Rede von
Vera
Wollenberger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung der SPD-Fraktion nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Wismut-Sanierungsprojekte ist voll und ganz zu unterstützen. Als der bestehende Katalog von Vorhaben, die einer UVP unterliegen, erarbeitet wurde, war noch nicht bekannt, daß die bundesdeutsche Politik Monate später die
Sanierung der Altlasten aus dem Uranbergbau der DDR übernehmen mußte.
Das UVP-Gesetz schreibt eine UVP für bestimmte Vorhaben vor. Gedacht ist dabei zuerst einmal an neue Anlagen, an die Aufschüttung von neuen Halden, an die Errichtung von neuen Endlagern usw.
Die Verantwortung, die wir mit der Wiedervereinigung für zu DDR-Zeiten genehmigte umweltzerstörende Projekte übernommen haben, ist im UVP-Gesetz und in den UVP-Verordnungen bisher leider nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht nur für die strahlenden Uranerzhalden. Auch bergrechtliche Genehmigungen, die zu DDR-Zeiten ausgesprochen wurden, gelten zum Teil für die nächsten 50 Jahre weiter, ohne daß nach Ansicht der Bundesregierung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muß.
Eigentlich hätte schon in den Einigungsvertrag die Pflicht zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für eine Vielzahl von zerstörerischen und bedrohlichen alten Anlagen und Vorhaben aus DDR-Zeiten aufgenommen werden müssen, anstatt diese zum Teil sogar ausdrücklich von der Umweltverträglichkeitsprüfung auszunehmen.
Die Sanierungsvorhaben selbst verursachen erhebliche Belastungen der Umwelt und der Bevölkerung. Die Sanierungsarbeiten sind gleichzeitig sehr komplex und schwierig. Deshalb ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Planungsinstrument unserer Ansicht nach unerläßlich; denn die UVP sichert am ehesten eine umfassende Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen und eine angemessene Abwägung der technischen Verfahren.
Ganz besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch die Öffentlichkeit in die Sanierungsmaßnahmen einbezogen würde. Sie wissen alle, nach §§ 6 und 9 des UVPG werden die öffentliche Auslegung der Unterlagen und die Anhörung der Öffentlichkeit vorgeschrieben.
Im Fall Wismut können wir auf eine lange Tradition ungenügender Informationen der Bevölkerung und der Geheimhaltung extremer Gesundheitsbelastungen zurückblicken. Auch der Wismut GmbH und den Bundesbehörden war und ist vorzuwerfen, daß Unterlagen über Konzepte äußerst restriktiv behandelt werden. Bisher gibt es nur eine Selbstkontrolle und Selbstverpflichtung des Sanierers. Außerdem muß der Sanierer den Behörden Rede und Antwort stehen. Angesichts der enormen Belastung der Bevölkerung durch die radioaktive Strahlung reicht das aber nicht aus.
Es geht nicht nur um die Information der Bevölkerung. Die betroffenen Menschen, die diese extremen Belastungen zu ertragen haben, müssen an den Entscheidungen über die Verfahrensweise beteiligt werden. Durch die Mitwirkung der Öffentlichkeit bei der Umweltverträglichkeitsprüfung der Sanierungskonzepte könnte der in der Bevölkerung entstandene Vertrauensverlust am ehesten behoben werden.
Vera Lengsfeld
Eine Umwelt- und Gesundheitsgefährdung, wie sie von den strahlenden Erzhalden oder den belasteten Grundwasserleitern ausgeht, sprengt unserer Meinung nach den bestehenden gesetzlichen Rahmen, der nicht für eine solche gigantische Belastung ausgelegt ist. Wir sind daher der Ansicht, daß eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Sanierungsarbeiten allein noch nicht ausreicht. Denn es gibt eine Reihe von Problemen bei der Wismut-Sanierung, die damit noch nicht gelöst werden.
Wir haben - daran möchte ich an dieser Stelle erinnern - bereits in der 12. Legislaturperiode einen Antrag vorgelegt, in welchem wir ein Sondergesetz zur Sanierung der Wismut-Altlasten gefordert haben. Dieses Gesetz zur Beseitigung der Altlasten des Uranbergbaus der ehemaligen SDAG Wismut, wie wir es genannt haben, sollte eine klare gesetzliche Grundlage für die Sanierung schaffen. Der Bund muß nach diesen Vorstellungen die finanzielle Gesamtverantwortung für alle Sanierungsarbeiten übernehmen, die im Zusammenhang mit dem Uranbergbau notwendig sind. Bisher hat der Bund nur die Verantwortung für die Sanierung der Altlasten der Wismut GmbH.
Die Wismut GmbH muß in einem Gesetz verpflichtet werden, mit den Eigentümern betroffener Grundstücke unentgeltliche Verträge zur Entsorgung der kontaminierten Materialien abzuschließen.