Rede von
Dr.
Rudolf
Seiters
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt den Antrag der Bundesregierung. Die vorgesehene Maßnahme auf Ersuchen der Kriegsparteien in Übereinstimmung mit der UNO und auf Bitten der NATO ist ein aktiver Beitrag zum Erfolg der militärischen und politischen Umsetzung des Grundlagenvertrages, ein Friedensdienst und gleichzeitig ein Gebot bündnispolitischer Solidarität.
Herr Kollege Lippelt, ich habe Sie heute morgen im Rundfunk gehört; ich habe auch darauf geantwortet. Sie haben, angesprochen auf die Frage der Bündnissolidarität, gesagt, diese sei wichtig, aber dafür habe die Koalition ohnehin die Mehrheit. - Ich halte das für ein merkwürdiges Verständnis von Opposition und von Verantwortung.
Sie müssen schon bedenken, was es bedeuten würde, sollten Sie sich durchsetzen: Wir würden uns einem von allen Parteien gewünschten, dringend notwendigen Friedensdienst entziehen. Wir würden zurückfallen in eine Sonderrolle und uns international isolieren. Das wäre unverantwortlich. Damit sollten Sie sich auseinandersetzen.
Ich denke, wir sollten unseren Beitrag als eine weitere Chance begreifen, mitzuhelfen, daß nach mehr als vier Jahren Krieg, Vergewaltigung, Vertreibung, Massenmord, Zerstörung vielleicht doch ein neues erstes Fundament - so schwer dies auch sein mag - für Dialog, Toleranz, Verständigung und Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Volksgruppen geschaffen wird.
Volker Rühe hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, daß der Friede nicht von außen erzwungen werden kann, daß die Menschen im ehemaligen Jugoslawien, die Volksgruppen, diesen Frieden selbst herbeiführen und mitgestalten müssen. Aber dieser Friede hat überhaupt nur eine Chance, wenn er durch die Völkergemeinschaft - und damit auch durch uns - militärisch, politisch und ökonomisch abgesichert wird.
Neun Soldaten der internationalen Friedenstruppe haben seit Beginn des Einsatzes ihr Leben verloren. Die deutschen Soldaten kennen das Risiko ebenso wie die Soldaten der NATO-Verbündeten und der anderen an IFOR beteiligten Nationen. Deswegen möchten wir auch an dieser Stelle noch einmal unseren Soldaten danken für ihre Bereitschaft und ihren Mut, das Risiko zu tragen und sich in den Dienst dieser internationalen Friedensmission zu stellen. Sie ist unverzichtbar!
Ich will, was Ostslawonien anbetrifft, noch einmal daran erinnern: Hier nahm im Juli 1991 der kroatisch-serbische Krieg seinen Anfang. Vukovar wurde zum Symbol dieses Krieges. In einer mehrmonatigen Belagerung legten serbische Milizen und Truppen der ehemaligen jugoslawischen Volksarmee die ostkroatische Stadt in Schutt und Asche. Die nichtserbische Bevölkerung wurde massakriert und davongejagt.
Deshalb bedeutet eine friedliche Lösung in Ostslawonien für das Verhältnis zwischen Kroaten und Serben, was Mostar für das Verhältnis zwischen Kroaten und Muslimen und Sarajevo für das Verhältnis zwischen Muslimen und Serben bedeutet. Ostslawonien ist die Nagelprobe für ein friedliches Zusammenleben von Serben und Kroaten in der Zukunft. Wir möchten unseren bescheidenen Beitrag dazu leisten. Nur darum geht es heute.
Deshalb unterstützt die Völkergemeinschaft das Ostslawonien-Abkommen mit der Übergangsverwaltung, und die Europäische Union leistet das gleiche mit Hans Koschnick für die bosnisch-kroatische Föderation in Mostar. Seine Arbeit ist hier bereits
Rudolf Seiters
gewürdigt worden. Ich möchte das ausdrücklich auch für unsere Fraktion tun.
Wir haben hier im Bundestag immer Partei ergriffen für die Opfer von Terror, Gewalt und Übergriffen, gegen die Aggressoren. Das galt für Ostslawonien und die kroatische Krajina. Aber es gilt eben auch für Mostar. Deswegen erwarten wir von der kroatischen Seite und auch von Präsident Tudjman, das alles getan wird, damit die eingegangenen Verpflichtungen eingehalten werden. Alles andere wäre überhaupt nicht akzeptabel und würde den Friedensprozeß schwer belasten.
Ich will noch auf einen anderen Gesichtspunkt zu sprechen kommen; auch Karsten Voigt hat darauf abgehoben. Die Umsetzung des Vertrages und die Sicherung des Friedens haben unmittelbare Rückwirkungen auf andere Fragen wie die Rückführung der Bürgerkriegsflüchtlinge. Dies wiederum hängt zusammen mit dem Wiederaufbau der zerstörten Gebiete und mit der Aufbauhilfe als einem zentralen Element der Stabilisierung des Friedensprozesses. Der militärische Einsatz ist doch kein Selbstzweck. Er dient einem politischen Ziel, nämlich der Ermöglichung einer friedlichen Lösung.
Die vorgesehene Rückkehr von Flüchtlingen in einer angemessenen, gestaffelten zeitlichen Perspektive erfolgt in Abstimmung mit dem Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und der Europäischen Union - sie nimmt auf viele Probleme Rücksicht - und erfolgt zunächst nur auf freiwilliger Grundlage.
Meine Damen und Herren, ich will aber doch hinzufügen: Die Mitverantwortung der Flüchtlinge für den Wiederaufbau ihrer Heimat bedeutet auch, daß Freiwilligkeit auf Dauer nicht das einzige Entscheidungskriterium für die Rückführung sein kann. Die Rückkehr bedeutet auch ein Stück Solidarität mit denen, die die Schrecken des Krieges im eigenen Land tragen mußten, weil ihnen die Möglichkeit zur Flucht verwehrt war. Dieser Gedanke darf nicht untergehen.
Wir übersehen die Probleme nicht, die mit der Zerstörung von Häusern und mit der Zuordnung von Gebieten zu den Serben oder den Muslimen verbunden sind, aber grundsätzlich muß die Staatengemeinschaft alle Möglichkeiten ausschöpfen, um zu verhindern, daß Kroaten, Serben und Muslime künftig nur noch in „ethnisch gesäuberten Regionen" leben können. Deshalb ist der Schutz ethnischer Minderheiten in Bosnien-Herzegowina, aber auch in den anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien so wichtig, und deshalb muß klar sein, und wir müssen unseren Einfluß geltend machen, daß die Hilfe für den Wiederaufbau Bosnien-Herzegowinas nur dort gegeben wird, wo das Rückkehrrecht der Flüchtlinge gewährt und der rechtliche und politische Schutz der Minderheiten gesichert ist.