Rede von
Elisabeth
Altmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lensing, wenn Sie schon die „Frankfurter Rundschau" zitieren, dann müßten Sie das eigentlich vollständig machen. Es heißt hier nämlich:
Dem Zukunftsminister Dr. Jürgen Rüttgers ist zu gratulieren. Wie er Gerhard Schröder bei der staatlichen Ausbildungsförderung politisch ausgetrickst hat, ist wahrlich meisterlich.
Hier geht es nicht mehr um Ausgleich von Startunterschieden und Abbau von sozialen Hürden, sondern darum, sich mit Risikofreuden für die Ausbildung kräftig zu verschulden.
Auch andere Magazine befassen sich mit dem Thema. Im Leitartikel in der aktuellen Nummer der „Deutschen Universitäts-Zeitung" wird zum Beispiel gesagt: Das Verfahren der Gesetzesberatung ist heftig zu kritisieren. Wörtlich heißt es dort:
Herr Rüttgers scheint die recht einfachen Regeln politischen und überhaupt zwischenmenschlichen Umgangs ... nicht zu kennen oder bewußt zu torpedieren.
Hauptpunkt der Kritik ist der Verfahrenstrick, mit dem Sie, Herr Rüttgers, die Mitbestimmung der Bundesländer auskoppeln wollten und letztlich auch ausgekoppelt haben.
Der jetzige ausgehandelte Kompromißvorschlag sieht vor, daß seit der Diskussion von vor zwei Wochen der Länderfinanzierungsanteil von 24,9 Prozent auf 22 Prozent abgesenkt wird. Das bedeutet für die Länder eine Entlastung von knapp 5 Millionen DM im Jahre 1996 und 7,5 Millionen DM im Jahre 1997. Das könnte ja noch in Ordnung gehen.
Die Länder akzeptieren im Gegenzug, daß die Durchführung des Gesetzes von den Ausbildungsämtern der Studentenwerke oder der Kommunen erfolgt. Welche zusätzlichen Kosten damit auf die Länder oder Kommunen zukommen, ist noch nicht festgestellt worden. Das weiß man nicht. Es bedeutet darüber hinaus: Zuständigkeiten müssen erst geklärt werden. Dies wird bei der Ausführung erschwerend wirken. Die fachlichen Voraussetzungen sind bei diesen Ämtern nicht gegeben. Die Arbeitsämter sind die eigentlich kompetenten Anlaufstellen.
Was für uns, Bündnis 90/Die Grünen, jedoch wichtiger ist: Die eben genannte Maßnahme ist das Einstiegstor zur Verzinsung parallel zum Studierenden-BAföG. Hier können Sie mit Bündnis 90/Die Grünen nicht rechnen. Da machen wir nicht mit!
Da wird auch erheblicher Protest von den Betroffenen auf Sie zukommen.
Für uns gilt: Schulische, berufliche und akademische Bildung sind gleichwertig. Wenn wir jetzt zur Meister-BAföG-Verzinsung ja sagen, dann müssen wir auch zur Studierenden-BAföG-Verzinsung ja sagen. Das wollen wir einfach nicht.
Meine Damen und Herren, entgegen aller Vernunft - das ist hier eben schon betont worden - hat die Koalition in der AFG-Novelle von 1993 die berufliche Aufstiegsförderung gestrichen. Herr Lensing, hierüber haben sich die Handwerker bestimmt nicht gefreut; Sie brachten ja eben die Freude der Handwerkskammer zum Ausdruck.
Die Folgen bekamen nämlich die aufstiegswilligen jungen Leute in den letzten Jahren deutlich zu spüren: Die Anmeldungen zu den Meisterkursen sind um bis zu 30 Prozent zurückgegangen.
Viele Menschen konnten sich eine Aufstiegsfortbildung gar nicht mehr leisten. Aber gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist es wichtig, neue berufliche Initiativen zu entwickeln und sich selbständig zu machen. Das wird durch den Kompromiß verwirklicht.
Das müssen wir fairerweise feststellen.
Es ist auch wichtig, daß Weiterqualifikationen und lebensbegleitendes Lernen gewährleistet bleiben und daß den Frauen gleichberechtigte Chancen der beruflichen Bildung eröffnet werden. Daß die Mindeststundenzahl auf 400 Stunden reduziert wird und daß ein Kinderbetreuungszuschuß für Alleinerziehende in Höhe von 200 DM eingeführt wird, bedeutet für die Frauen eine spürbare Verbesserung und Entlastung. Helferinnen- und Pfegerinnenberufe sowie kaufmännische Berufe werden damit verstärkt in die Förderung einbezogen.
Endlich kommt mit diesem Vorschlag die berufliche Aufstiegsförderung in die Gänge. Wir wollen uns dieser erzielten Einigung nicht in den Weg stellen. Das machen wir, Bündnis 90/Die Grünen, mit der Enthaltung bei der Abstimmung klar.
Wir wollen die Verabschiedung des Meister-BAföG-Gesetzes, sind aber nicht damit einverstanden, daß sich Fortbildungswillige für ihre Ausbildung kräftig verschulden müssen.