Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dem Deutschen Bundestag liegt heute ein Maßnahmenpaket zur Bildungsförderung vor, das im Kern drei Elemente enthält: zum ersten eine Reform der Bundesausbildungsförderung für Studenten mit dem Ziel, Studium, Forschung und Lehre an den deutschen Hochschulen entscheidend zu verbessern; zum zweiten eine Reform der Hochschulbaufinanzierung, damit sich die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wieder auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren kann; zum dritten ein Maßnahmenkatalog zur Stärkung und Modernisierung der beruflichen Bildung, damit wieder mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden.
Seit Beginn der Legislaturperiode debattiert der Deutsche Bundestag heute zum neuntenmal über Bildungspolitik. Da soll irgendeiner sagen, dieser Bundestag, diese Bundesregierung nehme das Problem von Bildung und Ausbildung nicht wichtig. Ich finde das gut. Ich finde auch gut, daß es uns - das sei einmal losgelöst von allen unterschiedlichen Auffassungen gesagt - gemeinsam gelungen ist, in den letzten Monaten das Thema Hochschule, das Thema Schule, das Thema Lehrlinge wieder zu einem zentralen Punkt der politischen Auseinandersetzung zu machen. Das ist gut, und das ist ein gemeinsamer Erfolg. Denn wir stehen vor ganz großen Aufgaben, die vielen in Deutschland überhaupt nicht bewußt sind.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten alle miteinander da, wo wir Verantwortung getragen haben, im Bund und in den Ländern, unser Bildungssystem in erheblichem Umfang quantitativ ausgebaut. Aber viele in unserer Bevölkerung haben die Vorstellung, daß diese Gesellschaft eine alternde Gesellschaft sei. Es ist gut, daß die Menschen immer älter werden. Auch wir sind alle froh darüber, daß wir gesund älter werden. Aber dabei wird häufig übersehen, daß wir gerade in den nächsten Jahren eben nicht mit sinkenden Jahrgangsgrößen im Bereich der jungen Menschen zu tun haben, daß es eben keine verantwortliche Politik sein kann, einfach darauf zu warten, daß irgendwann die Jahrgangszahlen kleiner werden und das bestehende Bildungs- und Ausbildungssystem dann in der Lage ist, mit der Anzahl der jungen Leute fertig zu werden.
Die Wahrheit ist, daß in allen Bereichen in den kommenden Jahren die Nachfrage dramatisch zunehmen wird. Im Bereich der Schulen wird die Anzahl der Schüler von 12 Millionen auf 13 Millionen steigen, im Bereich der beruflichen Bildung brauchen wir in diesem Jahr 620 000 Lehrstellen; diese Zahl wird im kommenden Jahrzehnt auf über 700 000 steigen. Auch im Bereich der Hochschulen werden wir es nicht mit einem Nachlassen der Nachfrage zu tun haben. Vielmehr wird die heute vorhandene Anzahl von Studentinnen und Studenten von 1,9 Millionen auf wahrscheinlich über 2 Millionen steigen.
Deshalb ist es dringend notwendig, jetzt etwas zu tun, jetzt konkrete Entscheidungen zu fällen. Das ist in einer Zeit, in der die Politik, in der die Parteien, die Bundesregierung, der Bundesrat, die Länder darum ringen, wie wir mit den öffentlichen Kassen klarkommen, natürlich eine besonders schwierige Aufgabe. Manchmal habe ich das Gefühl, wir haben gemeinsam die Aufgabe, während der Fahrt bei mehr als 100 km/h die Reifen zu wechseln. Das ist eine verdammt schwierige Aufgabe.
Weil dies so ist, muß dieser Streit sein. Ich bin froh darüber, daß wir ihn führen. Ich bin auch dankbar, daß wir inzwischen Wege gefunden haben, wie wir im Deutschen Bundestag, beginnend mit dem heutigen Tag, aber auch im Verhältnis von Bund und Ländern solche Gespräche führen können. Ich bin froh, daß sich mein Eindruck von Tag zu Tag verstärkt, daß die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, trotz unterschiedlichster Ausgangspositionen da ist. Insofern bin ich optimistisch, daß wir eine Chance haben, bis zur Sommerpause eine gemeinsame Lösung für die Probleme zu bekommen.
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
Dies gilt auch für den sicherlich ganz schwierigen BAföG-Bereich. Die Bundesregierung hat mit dem 18. BAföG-Änderungsgesetz einen Vorschlag vorgelegt, der auch in der öffentlichen Debatte strittig behandelt wird, obwohl der angekündigte heiße Herbst mehr ein milder Winter geworden ist. Natürlich weiß ich, daß die Einführung von Zinsen für den Darlehensanteil der Studienförderung kein populärer Vorschlag ist. Aber leider wird in der Diskussion häufig übersehen, daß dieses belastende Element des Vorschlags mit einer Vielzahl von Vorschlägen kombiniert ist, die für junge Leute gut sind, die auch gut dafür sind, daß man in Deutschland weiterhin studieren kann, unabhängig davon, ob man aus einem reichen oder armen Elternhaus kommt, unabhängig davon, ob man aus einem ländlichen Gebiet oder aus einer Universitätsstadt kommt.
In der jetzigen Zeit, in der die Politik darum ringt, Einsparungen auch bei bestehenden Gesetzen vorzunehmen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der mit Zustimmung des Finanzministers eine 6prozentige BAföG-Erhöhung vorsieht, ist eine Politik, die die Verantwortung für die jungen Menschen ernst nimmt. Ich halte es auch für richtig, dies zu tun, denn ich sehe nicht ein, daß wir uns im Bereich der Studenten anders verhalten, als wir dies im vergangenen Jahr bei allen anderen Steuerbürgern getan haben, als wir das Existenzminimum zur Grundlage der Steuergesetze gemacht haben. Mit dem Vorschlag einer 6prozentigen BAföG-Erhöhung erreichen wir diese Beträge in Kombination mit dem Kindergeld und den Ausbildungspauschalen auch für die Studentinnen und Studenten.
Das dritte ist der Versuch, in einem Teilbereich einen Impuls für die Reform der Hochschulen zu geben. Das Stichwort lautet Neuregelung der Förderungshöchstdauer.
Es gibt einen Dissens in den Auffassungen. Wir haben dies hier bereits mehrfach diskutiert. Der Gedanke, daß es notwendig ist, die jungen Menschen ein Stück weit an ihren Ausbildungskosten zu beteiligen, scheint, wenn ich mir die verschiedenen Modelle ansehe - sei es das, was in der SPD diskutiert wird, sei es das, was beim Bündnis 90/Die Grünen diskutiert wird, sei es das, was beim Deutschen Studentenwerk diskutiert wird -, inzwischen Allgemeingut geworden zu sein. Es ist notwendig, zu einer Beteiligung an den Kosten zu kommen.
Die Frage ist - das scheint mir der Punkt zu sein, zu dem es unterschiedliche Auffassungen gibt -: Wann soll das ansetzen? Es gibt zum Beispiel den Vorschlag des verehrten Kollegen Glotz. Er ist für Studiengebühren. Das bedeutet, daß es während des Studiums zu einer Kostenerhöhung kommt. Ich bin froh, daß Kollege Glotz, nachdem die Landtagswahlen vorbei sind, wieder über dieses Thema reden darf. Er wird dazu gleich sicherlich Stellung nehmen.
Ich bin nicht der Auffassung, daß wir Studiengebühren einführen sollten. Wenn wir zu einer Beteiligung an den Kosten kommen müssen, dann nicht während des Studiums, wenn die Studenten das vorhandene Geld brauchen, sondern nach dem Studium, wenn sie in Brot und Arbeit sind, wenn sie zu denjenigen gehören, die als Akademiker ein höheres Einkommen haben. Dies sieht der Vorschlag der Bundesregierung vor.
Natürlich weiß ich, daß das eine Veränderung im Denken voraussetzt. Ich weiß, daß wir über 20 Jahre lang - deshalb tun sich ja auch viele so schwer damit - nach anderen Philosophien gearbeitet haben. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Es ist in Deutschland normal, sich mit dem Fünffachen seines Jahresgehaltes für den Hausbau zu verschulden. Aber es wird als Katastrophe bezeichnet, wenn ein paar Monatseinkommen für die Ausbildung angelegt werden sollen. Das ist einer der Punkte, bei dem sich unser Denken verändern muß. Denn Zukunftssicherung kann für junge Menschen gar nicht wichtig genug sein und heißt auch eine eigene Investition in Bildung und Ausbildung. Beides verdient gefördert zu werden, nicht nur der Hausbau, sondern auch die Ausbildung. Aber keines von beiden kann notwendig ein Geschenk der Allgemeinheit an die Begünstigten sein.
Es gibt noch einen weiteren Punkt. Wer sich das BAföG genau anschaut, der wird feststellen, daß wir inzwischen eine Regelungswut haben, die kaum noch jemand übersieht. Wir haben alleine 400 verschiedene Vorgaben im jetzigen Gesetz, die sich mit der Frage der Förderungsdauer beschäftigen. 400 verschiedene Regelungen!
Deshalb ist der Vorschlag, der in diesem Änderungsgesetz enthalten ist - ich nenne einmal ein paar Punkte, die in der Diskussion bisher noch nicht so sehr im Vordergrund gestanden haben -, wichtig, daß wir zu Änderungen kommen, und zwar nicht nur deshalb, damit es bürokratisch weniger aufwendig wird, sondern auch deshalb, damit die Regelungen für diejenigen, die davon betroffen sind, verständlicher werden.
Meine Damen, meine Herren, wir werden im Deutschen Bundestag mit den Debatten beginnen. Die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler haben eine Arbeitsgruppe beauftragt, miteinander zu sprechen. Die Gespräche haben begonnen. Ich finde es wichtig, daß wir über das Thema reden. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß wir bei den unterschiedlichsten Auffassungen, die wir haben und die vorgelegt worden sind - zum Beispiel vom Kollegen Glotz, vom Kollegen Berninger und vom DSW -, jetzt versuchen sollten, eine gemeinsame Lösung zu finden, weil wir keine Alternative haben.
Es hat einmal den Vorwurf gegeben, ich hätte Pakete geschnürt und irgendwelche Sachen miteinander verbunden, die man nicht miteinander verbinden darf. Die Wahrheit ist natürlich immer ganz konkret und ganz einfach. Die Wahrheit lautet, daß man jede Mark nur einmal ausgeben kann.
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
Wenn ich auf der einen Seite weiß, daß wir zu einer Verbesserung beim BAföG kommen müssen, wenn ich auf der anderen Seite weiß, daß wir im Bereich Hochschulbau angesichts dessen, was ich soeben geschildert habe, immer mehr Studenten - zwei Studentinnen und Studenten auf jedem Studienplatz - haben, und da Investitionen tätigen müssen, und wenn ich außerdem weiß, daß die personelle Ausstattung unserer Hochschulen verbessert werden muß, dann habe ich nicht die Alternative zu sagen: Es tut mir leid, wir können uns nicht einigen. Es muß vielmehr jetzt entschieden werden, weil die Alternativen verheerend wären.
Die Alternative würde zum Beispiel bedeuten, daß im Hochschulbau keine neuen Maßnahmen angefangen werden könnten, daß, je nachdem wie das Ganze läuft, Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Hochschulen entlassen werden müßten, weil die Hochschulsonderprogramme nicht revidiert werden könnten. Von daher gesehen halte ich auch die Debatte um das Hochschulbauförderungsgesetz für wichtig. Auch da gibt es unterschiedliche Interessen. Wir sollten nicht so tun, als ob das alles ideologische Interessen sind. Da geht es, wie der Bundeskanzler zu sagen pflegt, um Bimbes.
Ich finde es ganz wichtig, daß wir auch hier zu einer Vereinfachung im bürokratischen Zugriff kommen. Die Anhebung der Bagatellgrenzen ist zwischen Bund und Ländern unstrittig. Sie sind seit 1970 nicht mehr angehoben worden, so daß heute wegen jeder kleineren Maßnahme ein sehr kompliziertes Verfahren durchgeführt werden muß. Das kann nicht so bleiben. Dies bedeutet eine Veränderung der Finanzströme; das ist klar. Darüber müssen wir reden.
Deshalb gibt es auch eine Diskussion über den medizinischen Teil. Gerade in Zeiten, in denen über Krankenkassenreformen geredet wird, ist dies von Bedeutung. Vielleicht müssen die Bildungspolitiker auch einmal darauf hinweisen, daß es eigentlich nicht im Sinne des Erfinders war, daß in Deutschland via Forschungsförderung, via Hochschulbauförderung inzwischen die Maximalversorgung in der Fläche ausgebaut wird. 40 Prozent der Mittel für den Hochschulbau gehen inzwischen in den medizinischen Sektor.
Ich weiß auch nicht, ob wir direkt im ersten Galopp eine Regelung finden können. Ich finde aber, daß es Zeit ist, dies einmal zu thematisieren - vor allen Dingen wenn uns gleichzeitig diejenigen, die dort arbeiten und forschen, sagen, daß wir international den Anschluß verloren haben. Ich weiß auch da geht es wieder um Geld. Darüber müssen wir sicherlich miteinander diskutieren.
Es gibt etwas, über das ich mich sehr geärgert habe. Dies betrifft das Stichwort Leasing. Ich habe gerade eine Erklärung der Kultusminister gelesen, worin steht, ich sei gegen Leasing. Ich bin überhaupt nicht gegen Leasing. Es ist wahr: In diesem Gesetzentwurf steht nichts von Leasing. Das Bundeskabinett hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, als wir das Gesetz eingebracht haben, damit die Diskussion beginnen kann, daß parallel dazu Gespräche zwischen dem Bundesfinanzminister und den Länderfinanzministern über die Zulässigkeit von Leasing laufen. Insofern konnten wir diesen Gesprächen nicht vorweggreifen; sie sind noch nicht abgeschlossen.
Die Bundesregierung hat erklärt, daß wir, wenn es Einvernehmen zwischen den Finanzministern gibt, sofort die entsprechenden Beschlüsse zum Hochschulbauförderungsgesetz fassen werden. Wir als Bildungspolitiker haben unsere Hausaufgaben gemacht und zwischen Bund und Ländern einvernehmlich das Optionsleasing entwickelt. Die Frage, wie sich dies in das finanzpolitische Korsett einpaßt, wird zur Zeit geprüft.
Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Sie wissen, daß ich ein engagierter Verfechter der These bin, daß allgemeine und berufliche Bildung gleichwertig sind. Wir brauchen in Deutschland den renommierten Professor genauso wie den hochqualifizierten Handwerksmeister.
Deshalb habe ich mich in diesem Bereich im vergangenen Jahr besonders engagiert. Deshalb war die Lösung für das Meister-BAföG ein so wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichwertigkeit. Deshalb ist der auch jetzt wieder beginnende, notwendige Kampf um die Lehrstellenversorgung ein so zentraler Punkt. Wir brauchen zusätzliche Ausbildungsplätze. Im vergangenen Jahr haben wir einen Erfolg erzielt: Erstmals sind die Zahlen nicht gesunken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, Ihr Antrag hat mich etwas berührt. Ich habe eben gesagt, daß es um Geld geht. Das setzt natürlich voraus, verehrte Frau Kollegin Odendahl, daß man rechnen kann. Das ist eine Schlüsselqualifikation - für die Zukunft ganz wichtig -,
allein schon um die Wahrheit zu sagen und Wahrheit wahrzunehmen.
Es ist einfach nicht wahr, wie in Ihrem Antrag steht, daß das Ausbildungsplatzangebot in den alten Ländern 1994/95 um 8,7 Prozent gesunken ist. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben, erstmals seit Mitte der 80er Jahre, mit 450 000 neuen Ausbildungsverträgen das Absinken der Zahl gestoppt. Insofern stimmt die Zahl in Ihrem Antrag nicht.
Die Zahl der Nachfrager in den neuen Ländern betrug nicht 191 000, sondern 128 000. Die betrieblichen Ausbildungsverträge in den neuen Ländern sind um beachtliche 11,2 Prozent auf gut 102 000 angewachsen. - Ich könnte weitere Dinge vortragen.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hatten Sie eine falsche Quelle, oder es lag am Rechnen. Ich halte es für wichtig, daß wir die Zahlen im Laufe der Beratungen auf den richtigen Stand bringen.
Ich habe davon gesprochen, daß es Handlungsbedarf gibt. Hier ist natürlich die besondere Situation in den neuen Bundesländern zu beachten. Daß es da besonders schwierig ist, wissen wir. Wir haben in den letzten Jahren mit viel, viel Geld in Form einer Gemeinschaftsinitiative reagiert.
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
Ich habe vor einigen Wochen gesagt - ich will dies hier ausdrücklich wiederholen -, daß es nicht nur meiner Vorstellung nach keine Gemeinschaftsinitiative alten Musters geben kann - nicht, weil ich glaube, daß wir als Bund für die Versorgung mit Ausbildungsplätzen, mit Lehrstellen in den neuen Bundesländern keine Verantwortung tragen, sondern einfach deshalb, weil ich wahrnehme, daß das Instrument der Gemeinschaftsinitiative überholt ist.
Nicht nur Sachsen hat sich inzwischen aus der Gemeinschaftsinitiative herausgezogen. Der ansonsten eine sehr merkwürdige Rolle spielende Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern hat mich vor wenigen Wochen aufgefordert, keine Gemeinschaftsinitiative mehr vorzulegen, sondern mit den Ländern zusammen eine Alternative zu entwikkeln. Herr Ringstorff ist bekanntermaßen SPD-Mitglied.
Von der letzten Gemeinschaftsinitiative sind in Sachsen-Anhalt, sind in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 1 500 Plätze gar nicht in Anspruch genommen worden, obwohl die Damen und Herren Minister uns vorher in einer nicht sehr feinen Art und Weise beschimpft haben, der Bund würde nichts tun. Erst kämpft man um Ausbildungsplätze und braucht sie anschließend gar nicht. Es kann doch nicht richtig sein, ein Modell wieder aufzulegen, was Hunderte von Millionen kostet und was im Anschluß daran gar nicht gebraucht wird, respektive an den Bedürfnissen der jungen Menschen vorbeigeht.
Ich finde es wichtig, erstens noch einmal festzuhalten, daß die Wirtschaft im Wort steht.
- Wir haben sie auch alle untergebracht; es ist ein Riesenerfolg; diesen Erfolg können Sie nicht wegdiskutieren.
Die Wirtschaft hat zugesagt, bis 1996/97 die Zahl der Ausbildungsplätze um 10 Prozent zu erhöhen. Im vergangenen Jahr hat sie 2 Prozent zugelegt. Wegen der Schlüsselqualifikation ergeben sich daraus nach Adam Riese 8 Prozent in diesem Jahr. Das wird eine riesige Aufgabe für die Wirtschaft sein. Ich erwarte, daß sie erfüllt wird. Zusagen muß man halten oder, wie Franz Josef Strauß gesagt hat: pacta sunt servanda.
Der nächste Punkt ist: Auch der öffentliche Dienst muß seine Hausaufgaben machen. Der Bund ist hier vorbildlich. Wir haben im vergangenen Jahr um 5 Prozent erhöht. Der Bundesinnenminister hat im Rahmen der Tarifverhandlungen wiederum ein Angebot vorgelegt, die Zahl der Ausbildungsplätze im Bereich des Bundes zu erhöhen. Ich finde es immer ganz erstaunlich, daß es keinerlei Statistiken aus dem Bereich der Länder und dem Bereich der Kommunen gibt. Manchmal habe ich den Eindruck, daß sie froh sind, daß wir sie nicht zentral erheben und irgendwo versuchen, im Nachtschatten die Diskussion jeweils zu überwintern. Gerade die Kommunen, gerade die Länder haben hier eine Verantwortung. Ich würde ganz gerne einmal sehen, daß die zuständigen Kolleginnen und Kollegen in den Landeskabinetten ihre Zahlen der Erhöhung vorlegen.
Der dritte Punkt ist ein ganz wichtiger: Wir brauchen strukturelle Veränderung. Wir können uns nicht darüber wundern, daß Betriebe nicht ausbilden, wenn wir nicht moderne Berufsbilder für junge Betriebszweige zur Verfügung stellen. Es muß einen doch nachdenklich machen, daß es bisher immer noch keine neuen Ausbildungsberufe in Zukunftsbereichen wie Multimedia, wie Tourismus und Freizeit, wie Hauspflege, wie Altenpflege gibt. Deswegen sind wir mit Hochdruck daran, nachdem wir uns mit den Gewerkschaften und der Wirtschaft geeinigt haben, neue Ausbildungsberufe zu definieren. Wir haben dies schon im Multimediabereich gemacht. Wir werden dies auch in anderen Bereichen tun. Wir haben zur Zeit 80 Berufsbilder, die wir modernisieren. Wir wollen auch eine stärkere Differenzierung der Ausbildungsberufe. Ich verstehe an der Stelle die Haltung der Gewerkschaften nicht. Uns muß doch auch in besonderem Maße das Los derjenigen nachdenklich und besorgt machen, die von ihrer Qualifikation her nicht auf theoretische Berufe ausgelegt sind, sondern praktisch veranlagt sind. Deshalb kämpfe ich auch darum, daß wir zu Stufenberufen kommen, daß wir es erst einmal mit einem zweijährigen, mehr praktisch orientierten Bereich versuchen, auf dem man dann aufsatteln kann, und daß wir dort entsprechend weiterkommen.
Meine Damen, meine Herren, Bildung bleibt eine der ganz wichtigen Zukunftsaufgaben. Die Bundesregierung hat ihre Vorstellungen vorgelegt. Auch die Fraktionen haben Vorstellungen formuliert. Ich finde es ganz wichtig, daß wir die nächsten Wochen und Monate nutzen, um diese Diskussion miteinander zu führen. Ich will an keiner Stelle die Türe zuschlagen. Ich will diese Diskussion, weil ich auch will, daß das Interesse junger Leute in diesem Lande ganz vorne auf der politischen Tagesordnung steht.