Rede von
Ernst
Bahr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Dietzel, ich stimme Ihren Ausführungen in weiten Teilen zu - inhaltlich auf jeden Fall -; das werden Sie an meinem Redebeitrag auch merken.
Allerdings bin ich schon der Auffassung, daß staatliche Einrichtungen sehr wohl rentabel und effizient arbeiten können. Das ist schon bisher unter Beweis gestellt worden. Ich denke, daß das auch weiterhin gesichert werden kann. Es ist nur eine Frage, ob die Institutionen noch ordnungsgemäß geleitet werden. Das ist heute aber schon Thema dieser Debatte gewesen.
Der Wald ist für uns Menschen in der Industriegesellschaft ein besonderes Gut. Er trägt wesentlich zur Verbesserung unserer Lebensqualität bei. Die vielfältigen Funktionen des Waldes - zum Beispiel als Lebenraum für Tiere und Pflanzen, als Klimafaktor, Wasserspeicher und Erosionsschutz - sind wesentlich
Ernst Bahr
für eine lebenswerte Umwelt. Darüber hinaus ist der Wald aber auch ein wertvolles Wirtschaftsgut.
Eigentum und Besitz dürfen deshalb diese vielfältigen Funktionen des Waldes für Natur und Gesellschaft nicht einschränken. Dies entspricht im übrigen auch Art. 14 des Grundgesetzes, wonach Eigentum in besonderer Weise verpflichtet.
Ich vertrete allerdings mit vielen Menschen in Deutschland die Auffassung, daß Wald nicht unbedingt und nicht in jedem Falle privatisiert werden muß. Denn hierzulande kann kaum jemand den Wald ohne staatliche Förderung ordnungsgemäß und nachhaltig bewirtschaften.
Insbesondere die Kommunen und Kreise in den neuen Ländern haben sich in Entschließungsanträgen an ihre jeweilige Landesregierung gewandt, um dem großflächigen Waldverkauf entgegenzutreten. „Warum?" ist hier die Frage. Die Privatisierung in vielen Wirtschaftsbereichen und in der Industrie durch die Treuhandanstalt und ihre Nachfolgeeinrichtungen ist schlicht und einfach mißlungen. Wir alle kennen die negativen Folgen: Massenarbeitslosigkeit von real etwa 40 Prozent, brachliegende Industriestandorte und Hunderte von Milliarden Verluste für den Bundeshaushalt.
Auch in der Landwirtschaft waren die Strukturveränderungen schmerzlich für alle Betroffenen. Etwa 75 Prozent aller früher in der Landwirtschaft Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz verloren. Alles in allem ist aber die Umwandlung der Landwirtschaft bisher noch relativ erfolgreich verlaufen, und ein Verkauf des Produktionsmittels Bodens ist zur Stabilisierung der neuen Betriebsformen - ich nenne hier Wiedereinrichter, Neueinrichter sowie juristische Personen - und zur Umwandlung der ehemaligen volkseigenen Güter notwendig.
Die schnelle Umsetzung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgestzes, EALG, unter Anwendung der hier zur Debatte stehenden Flächenerwerbsverordnung ist deshalb erforderlich. Im ursprünglichen Entwurf der Flächenerwerbsverordnung hatte die Bundesregierung zunächst nur eine bevorzugte Veräußerung an Alteigentümer und Restitutionsberechtigte vorgesehen. Letztlich ist es der Mehrheit des Bundesrates und meiner Fraktion zu verdanken, daß eine Einigung mit der Bundesregierung über insgesamt 23 von 26 Änderungsvorschlägen erzielt werden konnte. So werden nun ortsansässige Landnutzer für den bevorzugten Erwerb vorgesehen. Mit der Neuregelung der Flächenerwerbsverordnung wird den Land- und Forstwirtschaftsbetrieben eine dauerhafte Bewirtschaftungsmöglichkeit angeboten und damit ein Beitrag zur Existenzsicherung geleistet.
Um aber auch dem Naturschutz wirklich Genüge zu tun, war es notwendig, seine Belange in die Verordnung aufzunehmen. Deshalb wurde folgerichtig der begünstigte Verkauf an Träger von Naturschutzprojekten in diese Regelung einbezogen.
Auf Antrag des Landes Brandenburg wurde schließlich die Flächenerwerbsverordnung in § 1 Abs. 2 um einen Satz ergänzt, der sicherstellt, daß für Naturschutzzwecke Flächen aus dem Angebotsprogramm herausgenommen werden können:
Außerland- und außerforstwirtschaftliche Zwekke im Sinne dieser Vorschrift sind auch gegeben, wenn Flächen als Naturschutzflächen
a) festgesetzt oder einstweilig gesichert sind oder das Unterschutzstellungsverfahren förmlich eingeleitet ist und
b) ihre land- und forstwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen ist oder ausgeschlossen werden soll.
Die Verankerung dieses Satzes in der Verordnung erleichtert die Umsetzung des Entschädigungsgesetzes in der Praxis. Damit wird gleichzeitig auch eine schlüssige Verbindung zu der entsprechenden Landesgesetzgebung für den Naturschutz, den Wald sowie die Land- und Forstwirtschaft geschaffen.
Der zweite Teil der Formulierung - „ihre land- und forstwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen ist oder ausgeschlossen werden soll" - bedurfte jedoch der Klarstellung, daß Nutzung und Schutz nicht immer und grundsätzlich einander entgegenstehen.
Mit einem Entschließungsantrag beabsichtigte das Land Brandenburg, ausdrücklich zu sichern, daß Träger von Naturschutzprojekten entsprechende Flächen auch dann erwerben können, wenn ihre land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht ausgeschlossen ist.
Der Antrag hatte auch zum Ziel, die mißverständliche Formulierung der Ausnahmeregelung im § 17 der Flächenerwerbsverordnung, „Naturschutzflächen von gesamtstaatlicher Bedeutung", in dem Sinne zu interpretieren, daß Naturschutzgebiete in Deutschland per Definition von gesamtstaatlicher Bedeutung sind.
Die Bundesregierung hat im Agrar- und im Umweltausschuß des Bundesrates zu Protokoll gegeben, daß die Haltung Brandenburgs auch ihre Rechtsauffassung sei. Daraufhin erübrigte sich der Entschließungsantrag.
Die Ausweisung von Naturschutzflächen ist in der Regel immer auch mit einer Einschränkung von Eigentumsrechten an den betroffenen Flächen verbunden. In allen Bundesländern gibt es die Möglichkeit des Flächenaustausches mit Landeswald im Rahmen der Flurneuordnung. Dadurch können Eigentümer von Wald, der unter Schutz gestellt werden soll, möglichen Einschränkungen entgehen.
Die vorliegende Verordnung ist praxisgerecht. Sie schafft eine Lösung für die Privatisierung, erhält die Möglichkeit der Unterschutzstellung bedeutsamer Landschaften und sichert den Eigentümern ihre Rechte.
Ernst Bahr
Der Boden als grundlegendes Produktionsmittel für die Land- und Forstwirtschaft muß den Betrieben endlich auf Dauer zur Verfügung stehen. Bis heute können viele Betriebe in den neuen Ländern nicht planen und investieren, weil sie nicht wissen, von welcher Produktionsfläche sie ausgehen können.
- Herr Bredehorn, Sie können sich das gern vor Ort ansehen; dann wissen Sie, welche Probleme in der Landwirtschaft in Ostdeutschland zu bewältigen waren.
- Sie wissen, was diese Verpachtungsbedingungen alles beinhalten, welche Unsicherheiten diese Betriebe haben, weil sie nicht wissen, wie lange diese Pachtverhältnisse zu halten sind.
Viele Land- und Forstwirte sind verunsichert, Arbeitsplätze sind in Gefahr, neue Arbeitsplätze können nicht geschaffen werden, und die Produktionsrichtung der jeweiligen Betriebe kann nicht konkret festgelegt werden. Diese Unsicherheit muß endlich beendet werden.
Mit der seit Dezember 1995 vorliegenden und seit dem 1. Januar 1996 rechtskräftigen Flächenerwerbsverordnung ist die längst schon fällige und zügige Umsetzung des Entschädigungsgesetzes möglich. Die Belange des Naturschutzes sind also in einem Umfang berücksichtigt, der über die Forderung des PDS-Antrages deutlich hinausgeht.
Deshalb können und sollten die bereits vorhandenen Regelungen schnellstens umgesetzt werden. Ein Änderungs- oder Ergänzungsbedarf im Sinne des Antrages der PDS ist nicht gegeben.
Vielen Dank.