade die Umweltministerin hätte eines aus der Klimadebatte lernen sollen: Selbstverständlich muß endlich globaler Bodenschutz betrieben werden. Aber es darf dabei nicht vergessen werden, daß auch der hiesigen Umwelt durch die Zuspitzung nationaler Bodenschutzziele weitaus besser gedient wäre.
Im übrigen hat der Wissenschaftliche Beirat bei seiner globalen Problemanalyse mit 12 festgestellten Syndromen peinlicherweise eine Bodenkrankheit übersehen, nämlich das ,,Deutschland-Syndrom", das Sie von der Regierungskoalition in seiner Gänze zu verantworten haben und das andererseits in seinen Auswirkungen vom Sachverständigenrat für Umweltfragen sehr wohl skizziert worden ist. Unter diesem 13. Syndrom der Bodendegradation ist ein Umgang mit dem Boden zu verstehen, der sich nur an der optimalen Nutzung des Bodens orientiert mit der Folge flächenhafter Boden- und Grundwasserverseuchung mit Säurebildnern, Nitraten, Pestiziden und Altlastenfolgeprodukten.
In dieser Einschätzung stehen wir nicht alleine. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen
Dr. Jürgen Rochlitz
weist in seinem 96er Gutachten darauf hin, daß die absolute Zahl aller Pflanzenschutzmittelfunde im Rohwasser und darunter auch die Zahl aller Funde mit Konzentrationen oberhalb des Grenzwertes der Trinkwasserverordnung weiterhin ansteigt. Und wörtlich - mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - heißt es:
Beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist nach Maßgabe der Persistenz von schwer kalkulierbaren Langfristeffekten auf die Umwelt auszugehen.
Die Tatsache, daß es sich bei der Mehrzahl der Funde um das seit 1991 verbotene Atrazin handelt, ist ein deutlicher Hinweis darauf: Vom wirklichen Bodenschutz sind wir weiter denn je entfernt. Wie stark sich die Problematik des Deutschland-Syndroms zugespitzt hat, ist auch daraus zu ersehen, daß die in der Vergangenheit verursachten Nährstoffaltlasten durch den aktuellen Trend des Rückgangs des Handelsdüngerverbrauchs nicht verringert werden. Auch ist noch nicht die Spur einer Abnahme der Nitratbelastung im Trinkwasser zu verzeichnen.
Gerade an den ökologisch notwendigen Bodenschutzzielen fehlt es in den Vorstellungen der Bundesregierung. So ist Bodenschutz bei ihr auch weiterhin nur nutzungsbezogen denkbar - soll heißen: Boden soll nur so weit saniert werden, wie es der nachfolgende Nutzungszweck erfordert. Wir dagegen wollen, daß der Boden an seinen natürlichen Funktionen gemessen wird. Der Schutz der Böden muß um ihrer selbst willen erfolgen. Das erfordert natürlich eine ziemlich weitgehende Sanierung, vielleicht nicht immer bis zur natürlichen Ackerbodenqualität, aber doch überall so weit, wie es immer möglich ist. Es kann doch nicht angehen, daß alle kontaminierten Flächen zukünftig nur deshalb halbherzig saniert werden, weil für ihre weitere Verwendung urplötzlich nur noch Parkplätze oder Industrieansiedlungen vorgesehen sind.
So wie wir Sie, Herr Kampeter, und die Damen und Herren der Koalition kennen, würden Sie das doch gleich in Ihrem Sinne nutzen. Wo bliebe dann der Bodenschutz? Leider wird dem Parlament eher der Bodenzustand der Sahelzone nahegebracht, als daß die Bundesregierung auf die kritischen Forderungen des Beirats eingeht. Die laufen darauf hinaus, daß die Bundesrepublik international eine Vorreiterrolle bei der Erhaltung der biologischen Artenvielfalt spielen soll, was im Sinne des Beirats bedeuten würde, daß das Bundesnaturschutzgesetz zügig novelliert wird.
Auch die vom Beirat festgestellten Defizite in Sachen Bodenschutzforschung können wir nur dick unterstreichen. Vor allem erwarten wir von der Bundesregierung, doch bitte schön einmal zu unterbreiten, warum sie zwischen Flensburg und Garmisch in Zukunft nur noch partiellen Bodenschutz betreiben möchte. - Ja partiell. Denn, Herr Kampeter, was ist in Ihrem Entwurf nicht alles vom Bodenschutz ausgenommen! Es sind nicht nur die ökologisch unsinnigen Ausnahmen für militärisch genutzte Flächen und
Einrichtungen - Ausnahmen, die wir inzwischen sattsam genug kennen und an denen das Ende des Kalten Krieges in den deutschen Umweltgesetzen bisher spurlos vorüberging.
Verwirklicht sich die Vorstellung der Bundesregierung, dann ist künftig weder das Aufbringen von Pestiziden, Düngemitteln, Gülle oder Abwasser Sache des Bodenschutzes, noch sind es Gentech-Flächen, Atom-Altlasten wie Wismut und einiges andere mehr. Und da bedauern wir es sehr, daß die SPD mit ihrem Antrag nicht über das hinausgegangen ist, was auch im Entwurf der Bundesregierung schon formuliert wird.
Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, die Konzeption des Bodenschutzes zu überlassen heißt doch, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Der Umweltministerin müßte bekannt sein, daß wir bei weitergehender Bodenversiegelung wie gehabt in 81 Jahren gar keinen Bodenschutz mehr brauchen. Dann brauchen Sie höchstens noch über eine Betonflächen-Freihalteverordnung nachzudenken. Dann kommt in der Tat jede bindend festgeschriebene Entsiegelungspflicht zu spät. Warum eigentlich wollen Sie, Herr Kampeter, und diese Regierung nicht einsehen, daß Sie seit 1985 den Bodenschutz sträflichst vernachlässigt haben? Sonst müßte der Sachverständigenrat für Umweltfragen nicht ständig ein Bodenschutzgesetz angemahnt haben.
Zudem fehlt eine verantwortungsvolle Finanzierung der Altlastensanierung. Hier läßt der Bund die Länder einmal mehr im Stich, obwohl er für die Sanierung von Rüstungs- und Militäraltlasten als Rechtsnachfolger der Wehrmacht in der Pflicht steht und obwohl er die ökotoxische Hinterlassenschaft der ehemals in Ostdeutschland stationierten Sowjetarmee durch den Einigungsvertrag quasi miterworben hat.
Meine Damen und Herren, was not tut, ist endlich eine sich an der Vorsorge und am Verursacher orientierende, tiefgreifende Bodenschutzpolitik. Dies bedeutet letztendlich auch eine organisatorische und im Haushalt verankerte Eigenständigkeit des Bodenschutzes und damit ein Ende der bis heute betriebenen Nachrangigkeit.