Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute steht der Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zur Modernisierung der Bundesverwaltung als Projekt zur Diskussion, und ich beziehe mich auf diesen Antrag. An die Ausschüsse ist bereits ein weiterer Antrag von uns mit dem Titel „Modernisierung der öffentlichen Verwaltung" überwiesen worden. Beide Anträge gehören in der Sache zusammen.
Was ist das Ziel unseres heutigen Antrags? Mit diesem Antrag schlagen wir die Einsetzung eines selbständigen Modernisierungsstabs vor; dieser soll von drei Persönlichkeiten aus den Bereichen der Wirtschaft, des öffentlichen Dienstes und der Gewerkschaften geleitet werden.
Da eine effektive Reform nur unter Beteiligung der Betroffenen gelingen kann, muß der Stab durch ein Beraterteam unterstützt werden, in dem die Bundesverwaltung, die Länder, die Personalräte und die Gewerkschaften vertreten sind. Aufgabe und Auftrag des Stabes soll es sein, konkrete Vorschläge zur Modernisierung vorzulegen und umzusetzen.
Die Eckpunkte der Reform sollen auf der Grundlage eines Zwischenberichts der Bundesregierung, der dem Bundestag vorgelegt werden soll, diskutiert und beschlossen werden.
- Lieber Herr Hörster, Sie haben schon qualifiziertere Zwischenrufe gemacht als heute morgen. Könnte es sein, daß Sie noch nicht ausgeschlafen haben?
Der von der Bundesregierung - jetzt wäre es vielleicht angebracht, daß Sie zuhörten - eingesetzte Sachverständigenrat „Schlanker Staat", der jetzt einen Bericht vorgelegt hat, ist nach unserer Auffassung nicht die geeignete Lösung. Bei der Vorbereitung von Vorschlägen sind die betroffenen Behörden und Beschäftigten nicht ausreichend oder gar nicht beteiligt. Außerdem kann dieser Sachverständigenrat bestenfalls Neuerungsschritte vorschlagen. Ihm fehlen aber die Kompetenzen zur Umsetzung der Reform.
Wenn die Modernisierung der Bundesverwaltung ernsthaft in Angriff genommen werden soll, geht das nicht mit der üblichen Ressort- und Berichtsroutine. Dazu ist das Vorhaben zu schwierig. Es kann Ihnen dasselbe passieren wie mit der Dienstrechtsreform: Es wird eine Reform angekündigt, und heraus kommt ein Entwurf mit einigen Reparatur- und Schönheitsarbeiten ohne die notwendigen tief gehenden Strukturänderungen.
Im übrigen wiederhole ich bei dieser Gelegenheit, daß es ein grundsätzlicher Fehler ist, Verwaltungs- und Dienstrechtsreform unverzahnt nebeneinanderherlaufen zu lassen.
Selbstverständlich begrüßen wir, daß die Bundesregierung und die Koalition jetzt auch die Notwendigkeit einer Modernisierung der Bundesverwaltung
Fritz Rudolf Körper
entdeckt haben. Mit Befriedigung stellen wir fest, daß sich der von mir genannte Sachverständigenrat teilweise inhaltlich unseren Forderungen anschließt. Das gilt insbesondere für unsere Forderung, die Bundesministerien auf die ministeriellen Aufgaben zu beschränken und die übrigen Aufgaben auf andere Stellen, vor allem auf vorhandene sogenannte obere Bundesbehörden, zu verlagern. Wir bieten der Bundesregierung unsere aktive Unterstützung an,
aber machen Sie Nägel mit Köpfen!
Wenn Sie die Verwaltungsmodernisierung wirklich in Angriff nehmen wollen, wagen Sie den Aufbruch, indem Sie auch die für die Verwaltungsmodernisierung notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen schaffen! Wenn das Reformprojekt noch in dieser Wahlperiode und im Zusammenhang mit dem Berlin-Umzug bewerkstelligt werden soll, muß schnell begonnen und zügig gehandelt werden. Viel Zeit verbleibt nicht mehr.
Dieses Projekt muß eine zentrale Aufgabe werden und kann nicht nur nebenbei, en passant, diskutiert werden. Die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist kein Selbstzweck. Angesichts der veränderten Aufgaben der Verwaltungen und der leeren öffentlichen Kassen können die Zukunftsaufgaben nicht mehr mit den alten Strukturen und Instrumenten bewältigt werden. Es geht also um die Bewältigung von Zukunftsaufgaben. Dafür brauchen wir in den Bundesministerien ein administratives Innovationsmanagement. Schlagworte wie „weniger Staat", „Beschränkung des Staates auf hoheitliche Aufgaben" und ähnliches mehr sind rückwärtsgewandt und verkennen, daß die gesellschaftlichen Probleme des 20. und des 21. Jahrhunderts nicht mit dem Staat und den staatlichen Strukturen des 19. Jahrhunderts gelöst werden können. Das ist äußerst wichtig.
Ich nenne Stichworte, die zeigen, wo Änderungen vorhanden sind: Globalisierung der Märkte, das Vordringen neuer Wettbewerber, die weltweite Verbreitung neuer Technologien, die zunehmende Mobilität von Kapital, Wissen und Arbeit, die globale Umweltzerstörung, internationale Wanderungsbewegungen, die Finanzkrise des Staates, die Gefährdung der sozialen Sicherungssysteme, die demographischen Verwerfungen und die zunehmende Begrenztheit nationalstaatlichen Handelns. Das sind die Herausforderungen; Regierungen sind heute stärker als jemals zuvor in unserer Geschichte herausgefordert. Eine effektive Regierung ist nicht notwendigerweise eine große Regierung. Das Wort „regieren" meint: steuern und lenken. Dafür müssen Staat und Regierung, so gut es geht, für die Zukunft fit gemacht werden.
Es ist kein Wunder, daß Sie, Herr Schlee - ich spreche Sie einmal an -, das Thema so spät entdecken. Mit Ihrer seit den 70er Jahren erhobenen Forderung nach weniger Staat hängen Sie einer Art Neoliberalismus und einer „Laisser-faire" -Ideologie an, die meiner Auffassung nach wichtige politische Probleme schleifen läßt und der gesellschaftlichen Selbstregulierung überläßt.
Bundesregierung und Koalition sind der Auffassung, daß offensichtlich alles schon im Lot ist oder dann ins Lot gerät, wenn man die staatlichen Aktivitäten zurückschraubt. Sie meinen nämlich, daß dadurch eine privatwirtschaftliche Dynamik freigesetzt würde, von der die Bürgerinnen und Bürger automatisch profitieren. Ihnen geht es neben der Kostensenkung vor allem um Privatisierungen. Dazu verweise ich auf die Jahreswirtschaftsberichte 1995 und 1996.
Das bedeutet im Ergebnis, daß hinter dem jetzt auch von Ihnen vorgeschlagenen Modernisierungsmodell für die Verwaltungen nach wie vor grundsätzliche politische Ziele stehen, die sich nicht mit den unsrigen decken.
Anders ausgedrückt: Wir wollen den handlungsfähigen und sozial verantwortlich handelnden Staat, während Sie offensichtlich das Schwergewicht in der Einschränkung staatlichen Handelns sehen und diese Zielsetzung favorisieren. Das wird - da bin ich sicher - in der Diskussion spannend werden und in konkreten Fällen auch zu Konflikten führen.
Dessenungeachtet bin ich der Auffassung, daß es im Interesse eines modernen Staates und einer modernen, leistungsfähigen und effektiven öffentlichen Verwaltung unsere gemeinsame Aufgabe ist, diesen von uns gewollten Modernisierungsprozeß endlich auch auf Bundesebene in Gang zu setzen. Ich hoffe, unser Antrag dient dazu.
Schönen Dank.