Rede von
Paul
Breuer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Graf Einsiedel, ich sage nur eines: Ihr Beitrag ist indiskutabel. Ich möchte es unterlassen, näher darauf einzugehen.
Die räumliche Ausdehnung des Mandates für einen klar definierten Teil der deutschen Truppen auf Ostslawonien ist meiner Ansicht nach sinnvoll und berechtigt. Eine geordnete Übergangsverwaltung für Ostslawonien ist für den gesamten Friedensprozeß im früheren Jugoslawien von eminenter Bedeutung. Man kann nur mit Schrecken daran denken, was geschähe, wenn um dieses Gebiet erneut ein militärischer Konflikt zwischen Kroaten und Serben ausbräche. Wenn das mühsam ausgetretene Feuer in Ostslawonien wieder auflodern würde, dann könnte es die gesamte Region erneut in Brand setzen. Das Friedenswerk von Dayton, das die friedliche Wiedereingliederung Ostslawoniens unter kroati-
Paul Breuer
scher Staatsgewalt einschließt, wäre insgesamt vom Einsturz bedroht.
Es ist klar, daß die Wiedereingliederung der serbischen Bevölkerung in Ostslawonien unter kroatischer Staatsgewalt eine herausfordernde Probe für die kroatische politische Führung ist. Aber wir sollten es ihr zutrauen, diese Situation zu bewältigen, und sollten dies politisch breit unterstützen.
Die UNO hat sich gerade deshalb entschlossen, die Umsetzung des Vertrages von Erdut auch militärisch abzusichern. Schon hieraus ergibt sich die vom Bündnis 90/Die Grünen und auch von Ihnen, Herr Kollege Dr. Lippelt, zum Ausdruck gebrachte Leugnung des politischen und militärischen Zusammenhanges. Die politische Wirklichkeit zwingt uns meines Erachtens diese Verbindung auf.
Wir alle sind für eine friedliche Entwicklung in der gesamten Region. Wir wären froh, wenn wir dazu keine Soldaten brauchten. Die Realität hat aber immer wieder gezeigt, daß rein zivile Hilfsmaßnahmen nicht ausreichen.
So wichtige Begriffe wie Versöhnung, Versöhnungsarbeit und zivile Konfliktbewältigung können sehr leicht hehre Worte sein. Sie werden spätestens dann Seifenblasen, wenn verfeindete Volksgruppen aufeinander losgehen, so wie das vor wenigen Tagen in Mostar der Fall gewesen ist. Wer dies ignoriert, nimmt bewußt den Wiederausbruch des Konfliktes in Kauf.
Man darf sich nicht vorstellen, meine Damen und Herren, wie es jetzt in Bosnien ohne IFOR-Truppen aussähe. Der Friedensprozeß von Dayton wäre, nebenbei bemerkt, ohne die schnelle Eingreiftruppe, ohne die Unterstützung Deutschlands für die schnelle Eingreiftruppe und ohne die NATO nicht zustande gekommen.
Es ist richtig: Die Soldaten können den Frieden nicht allein verwirklichen. Der entscheidende Beitrag muß von den Konfliktparteien kommen; der Friede muß von unten wachsen. Aber ohne NATO-und UNO-Soldaten sehe ich derzeit keine Chance für Frieden auf dem Balkan.
Wir Deutsche dürfen uns - das muß immer wieder gesagt werden - einem gemeinsamen Handeln im Rahmen der NATO nicht verschließen. Niemand im Bündnis und auch niemand darüber hinaus würde dies verstehen. Es wäre auch militärisch unverantwortlich; denn unsere Tornadoflugzeuge, die derzeit über Bosnien-Herzegowina in den IFOR-Luftstreitkräften Begleitschutz geben, müßten während einer bereits laufenden Mission bei einem kurzfristig notwendig werdenden Einsatz über Ostslawonien abdrehen. Die IFOR-Flugzeuge wären ohne Schutz. Die Allianz könnte sich dann nicht darauf verlassen, daß alle ihre Flugzeuge auch die nötigen Operationen ausführen.
Ich bin froh, meine Damen und Herren, daß die weit überwiegende Mehrheit der SPD diesen Einsichten zustimmt und sich ihnen nicht verschließt.
Die Abstimmungen im Verteidigungsausschuß und im Auswärtigen Ausschuß zeigen hier einen breiten Konsens, und das ist gut so. Sie spiegeln auch die große Zustimmung in der deutschen Bevölkerung wider, die dem Bundeswehreinsatz in Bosnien entgegengebracht wird. Das, meine Damen und Herren, ist wichtig für unsere Soldaten, denen wir eine breite Rückendeckung des Parlaments und der Öffentlichkeit für ihren gefährlichen Auftrag schulden.
Neun getötete IFOR-Soldaten zeigen, daß auch unsere deutschen Soldaten nicht vor Verwundungen oder gar dem Tod sicher sind. Das muß uns immer wieder klar sein. Schon deshalb gebühren den deutschen Soldaten bei der IFOR-Mission und ihren Familien unser herzlicher Dank und unser Respekt.
Meine Damen und Herren, zum Schluß möchte ich ganz entschieden der Behauptung insbesondere der PDS - aber auch beim Bündnis 90/Die Grünen klingt es an - widersprechen, die Bundeswehr erhalte erneut einen Kampfauftrag. Wer die Begründung der Bundesregierung zu beiden Anträgen, dem vom Dezember und dem heutigen, objektiv auswertet und objektiv bewertet, weiß, daß unsere Soldaten nur mit Selbstverteidigung auf einen Angriff reagieren. Es gibt keine Billigung offensiver Kampfhandlungen der Bundeswehr von unserer Seite. Hören Sie also auf, diesen Einsätzen den Charakter einer Intervention oder einer Angriffsaktion anzudichten! Hören Sie damit auf!
Auch weiterhin müssen eine militärische Sicherung des Friedensprozesses und der zivile Wiederaufbau Hand in Hand gehen. Ohne zumindest zeitweiligen militärischen Schutz - das ist uns klar - wird es, wie die Entwicklung der letzten Tage zeigt, keinen dauerhaften Frieden in Bosnien und Ostslawonien geben.
Deshalb stimmen wir für den Antrag der Bundesregierung und lehnen die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS ab.
Vielen Dank.