Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Arbeitslosenhilfe ist ein Spargesetz. Aber deswegen ist es noch lange kein ungerechtes oder gar ein unmenschliches Gesetz. Es geht um Kontrolle, um Klarstellungen, es geht um Eingrenzung und für einige Betroffene auch um Einschnitte. Das Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Arbeitslosenhilfe hat aber deutlich gemacht, wie gut sich dieses Thema - ebenso wie die Sozialhilfe - für Unterstellungen, Verdrehungen und falsche Darstellungen eignet.
Die einschneidendste und am meisten kritisierte Maßnahme ist zweifellos die jährliche Anpassung der Arbeitslosenhilfe. Ein Ergebnis der Kanzlerrunde war es, daß die jährliche Absenkung nicht 5 Prozent, sondern 3 Prozent beträgt. Dabei möchte ich jetzt ehrlicherweise hier hinzufügen, daß das Einsparpotential dennoch gehalten wird, weil der Zeitpunkt vorverlegt wird.
Nun ist es sehr interessant, wie im Ausschuß über diesen Punkt diskutiert worden ist. Da hat man den Abgeordneten der SPD vorgehalten, daß der DGB-Vorsitzende Schulte seine Zustimmung zu diesem Gesetz mitgeteilt habe - und das ist ja ein Politikum. Seitens der Kollegen der SPD wurde daraufhin sehr nett entgegnet, der DGB-Vorsitzende Schulte habe ihnen gesagt, er hätte sehr wohl Verständnis für sie, wenn sie als SPD-Abgeordnete im Deutschen Bundestag das Gesetz ablehnten. Er würde, wenn er Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag wäre, das Gesetz vielleicht ebenfalls ablehnen.
Das heißt aber doch, daß er als Gewerkschaftsführer, der die Signale vielleicht ein bißchen sensibler aufnimmt und das Notwendige erkennt, in seiner Verantwortung meint, dieses Gesetz sei tragbar.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Ich halte es wirklich für ganz mutig und wichtig - was Sie hier auch anerkennen sollten -, daß wir hier ein Spargesetz gemacht haben - ich rede nicht drumherum: es ist eins -, für das wir auch die Zustimmung des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben.
Jetzt noch einmal zur Arbeitslosenhilfe selbst, weil man darüber sehr viel Nebel verbreitet hat: Schon nach heutigem Recht ist im Grunde alle drei Jahre eine neue Festsetzung der Bemessungsgrundlage für die Arbeitslosenhilfe erforderlich; das ist heutiges Recht. Geändert hat sich nur, daß wir jetzt, weil die Umsetzung in einer Massenverwaltung nicht so gelungen ist und weil man das Gesetz nicht so stringent angewendet hat, einen Automatismus eingeführt haben, der darin besteht, daß jetzt jährlich eine Anpassung vorgenommen werden soll.
Wir müssen in der öffentlichen Diskussion auch darauf hinweisen, daß der Veränderung der Bemessungsgrundlage um jährlich 3 Prozent eine Anpassung an die Lohnentwicklung gegenübersteht, so daß sich das insgesamt durchaus gegenseitig aufheben kann. Es ergibt sich also nicht unbedingt immer ein Minus bei Einkommen. Dieses alles blenden Sie
Dr. Gisela Babel
aus. Es ist wichtig, daß man hier einmal darauf hinweist.
Es gibt also nicht einen Fall ins Bodenlose, sondern die Mindestsätze orientieren sich am niedrigsten Tariflohn. Auch hier ist die Behauptung, die Absenkung der Arbeitslosenhilfe führe immer zur Sozialhilfe, keineswegs richtig.
Einschneidend ist zweifellos die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe. Aber hier möchte ich nun einmal ein bißchen genauer hinschauen. Aus systematischen Gründen und auch aus Gleichheits-
und Gerechtigkeitsgründen ist dieser Schritt durchaus richtig. Es kann doch nicht angehen, daß Menschen, die keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung entrichten, auf einmal eine Arbeitslosenhilfeleistung bekommen, während andere, die ebensowenig eingezahlt haben, diese nicht bekommen.
Daß der Bundesrat dies als Fürsorgeleistung betrachtet und die Kürzung durchaus eingesehen hat, erkennen Sie schon daran, daß er im Jahre 1993 einer Befristung auf ein Jahr zugestimmt hat. Auch richtig ist es, daß die verstärkte Erfassung von Kapitalvermögen des Arbeitslosenhilfeempfängers möglich ist. Es muß doch ein Grundsatz in der Sozialpolitik bleiben, daß nur derjenige eine steuerfinanzierte Sozialleistung bekommt, der bedürftig ist. Hier müssen wir doch zumindest überprüft haben, ob eine solche Notwendigkeit besteht. - Die Ehrlichen werden heutzutage doch eher zu Dummen gemacht. - Ich glaube, daß auch dieser Gedanke durchaus akzeptabel ist.
Meine Damen und Herren, in meinen Augen ist die Frage, ob es richtig ist, AB-Maßnahmen für Langzeitarbeitslose vorzusehen, etwas bedenklich, und zwar aus folgendem Grund: Langzeitarbeitslose sind in der Regel Arbeitslosenhilfeempfänger und so steuerfinanziert. Mit einer AB-Maßnahme werden sie beitragsfinanziert unterstützt. Das heißt, hier haben wir, wenn auch in einem kleinen Schritt, wieder eine Umfinanzierung von einer Steuerfinanzierung in eine Beitragsfinanzierung. Wir haben hier und an anderer Stelle immer wieder gesagt, daß es eigentlich richtiger ist, beitragsfinanzierte Leistungen in eine Steuerfinanzierung umzuwandeln als umgekehrt. Das Ganze ist jedenfalls ein bedenklicher Schritt.
Man könnte auch die Tatsache, daß man mit einer solchen Maßnahme wartet, bis jemand Langzeitarbeitsloser ist, als bedenklich ansehen. Wir liegen mit dem neuen Reformansatz meiner Ansicht nach richtig, indem wir nämlich sagen, daß wir die Erteilung einer AB-Maßnahme bzw. einer Fortbildung oder Umschulung vorziehen, damit die Brückenfunktion in den ersten Arbeitsmarkt besser erfüllt werden kann.
Jetzt zu den Vorwürfen: Die Grünen sprechen von einer Versicherungsleistung. Sie haben das auch in einem Infoblättchen so formuliert. Das ist nicht zutreffend. Das Ganze ist keine Versicherungsleistung, sondern eine Fürsorgeleistung. Nur Deutschland leistet sich zwei parallel laufende Fürsorgesysteme. Wir können diese beiden Systeme nicht zusammenführen, weil wir den fairen Ausgleich für die Belastungen der Kommunen, für den ich absolut bin, nicht erreichen. Da wir die Wegelagerer, die Länder, die die Postkutsche abwarten und überfallen, dazwischengeschaltet haben, können wir in dieser Frage Reformen nicht durchführen.
Ebenso falsch ist es, zu behaupten, die Bundesregierung unterstelle, daß die Bezieher von Arbeitslosenhilfe diese Leistungen zu Unrecht erhielten. Das, was Sie machen, ist schon fast Demagogie. Damit wecken Sie nur falsche Emotionen. Das ist nicht richtig.
Zur SPD gewandt: Wenn Sie sich hier in der sozialpolitischen Debatte ganz anders äußern als Ihr eigener wirtschaftspolitischer Sprecher bzw. der Ministerpräsident von Niedersachsen, der einen Einstellungsstopp und Arbeitszeitverlängerungen verfügt hat, dann frage ich mich: Hat die SPD im Kleiderschrank eigentlich für jede Debatte das richtige Kostüm und für jeden Konflikt den passenden Redner?
Gibt es irgend jemanden, der noch überschauen
kann, was die Linie in der SPD zu diesen Themen ist?
Ich bedanke mich.