Rede von
Birgit
Homburger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seitdem diese Koalition in der Regierungsverantwortung steht, wird sie in Sachen Umweltpolitik von der Opposition kritisiert.
Immer ist alles zuwenig, zu langsam, zu lasch.
Von dem Sachverständigengutachten, das uns vorgelegt worden ist, konnte ich bisher leider nur die Kurzfassung lesen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist. Ich bezweifle, daß Sie das ausführliche Gutachten, das am letzten Freitag gekommen ist und 670 Seiten umfaßt, schon durchgelesen und durchgearbeitet haben.
Jedenfalls zeigt mir die Kurzfassung des Gutachtens und das, was ich in dem ausführlichen Gutachten schon lesen konnte, daß der Sachverständigenrat ein sehr unabhängiges Gutachten abgegeben hat.
Das ist richtig so, und das finde ich auch gut. Deswegen hat es der Sachverständigenrat auch verdient, daß wir mit dem Gutachten vernünftig umgehen und eine saubere Diskussion darüber führen. Das werden wir natürlich tun.
Wenn Ihnen immer alles zu langsam geht und alles nicht genug ist, dann schauen wir uns doch einmal an, wie es denn in der Wirklichkeit aussieht.
Die Luftqualität hat sich gewaltig verbessert; die Staubemissionen sind reduziert worden; das Schwefeldioxid ist gegenüber 1980 halbiert worden. Wir haben bei der Abwasserreinigung das höchste Niveau in Europa. Das „Aktionsprogramm Rhein" mit der Halbierung der Schadstoffeinträge wurde 1995 übererfüllt; Sie haben uns vor ein paar Jahren noch nicht einmal zugetraut, daß wir das überhaupt erreichen würden. Die Phosphateinträge in die Nordsee wurden halbiert, die Einträge von Stickstoff um ein Viertel gesenkt.
Die Abfallmengen in Deutschland sind so gesunken, daß wir zwischenzeitlich bei der Deponierung sowohl von Hausmüll als auch von Sondermüll Überkapazitäten haben. Wir brauchen etwa 50 geplante Müllverbrennungsanlagen also gar nicht mehr zu bauen. Wir ersparen den Kommunen
und letztlich den Gebührenzahlern Investitionen in der Größenordnung von 25 Milliarden DM.
Wir haben in Deutschland auch den FCKW-Ausstieg vorangetrieben. - So könnte man die Aufzählung fortsetzen.
Das ist erfolgreiche Umweltpolitik, die sich nicht zu verstecken braucht. Ihr Katastrophenszenario ist schlichtweg falsch; es hat mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun.
Frau Hustedt, Sie haben dann noch gesagt, wir hätten mit der Vorsorgepolitik schon gar nichts am Hut, und die Gefahrenabwehr habe auch gelitten. Dazu zitiere ich aus dem Gutachten:
Der Umweltrat ist der Auffassung, daß auch in den letzten Jahren vieles auf den Weg gebracht wurde, insbesondere hält er es für einen Fortschritt, daß sich in den vergangenen Jahren die Umweltpolitik erkennbar von einer Politik der bloßen Gefahrenabwehr zu einer Vorsorgepolitik entwickelt hat.
Nun will ich aber nicht bestreiten - das haben wir alle miteinander nicht abgestritten -, daß es auch noch Probleme gibt. Es gibt Handlungsbedarf - das Gutachten weist teilweise völlig zu Recht darauf hin -, beispielsweise - Frau Mehl hat es schon gesagt - beim Thema Naturschutzgesetz. Der Artenschwund in Deutschland ist besorgniserregend. Die Tier- und Pflanzenwelt verarmt, weil ihre Lebensräume verschwinden.
Das heißt, Natur- und Artenschutz müssen in die Besiedlungspolitik und in die Landbewirtschaftung
stärker integriert werden. Dafür benötigen wir auch
Birgit Homburger
das neue Bundesnaturschutzgesetz. Dabei sind aber nicht nur wir hier in der Verantwortung, sondern für die Umsetzung - auch darauf weist das Gutachten hin - sind natürlich vor allen Dingen die Länder und Kommunen verantwortlich.
Der Sachverständigenrat hat natürlich auch recht, wenn er das Bundesbodenschutzgesetz samt untergesetzlichem Regelwerk anmahnt. Wir wollen ja nichts anderes. Nur, Sie wissen so genau wie wir, daß die jüngsten Verzögerungen auf Verfassungsänderungen zurückzuführen sind und darauf, daß der Bund nicht mehr alles so regeln kann, wie er es gern regeln wollte. Diese Verfassungsänderungen sind vor allem von den Ländern durchgesetzt worden.
Handlungsbedarf besteht mit Sicherheit auch weiterhin beim Klimaschutz. Darüber haben wir hier immer und immer wieder Übereinstimmung festgestellt. Hierbei kommen wir - auch das stellt dieses Gutachten völlig zu Recht fest - mit den alten Rezepten des Ordnungsrechts, mit Verboten und Grenzwerten nicht weiter.
Wir brauchen nicht nur die moderne Technik; wir brauchen auch die Menschen. Wenn wir das Verkehrsverhalten ändern wollen, müssen wir beispielsweise auch das Verbrauchsverhalten der Menschen ändern. Hier ist die Lücke zwischen Umweltbewußtsein und Umweltverhalten groß.
Sie muß geschlossen werden.
Deswegen brauchen wir andere Lenkungsinstrumente, zum Beispiel - das haben wir oft genug diskutiert - auch finanzielle Anreize.
Das sagt das Gutachten, und das sagen wir auch.
Sie reden die ganze Zeit von der Beschäftigungswirkung.
Dazu sagt das Gutachten ganz klar - ich zitiere -:
Die von Umweltschutzmaßnahmen ausgehenden positiven Beschäftigungseffekte dürfen nicht überschätzt werden.
Genau das machen Sie die ganze Zeit, indem Sie durch die Gegend laufen und betonen, die ganze Arbeitsmarktproblematik könnte nur mit einer ökologischen Steuerreform überwunden werden.
Das Umweltgutachten ist keine Bibel, kein Buch der absoluten Wahrheiten. Wir müssen uns mit den
Vorschlägen und mit der Kritik der Gutachter auseinandersetzen. Wir werden das in den nächsten Wochen intensiv tun. Zum jetzigen Zeitpunkt allerdings ist das, was Sie machen, nur ein selektives Herausgreifen, und das ist auch nicht in Ordnung.
Sie müssen weiterhin zur Kenntnis nehmen, daß das Umweltgutachten auch eine Ohrfeige für die Umweltpolitiker der SPD und der Grünen ist. Dazu gibt es einige Beispiele.
Sie haben vorhin die Selbstverpflichtung angesprochen. In dem Gutachten wird von den Sachverständigen ausdrücklich ausgeführt - ich zitiere -:
Selbstverpflichtungen der Wirtschaft werden grundsätzlich als Möglichkeit zur Stärkung der Eigenkräfte der Unternehmen im Dienst umweltgerechter Produkt- und Verfahrensinnovation angesehen.
- Ja, als eine der Möglichkeiten. Etwas anderes sagen wir doch auch nicht, Frau Hustedt.
Weiter im Zitat:
Sie können der Praxis eines lediglich nachsorgenden Umweltschutzes entgegenwirken und stehen für die Erwartung, daß die Unternehmen freiwillig mehr an Umweltschutz leisten sollen, als der Staat ihnen gegenwärtig abzuverlangen vermag.
Das müssen Sie doch einfach zur Kenntnis nehmen!
Was ist beispielsweise damit? Die Umweltpolitiker der SPD ziehen unter Protest aus dem Umweltausschuß aus, weil sie die Verfahren der kalten Rotte der Müllverbrennung gleichstellen wollen. Was sagen die Gutachter dazu? Sie bescheinigen der Bundesregierung, daß es richtig ist, an der Verbrennung von Hausmüll festzuhalten und die TA Siedlungsabfall nicht zu ändern.
Da muß ich Sie fragen: Übernehmen Sie das?
Ein weiteres Beispiel: Bei der Verabschiedung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes diffamierten Sie uns als Verbrennungsfetischisten, weil wir die energetische Verwertung dort, wo sie ökologisch sinnvoll ist, neben der stofflichen Verwertung zugelassen haben. Was sagen die Gutachter? - Die plädieren jetzt sogar für eine Verbrennung von Kunststoffverpackungen in modernen Müllverbrennungsanlagen mit Abwärmeverwertung und wollen da verheizen.
Übernehmen Sie das? So gibt es x Beispiele.
Birgit Homburger
Die steuerliche Gleichstellung öffentlicher und privater Entsorger wird von den Gutachtern befürwortet.
Der Privatisierung werden Effizienzsteigerungen bescheinigt. Frau Kastner läuft dagegen Sturm. Ich fordere Sie auf: Ändern Sie Ihre Position dazu! Man könnte das noch in einigen Punkten fortsetzen.
Herr Präsident, ich komme zum Ende. SPD und Grüne mißbrauchen das Umweltgutachten für billige Wahlkampfpolemik.
Sie arbeiten selektiv, suchen Wahlkampfmunition. Das, was ihnen nicht in den Kram paßt, verschweigen sie.
Ich habe aus dem Gutachten nicht nur das vorgetragen, was unsere Politik bestätigt, sondern auch die Punkte, bei denen Kritik geäußert wird. Das ist eine saubere Auseinandersetzung, meine Damen und Herren. Eine solche erwarte ich auch im Umweltausschuß. Dort sollten wir sie dann führen.
Danke.