Rede von
Dr.
Irmgard
Adam-Schwaetzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da nun mehrfach das Vorlagedatum des Menschenrechtsberichts der Bundesregierung angesprochen worden ist, möchte ich gleich zu Beginn unterstreichen: Ich bin ganz froh, daß uns, weil der Bundesaußenminister großen Wert darauf gelegt hat, den Menschenrechtsbericht so aktuell wie möglich zu gestalten, Gelegenheit gegeben wird, hier im Plenum innerhalb sehr kurzer Zeit zweimal über grundsätzliche Fragen der Menschenrechtspolitik und des Menschenrechtsschutzes zu debattieren.
Heute besteht in der Tat die Notwendigkeit, sich sorgfältig zu überlegen, wie die Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte in dieser stark veränderten Welt, nach dem Ende des Kalten Krieges, in die Politik eingegliedert werden kann. Dies muß außerhalb von Stereotypen geschehen, die in der Menschenrechtspolitik vielfach Platz gegriffen haben und die auch heute in den ersten Redebeiträgen - bei Ihnen, Kollege Bindig, mußte ich das zu meinem Bedauern feststellen - zu spüren waren.
- Teilweise war es sehr wohl stereotyp.
Die Definition der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte, wie sie in Wien vorgenommen wurde, hat sicherlich zusätzlich an Bedeutung gewonnen auf Grund der Tatsache, daß in mittel- und osteuropäischen Staaten verläßliche demokratische Strukturen wachsen, daß der Pluralismus wächst, daß Krisenherde, zum Beispiel im südlichen Afrika - in Südafrika, in Mosambik, in Angola -, so weit bewältigt werden konnten, daß Friedensstrukturen aufgebaut werden. Ein solcher Prozeß ist nun auch für Israel und Palästina eingeleitet worden.
Aber auch neue Krisenherde sind zu verzeichnen: zum Beispiel Ruanda und Burundi. Wir müssen uns natürlich fragen, ob es eine Zeit gegeben hat, in der zum Beispiel in Ruanda noch die Möglichkeit der Prävention bestanden hat.
Wir müssen überlegen, was wir in Zukunft zu tun haben, um sich ankündigende Krisenherde diplomatisch - möglicherweise auch mit wirtschaftlichen Mitteln - anders und besser bewältigen zu können.
Insofern ist es wichtig, daß die Politik gegenüber Burundi und dem sich dort abspielenden schleichenden Putsch ein wenig anders ist, als sie gegenüber Ruanda zu einem Zeitpunkt war, als uns vor allem
Dr. Irmgard Schwaetzer
Nichtregierungsorganisationen darauf aufmerksam gemacht haben, daß sich dort etwas abspielt.
Der Fall Bosnien-Herzegowina - hierzu hätte ich mir einige zusätzliche Worte gewünscht - zeigt, daß auch die Einhaltung und die Beachtung der Menschenrechte ganz unterschiedliche Maßnahmen erfordern, und zwar sehr viel differenziertere Maßnahmen, als sie früher vielleicht in unserem Konzept enthalten waren. Es gibt keine Schablonenlösung. Aber es gibt eine Menge zusätzlicher und neuer Aufträge nicht nur für die Vereinten Nationen, sondern auch für andere multilaterale Organisationen. Ich nenne hier an erster Stelle die OSZE, bei der wir uns auch fragen müssen, ob sie für die Aufgaben, für die sie jetzt in Frage kommt, genügend ausgerüstet ist.
Ich möchte an dieser Stelle der Bundesregierung ausdrücklich für ihr Engagement in den letzten Jahren in Menschenrechtsfragen danken.
Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß die organisatorischen Strukturen des Auswärtigen Amtes mit der Zusammenfassung in der Unterabteilung für Menschenrechte, humanitäre Hilfe und die Vereinten Nationen und daß die Benennung von Staatsminister Schäfer zum Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung wichtige Zeichen sind, die auch deutlich machen, daß die Bundesregierung die Bedeutung der Menschenrechtspolitik in einer veränderten Welt sieht.
Die Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen ist bei dem letzten Gespräch der NGOs mit dem Unterausschuß gewürdigt worden. Aber wir werden auch in Zukunft den Dialog mit der Bundesregierung über die Fortentwicklung einer kohärenten Menschenrechtspolitik in allen Bereichen nicht nur der Sicherheitspolitik, sondern auch der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und die Fortentwicklung der Einordnung in andere Politikfelder führen müssen.
Ich bin, Herr Kollege Bindig, sehr gespannt, wie sich die SPD zu der Frage der Rüstungsexportpolitik einlassen wird, wenn es darum geht, den Gewerkschaften klarzumachen, daß es in der Bundesrepublik Deutschland zu Arbeitsplatzverlusten kommen kann.
- Sie beschäftigen sich mit sehr wechselndem Erfolg seit 20 Jahren damit. Ich erinnere mich daran, daß es zu Zeiten des von der SPD gestellten Bundeskanzlers zum Rüstungsexport immer hieß: Was schwimmt, läuft; was rollt, läuft nicht. - Hier ging es um Arbeitsplätze an der Küste. Es hat sich wenig geändert. Aber dies macht deutlich, wie schwierig es ist, hier Kohärenz zu zeigen.
Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, daß wir die Einschätzung der Bundesregierung teilen, daß es bei der Lösung von Einzelfällen sehr häufig viel effizienter ist, auf großartige Deklamationen zu verzichten und durch stille Diplomatie etwas für Menschen in Bedrängnis zu tun.
Meine Damen und Herren, dies möchte ich sehr deutlich unterstreichen. Menschenrechtspolitik hat immer viel mit bedrängten Menschen zu tun. Dies bedingt häufig, daß Dinge nicht an die große Glocke gehängt werden dürfen, wenn man wirklich etwas für die Menschen tun möchte.
Wir begrüßen es, daß der kritische Dialog geführt wird. Aber wir begrüßen natürlich auch, daß Sanktionen als selbstverständliches Element mit in Betracht gezogen werden. Wo aber welches Element eingesetzt wird, ist eine Frage, die auch im Einzelfall entschieden werden muß.
Im Falle Nigerias erscheinen uns Sanktionen, um wirklich eine Veränderung der Politik zu bewirken, völlig unerläßlich. Die Effizienz wäre sicher am größten, wenn hier ein Einfrieren der Auslandskonten möglich wäre und durchgeführt würde.
Der kritische Dialog mit dem Iran hat bisher nicht zum Erfolg geführt. Dies ist kein Grund, ihn aufzugeben. Aber es ist ein Grund, sich zu überlegen, wie er angefaßt werden muß, mit welcher Deutlichkeit er geführt werden muß, um hier einen Effekt zu erzielen. Die Frage, ob Sanktionen im Falle anderer Länder angezeigt oder nicht angezeigt sind, wird sicher auch immer wieder am Beispiel der Türkei kontrovers diskutiert. Das Nicht-Inkrafttreten-Lassen der Zollunion wäre sicherlich ein Stück Sanktion auch gegenüber der Türkei. Wir hören aus dem Europäischen Parlament, daß sich dort eine Mehrheit für das Inkraftsetzen abzeichnet.
Von den Voraussetzungen, die in dem Zusammenhang genannt worden sind - das macht schon deutlich, daß es Gelegenheiten geben kann, bei denen ein Menschenrechtsdialog und die Durchsetzung von Menschenrechtspolitik auch die Formulierung von Bedingungen notwendig machen -, ist eine erfüllt: Art. 8 des Antiterrorgesetzes ist von der Türkei geändert worden. Die Freilassung von Abgeordneten hat zumindest in dem von uns allen für notwendig erachteten Umfang nicht stattgefunden.
Es gibt auch nach dem letzten Besuch der Ministerpräsidentin Ciller in der Bundesrepublik Deutschland keinerlei Anzeichen dafür, daß Regierung oder Parlament bereit wären, den Kurden-Konflikt mit nichtmilitärischen Mitteln, das heißt im Wege des Dialogs zu lösen.
Insofern wird noch einmal der Zielkonflikt deutlich. Ich sehe große Probleme darin, die Entscheidung zu akzeptieren, die sich im Europäischen Parlament mehrheitlich abzeichnet. Sicherlich ist es richtig - auch das muß bei dieser Abwägung bedacht werden -, daß wir die Türkei nicht einem islamischen
Dr. Irmgard Schwaetzer
Fundamentalismus in die Arme treiben dürfen. Das ist wohl wahr.
Dennoch stellt sich mir die Frage - ich finde sie nicht ausreichend beantwortet -, ob es mit ein wenig mehr Druck auf die extrem unkooperative türkische Regierung und das türkische Parlament nicht doch möglich wäre, weitere Erfolge zu erzielen.
Ein großes Problem - zum Beispiel auch bei der Auseinandersetzung mit Amnesty International - ist die Frage der Selektivität oder Nichtselektivität von Maßnahmen gegenüber einzelnen Ländern. Ich möchte ausdrücklich für Selektivität plädieren; denn es ist in der Tat richtig, daß wir bei unseren Beziehungen zu einem Land einerseits überlegen müssen, womit wir die meisten Erfolge erzielen, andererseits aber auch andere Punkte mit in Erwägung ziehen müssen. Ich habe das gerade am Beispiel der Türkei deutlich gemacht.
Ich will versuchen, das auch am Beispiel Chinas zu erörtern. China ist Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Die Weltöffentlichkeit hat ein Interesse an der Öffnung Chinas, am Dialog mit China. So richtig es ist, daß sich Menschenrechtspolitik nicht ausschließlich auf Wandel durch Handel berufen kann, so richtig scheint mir aber gerade im Falle China - dies sage ich auf Grund der Diskussionen, die ich dort anläßlich der Frauenkonferenz geführt habe - zu sein, daß dieses Prinzip durchaus Erfolg haben kann.
Eine Öffnung Chinas bedeutet auch, daß es sich bestimmten Einflüssen von außen gar nicht wird entziehen können. Die Menschen reisen dahin und diskutieren mit den Chinesen darüber, wie es woanders aussieht. Sie haben Zugang zum Internet; da kann man Informationen nicht ausblenden. Wer Steuern bezahlt - genau das ist in China eingeführt worden -, der will auch mitbestimmen, wie diese Staatseinnahmen ausgegeben werden. Ich unterstreiche aber noch einmal, daß Wandel durch Handel nicht das alleinige Prinzip sein kann.
Gute Beziehungen - auch das sage ich in bezug auf China - erfordern eine klare Sprache und Kohärenz. Deshalb erwarte ich von der Bundesregierung, daß sie bei der regelmäßigen Tagung der Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen in Wien im Februar/März des nächsten Jahres bei der Einbringung einer Resolution in bezug auf China und die Tibet-Politik genau wie in diesem Jahr besonders aktiv wird.