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    Plenarprotokoll 13/75 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 75. Sitzung Bonn, Freitag, den 1. Dezember 1995 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber . . . 6589 A Erweiterung der Tagesordnung 6589 A Zur Geschäftsordnung Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 6589 D Editha Limbach CDU/CSU 6590 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6591 C Heinz Lanfermann F.D.P 6592 B Petra Bläss PDS 6593 C Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtstellung der Abgeordneten (Drucksache 13/3121) 6594 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Abgeordnetenbezüge für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament (Drucksache 13/3139) 6594 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jörg van Essen und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksache 13/ 3154) 6594 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Gerald Häfner, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vermeidung von Interessenkollisionen und Doppelalimentationen bei Bundestagsabgeordneten (Drucksache 13/ 3137) 6594 D Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU 6594 D Norbert Gansel SPD 6596C, 6597 A Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 6597 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 6598D Dieter Wiefelspütz SPD 6599 A Peter Conradi SPD 6599 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 6600C Dr. Dagmar Enkelmann PDS 6602 B Ursula Burchardt SPD 6603 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6605A Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU 6605 D Peter Conradi SPD 6607 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 6608A Walter Schöler SPD 6608B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 6608D Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (Drucksachen 13/3083, 13/3176) 6609 C Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . 6609D Iris Gleicke SPD 6610D Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 6612 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 6613 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 6613 D Dr. Michael Luther CDU/CSU 6615 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Rückkehr zur Demokratie in Nigeria (Drucksache 13/3178) 6616A Helmut Jawurek CDU/CSU 6616 B Ingrid Becker-Inglau SPD 6617 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6619B Roland Kohn F.D.P. 6620 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 6621 B Dr. Willibald Jacob PDS 6621 D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 6622 B Helmut Schäfer, Staatsminister AA . 6623B, 6625 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 6624 D Dr. R. Werner Schuster SPD 6625 B Nächste Sitzung 6626 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6627* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 6627* D 75. Sitzung Bonn, Freitag, den 1. Dezember 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 1. 12. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Belle, Meinrad CDU/CSU 1. 12. 95 Berger, Hans SPD 1. 12. 95 Brähmig, Klaus CDU/CSU 1. 12. 95 Braun (Auerbach), CDU/CSU 1. 12. 95 Rudolf Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 1. 12. 95* Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 1. 12. 95 Duve, Freimut SPD 1. 12. 95 Graf von Einsiedel, PDS 1. 12. 95 Heinrich Hermenau, Antje BÜNDNIS 1. 12. 95 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 1. 12. 95 Horn, Erwin SPD 1. 12. 95 Irber, Brunhilde SPD 1. 12. 95 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 1. 12. 95 Klemmer, Siegrun SPD 1. 12. 95 Klose, Hans-Ulrich SPD 1. 12. 95 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 1. 12. 95 Dr. Graf Lambsdorff, F.D.P. 1. 12. 95 Otto Leidinger, Robert SPD 1. 12. 95 Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 1. 12. 95 90/DIE GRÜNEN Meißner, Herbert SPD 1. 12. 95 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 1. 12. 95 90/DIE GRÜNEN Neumann (Berlin), Kurt SPD 1. 12. 95 Neumann (Bramsche), SPD 1. 12. 95 Volker Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 1. 12. 95 Purps, Rudolf SPD 1. 12. 95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 1. 12. 95 Hermann Reschke, Otto SPD 1. 12. 95 Rexrodt, Günter F.D.P. 1. 12. 95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ronsöhr, CDU/CSU 1.12.95 Heinrich-Wilhelm Rübenkönig, Gerhard SPD 1. 12. 95 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 1. 12. 95 Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 1. 12. 95 Cornelia Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 1. 12. 95 90/DIE GRÜNEN Schütz (Oldenburg), SPD 1. 12. 95 Dietmar Schwanitz, Rolf SPD 1. 12. 95 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 1. 12. 95 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 1. 12. 95 Thieser, Dietmar SPD 1. 12. 95 Tippach, Steffen PDS 1. 12. 95 Türk, Jürgen F.D.P. 1. 12. 95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 1. 12. 95 Vosen, Josef SPD 1. 12. 95 Wohlleben, Verena SPD 1. 12. 95 Zierer, Benno CDU/CSU 1. 12. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 691. Sitzung am 24. November 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit - Gesetz zur Änderung des Rechtspflege-Anpassungsgesetzes - RpflAnpG - Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz) - Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau - Gesetz zu dem Protokoll vom 27. Juni 1989 zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken - Zweites Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (2. SGB VIII-Änderungsgesetz -2. SGB VIII-ÄndG) - Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung - Gesetz zur Umstellung der Steinkohleverstromung ab 1996 Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zum Gesetz der Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung Der Bundesrat begrüßt, daß der Deutsche Bundestag eine Reihe von Vorschlägen und Forderungen des Bundesrates, insbesondere nach • Erhöhung der Eigenheimzulage für den Erwerb von Altbauen • Einführung und Förderung der Niedrigenergiehausstandards • Begrenzung des Vorkostenabzugs und • steuerlicher Förderung des Erwerbs von Geschäftsanteilen an Wohnungsgenossenschaften aufgegriffen hat. Damit wird die Möglichkeit für Familien mit mittlerem Einkommen, selbstgenutztes Wohneigentum oder Dauerwohnrechte zu erwerben, verbessert und die notwendigen ökologischen Akzente gesetzt. Der Bundesrat weist darauf hin, daß Bauherren und Erwerber bei einem Bauantrag oder Kaufvertrag nach dem 26. Oktober 1995 bereits die neue Eigenheimzulage wählen können. Die Vorkostenregelung des § 10i Abs. 1 EStG ist jedoch erst am 1. Januar 1996 anzuwenden. Die veränderte Vorkostenregelung dient zur Gegenfinanzierung der Aufstockung der Altbauförderung. Es kann nicht beabsichtigt sein, daß diejenigen, die bereits 1995 die Wohneigentumsförderung nach dem Eigenheimzulagengesetz in Anspruch nehmen werden, zugleich den bisher geltenden höheren Vorkostenabzug nach § 10 e Abs. 6 EStG in Anspruch nehmen können. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, bis zum Jahresende 1995 für eine klarstellende Regelung zu sorgen. Der Bundesrat weist weiterhin auf die Verwaltungsprobleme hin, die sich aus der rückwirkenden Anwendung des Gesetzes ergeben. Die Umstellung der Förderung auf ein völlig neues Konzept macht es erforderlich, die organisatorischen Verfahrensabläufe in den Finanzämtern neu zu strukturieren und Datenverarbeitungsprogramme für die maschinelle Festsetzung und Auszahlung der Eigenheimzulage zu entwickeln. Hiermit kann erst begonnen werden, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen festliegen. Dadurch werden sich trotz aller Bemühungen während einer Übergangszeit Verzögerungen bei der Bearbeitung der Anträge auf Eigenheimzulage nicht vermeiden lassen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Finanzämter zum 1. Januar 1996 das Jahressteuergesetz 1996 und damit eine Vielzahl weiterer Steuerrechtsänderungen umzusetzen haben. Zum Gesetz zur Umstellung der Steinkohleverstromung ab 1996 Der Bundesrat bedauert, daß der Bundesgesetzgeber bei der gesetzestechnischen Anpassung der Verstromungsgesetze das politische Ziel des § 4 des Vierten Verstromungsgesetzes - eine Preisentlastung für die Stromverbraucher in den neuen Ländern zu sichern - nicht mehr berücksichtigt hat. In diesem Zusammenhang bekräftigt der Bundesrat ausdrücklich seine Stellungnahme vom 22. September 1995 zum Entwurf eines Gesetzes zur Umstellung der Steinkohleverstromung ab 1996 - Drucksache 458/95 (Beschluß) -. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, unverzüglich geeignete Regelungen zu treffen, um die Disparitäten bei den Strompreisen der alten und neuen Bundesländer abzubauen. Weiterhin erinnert der Bundesrat die Bundesregierung eindringlich an ihre Verantwortung, die sich aus den Stromverträgen vom 22. August 1990 ergibt. Der Bundesrat erwartet von der Bundesregierung, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, daß die Vertragspartner - insbesondere die Eigentümer der VEAG Vereinigte Energiewerke AG - der Verpflichtung aus § 12 Abs. 2 der Verträge gerecht werden. Die für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland drohenden Nachteile können nur vermieden werden, wenn durch geeignete Maßnahmen der Bundesregierung und/ oder der Eigentümer der Verbund- und Regionalenergieversorgungsunternehmen der gravierende Strompreisunterschied zwischen alten und neuen Ländern abgebaut wird. Der Strompreisnachteil der neuen Bundesländer läßt sich durch die Angaben der amtlichen Jahreserhebung bei Elektrizitätsversorgungsunternehmen des Statistischen Bundesamtes belegen. In der Jahreserhebung werden der Stromabsatz und die Erlöse für die Ebene der Weiterverteiler und für Letztverbraucher nach Vertragsarten dargestellt. Die sich ergebenden Durchschnittserlöse, spiegeln das Preisniveau auf den einzelnen Ebenen wider, wobei die Mehrwertsteuer und die Ausgleichsabgabe (Kohlepfennig) unberücksichtigt bleiben. Danach ergaben sich für die Jahre 1991 bis 1993 folgende Durchschnittserlöse: Wiederverkäufer 1991 1992 1993 (Angaben in Pf/kWh) alte Länder 11,59 11,31 11,47 neue Länder 13,08 12,86 13,10 Letztverbraucher 1991 1992 1993 (Angaben in Pf/kWh) alte Länder 18,20 18,53 18,83 neue Länder 19,85 20,76 21,98 Nach noch unveröffentlichten Angaben vergrößerte sich auch 1994 die Preisschere zuungunsten der neuen Länder weiter auf über 17 Prozent. Durch die Ausgleichsabgabe, die nur in den alten Bundesländern gezahlt werden muß, werden die unterschiedlichen Preise zum Teil angeglichen. Die Preisdisparität wird offensichtlich, wenn ab 1996 die Ausgleichsabgabe aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1994 nicht mehr erhoben werden darf. Gleichzeitig besteht keine Möglichkeit mehr, über den Kohlepfennig einen Ausgleich des Preisniveaus - wie ursprünglich im Vierten Verstromungsgesetz vorgesehen - zu erreichen. Weiterhin hat der Bundesrat in seiner 691. Sitzung am 24. November 1995 beschlossen, der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1993 (Jahresrechnung 1993) aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Entlastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes und § 114 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen. Der Bundesrat hat ferner die als Anlage beigefügte Entschließung gefaßt: Der Bundesrat hat in seiner 691. Sitzung am 24. November 1995 beschlossen, der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1993 (Jahresrechnung 1993) aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Entlastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes und § 114 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen. Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat stellt fest, daß die Arbeit des Bundesrechnungshofes eine wesentliche Entscheidungshilfe für die politischen Gremien, beispielsweise zur Schließung von Regelungslücken, darstellt. Der Bundesrat teilt insbesondere auch die Sorge des Bundesrechnungshofes, daß es durch fehlerhafte Wertansätze in den DM-Eröffnungsbilanzen zu endgültigen Steuerausfällen für Bund und Länder in Milliardenhöhe kommen könnte. Die Arbeiten zur Bewältigung dieses nach der deutschen Einheit einmaligen Übergangsproblems müssen im Zusammenwirken der betroffenen Verwaltungen des Bundes, der neuen und der alten Länder zügig fortgesetzt und zu einem raschen Abschluß gebracht werden. Der Bundesrat weist darauf hin, daß zugunsten einer zeitlichen Verlängerung der Prüfungs- und Eingriffsmöglichkeiten der Verwaltung eine entsprechende Gesetzesinitiative des Bundesrates - Drucksache 518/95 (Beschluß) - auf den Weg gebracht wurde. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksachen 13/647, 13/1233 Nr. 1.1 Drucksachen 13/1126, 13/1438 Nr. 3 Drucksachen 13/1191, 13/1438 Nr. 4 Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 12/7468, 13/725 Nr. 85 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksachen 13/1859, 13/2275 Nr. 1.3 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksachen 12/2400, 13/725 Nr. 165 Drucksache 12/8556 Drucksache 12/8557 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zu Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/1614, Nr. 1.11 Drucksache 13/2306, Nr. 2.73 Drucksache 13/2804, Nr. 1.1 Drucksache 13/2804, Nr. 1.2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/2426, Nr. 1.9 Drucksache 13/2426, Nr. 1.10 Drucksache 13/2494, Nr. 1.2 Drucksache 13/2494, Nr. 1.4 Drucksache 13/2494, Nr. 1.5 Drucksache 13/2494, Nr. 1.6 Drucksache 13/2494, Nr. 1.12 Drucksache 13/2494, Nr. 1.13 Drucksache 13/2494, Nr. 1.15 Drucksache 13/2494, Nr. 1.19 Drucksache 13/2494, Nr. 1.21 Drucksache 13/2306, Nr. 1.11 Drucksache 13/2306, Nr. 2.78 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksachen 12/7796, 13/725, Nr. 1.34 Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/2988, Nr. 1.8 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/2306, Nr. 2.94 Drucksache 13/2674, Nr. 2.26 Im Anhang zum Stenographischen Protokoll der 65. Sitzung vom 27. Oktober 1995 zu EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament ist unter dem Titel Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union die Drucksachennummer 13/1038, Nr. 15 durch 13/1338, Nr. 1.5 zu ersetzen.
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    Rede von Christa Nickels


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr sind die Studenten der Anglistischen Fakultät in Aachen an meine Kollegin Edith Müller und an mich als zuständige Wahlkreisabgeordnete herangetreten und haben uns sehr bedrängt, uns für Ken SaroWiwa einzusetzen. Ich muß zugeben, daß ich ihn nicht kannte. Ich bin auch keine Afrika-Expertin. Ich habe mich dann mit den Studentinnen und Studenten sehr oft zusammengesetzt und mich auf einen Prozeß eingelassen. Es ist eine Riesenarbeit geworden, aber auch ein riesengroßer Erkenntnisprozeß.
    Ich habe in einem Jahr gelernt, daß Ken SaroWiwa und seine Mitstreiter trotz dieses furchtbaren Regimes in Nigeria unter Einsatz ihres Lebens - obwohl sie ihr Leben lieben und nicht leichtfertig damit umgehen -, trotz der fehlenden wirklichen Solidarität der westlichen Länder weiter die Demokratie und die Menschenrechte hochhalten und unglaublich zäh kämpfen, indem sie versuchen, eine freie Presse zu erhalten, indem sie dem Leiden der Bevölkerung und der Menschen vor Ort eine Stimme geben, die weltweit gehört wird. Damit repräsentieren sie sehr eindrücklich, was ein einzelner ohnmächtiger Mensch doch in Bewegung setzen kann, wenn er die Macht nutzt, die ihm zur Verfügung steht.
    Wir haben dann in dieser Zeit - das wissen Sie, Herr Schäfer; wir sind Ihnen vielleicht manchmal lästig gworden - viele Anfragen formuliert und viele Briefe geschrieben und haben unsere Regierung aufgefordert, endlich etwas Durchgreifendes zu tun.
    Als das Todesurteil verkündet war, haben wir unglaubliche Angst bekommen, weil wir in dem einen Jahr gelernt haben, was die Fratze dieser Diktatur bedeutet und auch, was die Fratze eines ungebändigten Kapitalismus, einer Firma, für ein Unheil und absolutes Elend für ein ganzes Volk bedeutet. Wir haben unglaublich gezittert, alle Hebel in Bewegung gesetzt und noch eine Anhörung am 12. Oktober 1995 durchgeführt.
    Es war heute vor drei Wochen, zur gleichen Zeit, 11.30 Uhr, als wir erfahren haben, daß Ken SaroWiwa hingerichtet worden ist. Als wir es gehört haben, waren wir alle wie betäubt, wie erschlagen. Wir haben unglaublichen Schmerz, sehr große Ohnmacht und Ekel empfunden, einen riesengroßen Ekel vor der Politik, vor diktatorischen Regimen, die sich Regierungen nennen, aber auch vor den westlichen Regierungen, die als Partner von Verhandlungen und Wirtschaftsbeziehungen die Regierung Nigerias schließlich akzeptiert haben.
    Wir haben auch Ekel vor uns selbst bekommen, vor unserer eigenen Politik. Ich will Ihnen auch sagen, warum, Herr Schäfer. Man muß doch diese Folterer ernst nehmen. Man muß doch ernst nehmen, wenn Menschen umgebracht, wenn sie vernichtet werden. Das kann man doch nicht wie einen Fernsehfilm behandeln, der vor einem abläuft und dann irgendwann vorbei ist.
    Wir müssen doch wissen, daß diesen Folterern und diesen Terrorregimen mit Appellen, mit Protesten, mit Bekenntnissen, mit Demarchen und mit Demonstrationen nicht beizukommen ist. Das ist denen schnurzpiepegal. Die verstehen nur eine einzige Sprache: wenn man ihnen den Geldhahn, das heißt hier den Ölhahn zudreht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich kam mir nach diesem Urteil und seiner Vollstreckung vor wie auf einem Hühnerhof, wo der gesamte Westen wie aufgeschreckt, weil er den Schatten des Adlers gesehen hat, der niederstürzen will, angefangen hat, zu lamentieren und sich laut zu empören. Ich sage Ihnen eines, Herr Schäfer: Herr Minister Kinkel ist stellvertretender Regierungschef, er ist Außenminister eines sehr mächtigen Landes. Dieses Land, seine Regierung und sein Parlament können doch wohl mehr als nur demarchieren und appellieren und protestieren. Ich bitte Sie! Das ist

    Christa Nickels
    doch eine Ohnmachtserklärung, die den tatsächlichen Gegebenheiten überhaupt nicht entspricht.
    Wir haben doch wirklich Mittel und Möglichkeiten. Ich frage: Warum werden sie denn nicht eingesetzt? Warum legt uns das Wirtschaftsministerium in dieser Woche, als wir um diesen Antrag gerungen haben, schon wieder ein Gutachten vor - Sie wissen das, Frau Becker-Inglau -, das besagt: Das EU-Recht läßt es nicht zu, daß man als einzelner Staat ein Ölembargo verhängt oder auch nur die Auslandskonten sperrt? Ich frage Sie: Warum wendet das Wirtschaftsministerium Finesse auf, um so etwas zu beweisen? Warum wenden Sie nicht alle Kraft und Finesse auf, um nach Mitteln und Wegen zu suchen, wie man das in der internationalen Staatengemeinschaft durchsetzen kann?

    (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)

    Es sitzen noch viele in nigerianischen Gefängnissen. Erneut sind 19 Menschen eingesperrt worden, denen im Januar ein Unrechtsprozeß gemacht wird. Herr Jawurek, ich bin Ihnen äußerst dankbar, daß Sie hier so gesprochen haben und sich für diese Leute eingesetzt haben; ich danke auch Frau BeckerInglau und allen Kolleginnen und Kollegen, die sich engagieren. Aber wir dürfen nicht auf den Bericht im März 1996 warten. Wir müssen alle Kräfte, die wir haben, anspannen, um unsere Regierung zu treiben, damit sie die Menschenrechte durch die machtpolitischen Instrumente auch durchsetzt, die wir haben. Wir können uns doch nicht ohnmächtiger als diese Menschen stellen, die der Gewalt nackt ausgesetzt sind und die trotzdem erreichen, daß ihre Stimme gehört wird. Wir haben doch Einfluß. Den müssen wir nutzen. Die zu treffenden Maßnahmen sind in dieser Debatte aufgezeigt worden.
    Ich erwarte, daß Herr Kinkel das, was er begrüßenswerterweise angekündigt hat, daß er sich nämlich international einsetzen will, auch durchhält und offensiv in der Außenministerrunde, auf höchster Ebene, versucht, das endlich durchzukämpfen. Er wird jede Unterstützung durch dieses Parlament haben; da bin ich mir absolut sicher.
    Ich möchte auch noch einmal sagen: Ich komme mir - ich glaube, auch die Kolleginnen und Kollegen - sehr hilflos vor, und das, obwohl wir einen Abgeordnetenstatus haben. Ich möchte, daß Sie wissen, daß Sie in diesem Parlament sehr bedeutend sind. Wichtiger, als eine Konferenz abzusagen, ist es, eine Mehrheit dafür zu bekommen, daß man die Regierung treibt und daß wirklich etwas effektiv gemacht wird.
    Ich möchte zum Schluß zitieren, was Ken SaroWiwa aus dem Gefängnis heraus gesagt hat. Ich muß gestehen: Ich hätte die Kraft dazu nicht. Er hat im Mai 1995 geschrieben:
    Ob ich lebe oder sterbe, ist unerheblich. Es reicht mir, daß ich weiß, daß Menschen Zeit, Geld und Energie einsetzen, um gegen ein Übel unter vielen anzukämpfen. Wenn sie nicht heute Erfolg haben, so werden sie morgen erfolgreich sein. Wir müssen weiter kämpfen, damit die Welt ein besserer Ort für die Menschheit wird. Und jeder
    kann seinen Teil dazu beitragen. Ich begrüße alle diese Menschen.
    Ich bedauere unendlich - ich und wir alle sind furchtbar traurig -, daß diese Menschen sterben mußten, daß Ken Saro-Wiwa tot ist. Aber sein Vermächtnis soll uns, wenn wir uns schäbig und ein Stück ohnmächtig fühlen, auch ermutigen, daß wir die Macht, die wir haben, auch wirklich gebrauchen und daß wir nicht kneifen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile das Wort dem Kollegen Roland Kohn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Roland Kohn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Ermordung des nigerianischen Schriftstellers Ken Saro-Wiwa und acht weiterer Vertreter des Ogoni-Volkes stellt einen besonders brutalen Schlag gegen die Menschenrechte dar. Wir alle wissen, daß der Prozeß vor einem Sondergericht, vor dem die Menschenrechtler abgeurteilt wurden, in keiner Weise rechtsstaatlichen Anforderungen entsprach und eine reine Farce war.
    Alle Versuche, im Vorfeld durch stille Diplomatie Einfluß auf die Machthaber zu nehmen, um die Ermordung des Schriftstellers und seiner Mitstreiter in letzter Minute doch noch zu verhindern, sind gescheitert. Damit hat sich das Militärregime in Nigeria in menschenverachtender Weise über alle internationalen Bemühungen zur Rettung hinweggesetzt.
    Diese Hinrichtungen stellen einen tragischen Höhepunkt der Entwicklung in Nigeria dar, die mit der Machtübernahme durch das Militär im Jahre 1993 begann und mittlerweile zur Isolierung Nigerias in der internationalen Staatengemeinschaft führte.
    Ich möchte heute Bundesaußenminister Kinkel dafür danken, daß er auf die Ermordung des Bürgerrechtlers unverzüglich reagiert hat und den scharfen Protest der Bundesrepublik Deutschland auch öffentlich unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Ich füge hinzu: Die Haltung des Außenministers steht hier in wohltuendem Kontrast zu der kleinmütiger beamteter und politischer Bedenkenträger, die in viel zu großer Zahl durch Bonner Flure und Amtsstuben schleichen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Auf Drängen der Bundesaußenministers haben sich die EU-Außenminister schnell auf Sanktionsmaßnahmen gegenüber dem Militärregime geeinigt. Ich zähle hierzu die Verschärfung der Visarestriktionen gegenüber Mitgliedern des nigerianischen Regimes, die Verhängung eines umfassenden Waffenembargos sowie die Suspendierung der EU-Entwicklungs-

    Roland Kohn
    hilfe, soweit sie nicht direkt der Bevölkerung zugute kommt. Hinzu kommt: Die Bundesrepublik Deutschland hat die bilaterale Entwicklungspolitische Zusammenarbeit eingestellt.
    Bisher habe ich nicht den Eindruck, als ließen sich die Machthaber in Nigeria von den genannten Maßnahmen schon beeindrucken. Deshalb fordere ich: Wir müssen diese Herrschaften dort treffen, wo es ihnen wirklich weh tut. Anscheinend können nur drastische Maßnahmen die Militärs in Nigeria stoppen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Tatsache ist: Nigeria erzielt 97 Prozent seines Exporteinkommens durch Öleinfuhren. 45 Prozent des Öls importieren die USA, 40 Prozent gehen nach Europa. Ein weltweites oder europäisches Ölembargo, wie es Außenminister Kinkel mehrfach gefordert hat, würde bei Herrn Abacha und seinen Kumpanen Wirkung zeigen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Was sagt denn Herr Rexrodt?)

    Ich bedaure es außerordentlich, daß die EU-Außenminister am 20. November in Brüssel keine Einigung darüber erzielen konnten. Es gehört zur Wahrheit und Klarheit in diesem Hause, daß man auch ausspricht, daß ein gemeinsamer Beschluß vor allem am Widerstand Großbritanniens, Frankreichs und der Niederlande scheiterte.
    Ich möchte Außenminister Kinkel für seinen bisherigen Einsatz in dieser Frage danken und ihn zugleich dringend bitten, sich auch weiterhin vehement für ein europaweites, möglichst weltweites Ölembargo einzusetzen.

    (Dr. R. Werner Schuster [SPD]: Da muß Herr Rexrodt auch mitmachen!)

    Ich halte auch die Sperrung der Auslandskonten von Angehörigen des nigerianischen Regimes für eine geeignete Maßnahme, um die nigerianische Führung zu treffen. Ich weiß, daß Außenminister Kinkel auch in dieser Frage im europäischen Ministerrat eindeutig Stellung bezogen hat.
    Ich fordere die Bundesregierung auf, sich weiterhin mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für ein abgestimmtes europäisches Vorgehen einzusetzen. Ich füge hinzu: Sollte das nicht möglich sein, müssen wir notfalls auch bereit sein, zu nationalen Maßnahmen zu greifen.

    (Beifall im ganzen Hause)