Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zu Beginn der Debatte über unseren Antrag zur Umweltverträglichkeitsprüfung für Wismut-Sanierungsvorhaben die Fragen aufgreifen, die in der Diskussion der letzten Wochen immer wieder gestellt worden sind.
Die erste Frage: Die Sanierungsvorhaben laufen jetzt seit fünf Jahren im Bereich des ehemaligen Uranbergbaus. Alle Beteiligten haben enorme Anstrengungen unternommen, um möglichst rasch zu Ergebnissen zu kommen. Warum jetzt ein neues Verfahren? - Gleich danach kommt dann meist der Hinweis, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei ja gar nicht für Sanierungsvorhaben gedacht, da es hier nicht um eine zusätzliche Belastung der Umwelt geht, sondern um eine Entlastung. Ich frage: Welche Gründe sprechen also dafür, die Wismut-Sanierungsvorhaben in das UVP-Gesetz einzuordnen?
Ich sehe vor allem zwei Gründe, einen inhaltlichen und einen formalen Grund.
Zunächst zum inhaltlichen Grund. Die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde ja 1990 ins deutsche Recht eingeführt, um Umweltauswirkungen von Vorhaben - so allgemein ist das da formuliert - frühzeitig und umfassend ermitteln und bewerten zu können. Das Gesetz soll für diese Ermittlung und Bewertung einheitliche Grundsätze liefern, und die Behörden sollen in die Lage versetzt werden, so frühzeitig wie möglich die Umweltauswirkungen in ihre Entscheidung einzubeziehen.
Im Geltungsbereich des UVP-Gesetzes sind schon heute - ich beschränke mich jetzt einmal auf der Wismut-Sanierung ähnliche Vorhaben - die Stillegung und der sichere Einschluß oder der Abbau einer ortsfesten kerntechnischen Anlage, die Errichtung und der Betrieb einer Anlage zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, aber auch zum Beispiel Abfallentsorgungsanlagen enthalten. Im übrigen hat der EU-Umweltministerrat kürzlich beschlossen, eine Ausweitung der UVP-Richtlinie vorzunehmen. Bei den neu aufzunehmenden Projekten wie zum Beispiel ganz allgemein Abfallanlagen, Kläranlagen, Schlammlagerplätze spielen Größe des Projektes, Standort und Schwere oder Komplexität der Auswirkungen eine Rolle.
Kehren wir zurück zur Wismut-Sanierung. Hier müssen ja riesige Mengen kontaminierter Stoffe für lange Zeit sicher eingeschlossen werden, zum Beispiel die Absetzbecken, die „tailings". Im Ergebnis der Sanierung entstehen also in diesem Fall Anlagen, die für Jahrzehnte, möglicherweise für Jahrhunderte den sicheren Einschluß kontaminierter Stoffe gewährleisten müssen und die zum großen Teil über lange Zeit auch abwassertechnisch betreut werden müssen.
Nun handelt es sich hierbei zwar um die Abwehr von Gefahren - denn von den offenen Absetzbecken geht naturgemäß eine größere Gefährdung aus -; andererseits entstehen Anlagen, die in ihren Auswirkungen teilweise weit bedeutsamer sind als viele andere Vorhaben, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen muß. Ich sage es einmal ein bißchen überzogen: Der Gesetzgeber hat zu Recht vorgesehen, daß für eine Legehennenanlage, die über eine bestimmte Größe hinausgeht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muß. Da erhebt sich doch die Frage, warum für die Anlagen, die im Zusammenhang mit der Wismut-Sanierung entstehen, nicht auch Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben sind.
Oder nehmen wir neben dem Einschluß der Absetzbecken die Flutung der Gruben, die vorgenommen wird. Wir haben es hier mit sehr langfristigen
Christoph Matschie
und nur sehr schwer zu beurteilenden Auswirkungen dieser Flutungen zu tun.
Noch entscheidender als die inhaltliche Vergleichbarkeit mit anderen UVP-pflichtigen Vorhaben ist aber für mich die Frage angemessener Verfahren. Die Komplexität der Sanierungsaufgabe, vor der wir im Zusammenhang mit dem Uranbergbau stehen, verlangt ja geradezu ein integratives Prüfverfahren wie die Umweltverträglichkeitsprüfung, ein Verfahren, das in der Lage ist, die verschiedenen Aspekte der Prüfung zu koordinieren und zusammenzufassen. Gerade dafür eignet sich das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung. Es ist sehr effizient, sehr gut ausgewogen und ausgeklügelt.
Schauen wir jetzt einmal in die Praxis der Sanierung der letzten Jahre. Es zeigt sich, daß die Sanierung der Wismut ein Verfahren erzwungen hat, das der Umweltverträglichkeitsprüfung sehr nahekommt. Wir befinden uns also jetzt schon in einem Zustand, wo sich Sanierer und Genehmigungsbehörden bemühen, ein Verfahren zu wählen, das ganz eng an die Umweltverträglichkeitsprüfung angelehnt ist. Das hat Gründe. Denn die Komplexität der Aufgaben verlangt ein solches Verfahren.
Allerdings hat die Herausbildung eines solchen Verfahrens zwischen Sanierer und Genehmigungsbehörden viel Kraft und Zeit gekostet. Hinzu kommt: Dieses Verfahren ist bis heute rechtlich nicht abgesichert. Die Wismut GmbH und die mit der Sanierung befaßten Behörden bieten genaugenommen ein Beispiel dafür, daß die Anwendung der Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen von Großsanierungsprojekten sinnvoll ist. Ich denke, eine rechtliche Absicherung des bereits gefundenen Verfahrens würde zu größerer Eindeutigkeit und größerer Sicherheit für alle an diesem Verfahren Beteiligten führen.
Ich kann mir durchaus vorstellen, daß wir im Verlauf der Ausschußberatungen dazu kommen, diesen Antrag auszuweiten, und zwar auf alle Sanierungsgroßprojekte in den neuen Bundesländern. Denn auch bei der Sanierung des Braunkohletagebaus stellt sich durchaus die Frage: Ist es notwendig, alle Flächen nur unter dem Aspekt bergbaulicher Sicherheit zu betrachten und neu entstandene Biotope mit Millionenaufwand einzuebnen? Oder ist es nicht sinnvoller, ein Verfahren wie die UVP zu wählen, um damit zu einer umfassenderen Betrachtung des Gesamtvorgangs und der einzelnen Sanierungsschritte zu kommen?
Da die UVP als unselbständiges Verfahren dazu gedacht ist, die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Fachgesetze zu optimieren, kann sie am Ende sogar dazu beitragen, daß Verfahren beschleunigt werden. Die Bundesregierung geht in ihrer Begründung für die Verwaltungsverordnung zur UVP davon aus, daß damit Verfahren beschleunigt werden können.
Oft ist die Angst geschürt worden, mit der Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung für solche Großsanierungsmaßnahmen könnten Verzögerungen entstehen. In einer Stellungnahme der Wismut
GmbH selbst ist die Rede davon, daß solche Verzögerungen zwei bis drei Jahre betragen könnten. Ich habe nach Rücksprache mit Genehmigungsbehörden keine Anhaltspunkte dafür gefunden, im Gegenteil: Mir ist versichert worden, daß es diesbezüglich nicht zu Verzögerungen kommt, da wir schon jetzt der UVP sehr stark angenäherte Verfahren haben und die rechtliche Einordnung der UVP nur für mehr Sicherheit in diesem Zusammenhang sorgen würde.
Ich bitte Sie also, diesen Antrag ganz vorurteilsfrei zu prüfen und mit uns darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll ist - auch im Zusammenhang mit einer Novellierung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung nach der neuen Richtlinie der EU -, die Großsanierungsprojekte - zumindest die, die wir in Ostdeutschland haben - in dieses Verfahren einzuordnen. Ich sehe Vorteile in dem Verfahren. Ich glaube, daß es möglich ist, die komplexen Auswirkungen, die komplexen Sanierungen besser zu bewerten und möglicherweise schneller zu Resultaten zu kommen.
Ein Satz zum Schluß: Warum soll man aus den Erfahrungen, die in Ostdeutschland gemacht worden sind, für die Gesetzgebung nicht etwas lernen können?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.