Rede von
Ulrich
Petzold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Matschie, Kollegen von der SPD, die noch zu ihrem Antrag stehen, Sie haben in einem Punkt durchaus recht: Die Wismut ist gemeinsam mit dem Bund und den betroffenen Ländern an die Lösung einer weltweit einmaligen Sanierungsaufgabe herangegangen - nirgendwo ist auf einem so begrenzten Raum eine solche Menge uranhaltiges Gestein abgebaut worden; nirgendwo ist auf einer Fläche von vielleicht 150 mal 50 Kilometern die Umwelt derart beeinträchtigt worden.
In einer Diskussion wie der heutigen muß man aber auch darauf hinweisen, daß die Zuständigen der DDR ab Januar 1954 eine Mitverantwortung für die Umweltzerstörung durch den Uranabbau tragen, ganz abgesehen von dem vielen menschlichen Leid, das dadurch verursacht wurde.
Am 3. Oktober 1990 hat die Bundesrepublik freiwillig die Altlast des Uranabbaus quasi als Reparationsleistung des Zweiten Weltkriegs übernommen. Ähnlich wie bei der Wiedervereinigung wurden keine langen Planspiele angestellt, sondern es wurden auch im Wismut-Bereich die Ärmel hochgekrempelt und die Probleme angepackt. „Planning by doing" - wie es so schön heißt - war die Devise; denn die Situation, mit der die Bevölkerung über 40 Jahre in diesem Gebiet leben mußte, war für die Menschen so nicht mehr hinnehmbar. Es mußte schnell gehol-
Ulrich Petzold
fen werden. Eine mehrjährige Planung wäre in der Region nicht verstanden worden.
Außerdem hätten während der Planungsphase Entlassungen von Mitarbeitern der Wismut vorgenommen werden müssen, deren Fachwissen später gefehlt hätte.
Ein schnelles Herangehen unter Nutzung der Fachgesetze, die in der DDR zwar vorhanden waren, aber leider nicht immer durchgesetzt wurden, war geboten. Da weder in der Strahlenschutzverordnung noch in dem Atomgesetz der Bundesrepublik die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung radioaktiver Materialien ausreichend geregelt war, war es geradezu zwingend notwendig, die „Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz" sowie deren Durchführungsbestimmungen und die Haldenanordnung der DDR zu übernehmen.
Für die Schaffung besonderer, bergbauspezifischer Strahlenschutzvorschriften wurde bis zur Wiedervereinigung von den früheren Bundesregierungen kein Regelungsbedarf gesehen, da es in der Bundesrepublik - anders als in der DDR - zu keinem nennenswerten Abbau radioaktiver Erze kam.
In der Begründung Ihres Antrages, der meines Erachtens nichts weiter ist als der Versuch, von einer Verfassungsbeschwerde politisch zu profitieren, behaupten Sie nun, daß diese übernommenen Fachgesetze unzulänglich sind. Hierzu muß bemerkt werden, daß die Haldenanordnung, die VOAS und ihre Durchführungsbestimmungen den Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission sowie den Euratom-Grundnormen entsprechen und sie in ihren Anforderungen sogar überschreiten. Ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang nur empfehlen, die Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 21. April 1994 zu lesen, in der die Kommission diese Frage im Zusammenhang mit Strahlenschutzrechtsbestimmungen der früheren DDR, die für bergbauliche Tätigkeiten in den neuen Bundesländern fortgelten, beantwortet.
Ihre Behauptung, „die geltenden Bestimmungen des Strahlenschutzes der DDR werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Schutz der menschlichen Gesundheit nicht gerecht", entpuppt sich so sehr schnell als schamlose Übertreibung und versuchte Verunsicherung der Bevölkerung.
Bei Ihrem Antrag hat man insgesamt - wenn Sie immer wieder von „Vermeidung von Umweltschäden" sprechen - den Eindruck, daß durch die Wismut-Sanierung eine Umweltschädigung eintritt, auf keinen Fall eine Verbesserung der Umweltstandards der Region. Die hohe finanzielle Leistung der Bundesrepublik und der persönliche Einsatz vieler Wismut-Kumpel werden nicht gewürdigt.
Man sollte dringend zur Kenntnis nehmen, daß die bergbaubedingt hohe, im Einzelfall pro Jahr bis zu 6 Millisievert betragende effektive Äquivalentdosis der in der Region wohnenden Bevölkerung durch die Sanierung unter den von der Internationalen Strahlenschutzkommission empfohlenen Grenzwert von 1 Millisievert gedrückt wird. Die Sanierung bedeutet also eine wesentliche Reduzierung der Strahlenbelastung der Bevölkerung.
In der Abwägung einer raschen Sanierung, die eine Verringerung der Belastung um mehrere Millisievert im Jahr bedeutet, gegenüber einer vielleicht nach mehrjähriger Planung bis ins letzte ausgefeilten Sanierung, die die Strahlenexposition eventuell um einige Hundertstel Millisievert weiter herabsetzt, muß man sich geradezu für eine schnelle Beseitigung der Altlasten entscheiden.
Das Argument des Antrages, daß bei dem Sanierungsverfahren der Wismut durch die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung keine Zeitverzögerung eintritt, ist für jeden, der jemals etwas mit formellen Verwaltungsverfahren zu tun hatte, einfach nicht glaubhaft, ja, geradezu lächerlich. Ein förmliches Verwaltungsverfahren - gerade darum handelt es sich bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung - kann zwar, wie mit der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die UVP" geschehen, gestrafft werden. Durch die formelle Öffentlichkeitsbeteiligung jedoch sind hier klare Grenzen gesetzt. Die Erfahrungen in den Altbundesländern in atomrechtlichen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligungen zeigen, daß die Erörterung und verwaltungsmäßige Bearbeitung erhobener Einwände ein wesentliches Hinauszögern der tatsächlichen Sanierung mit sich brächte.