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    Plenarprotokoll 13/74 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 74. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. November 1995 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 6425 A, 6536 B Absetzung von Tagesordnungspunkten . 6425 C Nachträgliche Ausschußüberweisungen 6425 D Tagesordnungspunkt 3: a) Erklärung der Bundesregierung zur Friedensvereinbarung für Bosnien . . 6426 A b) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Die Lage der Menschen in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien und die Bedingungen für die rasche Hilfe beim Wiederaufbau nach einem Friedensschluß (Drucksache 13/2978 [neu]) . . 6426 A c) Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Frieden und Wiederaufbau im früheren Jugoslawien (Drucksache 13/3078) 6426 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den militärischen Maßnahmen zur Absicherung des Friedensvertrages für Bosnien-Herzegowina (Drucksache 13/3122) 6426 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Gruppe der PDS: Kein Einsatz der Bundeswehr im früheren Jugoslawien (Drucksache 13/3127) . . . . 6426 A Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 6426 C Günter Verheugen SPD 6431 C Rudolf Seiters CDU/CSU 6435 B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6437 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. 6439 D Andrea Lederer PDS 6442 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg 6444 B, 6450 A Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6447 A, 6456 A, 6462 D Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . 6448 A, 6457 C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6449 C Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU 6450 B Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6453 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . 6455 A Gerhard Zwerenz PDS . . . . . . . 6456 D Dr. Karl-Heinz Hornhues CDU/CSU . . 6458 A Walter Kolbow SPD . . . . . . . . . . 6459 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . 6461 B Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 6462 C Freimut Duve SPD 6463 C Thomas Kossendey CDU/CSU 6465 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) 6466 D Namentliche Abstimmung 6467 A Ergebnis 6469 D Tagesordnungspunkt 4: Weitere Beratungen mit Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) (Drucksachen 13/2414, 13/2839, 13/ 3155) 6467 B Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ottmar Schreiner, Hans Büttner (Ingolstadt), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung der Arbeitsbedingungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern (Entsendegesetz) (Drucksachen 13/2418, 13/ 3155) 6467 C Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung der Arbeitsbedingungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern (Entsendegesetz) (Drucksachen 13/2834, 13/3155) 6467 C b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Leyla Onur, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Geänderter Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen zu dem Antrag der Abgeordneten Annelie Buntenbach und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grundsätze für eine EU-Entsenderichtlinie sowie eine nationale Regelung bis zu deren Realisierung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Drucksachen 13/768, 13/786, 13/725 Nr. 135, 13/3155) . . 6467 B Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 6467 D Peter Dreßen SPD 6472 A Julius Louven CDU/CSU 6475 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6476 D Ulrich Heinrich F.D.P. 6478 C Dr. Heidi Knake-Werner PDS 6480 D Leyla Onur SPD 6482 C Namentliche Abstimmung 6485 A Ergebnis 6485 C Tagesordnungspunkt 19: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (Drucksache 13/2836) 6488 B b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. Mai 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Unterstützung der Zollverwaltungen (Drucksache 13/2985) 6488 B c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Juli 1995 zur Änderung des Vertrages vom 23. November 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet (Drucksache 13/2986) . 6488 B d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. März 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile über die Seeschifffahrt (Drucksache 13/2987) . . . . 6488 C e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes (Drucksachen 13/3107, 13/3131) 6488 C f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler (Drucksache 13/ 3102) 6488 D g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe (Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz) (Drucksache 13/3109) . . . . . 6488 D h) Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ergänzende Kriterien zu den Leitlinien über die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN) (Drucksache 13/1933) . . . 6488 D i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin gemäß § 4 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (Drucksache 13/3027) 6489 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung Grenzgebiet an der Werra des Gesetzes über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet an der Werra (Drucksache 13/3138) . . . 6489 A b) Antrag der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Susanne Kastner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verhinderung weiterer Gewässerverunreinigungen durch das Totalherbizid DIURON (Drucksache 13/2518) . . 6489 A c) Antrag der Abgeordneten Susanne Kastner, Ulrike Mehl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Notwendige Grundsätze der guten fachlichen Praxis beim Düngen in der Düngeverordnung (Drucksache 13/2524) 6489 B d) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erforderliche Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie im Rahmen der Düngeverordnung (Drucksache 13/3064) 6489B e) Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sozial verträgliche Abschmelzung der Auffüllbeträge und Rentenzuschläge in Ostdeutschland (Drucksache 13/3141) . . . . . . . . . . . . 6489 C Tagesordnungspunkt 20: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Resolution vom 15. Januar 1992 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und zu der Resolution vom 8. September 1992 zur Änderung des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Drucksachen 13/1883, 13/2962) 6489 C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Juni 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ukraine über den Luftverkehr (Drucksachen 13/1886, 13/2976) 6489 D d) Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu den Verfahren nach § 44b Abgeordnetengesetz (Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) (Drucksache 13/2994) . . . . 6490 A e)-g) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses Sammelübersichten 82, 83 und 84 zu Petitionen (Drucksachen 13/3073, 13/3074, 13/3075) . 6490 A Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksachen 13/2590, 13/3150) 6490 C Ulrike Mascher SPD 6490 D Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 6492 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6493 A Dr. Gisela Babel F.D.P. 6494 A Petra Bläss PDS 6495 A Hans-Eberhard Urbaniak SPD 6495 D Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 6496 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . 6497 C Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern (Drucksachen 13/2444, 13/3145) 6498 A Hans-Joachim Hacker SPD 6498 B Dr. Michael Luther CDU/CSU 6499 B Hans-Joachim Hacker SPD 6499 C Achim Großmann SPD 6500 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6500 D Richard Schuhmann (Delitzsch) SPD 6501 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 6503 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 6503 C Heinz Lanfermann F.D.P 6504 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 6506 A Anke Fuchs (Köln) SPD 6507 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 6508 B Arne Fuhrmann SPD 6509 B Wolfgang Ilte SPD (Erklärung nach § 31 GO) .. . ... . . .. . . . . . 6509 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS (Erklärung nach § 31 G0) . .. . . . . . . . . 6510 B Klaus-Jürgen Warnick PDS (Erklärung nach § 31 GO) 6510 D Namentliche Abstimmung 6511 B Ergebnis 6513 C Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz) (Drucksache 13/2393) . . 6511 C Rudolf Dreßler SPD 6511 D, 6221 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . 6516 A, 6525 A Rudolf Dreßler SPD 6516 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . 6518 B Dr. Gisela Babel F.D.P 6519 C, 6521 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . 6522 A Gerd Andres SPD 6522 D, 6525 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 6525 D Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Rita Grießhaber, Angelika Köster-Loßack, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kein Import von Kinderspielzeug aus chinesischen Arbeitslagern (Drucksache 13/ 3054) 6528 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6528 C Erich G. Fritz CDU/CSU 6529 D Rudolf Bindig SPD 6531 A Ulrich Irmer F.D.P 6531 D Jürgen Türk F.D.P 6532 D, 6535 A Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6533 D Dr. Willibald Jacob PDS 6534 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6534 B Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 6535 A Rudolf Bindig SPD 6535 C Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Liesel Hartenstein, Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz der stratosphärischen Ozonschicht und Bekämpfung des anthropogenen Treibhauseffektes durch Beendigung des Einsatzes von FCKW (Drucksache 13/2498) . . . . . . 6536 C b) Antrag der Abgeordneten Michaele Hustedt, Dr. Jürgen Rochlitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht (Drucksache 13/3125) . . . 6536 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Weiterentwicklung der nationalen und internationalen Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht (Drucksache 13/3158) 6536 D Dr. Liesel Hartenstein SPD 6536 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6539 A, 6542 C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . 6540 A, 6542 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . 6541 A, C, 6546 B Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU 6543 B Birgit Homburger F.D.P. 6543 C Eva Bulling-Schröter PDS 6544 C Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 6545 B Wolfgang Behrendt SPD . . . . . . 6545 D Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (2. Zwangsvollstreckungsnovelle) (Drucksache 13/341) 6547 A Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . 6547 B Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 6548 D Heinz Lanfermann F.D.P. 6549 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 6551 A Ursula Männle, Staatsministerin (Bayern) 6551 D Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ . 6552 C Tagesordnungspunkt 11: a) Zwischenbericht des Innenausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes und des Asylverfahrensgesetzes zu dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes zu dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes (Drucksachen 13/809, 13/1188, 13/1189, 13/3132) 6553 B b) Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge mit langem Aufenthalt - Änderung von § 100 des Ausländergesetzes (Altfallregelung) (Drucksache 13/2550 [neu]) 6553 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 6553 C Erika Steinbach CDU/CSU 6555 B Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6555 D Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 6556 D Ulla Jelpke PDS 6557 C Tagesordnungspunkt 12: 1. Beschlußempfehlung und Bericht des Wahlprüfungsausschusses zu 28 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen (Drucksache 13/2800) . 6558 A Clemens Schwalbe CDU/CSU 6558 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 6559 A Jörg van Essen F.D.P. 6559 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6560 A Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . 6561 A Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Vollständige Übernahme der sogenannten Altschulden auf gesellschaftlichen Einrichtungen ostdeutscher Kommunen durch den Bund (Drucksache 13/2434) 6562 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 6562 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 6563 C Rolf Kutzmutz PDS 6565 A Dr. Christine Lucyga SPD 6565 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . 6568 A Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Gernot Erler, Volker Kröning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Abrüstung konventioneller Streitkräfte in Europa: Sicherung und Fortentwicklung des KSE-Vertrages (Drucksache 13/3134) . 6569 B Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Reinhard Weis (Stendal), Dr. Uwe Küster, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rücknahme der Weisung für die Einlagerung mittelradioaktiver Abfälle im Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) (Drucksache 13/2365) 6569 C Reinhard Weis (Stendal) SPD 6569 D Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . 6571 C, 6573 B Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 6572 A, 6575 C, 6577 B Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6573 B Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6573 C Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6573 D Dr. Rainer Ortleb F.D.P. 6575 A Rolf Köhne PDS 6576 B Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 6576 D Nächste Sitzung 6578 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6579 * A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Gisela Babel (F.D.P.) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) . . . . 6579 * C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Wonneberger, Rainer Eppelmann, Ulf Fink, Ulrich Junghanns, Manfred Koslowski und Michael Stübgen (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern (Tagesordnungspunkt 6) 6580 * A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern (Tagesordnungspunkt 6) Gerhard Jüttemann PDS 6580 * C Heidemarie Lüth PDS 6580 * D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 10 (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstrekkungsrechtlicher Vorschriften [2. Zwangsvollstreckungsgesetz]) Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6581 * B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 13 (Antrag: Vollständige Übernahme der sogenannten Altschulden auf gesellschaftliche Einrichtungen ostdeutscher Kommunen durch den Bund) Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6582 * B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (Antrag: Abrüstung konventioneller Streitkräfte in Europa: Sicherung und Fortentwicklung des KSE- Vertrages) Gernot Erler SPD 6583 * B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 6584 * C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6585 * B Dr. Olaf Feldmann F.D.P. 6586 * B Gerhard Zwerenz PDS . . . . . . . . . 6587 * A Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . . 6587 * D Anlage 8 Veräußerung der Anteile der Deutschen Post AG an der Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbau Gesellschaft mbH Mdl Anfr 1, 2 - Drucksache 13/3093 - Gabriele Iwersen SPD SchrAntw PStS Dr. Paul Laufs BMPT . . 6588 * D 74. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 30. 11. 95 * Beck (Bremen), BÜNDNIS 30. 11. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Belle, Meinrad CDU/CSU 30. 11. 95 Braun (Auerbach), CDU/CSU 30. 11. 95 Rudolf Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 30. 11.95 * Klaus Büttner (Ingolstadt), SPD 30. 11. 95 Hans Graf von Einsiedel, PDS 30. 11. 95 Heinrich Hörsken, CDU/CSU 30.11.95 Heinz-Adolf Horn, Erwin SPD 30. 11.95 Irber, Brunhilde SPD 30. 11.95 Klemmer, Siegrun SPD 30. 11. 95 Meißner, Herbert SPD 30. 11.95 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 30. 11. 95 Neumann (Berlin), SPD 30. 11.95 Kurt Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 30. 11.95 Purps, Rudolf SPD 30. 11. 95 Reschke, Otto SPD 30. 11. 95 Rexrodt, Günter F.D.P. 30. 11.95 Scheel, Christine BÜNDNIS 30. 11.95 90/DIE GRÜNEN Scherhag, CDU/CSU 30.11.95 Karl-Heinz Schwanitz, Rolf SPD 30. 11.95 Sebastian, CDU/CSU 30.11.95 Wilhelm-Josef Tippach, Steffen PDS 30. 11.95 Vogt (Düren), CDU/CSU 30. 11.95 Wolfgang Wohlleben, SPD 30.11.95 Verena * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erkärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Gisela Babel (F.D.P.) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) (Tagesordnungspunkt 4) Dem Regierungsentwurf eines Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in der im Bundestagsausschuß erweiterten Fassung kann ich nicht zustimmen. Ich verkenne nicht die Lage der deutschen Bauarbeiter und deutschen Bauunternehmen, die durch den preislichen Wettbewerb ausländischer Unternehmen auf deutschen Baustellen ihre Arbeitsplätze bzw. ihre Unternehmen gefährdet finden. Sie sind jedoch in der gleichen Lage, wie viele andere Branchen der deutschen Wirtschaft, zum Beispiel die Textilindustrie, in denen durch preisgünstige Importprodukte Arbeitsplätze verlorengingen und -gehen. Ursache hierfür ist die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit anderer Länder, zu hohe deutsche Löhne und Lohnzusatzkosten einschließlich der Steuern. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ändert diese grundlegenden Ursachen nicht. Es wird allerdings die Bauleistungen verteuern, zu geringerer Baunachfrage und zu höheren Mieten führen. Umfangreiche Kontrollen auf den Baustellen sind erforderlich, um die Einhaltung des Gesetzes zu gewährleisten. Die Allgemeinverbindlicherklärung trifft zudem auch alle deutschen Bauunternehmen, insbesondere in den neuen Bundesländern, die aus vielfältigen Gründen nicht tarifgebunden sind, und zwingt sie auf das allgemeine Tarifniveau mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen und ihrer Arbeitsplätze. Das Gesetz, insbesondere in seiner erweiterten Fassung, halte ich für nicht verantwortbar, da es unserer Wirtschaftsordnung nicht entspricht, den Wettbewerb auf deutschen Baustellen begrenzt, im Kern protektionistisch ist und dem Prinzip des Europäischen Binnenmarktes, der auch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer unabdingbar beinhaltet, widerspricht. Auch mein Kollege Dr. Otto Graf Lamsdorff hat von Beginn der Diskussion um ein nationales Entsendegesetz an erklärt, daß er ein solches Gesetz in jedweder Fassung für falsch hält. Aus diesen Gründen nimmt er an der heutigen Abstimmung nicht teil. Ich habe dem Regierungsentwurf als Kompromiß mit großen Bedenken zugestimmt, da er zeitlich befristet und auf das Bauhauptgewerbe beschränkt bleibt. Der jetzt zur Entscheidung anstehende Gesetzentwurf, der den Regierungsentwurf in seiner Wirkung vom Bauhauptgewerbe auch auf das Baunebengewerbe ausdehnt, verändert den Regierungsentwurf aus meiner Sicht qualitativ. Ich halte diese Ausdehnung für nicht mehr verantwortbar. Ich kann daher dem Entwurf zu einem Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der im Ausschuß erweiterten Fassung nicht zustimmen. Da die Arbeitgebervertreter im Tarifausschuß erklärt haben, daß sie einem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung nicht zustimmen werden, läuft das vorgesehene Gesetz absehbar ins Leere. Es gehört aus meiner Sicht zur Ehrlichkeit der Politiker, den Betroffenen klar zu sagen, daß damit das Gesetz keines ihrer Probleme lösen würde. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Wonneberger, Rainer Eppelmann, Ulf Fink, Ulrich Junghanns, Manfred Koslowski und Michael Stübgen (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern (Tagesordnungspunkt 6) Für die dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zugrunde liegende Problematik sehen wir in ausgewählten Regionen des Landes Brandenburg durchaus Handlungsbedarf. In zahlreichen Städten und Gemeinden des Berliner Umlandes hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt noch nicht entspannt. In diesen Gebieten ist auf Grund des historisch gewachsenen Siedlungscharakters die Anzahl der Einliegerwohnungen besonders hoch. Insbesondere für diesen Bereich können wir die Sorgen der Mieter nachvollziehen, die nach Auslaufen des besonderen Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern Eigenbedarfskündigungen der Eigentümer befürchten. Dennoch lehnen wir den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 13/2444 mit folgender Begründung ab: Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion fordert eine nochmalige generelle Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes für alle neuen Bundesländer ohne Beschränkung auf die besonders schutzbedürftigen Mieter in Einliegerwohnungen. Dies halten wir aus sachlichen und rechtlichen Erwägungen für nicht tragbar. Wir sind der Ansicht, daß es speziell bei den Mietern von Einliegerwohnungen Fallgruppen geben kann, bei denen trotz Vorhandenseins der Sicherungsmechanismen des sozialen Mietrechts, insbesondere der Sozialklausel des § 564b BGB, selbst nach einer Übergangszeit von fünf Jahren noch unzumutbare Härten bei einer Kündigung auftreten können. Nur bei diesem Personenkreis - und nicht bei allen Mietern in den neuen Bundesländern - halten wir weitergehende Schutzmaßnahmen für erforderlich. Eine zahlenmäßige Eingrenzung der tatsächlich zu erwartenden Härtefälle ist nicht möglich. Unterschiedliche Annahmen in den neuen Bundesländern führten zu differierenden Auffassungen hinsichtlich eines erneuten Regelungsbedarfs. Nachdem der besondere Kündigungsschutz in den neuen Bundesländern fünf Jahre Bestand hatte, ist ein weiterer Investitionsstau bei der Wohnraumsanierung durch eine erneute generelle Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes Ost nicht vertretbar. Wir anerkennen den Schutzbedarf für eine noch zu bestimmende Anzahl von Mietern in Einliegerwohnungen in ausgewählten Kommunen und Städten des Landes Brandenburg. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung, daß sie gemeinsam mit der Landesregierung Brandenburg für eine befristete Verordnungsermächtigung des Landes initiativ wird, um der besonderen Situation der Mieter von Einliegerwohnungen Rechnung zu tragen. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern (Tagesordnungspunkt 6) Gerhard Jüttemann (PDS): Die Entscheidung, die wir heute zu fällen haben, ist eine besondere Entscheidung. Das Besondere an ihr ist, daß sie sich innerhalb von ganz wenigen Tagen auf Tausende Betroffene in den neuen Bundesländern auswirken wird, und zwar existentiell. Ich bin der Meinung, wenn wir uns mehrheitlich falsch entscheiden, dann können diese Menschen ab Januar nächsten Jahres aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Die es nicht sofort trifft, werden künftig in Unsicherheit leben, weil sie jeden Tag den Brief, der das Ende ihres Mietverhältnisses bedeutet, zu erwarten haben. Viele dieser Menschen sind nicht mehr jung und werden diesen Schock nicht verkraften. Sie alle werden unschuldig in die Lage kommen, in die Sie sie mit einer falschen Entscheidung bringen. Sie haben in Treu und Glauben in der DDR ein normales Mietverhältnis begründet, stets pünktlich ihre Miete bezahlt, sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Und dennoch würde ihnen jetzt ihre Wohnung weggenommen. Ich bitte Sie, sich klarzumachen, was das heißt: Die Wohnung wird weggenommen, das Umfeld und die Voraussetzung der Existenz. Von Heinrich Zille stammt der Satz, daß man einen Menschen mit seiner Wohnung erschlagen kann. Aber wieviel schneller geht das noch, wenn man ihm seine Wohnung nimmt. Ich bitte Sie deshalb auch als Christ: Lassen Sie derartig unchristliches Tun nicht zu. Stimmen Sie für die Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in Ostdeutschland. Heidemarie Lüth (PDS): Heute steht der Gesetzentwurf der SPD zur Verlängerung des besonderen Kündigunsschutzes in den neuen Bundesländern um drei weitere Jahre zur Abstimmung. Damit entscheiden wir, ob es ab 1. Januar 1996 zu einer Kündigungswelle in Ostdeutschland, insbesondere aus Einliegerwohnungen, Zwei- bzw. Dreifamilienhäusern und Restitutionshäusern in Umlandgemeinden von Berlin und anderen Ballungsräumen kommt oder nicht. Mehrere betroffene Bürgerinnen und Bürger aus meinem und anderen Wahlkreisen Ostdeutschlands haben sich in den letzten Wochen mit der dringenden Bitte an mich gewandt, für die Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in den neuen Bundesländern einzutreten. Menschen, die seit Jahren bzw. Jahrzehnten in ihrer Wohnung leben, zeigten mir Schreiben mit der Aufforderung, die Wohnung bzw. das Haus zu verlassen, und ihre dabei geäußerte Angst um die nackte Existenz war keine Schauspielerei. Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, aus einem Brief zitieren: Hiermit kündigen wir im Namen der Erbengemeinschaft das Mietverhältnis zum 31. 12. 94, ersatzweise zum nächstmöglichen Termin entspr. den gesetzlichen Vorschriften. Da wir beabsichtigen, die Erbengemeinschaft aufzulösen, bieten wir Ihnen an, das Grundstück zum ortsüblichen Preis zu kaufen. Ich glaube, das bedarf keiner weiteren Kommentierung. Ich werde dem Gesetzentwurf zur Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes in Ostdeutschland zustimmen und bitte Sie, das auch zu tun. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 10 (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften [2. Zwangsvollstreckungsgesetz]) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viele andere Vorlagen aus den letzten Jahren steht auch der heute zu behandelnde Bundesratsentwurf zur 2. Zwangsvollstreckungsnovelle unter der Zielsetzung „Rechtsvereinfachung" und „Beschleunigung". Und in der Tat, hier stimme ich den Entwurfsverfassern zu, ist gerade das Vollstreckungsrecht gekennzeichnet durch Unübersichtlichkeit, Schwerfälligkeit und Kompliziertheit seiner Regelungen. Viele Regelungen sind antiquiert. Gesetzeslage und Vollstreckungswirklichkeit stimmen in weiten Bereichen nicht mehr überein. Eine grundlegende Neukonzeption des Vollstreckungsrechts ist daher im Interesse aller am Vollstreckungsverfahren Beteiligten geboten. Der vorliegende Bundesratsentwurf enthält insoweit einige positive Ansätze. Wir müssen uns aber davor hüten, in dem Bestreben nach Vereinfachung und Beschleunigung das Kind mit dem Bade auszuschütten und sozial nicht hinnehmbare Einschränkungen des Schuldnerschutzes vorzunehmen. Für nicht akzeptabel halte ich den neuen Absatz 3 in § 765a ZPO des Entwurfes. Bei der Räumungsvollstreckung soll eine zeitliche Sperre von 2 Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin eingeführt werden, bis zu der wegen bis dahin vorliegender und bekannter Umstände ein Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO nur noch gestellt werden kann. Diese Regelung würde dazu führen, daß in zahlreichen Fällen eine sachliche Prüfung der Vollstreckungsschutzanträge nicht mehr möglich ist, weil die Räumungsschuldner die Anträge zu spät stellen. Sie würden damit schon aus rein formellen Gründen die Chance verlieren, einen weiteren Aufschub der Wohnungsräumung zu erreichen. Dadurch würde die Gefahr vergrößert, daß Schuldner obdachlos werden, weil behördliche Maßnahmen nicht mehr rechtzeitig greifen. Auch die Beseitigung des Pfändungsschutzes zu Lasten des Käufers, der eine Sache unter Eigentumsvorbehalt erworben hat, ist zu weitreichend. Der Pfändungsschutz zielt darauf ab, dem Schuldner die Besitz- und Gebrauchsmöglichkeiten einer Sache zu erhalten. Das fehlende Volleigentum allein kann deshalb nicht die Aufhebung des Pfändungsschutzes rechtfertigen. Verfassungsrechtlich bedenklich ist auch die Regelung, daß der Schuldner zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses verpflichtet ist, wenn er die Durchsuchung verweigert hat oder wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner - nach vorheriger Ankündigung - nicht in der Wohnung angetroffen hat. Die Berufung auf Grundrechte - hier auf Art. 13 GG - muß in jedem Fall sanktionslos bleiben. Leitgedanke einer Reform der Zwangsvollstrekkung sollte sein, in jeder Phase der Vollstreckung durch geeignete Maßnahmen auf eine sozial verträgliche, wirtschaftlich sinnvolle, rechtsfriedliche Regelung hinzuwirken. Diesen Gedanken greift der Entwurf jedoch nicht in ausreichendem Maße auf. Es ist bedauerlich, daß der Bundesrat von der im Ursprungsentwurf vorgesehenen Möglichkeit, eine Verhaftung des Schuldners durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu Protokoll des Gerichtsvollziehers abzuwenden, wieder Abstand genommen hat, weil man keine „eidesstattliche Versicherung am Küchentisch" ermöglichen wollte. Bei Beibehaltung der geltenden Rechtslage bleiben die Gerichtsvollzieher gezwungen, die zwangsweise Vorführung des Schuldners zum nächsten Vollstrekkungsgericht vorzunehmen. Dies erfordert für Gerichtsvollzieher und Schuldner weite Wege, und der ohnehin in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Schuldner verliert auch noch Arbeitszeit. Noch krasser stellt sich die Situation dar, wenn der offenbarungsbereite Schuldner nach Dienstschluß in die Haftanstalt eingeliefert werden muß, weil beim Vollstreckungsgericht niemand mehr da ist. Ich habe mir von Gerichtsvollziehern erläutern lassen, daß sie in Flächenstaaten teilweise bis zu 200 Kilometer zurücklegen, um etwa eine JVA zu erreichen, die für die Aufnahme von Frauen zuständig ist. Hier gilt es endlich Abhilfe zu schaffen. Nicht aufgegriffen hat der Bundesrat auch Vorschläge, die Gerichtsvollzieher nach erfolgloser Pfändung - bei Einverständnis zwischen Gläubiger und Schuldner - zur Entgegennahme von Teilzahlungen zu ermächtigen. Dieses Vorgehen ist zwar bei einigen Gerichtsvollziehern längst Praxis, eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung fehlt jedoch, und es kann zu Konflikten mit der Dienstaufsicht kommen. Zur Abwendung der Verhaftung wäre auch eine Ermächtigung der Gerichtsvollzieher zur Entgegennahme von Teilzahlungen im Einverständnis mit dem Gläubiger erörterungswürdig. Hierdurch könnte gleichzeitig eine Entlastung des Vollstreckungsgerichts erzielt werden, weil dem Gläubiger auf Grund erfolgloser Pfändung ansonsten nur noch der Antrag auf Vermögensoffenbarung bleibt. Zum Abschluß möchte ich noch darauf hinweisen, daß wir unser Augenmerk verstärkt darauf richten sollten, die Fülle von Zwangsvollstreckungen zu vermeiden. Nach wie vor werden Tausende von Menschen in dieses Verfahren hineingezogen, nachdem unsinnige und überzogene Ratenkreditverträge und Darlehen geplatzt sind. Bereits an dieser Stelle gilt es, geeignete Schutzvorkehrungen zu treffen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Rede zur Tagesordnungspunkt 13 (Antrag: Vollständige Übernahme der sogenannten Altschulden auf gesellschaftliche Einrichtungen ostdeutscher Kommunen durch den Bund) Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am kommenden Montag soll erneut versucht werden, zwischen der Bundesregierung und den Vertretern der ostdeutschen Kommunen einen Kompromiß bezüglich der Übernahme der Altschulden zu finden. Die in der Öffentlichkeit diskutierten Vorschläge bewegen sich zwischen einer Teilübernahme der Verbindlichkeiten bzw. aufgelaufenen Zinsen der Kommunen und einer vollständigen Übernahme dieser sogenannten Altkredite durch den Bund. Letzteres fordert die PDS in ihrem Antrag mit der Begründung, daß die aus Investitionen für den Bau gesellschaftlicher Einrichtungen resultierenden Schulden ostdeutscher Kommunen Staatsschulden der DDR seien. Diese - so die PDS - müßten daher vollständig als Schulden des Bundes im Rahmen des Erblastentilgungsfonds übernommen werden. Eines ist für mich klar. Wir dürfen die Kommunen mit den sogenannten Altschulden nicht alleine lassen. Dies wäre die nachträgliche Anerkennung willkürlicher Entscheidungen des früheren DDR-Regimes. Voraussetzung jeder wie auch immer gearteten Lösung dieses Problems ist die Klärung des Charakters dieser sogenannten Altschulden, und zwar nicht nur im kommunalen Bereich, sondern auch in der Landwirtschaft, bei den Betrieben und bei den Wohnungsgesellschaften. Grundsätzlich, aber auch aktuell durch den Bericht des Bundesrechnungshofes begründet, stellen sich mir hier zunächst einmal eine ganze Reihe von Fragen: War die Übertragung der sogenannten Kreditverpflichtungen von Kommunen und Betrieben gegenüber den staatlichen Banken der DDR in die bundesrepublikanische Ordnung ein Kardinalfehler der deutschen Vereinigung? Wurden die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen auf Grund des Dilettantismus der Bundesregierung möglicherweise in dreistelliger Milliardenhöhe belastet? Vertuscht die Bundesregierung möglicherweise einen Finanzskandal ungeheuren Ausmaßes? Wir haben gestern eine Große Anfrage zum Gesamtkomplex der Altschuldenproblematik eingebracht. Wir wollen der Bundesregierung Gelegenheit geben, sich zu diesen und anderen Vorwürfen zu äußern. Wir erwarten allerdings eine rasche und präzise Beantwortung; schließlich hätte die Bundesregierung schon 1990 Kenntnis über den Sachverhalt bzw. die Zusammenhänge haben müssen. Im Zuge der deutschen Vereinigung wurden sogenannte Kreditverpflichtungen von Kommunen und Betrieben gegenüber den staatlichen Banken der DDR in die bundesrepublikanische Ordnung übertragen. Ein Großteil der zugehörigen Forderungen wurde im Zuge der Privatisierung des DDR-Bankensystems an westdeutsche Banken weitergegeben. Die Verwandlung von DDR-Verrechnungseinheiten in harte DM-Schulden scheint mir jedoch juristisch äußerst zweifelhaft. In einer Verfassungsbeschwerde wird die Auffassung vertreten, diese Verrechnungseinheiten hätten ersatzlos gestrichen werden können bzw. müssen. Die einzigen Gewinner scheinen westdeutsche Banken zu sein, die praktisch ohne Risiko das frühere DDR-Bankensystem übernehmen konnten. Darüber hinaus hat - dem Bericht des Bundesrechnungshofs zufolge - die Bundesregierung bei der Abwicklung der Altkredite und bei ihrer Übertragung auf westdeutsche Kreditinstitute in erheblichem Umfang weitere Verteuerungen der Kredite zu Lasten der Schuldner und - auf Grund der Ausgleichsregelungen - der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen zu verantworten. Falls sich der Eindruck bestätigen sollte, daß die Bundesregierung an einer zügigen und konsequenten Aufklärung der Vorwürfe nicht interessiert ist, werden wir für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Abwicklung der sogenannten Altkredite eintreten. Die Belastung mit den sogenannten Altschulden hat teilweise zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der betroffenen Unternehmen und Körperschaften geführt. Die dazu getroffenen Regelungen sind, wie bereits erwähnt, aber nicht nur finanzpolitisch zweifelhaft. Sie haben möglicherweise den wirtschaftlichen Aufbau der neuen Bundesländer nachhaltig behindert. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage der Behandlung der Altkredite der Kommunen dringend einer grundsätzlichen Beantwortung. Der vorliegende Antrag greift zu kurz. Er bleibt inkonsequent und auf halbem Wege stecken. Ich möchte an dieser Stelle meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß ausgerechnet die PDS, die sich doch sonst immer so radikal gebärdet, mit ihrem Vorschlag nichts anderes macht, als zweifelhafte Forde- rungen von Banken durch die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen begleichen zu lassen. Sie schließt sich so der Linie der Bundesregierung an, die schon im Zusammenhang mit der Entschuldung der Treuhandbetriebe durch Umbuchen die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen dieses Landes mit über 100 Milliarden DM belastet hat. Es kann hier und heute nicht um dubiose Kompromisse gehen. Notwendig ist die Klärung der grundsätzlichen Fragestellung: Waren die sogenannten Altkredite ganz oder zum überwiegenden Teil lediglich Verrechnungseinheiten? Wenn ja, dann ist die Bundesregierung gefordert, die gesamte Finanzierung der deutschen Einheit rückabzuwickeln! Wir können und wollen den Vertretern der Kommunen keine Vorschriften machen. Wir raten aber dringend dazu, die grundsätzliche Fragestellung nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn denn die Bundesregierung kein Einsehen hat, dann wird vielleicht das Bundesverfassungsgericht im kommenden Jahr eine neue Rechtslage schaffen. Und der Bundesregierung kann ich nur dringend nahelegen, auf Mahnbescheide und ähnliche Zwangsmaßnahmen zu verzichten. Noch ist es nicht zu spät, fehlerhafte Entscheidungen und dubiose Regelungen aus eigener Entscheidung zu korrigieren. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (Antrag: Abrüstung konventioneller Streitkräfte in Europa: Sicherung und Fortentwicklung des KSE-Vertrages) Gernot Erler (SPD): Neben den großen Verträgen über die atomare und chemische Abrüstung stellt der „Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE)" vom 19. November 1990 eine der wichtigsten Säulen des europäischen Sicherheitssystems dar. Dieser Vertrag verpflichtet die 16 Mitgliedstaaten der NATO und die sechs damaligen Mitgliedsländer des Warschauer Vertrages zur Reduzierung ihrer Hauptwaffensysteme um annähernd 50 000 Einheiten. Außerdem legte der KSE-Vertrag regionale Stationierungsbeschränkungen fest und verpflichtete die Unterzeichner zu einem jährlichen Informationsaustausch und einem dichten Netz von Vor-Ort-Inspektionen. Während der START-II-Vertrag und das Chemiewaffen-Abkommen immer noch auf die Ratifizierung vor allem in Washington und Moskau warten und damit auch auf die Realisierung der atomaren und chemischen Abrüstung, hat sich bei der konventionellen Abrüstung in Europa wirklich etwas getan. Am Stichtag 17. November dieses Jahres waren die Verpflichtungen fast überall erfüllt. Die Bundesrepublik kann stolz darauf sein, daß sie sogar vorzeitig, genau gesagt am 23. Mai dieses Jahres, alle Reduzierungsauflagen erfüllt hatte. Betroffen waren davon 11 000 Waffensysteme, von denen 8 600 von Privatfirmen an 16 verschiedenen Orten Deutschlands zerstört wurden, im einzelnen 2 566 Kampfpanzer, 4 257 gepanzerte Kampffahrzeuge, 1 623 Artilleriewaffen und 140 Flugzeuge. Auch die osteuropäischen Staaten und vor allem die Russische Föderation mit den größten Reduzierungsaufgaben haben sich nach Kräften bemüht, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Es gibt heute lediglich noch einige Implementierungsrückstände in Belarus, Aserbaidschan und in der Ukraine, wo der Streit um die Schwarzmeerflotte einer Erfüllung der Verpflichtungen im Wege steht. Und trotzdem gibt es auch Sorgen. Sie betreffen vor allem die regionalen Stationierungsbeschränkungen, die zur Zeit der noch existierenden Sowjetunion festgelegt wurden und heute der Russischen Föderation große Schwierigkeiten bereiten. Es ist erfreulich, daß in Wien inzwischen Vorschläge zur Lösung des sogenannten Flankenproblems sowohl vom Westen als auch von Rußland vorgelegt wurden, und wir unterstützen ausdrücklich die Bemühungen auch der Bundesregierung, zusammen mit Moskau zu einer vertragskonformen Lösung dieses Problems zu kommen. Um so bedauerlicher ist es, daß einige Sprecher der russischen Politik, zuletzt in besonders auffälliger Weise der russische Verteidigungsminister Gratschow, gelegentlich den gesamten KSE-Prozeß wegen der Flankenproblematik, aber auch wegen des Streits über die NATO-Osterweiterung in Frage stellen. Erfreulicherweise verhält sich die russische Delegation dort, wo die eigentliche Politik gemacht wird, nämlich bei der „Joint Consultative Group" in Wien, viel kooperativer, als das Getöse auf der internationalen Bühne erscheinen läßt. Es gibt also die begründete Hoffnung, daß durch gemeinsame Anstrengungen bis zur für den kommenden Mai vorgesehenen Überprüfungskonferenz ein Vollzug der Verpflichtungen aus dem November 1990 vermeldet werden kann. Aber längst geht es nicht nur um die Implementierung des Vertrages von 1990. KSE ist ein Stichwort für Abrüstungschancen auf verschiedenen Ebenen geworden. Es ist kein Zufall, daß in dem DaytonAbkommen für eine Friedensregelung in Bosnien im Zusammenhang mit Abrüstungsverpflichtungen der drei Kriegsparteien Höchstgrenzen nach dem KSE- Vertrag, genauer gesagt nach den Regeln von KSE- IA, auftauchen. Der KSE-Vertrag ist auf Fortsetzung angelegt. In Art. 18 des Vertragswerkes heißt es: Nach Unterzeichnung dieses Vertrages setzen die Vertragsstaaten die Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte mit dem gleichen Mandat und mit dem Ziel, auf diesem Vertrag aufzubauen, fort. In Wirklichkeit ist im November 1990 ein Prozeß in Gang gesetzt worden, der nicht im Mai nächsten Jahres enden darf. Es bleibt richtig, was die Bundesregierung in einer weit verbreiteten Broschüre über den KSE-Vertrag 1991 feststellte: Die Beendigung des Kalten Krieges und die Überwindung der ideologischen Konfrontation müssen Antrieb dafür sein, über die bisher erzielten Reduzierungen hinaus weitere Maßnahmen zu vereinbaren. Ziel der Anstrengungen muß es sein, Umfang, Struktur und Bewaffnung der Streitkräfte in Europa ausschließlich an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung auszurichten. Solcherart militärische Selbstbeschränkung wäre ein zentraler Baustein in der Sicherheitsarchitektur des neuen Europas. Der Antrag der SPD-Bundestagsfraktion, über den wir heute beraten, will erreichen, daß die Bundesregierung gegen die drohende Stagnation bei der konventionellen Abrüstung in Europa eigene Ideen entwickelt und im Rahmen der Überprüfungskonferenz eine neue KSE-Dynamik anstößt. Deswegen fordert der Antrag die Bundesregierung auf, rechtzeitig vor der geplanten Konferenz im Bundestag einen Bericht vorzulegen, der über folgende Fragen Auskunft geben soll: Soll es nach Ansicht der Bundesregierung weiter bei den jetzigen Obergrenzen („ceilings") bleiben, die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen? Oder gibt es weitere sinnvolle Reduzierungsschritte bei den sogenannten Hauptwaffensystemen, also Kampfpanzern, gepanzerten Kampffahrzeugen, Artilleriewaffen, Angriffshubschraubern und Kampfflugzeugen? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über eine Fortschreibung der Obergrenzen bei den Personalstärken, wie sie 1992 bei den KSE- IA-Verhandlungen festgelegt worden sind? Wird es eine Initiative der Bundesregierung geben, in einer nächsten Stufe auch die Seestreitkräfte in den KSE- Prozeß einzubeziehen? Welchen Beitrag kann es von deutscher Seite geben, um eine neue Methodik für den KSE-Prozeß zu entwickeln, nachdem die bisherige Festlegung von gruppenweise ermittelten Obergrenzen obsolet geworden ist? Und welche Zukunft sieht die Bundesregierung für die Stärkung des erfolgreichsten Teils des KSE-Prozesses bisher, nämlich den vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen und den Vor-Ort-Inspektionen, die tatsächlich weniger zur Kontrolle als zur Vertrauensbildung beigetragen haben? Es geht nicht darum, Luftschlösser zu bauen. Es geht darum, daß neue Ziele am Horizont sichtbar werden müssen, wenn der KSE-Prozeß, auf den die Bundesrepublik existentiell in ihrer Sicherheitspolitik angewiesen ist, nicht ins Stottern geraten soll. Der beantragte Bericht der Bundesregierung ist als Basis gedacht für einen breiten Diskussionsprozeß in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag, um das Engagement Deutschlands bei der konventionellen Abrüstung in Europa kreativ weiterzuentwickeln und für alle sichtbar zu machen. Dr, Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Am 19. November 1990 unterzeichneten 22 Staaten der NATO und des Warschauer Paktes den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa, den KSE-Vertrag. Dieser Vertrag, dem seit der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion 30 Staaten angehören, sah die Vernichtung von insgesamt 50 000 angriffsfähigen Waffensystemen wie Kampfpanzern, Kampfflugzeugen oder Hubschraubern vor. Am 17. November dieses Jahres mußten die Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten erfüllt werden. Die Bundesrepublik hat bereits vor dem förmlichen Inkrafttreten des Vertrages mit der Zerstörung von 8 700 Waffensystemen begonnen und diese Demontage am 23. Mai dieses Jahres, sechs Monate früher als vertraglich gefordert, abgeschlossen. Diese Waffenvernichtung stellt eine enorme Leistung dar. Deutschland hatte - bedingt durch die Übernahme des Materials der ehemaligen NVA - nach Rußland und mit weitem Abstand vor den übrigen Vertragsstaaten die zweithöchste Reduzierungsverpflichtung. Insgesamt war der Bestand um 2 566 Kampfpanzer, 4 357 gepanzerte Fahrzeuge, 1 638 Artilleriewaffen und 140 Kampfflugzeuge zu reduzieren. In anderen Staaten gibt es noch Probleme bei der vollständigen Umsetzung der Bestimmungen. Diese resultieren zum Beispiel in Rußland aus der sogenannten Flankenregelung oder in Armenien und Aserbaidschan aus den Kriegswirren. Allerdings stehen die Chancen, nicht zuletzt auf Grund der Bemühungen der deutschen Diplomatie, gut, daß bis spätestens Mitte 1996 alle vertraglich geforderten Demontagen erbracht sein werden. Obwohl wir weiterhin ein fundamentales Interesse an einer Fortsetzung der konventionellen Abrüstung in Europa haben, ist es zur Zeit wichtiger, die vorhandenen Bestimmunen umzusetzen und langfristig abzusichern. Die Überprüfungskonferenz hat nicht, wie fälschlicherweise im SPD-Antrag steht, das Ziel, diese konventionelle Abrüstung fortzusetzen, sondern sie dient der Überprüfung der Wirkungsweise des Vertrags. Die von der SPD geforderte Aufnahme neuer Bestimmungen in den KSE-Vertrag, die verringerte Obergrenzen und die Aufnahme weiterer Waffensysteme in die Reduzierungsverpflichtungen zur Folge hätte, wäre aber nur über eine erneute Ratifizierung des gesamten Vertragswerkes in den 30 Mitgliedsstaaten zu erreichen. Angesichts der instabilen Lage in Osteuropa ist aber ein derartiges Vorgehen, das die Grundlage der konventionellen Abrüstung im ganzen nordatlantischen Raum in Frage stellt, ein zu gefährliches Spiel. Die SPD schreibt selbst, daß sich auf Grund des KSE-Vertrags die „Gefahr eines Überraschungsangriffes oder großangelegter militärischer Offensivoperationen in Europa drastisch verringert" habe. Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Ich sehe darin auch ein Kompliment für die Bundesregierung. Aber es wäre falsch, jetzt diesen gewaltigen sicherheitspolitischen Fortschritt zu gefährden, indem man neue Forderungen erhebt - indem man den Topf öffnet, ohne zu wissen, ob man den Deckel wieder draufbekommt. Deshalb wird es die wichtigste Aufgabe der Überprüfungskonferenz sein, den Stand der Implementierung zu prüfen, den Bestand des Vertrags zu sichern und Bestimmungen wie die Flankenregelung an das veränderte sicherheitspolitische Umfeld anzupassen, ohne daß eine formelle Änderung des Vertrags nötig wird. Trotz dieser Verschnaufpause bei der konventionellen Abrüstung müssen wir uns auch einmal vor Augen halten, daß der KSE-Vertrag in einer ganzen Reihe umfassender abrüstungspolitischer Anstrengungen besteht. Der Anteil des Verteidigungshaushaltes am Gesamtetat des Bundes ist von 1975 bis 1995 von einem Fünftel auf ein Zehntel gesunken. Diese dramatische Reduktion der Verteidigungsausgaben war und ist eine gewaltige Leistung. Das gilt erst recht für die Reduktion der Truppenstärke: Diese umfaßte zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung in Gesamtdeutschland fast 700 000 Mann, wurde aber innerhalb von sechs Jahren auf knapp 340 000 gesenkt. Bei den Vorbereitungen zur Überprüfungskonferenz des Waffenübereinkommens der Vereinten Nationen, die in diesem Herbst in Wien stattfindet, hat sich die Bundesregierung vehement für strengste Einsatzauflagen für AntiPersonenminen, APM, eingesetzt. Diese Waffen sind besonders grausam und treffen in erster Linie Zivilisten. Die Bundeswehr hat daher weit über eine Million APM vernichtet. Darüber hinaus wurde trotz großer haushaltspolitischer Engpässe der Etat für Minenräumung für das Jahr 1996 von 3 auf 13 Millionen DM aufgestockt. Diese Etaterhöhung ist auch eine Mahnung an diejenigen Staaten, die bei den Verhandlungen in Wien als Bremser auftraten und für das vorläufige Scheitern der Konferenz verantwortlich sind, mehr für eine politische Lösung des Landminenproblems zu tun. Der Posten Abrüstungshilfe des Auswärtigen Amtes wurde auf 18 Millionen DM erhöht. Ebenso wie die Aufstockung der Mittel für Minenräumung geht diese Etaterhöhung auf eine parlamentarische Initiative zurück. Die atomare Abrüstung, an der wir natürlich nicht direkt teilhaben, macht ebenfalls große Fortschritte. So wurde die Anzahl der atomaren Sprengköpfe, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik stationiert sind, in den letzten Jahren von 7 000 auf weniger als 500 reduziert. Allein diese wenigen Beispiele machen deutlich, daß das von Helmut Kohl geprägte Wort „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" der Leitfaden der deutschen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bleibt. Abrüstung und Rüstungskontrolle behalten weiterhin höchste Priorität. Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wird verstärkt über den KSE-Vertrag diskutiert. Dies liegt unter anderem daran, daß das Vertragswerk noch in der Zeit des Ost-West-Konflikts entstanden ist und jetzt, unter den neuen sicherheitspolitischen Bedingungen, in eine Krise geraten ist. Die aktuelle Diskussion aber macht deutlich, daß die Philosophie, die hinter dem Vertrag steht, sein größtes Problem ist. Denn letztendlich steht die Rüstungskontrolle, wie wir sie heute kennen, in der Tradition des militärischen Gleichgewichtsdenkens und der grundsätzlich mißtrauischen Haltung, was in der sogenannten realistischen Theorie als „Sicherheitsdilemma" bezeichnet wird. Frei nach Hobbes: Der Staat ist der Staaten Wolf. Rüstungskontrolle während des Ost-West-Konflikts wurde nicht aus Einsicht in die Unvernunft und den Zynismus der Überrüstung entwickelt, sondern weil die Sicherheits- und Außenpolitiker erkannten, daß in einem Nuklearkrieg nicht nur das in den Krieg geschickte Fußvolk sterben müßte, sondern auch sie selbst, ganz zu schweigen von der ökologischen Katastrophe, die ein Atomkrieg verursacht hätte. Auch bei den Reduzierungsprozessen nach 1989 geht es nicht um Abrüstung, sondern um Rüstungskontrolle. Abgerüstet werden dabei in der Regel Waffen und Waffensysteme, die aus militärischer Sicht überflüssig sind. Waffen und Waffensysteme, die aus Sicht der Militärs für notwendig gehalten werden, werden im Gegenteil modernisiert oder zum Teil sogar neu entwickelt. Hinter Rüstungskontrolle als Konzept des militärischen Gleichgewichts verbirgt sich qualitative Aufrüstung. Das Abkommen von Dayton beinhaltet einen an der KSE orientierten Rüstungskontrollprozeß zwischen den Vertragsunterzeichnern. Die Aufhebung des Waffenembargos konterkariert jedoch diese im Kern richtige Idee; denn es besteht die sehr reale Gefahr, daß im Hintergrund der Verhandlungen eben der beschriebene Aufrüstungsprozeß stattfindet. Erlauben Sie mir als Beispiel einen Hinweis auf die Minenpolitik: Der Konflikt auf der Minenkonferenz war doch nicht der zwischen humanen und nichthumanen Politikern. Die Bundesregierung ist nur bereit, auf die Minen zu verzichten, die hierzulande nicht mehr hergestellt werden. Auf moderne Minen für die Krisenreaktionseinsätze will die Bundesregierung dagegen nicht verzichten. Trotzdem ist natürlich Rüstungskontrolle ein Fortschritt, weil Rüstungsprozesse koordiniert und kooperativ kontrolliert werden und in dem Prozeß sich die Chancen für Abrüstung erhöhen. Dies allerdings nur, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist, das rüstungskontrollpolitische Instrumentarium weiterzuentwickeln. Im Zusammenhang mit dem KSE-Vertrag erhebt sich die Frage nach der sicherheitspolitischen Stabilität in Europa. Eng verbunden damit ist die Frage der NATO-Osterweiterung: So wie sie von der NATO betrieben wird, ist es nachvollziehbar, daß Rußland sich bedroht fühlt. Andererseits könnten sich, den Vertragstext wörtlich genommen, auch sicherheits- und militärpolitische Vorteile für Rußland ergeben. Durch eine Ausdehnung der NATO würde gewissermaßen die Rüstungsdichte in den einzelnen NATO- Ländern verdünnt. Einer der kritischen Punkte ist die von Rußland gewünschte neue Flankenregelung. Änderungsbedarf wurde von seiten Rußlands schon länger angemeldet. Verschärft wird das Problem durch den Krieg in Tschetschenien und im Kaukasus. Das weist auch auf ein besonderes Dilemma für das Vertragswerk hin. Akzeptiert man die russischen Wünsche, unterstützt man möglicherweise die russische Politik in Tschetschenien. Verweigert man die Kooperation, besteht die Gefahr, daß der KSE-Vertrag gefährdet ist. Die Türkei ist aus zwei Gründen erwähnenswert. Zum einen wurde der Türkei im Vertrag eine Sonderstellung eingeräumt, um ihre Bedrohungsängste zu berücksichtigen. Zum anderen wirft die Abrüstungs- politik der Bundesrepublik ein Licht auf das mangelnde Verständnis von echter Abrüstung und auf eine zynische Unterstützung des Folterregimes. Die Bundesrepublik hat einen Teil der abzurüstenden Waffen nicht vernichtet, sondern gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie hat sich die Kosten der Vernichtung gespart, und sie hat, weil zuständig für die NATO im Rahmen der Rüstungshilfe, der Türkei Waffen geliefert, die diese in den Kämpfen gegen die kurdische Bevölkerung verwendet. Diesen Mißbrauch der Rüstungskontrolle lehnen wir ab. Die Versuche der Türkei, den Status einer Regionalmacht zu erlangen, will ich nur kurz erwähnen, um darauf hinzuweisen, daß auch von dieser Seite her die Stabilität des Vertrags gefährdet wird. Auch hier ist indirekt wieder die Bundesrepublik im Spiel, die sowohl an Griechenland wie an die Türkei Waffen geliefert hat. Das Ziel ist - und in so allgemeiner Form gibt es da auch wenig Differenzen -, den Vertrag am Leben zu erhalten, weil sein Wegfall zu einem unkontrollierten Aufrüstungsprozeß führen könnte. Wir unterstützen den Antrag der SPD, weil er dazu beitragen kann, auf einige der Probleme aufmerksam zu machen. Wir dürfen uns aber nicht einbilden, dabei stehen bleiben zu können. Rüstungskontrolle hat interne Widersprüche, worauf ich schon anfangs hingewiesen habe, die eine Weiterentwicklung des Konzepts insgesamt notwendig machen. Wir wollen von quantitativer Rüstungskontrolle zu qualitativer Abrüstung kommen. Damit meine ich, daß zuerst das Denken in Kategorien nationaler, selbstbezogener Sicherheit überwunden werden muß. Daher sollten wir den Abrüstungsprozeß im eigenen Land beginnen und mehr abrüsten, als im Vertrag vorgesehen ist. Die Krise der konventionellen Rüstungskontrolle sollten wir produktiv überwinden, indem wir ihre Schwächen aufheben. Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): Die heutige Beratung des SPD-Antrags zur Sicherung und Fortentwicklung des KSE-Vertrages gibt Gelegenheit, das bisher in der konventionellen Abrüstung Erreichte zu würdigen. Auch das große Engagement der Bundesregierung, insbesondere unserer Außenminister Genscher und Kinkel, will ich ausdrücklich hervorheben. Der KSE- Vertrag ist ein Eckpfeiler europäischer Sicherheit. Die gemeinsame Beratungsgruppe als zuständiges Gremium hat zum Stichtag 17. November 1995 festgestellt, daß keinem Partner Vertragsverletzungen vorgeworfen werden können. Es gibt allerdings Implementierungsdefizite bei einzelnen. Die beruhen, wie wir alle wissen, auf internen Problemen und Auseinandersetzungen. Die im KSE-Vertrag eingegangenen Selbstverpflichtungen - vom jährlichen Informationsaustausch über Vor-Ort-Inspektionen bis hin zu regionalen Stationierungsbeschränkungen - wurden im wesentlichen erfüllt. Insbesondere die eingegangene Verpflichtung zur Reduzierung von nahezu 50 000 Einheiten bei den Hauptwaffensystemen ist fast völlig abgeschlossen. Europa ist dadurch sicherer geworden. Ein Hauptziel des KSE-Vertrages - Überraschungsangriffe oder große militärische Offensivoperationen in Europa möglichst auszuschließen - ist erreicht worden, und zwar mit politischen Mitteln. Dies ist ein großer Sieg unserer Politik. Ein besonderes Lob verdient die Bundeswehr, die sofort im August 1992 mit der Umsetzung der im KSE-Vertrag eingegangenen Verpflichtungen begonnen hat und sie im Mai dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen hat. Damit hat sie ihr Vertragsziel sechs Monate früher als gefordert erfüllt. Dies ist eine enorme Leistung. Denn Deutschland hatte durch die Übernahme des ehemaligen NVA-Materials hinter Rußland die zweithöchste Reduzierungsverpflichtung. Wir wollen das bisher Erreichte sichern. Ziel der Überprüfungskonferenz im Mai 1996 ist eine Bestandsaufnahme. Darüber hinaus sollen die Wirkungsweise des KSE-Vertrages verbessert und Anpassungen vorgenommen werden, um die Lebensfähigkeit des KSE-Regimes auch zukünftig zu sichern. Die SPD fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, weitere Reduzierungsmöglichkeiten bei den vertragsrelevanten Hauptwaffensystemen aufzuzeigen. Dabei wird offensichtlich die Gefahr unterschätzt, die von Änderungen des bestehenden Vertrages ausgehen kann. Jede Vertragsänderung macht eine Neuratifizierung durch alle 30 Vertragsstaaten erforderlich. Dies birgt das Risiko eines Scheiterns des KSE-Vertrages in sich. Ein solches Risiko dürfen wir auf keinen Fall eingehen. Wir wollen auf dem bisher erfolgreichen Weg der Abrüstung Schritt für Schritt weitergehen. Die von der SPD angesprochene Einbeziehung von Seestreitkräften in das KSE-Regime ist zwar wünschenswert, aber aus den zuvor genannten Gründen nicht realistisch. Noch steht die Abrüstung auf schwankendem Boden, vor allem ihre Umsetzung. Trotz der bisher erreichten Abrüstungserfolge besteht kein Anlaß zu einer Abrüstungs-Euphorie. Weder START II noch das CWÜ sind bisher ratifiziert worden. Wir verstehen, daß die im KSE-Vertrag festgelegten regionalen Beschränkungen nicht den heutigen sicherheitspolitischen Bedürfnissen Rußlands entsprechen. Die F.D.P. unterstützt die Bemühungen, zu einer einvernehmlichen Flankenschutzregelung für Rußland zu kommen. Es ist sinnvoll, den Vertrag bei regionalen Stationierungsbegrenzungen den aktuellen politischen Realitäten anzupassen. Es müssen aber Einzelfallentscheidungen bleiben. Keinesfalls darf die völkerrechtliche Verbindlichkeit des Vertrages in Frage gestellt werden. Deutschland hat größtes Interesse, den Abrüstungs- und Rüstungskontrollprozeß in Europa weiter voranzutreiben. Deshalb arbeitet die Bundesregierung engagiert an der Umsetzung der im Budapester Dokument 1994 enthaltenen Beschlüsse mit. Darüber hinaus beteiligen wir uns im OSZE-Forum intensiv an der Erstellung eines Rüstungskontrollrahmens. Auf dieser Grundlage können dann weitere Rüstungskontrollmaßnahmen aufgebaut werden. Wir wollen der Abrüstung sowie der Vertrauens- und Sicherheitsbildung neue Impulse geben. Zusammenfassend darf ich feststellen: Der KSE-Vertrag hat die Sicherheit in Europa entscheidend verbessert. Wir wollen das Vertragswerk voll ausschöpfen. Der KSE-Vertrag darf keinesfalls gefährdet werden. Deshalb werden wir dem vorliegenden SPD- Antrag nicht zustimmen und beantragen Überweisung an die zuständigen Ausschüsse. Gerhard Zwerenz (PDS): Wir unterstützen das Anliegen der SPD-Kolleginnen und Kollegen, von der Bundesregierung Antworten zu fordern, wie der konventionelle Abrüstungsprozeß in Europa weitergehen soll. Wir werden noch weitergehen und diesem Hause neue Abrüstungsvorschläge unterbreiten. Denn auch nach der Umsetzung des KSE-Vertrages ist die Lage - zum Teil entgegen der öffentlichen Wahrnehmung - alles andere als rosig. Erstens. Es ist sicherlich gut, wenn sich in Europa seit 1989 die Bestände an Großwaffensystemen - auch in Folge des KSE-Vertrages - etwa halbiert haben. Weniger gut ist, daß die Reduzierungen im Bereich der NATO-Staaten - unter dem Strich - fast gegen Null gehen. Die NATO hat die nach dem Vertrag möglichen Aufrüstungsoptionen in den südeuropäischen Ländern, in Griechenland und der Türkei konsequent ausgenutzt. Die US-Army in Europa und die Bundeswehr haben weniger moderne Großwaffen abgebaut; Griechenland und die Türkei haben damit eine kräftige Aufrüstung und Modernisierung ihrer Armeen durchführen können, und dies in einer ausgesprochenen Krisenregion; von der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung mit Hilfe dieser Waffen ganz zu schweigen. Zweitens. Reduzierungen der Waffenbestände und des Militärumfanges wurden nicht zuletzt auf Grund der kritischen Haushaltslage der meisten Staaten in Ost und West vorgenommen. Mittlerweile rühmen sich die NATO-Minister auf ihren Ratstagungen, diesen Trend nunmehr gestoppt zu haben. Die Regierungsfraktionen haben hierzulande gerade einen Rüstungshaushalt verabschiedet, der wieder nach oben weist. Die Weichen für eine neue Aufrüstungsrunde sind gestellt. Drittens. Es wird gesagt, nach den vorausgegangenen Umbrüchen und Einschränkungen müsse jetzt erst einmal Ruhe an der „Abrüstungsfront" einkehren. Dies ist ein fadenscheiniger Vorwand. Im OSZE- Forum für Sicherheitspartnerschaft wurden in den zurückliegenden drei Jahren diesbezügliche Erfahrungen gesammelt: Vergeblich wurde eine bescheidene Ausdehnung der bisher erreichten Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge auf den Raum von Vancouver bis Wladiwostok versucht. Dies zeigt eines: Es fehlt an der Bereitschaft, weiter abzurüsten! Man braucht sich doch nur umzuhören. Abrüstung ist bei fast allen Regierungen derzeit kein Thema. Viertens. Worum es wirklich geht, hat die NATO schon 1992 bei den Verhandlungen um das Mandat dieses OSZE-Forums offengelegt: Vorrang habe die geplante Umrüstung der Streitkräfte. Im Klartext: der Aufbau schneller Eingreiftruppen Zur Erinnerung: Beim KSE-Vertrag war es ausgemachtes Verhandlungsziel, die „Angriffsfähigkeit" der Streitkräfte abzubauen und schließlich ganz abzuschaffen. Davon ist heute keine Rede mehr. Im Gegenteil! Wer weltweit militärisch intervenieren will, der braucht eben den Ausbau offensiv ausgerichteter Rüstung. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Die Bundeswehr will neue Jagdflugzeuge, neue Panzerhaubitzen, neue Hubschrauber, neue Fregatten und U-Boote, Spionagesatelliten, Raketenabwehrsysteme. Die Liste der Beschaffungsvorhaben ist endlos. Neue Abrüstungsverhandlungen werden da nur als störend empfunden. Fünftens. Es gibt auch aus einem weiteren Grund Anlaß zu größter Besorgnis. Für den KSE-Vertrag bestimmend war das Prinzip der Parität zwischen den beiden Militärblöcken. „Wer mehr hat, muß mehr abrüsten", war damals ein geflügeltes Wort. Wenn sich die NATO nun nach Osten ausdehnen würde, würden die Grundlagen des KSE-Vertrages ausgehebelt. Es wäre nur logisch, wenn Rußland die NATO-Erweiterung als Aufforderung zu neuen, erheblichen Rüstungsanstrengungen verstehen würde. Ein neuer Rüstungswettlauf wäre vorprogrammiert. Auch dies ist ein Beleg dafür, wie unverantwortlich gegenwärtig Sicherheitspolitik betrieben wird. Oder wollen Sie die NATO-Erweiterung mit drastischen Rüstungsreduzierungen, nun endlich auf westlicher Seite, kombinieren? Auf die Vorschläge der Bundesregierung dürfen wir gespannt sein. Aus der gesamten, eher düsteren Lage folgt: Gerade jetzt wäre es erforderlich, daß die Bundesregierung aus dem alten, bornierten Rüstungstrott ausbräche und in Sachen Abrüstung initiativ würde. Die Bundesrepublik Deutschland könnte hier internationale Verantwortung übernehmen. Sie könnte vorangehen, wenn es darum geht, mit dem Unfug immer neuer, immer „effizienterer" Rüstungsbeschaffungen Schluß zu machen. Dies wäre vernünftige und weitsichtige Politik. Aber von dieser Regierung ist in dieser Hinsicht leider nichts zu erwarten. Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Bundesregierung weiß sich mit den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien darin einig, daß der KSE-Vertrag der Eckstein der europäischen Sicherheit ist und zukünftig bleiben muß. Die europäische Staatengemeinschaft hat mit diesem weitreichendsten und umfassendsten Abkommen der Abrüstungsgeschichte militärische Machtmittel unter die Macht der politischen Verantwortung gestellt. Vor diesem Hintergrund hat Bundesaußenminister Kinkel den 17. November, den Stichtag der Imple- mentierung des KSE-Vertrags, als ein Erfolgsdatum kooperativer Sicherheitspolitik in Europa bezeichnet. Präzedenzlose Reduzierungen von fast 50 000 schweren Waffensystemen zwischen Atlantik und Ural haben zusammen mit dem im Vertragsraum entstandenen umfassenden und intrusiven Informations- und Kontrollsystem dazu geführt, daß die entscheidenden Stabilitätsziele des KSE-Vertrags erreicht werden konnten. Strategische Überraschungsangriffe und breit angelegte Offensivhandlungen sind in Europa praktisch unmöglich geworden. Deutschland hat hierzu durch eine vorzeitige Erfüllung seiner umfangreichen Reduzierungsverpflichtungen, mit 8 500 Waffensystemen die zweithöchsten hinter Rußland, verantwortungsbewußt beigetragen. Zugleich teilt die Bundesregierung die Sorgen innerhalb der KSE-Vertragsgemeinschaft angesichts bestehender Implementierungsmängel. Vorrangig ist insbesondere die Lösung der sogenannten Flankenproblematik, und zwar vertragskonform und im Konsens aller Vertragspartner. Vertragsverpflichtungen dürfen jetzt nicht relativiert werden. Dies gilt vor allem für Reduzierungsverpflichtungen, denen einige Staaten noch nicht voll nachgekommen sind, aber auch für die erreichte Verifikationskultur. Daher stellt die Bundesregierung mit Befriedigung fest, daß sich die 30 KSE-Vertragspartner in Wien am 17. November in einer gemeinsamen Entscheidung erneut zu den Zielen des Vertrags bekannt haben und seine Integrität wahren wollen. Der KSE-Vertrag ist seit seiner Unterzeichnung 1990 von allen beteiligten Staaten als Anker europäischer Stabilität genutzt und entsprechend umsichtig angepaßt worden. Die Überprüfungskonferenz dient in erster Linie der Überprüfung der im Vertragsgebiet erreichten Reduzierungen und der neuartigen Verifikationskultur. Dabei werden gewiß auch Fragen von Zukunftsbedeutung aufkommen. Sie sollten jedoch nach Ansicht der Bundesregierung unter Nutzung der vertraglichen Bestimmungen besser anschließend sachgerecht in den vom Vertrag vorgesehenen Gremien und Konferenzen weiterbehandelt werden. Neben Aspekten der technischen Verbesserung des Verifikationsregimes ist zweifellos mit weiteren Änderungsinitiativen seitens verschiedener Vertragspartner zu rechnen. Änderungsinitiativen dürfen keine Erosionsgefahren für den Vertrag aufwerfen. Sie müssen vor allem gegenüber dem Risiko eines ungewissen Ausgangs notwendiger zusätzlicher Ratifizierungen in 30 Partnerstaaten abgewogen werden. Wenn wir auf den europäischen Wahlkalender schauen, ist derzeit nicht in allen Fällen gewiß, daß die im Deutschen Bundestag überwiegend herrschende positive Einschätzung des KSE-Vertrags dort von neuen Parlamenten ebenfalls geteilt werden wird. Weder wir noch die anderen europäischen Staaten können ein Interesse an Erosionen dieses Vertrags haben. Oberstes Ziel bei der Überprüfungskonferenz muß es deshalb für uns sein, die Integrität des KSE-Vertrags zu erhalten und Anpassungen dort vorzunehmen, wo seine Wirksamkeit zusätzlich gesichert werden kann. Die Bundesregierung ist zugleich der Auffassung, daß es im nationalen und europäischen Interesse ist, den Abrüstungs- und Rüstungskontrollprozeß in Europa überall dort fortzusetzen, wo dies zu einem Zugewinn an Stabilität führt. Die Bundesregierung beteiligt sich deshalb engagiert an der Umsetzung der vom Budapester OSZE- Gipfel 1994 festgelegten Beschlüsse. Entsprechend arbeitet sie im OSZE-Forum für Sicherheitskooperation intensiv an einem Rüstungskontrollrahmen mit, der Abrüstung sowie Vertrauens- und Sicherheitsbildung neue Impulse verleihen soll. Die Bundesregierung ist bereit, auch aus dem Parlament weiterhin zu nutzen, um ihre Politik zur Sicherung der Integrität des KSE-Vertrages zu verdeutlichen. Diese Politik ist Teil unseres Mitwirkens beim Aufbau kooperativer Sicherheitsstrukturen für ganz Europa. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Paul Laufs auf die Fragen der Abgeordneten Gabriele Iwersen (SPD) (Drucksache 13/3093 Fragen 1 und 2): Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Deutsche Post AG ihre Anteile an der Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbau Gesellschaft mbH veräußern will? Ist die Bundesregierung bereit, ihre Anteile an der Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbau Gesellschaft mbH aufzuteilen und den örtlichen ehemaligen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften zum Kauf anzubieten? Zu Frage 1: Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Deutsche Post AG angesichts dessen, daß der Mehrheitsbeteiligte Bund seine Anteile an der Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbaugesellschaft mbH - genannt Deutschbau - veräußern will, ebenfalls ihre Bereitschaft erklärt hat, gemeinsam mit dem Bund eine Lösung zur Veräußerung dieser Gesellschaft, an der die Deutsche Post AG einen Anteil von 42 Prozent hat, anzustreben. Zu Frage 2: Bei einem entsprechenden konkurrenzfähigen und seriösen Angebot von örtlichen ehemaligen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften werden auch diese in die Überlegungen zu Veräußerung der Deutschbau einbezogen.
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    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind alle gespannt, Herr Kollege Gerhardt, auf die programmatische Klarheit der F.D.P.-Fraktion in Sachen Lauschangriff.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Ich finde, ehrlich gesagt, Ihre Ansicht absurd, die Einhaltung des Völkerrechts sei durch militärisches Engagement zu gewährleisten. Da sollten Sie doch einige Nachhilfestunden in Sachen Grundlagen des Völkerrechts nehmen.
    Ich bedauere es sehr, daß heute hier nicht zunächst einmal eine Debatte ausschließlich zu den zivilen Anforderungen im Friedensprozeß im ehemaligen Jugoslawien stattfindet.

    (Beifall bei der PDS)

    Das haben wir der Bundesregierung zu verdanken, die heute einen Antrag mit in die Debatte einbringt, der sich wieder einmal mit dem Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO-Truppen beschäftigt. Ich komme zum Schluß darauf zurück und möchte zunächst auf das Abkommen von Dayton eingehen.
    Auch wir begrüßen es, daß die Waffen schweigen und daß dieses Abkommen zumindest eine Chance für eine friedliche Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien bedeuten kann. Skepsis gegenüber einzelnen Regelungen des Abkommens darf wirklich nur davon geleitet sein, bessere Vorschläge, eine sicherere Gewährleistung der Abwesenheit von Krieg zu ermöglichen als Voraussetzung für eine soziale, ökonomische, kulturelle und politische Perspektive der Menschen in diesem kriegsgeschüttelten Land.
    Zweifellos gibt es auch in diesem Abkommen einige Punkte, die zu Sorge, zu Skepsis und auch zu berechtigter Kritik Anlaß geben. Das betrifft nicht nur die komplizierte Verfassungskonstitution für Bosnien-Herzegowina, eine faktische Teilung eines formal ungeteilten Staates. Es stellt sich auch hier die Frage: Wie kann gewährleistet werden, daß nach wie vor vorhandenes Konfliktpotential nicht wieder gewalttätig gegeneinander losgeht? Es ist bedauerlich, daß von einem wirklichen Zusammenleben der Völker zunächst einmal, was die verfassungsrechtliche Konzeption anbelangt, so jedenfalls nicht die Rede sein kann.
    Es gibt eine ganze Reihe anderer Punkte, an deren Umsetzbarkeit Zweifel angebracht sind. Allerdings bin ich der Meinung, daß es nun darauf ankommt, die Menschen in Bosnien-Herzegowina so zu unterstützen, daß sie in die Lage versetzt werden, ihren eigenen Weg zu gehen. Wir wünschen ihnen, daß sie Krieg propagierenden nationalistischen Führern den Boden entziehen, ihnen keine Chance für politische Einflußnahme geben. Wir wünschen ihnen aber auch, daß sie sich frei machen können von äußeren Einflüssen, die nicht ausschließlich von der Unterstützung des Friedensprozesses, sondern unter Umständen auch von der Verfolgung eigennütziger Nationalinteressen geleitet sind. Hier gab es in der Vergangenheit eine Reihe negativer Beispiele.
    Ich will auf eine spezielle Regelung des Abkommens von Dayton eingehen, die mir die meisten Probleme zu schaffen scheint. Sie wird als „Rüstungskontrolle" bezeichnet. Herr Außenminister Kinkel ist hierauf eingegangen, und ich glaube, es ist einigermaßen bezeichnend, daß die Regierungskoalition zu seinen diesbezüglichen Ausführungen nicht sonderlich klatschen konnte.
    Wenn nämlich nun in Verhandlungen Obergrenzen für schwere Waffen für die Armee in BosnienHerzegowina festgelegt werden sollen, ist doch klar, daß offenkundig die Waffenarsenale jetzt noch nicht erreicht sind, sondern daß man Grenzen festlegen will, die neu aufgefüllt werden sollen. Das allerdings erscheint mir wirklich absurd. Was Bosnien-Herzegowina braucht, sind nicht Waffen, sondern sind Frieden und ziviles Engagement.

    (Beifall bei der PDS)

    In diesem Kontext überrascht auch nicht die Aufhebung des Waffenembargos. Aus unserer Sicht ist diese Aufhebung abzulehnen.
    Die problematischste Angelegenheit in diesem Punkt ist für mich aber, daß ausgerechnet die Bundesrepublik zum Ort der Konferenz über Rüstungskontrolle wird. Ein Land, das auf Platz 2 der Liste der waffenexportierenden Staaten weltweit steht, ist mei-

    Andrea Lederer
    nes Erachtens denkbar ungeeignet, ausgerechnet solche Regelungen zu treffen.

    (Beifall bei der PDS)

    Das nennt man den Bock zum Gärtner machen.
    Dringend erforderlich - hierauf ist auch schon eingegangen worden - sind Regelungen, die die kroatische Regierung binden, denn auch den Flüchtlingen, die aus der Krajina und auch aus anderen Orten Kroatiens vertrieben wurden, muß die Rückkehr ermöglicht, eine Entschädigung für verlorenes Eigentum gewährleistet werden. Hier ist entsprechender Druck auf die kroatische Regierung möglich, der nicht deshalb geringer sein darf, weil man möglicherweise hier wirtschaftliche Beziehungen knüpfen will. Ich sage das bewußt in Anspielung auf die Debatten zum Thema wirtschaftliche Interessen und Menschenrechte in der vergangenen Woche.
    Darüber hinaus mißfallen mir, ehrlich gesagt, manche Töne bei der Erörterung der Frage der Rückkehr von Flüchtlingen. Wenn hier wiederum betont wird, wie viel der Aufenthalt dieser Flüchtlinge in der Bundesrepublik kostet, dann meine ich, daß solche Argumente in dieser Debatte nichts zu suchen haben.

    (Beifall bei der PDS)

    Es kann wohl kaum darum gehen, wiederum aus kostenminimierenden Gründen möglichst bald eine Rückkehr, womöglich noch zwangsweise, ins Auge zu fassen; es muß wohl darum gehen, den Menschen eine Perspektive, die ihr Leben dort lebenswert macht, zu eröffnen

    (Siegfried Hornung und sie dann zu fragen, ob sie freiwillig zurückkehren wollen. Ich komme nun zu der Überwachung des Friedensabkommens und möchte zunächst auf die Tatsache eingehen, daß die Überwachung nicht den Vereinten Nationen, sondern der NATO übertragen wird. (Freimut Duve [SPD]: Durch die Vereinten Nationen!)

    - Herr Kollege Duve, das, was die UNO machen soll, ist, im Sicherheitsrat einen Beschluß zu fassen, und dann hat sich das Ganze auch und ist eine NATO- Aktion. Darüber werden wir sicherlich auch morgen in den Ausschüssen noch diskutieren.
    Die NATO ist nicht etwa hilfreich humanitär eingesprungen, wie zum Teil hier von der Regierungskoalition suggeriert werden soll. Vielmehr war es von den NATO-Staaten und da insbesondere denjenigen, die auch ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat sind, von Anfang an gewollt und beabsichtigt, die NATO vor die UNO zu schieben, die NATO also eigentlich jetzt mit einer klassischen UN-Aufgabe, nämlich der Überwachung eines Friedensabkommens im Einverständnis mit allen Konfliktparteien, unparteiisch und rein defensiv zu betrauen.

    (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Da war Rußland doch auch dabei!)

    Zweck des Ganzen ist, das Gewicht der NATO gegenüber und zu Lasten der UNO zu verstärken, und ich komme gleich, Herr Irmer, auf die Beteiligung Rußlands zu sprechen.
    Das ist die konsequente Fortsetzung einer Politik, die bevorzugt auf einen Militärpakt setzt.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS Zuruf von der CDU/CSU)

    Die UN werden bewußt desavouiert, diskreditiert, und ihnen werden die Mittel entzogen und vorenthalten, um rein defensiv und durch zivile Aktivitäten solche Aufgaben zu übernehmen.
    Wenn Sie nun auch noch die Verabredung mit Rußland für die Ausdehnung der NATO gen Osten heranziehen wollen, um hier eine Perspektive aufzumachen, dann stelle ich fest: Mit diesen Äußerungen brüskieren Sie Rußland erneut, und zwar genau in einer Art und Weise, bei der Sie - und das nicht etwa nur von Vertretern der Kommunistischen Partei Rußlands, sondern durch die Bank - immer wieder zu hören bekommen, daß Rußland eine solche Interpretation als bedrohlich, eine solche Ausdehnung der NATO gen Osten als bedrohlich empfindet.

    (Zuruf von der F.D.P.: Darum geht es doch überhaupt nicht!)

    Rußland kann wohl kaum in Fragen der europäischen Sicherheitsarchitektur ein Stellvertreterplatz angeboten werden. Rußland muß dann gleichberechtigt beteiligt werden.
    Die NATO ist ein Militärpakt, und ihren Truppen robustes Eingreifen zuzugestehen, soll vielleicht beruhigen, kann es aber nicht. Herr Kollege Seiters hat hier dankenswert offen mitgeteilt: Es handelt sich um einen Kampfeinsatz, Kampfeinsätze sind eingeschlossen zur Durchsetzung des Abkommens, sie sind mit Bestandteil des Auftrages der Vorbereitung und des Selbstverständnisses dieser Truppen, und wir bezweifeln, ob das dem Frieden dienlich ist.
    Nun zur Beteiligung der Bundeswehr. Wir lehnen diese ab. Die Argumente, die auf die historische Verantwortung Deutschlands verweisen, sind nach wie vor gültig. Deutsche Soldaten haben auf dem Balkan nichts zu suchen.

    (Beifall bei der PDS)

    Die Bundeswehr hat bei Auslandseinsätzen nichts zu suchen, egal unter welchen Helmen.
    Ich möchte zum Schluß, weil leider die letzten zweieinhalb Minuten unserer Redezeit noch einmal geteilt werden müssen, noch kurz auf das Vorgehen der SPD eingehen.
    Ich halte die Unterscheidung zwischen Tornadoeinsätzen und der sonstigen Bejahung von Bundeswehreinsätzen für ziemlich technizistisch, ehrlich gesagt. Ich halte da die Diskussion bei den Grünen für einigermaßen ehrlicher.
    Erklären Sie mir doch bitte eines: Heute wollen Sie hier einen Entschließungsantrag beschließen, in dem Sie Tornadoeinsätze und Kampfaufträge ablehnen,



    Andrea Lederer
    und morgen im Ausschuß und nächste Woche im Plenum wollen Sie mehrheitlich der Regierungsvorlage zustimmen, die genau das einschließt.
    Wenn also jetzt eine Wählerin unbedingt einen Bundeswehreinsatz mit Tornadoeinsatz will, dann muß sie CDU wählen. Da kann sie ganz sicher sein, daß sie das und noch viel mehr bekommt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da liegt sie immer richtig!)

    Wenn sie das nicht unbedingt will, dann muß sie die PDS wählen, weil sie dann sicher sein kann, daß sie es nicht bekommt.

    (Beifall bei der PDS)

    Was macht aber beispielsweise eine überzeugte Sozialdemokratin, die einen Bundeswehreinsatz nicht will? Und was macht eine überzeugte Sozialdemokratin, die einen Bundeswehreinsatz will? Sie kann zumindest die Partei, die sie eigentlich wählen will, nicht wählen, weil sie nicht weiß, was Sache ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Entscheiden Sie sich doch bitte über Nacht, wenn es geht, oder bis nächste Woche für ein klares Nein zu Bundeswehreinsätzen auf dem Balkan. Sie haben zu Recht immer Argumente dafür angeführt. Sie wissen genau, daß das der falsche Weg, ein falsches Signal ist. Überlegen Sie sich, wie Sie diese Wirrnisse aufklären.
    Ich danke für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat jetzt der Bundesminister für Verteidigung, Volker Rühe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ein weiter Weg von den unbestreitbaren Grausamkeiten und Verbrechen im Krieg im ehemaligen Jugoslawien bis hin zum Friedensschluß von Dayton.
    Der Kollege Verheugen hat recht: Wir dürfen die Bilder der Menschen im Krieg nicht vergessen. Ich glaube, wir werden sie auch nicht vergessen, wenn ich an die schrecklichen Massaker auf dem Marktplatz von Sarajevo denke oder daran, daß an einem Sommerabend 50 junge Menschen um die 20 Jahre in einem Straßencafe in Tuzla von einer Sekunde auf die andere ausgelöscht wurden. Sie wollten nur, wie die jungen Menschen in unseren Städten, eine freie Stunde haben. Zehnjährige Jungs in Sarajevo, die im Winter wenigstens eine Stunde den Krieg vergessen wollten und versuchten, von den Trümmerbergen Schlitten zu fahren, wurden von serbischen Heckenschützen erschossen. Wir kennen auch noch die Massaker von Srebrenica. Ich glaube, wir werden das nicht vergessen. Wir haben noch einen schwierigen Weg vor uns. Aber daß diese Bilder der Vergangenheit angehören, ist ein großer Erfolg. Die Wende war nur möglich, weil wir die Logik des Schlachtfeldes durchbrochen haben, weil wir eine rote Linie gezogen haben, weil wir nicht mehr bereit waren, all dieses hinzunehmen. Dieses war nur durch den Einsatz von Soldaten möglich. Das dürfen wir nie vergessen.
    Es ist hier viel über die große Leistung der Vereinigten Staaten von Amerika gesagt worden. Das ist richtig. Aber ich möchte daran erinnern, daß im Mai dieses Jahres die UNO-Mission vor dem Scheitern stand. Die UNO-Soldaten waren angekettet an Brükken, an militärische Objekte. Der französische Präsident Chirac stand vor der Entscheidung, alle Soldaten abzuziehen. Viele haben ihm zu dieser Entscheidung geraten und gesagt: Mach das und heb das Waffenembargo auf. Er hat dann entschieden: Unsere Soldaten bleiben, aber sie werden von der Schnellen Eingreiftruppe geschützt. Ich bin stolz darauf, daß wir am 30. Juni den Beschluß gefaßt haben, Frankreich zu unterstützen. Das war der Beginn der Wende.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    50 französische Soldaten sind gestorben. In Wirklichkeit sind sie als europäische Soldaten gestorben, auch für uns. Das dürfen wir nie vergessen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die NATO hat sich danach aus den Fesseln widersprüchlicher UN-Mandate befreit, und schließlich haben die Vereinigten Staaten ihr ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen. Es ist Warren Christopher und Richard Holbrooke zu Recht gedankt worden. Ich möchte noch jemanden anderen nennen: Joseph Kruzel, den engsten Mitarbeiter meines Freundes, des amerikanischen Verteidigungsministers. Herr Scharping und andere kennen ihn auch. Er ist mit anderen amerikanischen Diplomaten und Soldaten im September dafür gestorben, als man begann, die Grundlagen für dieses Friedenswerk zu schaffen. Deswegen sollten wir gerade auch ihn in einer solchen Stunde nicht vergessen und ihm und allen danken, die ihr Leben für diesen Friedensprozeß gegeben haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Amerikanische Truppen sind unverzichtbar für den Erfolg. Ich bin dankbar, daß auf allen Seiten des Hauses begriffen wurde, daß ein schneller Beschluß des Deutschen Bundestages diesmal sein Gewicht in Washington haben wird. Wer hätte gedacht, daß der Bundestag einmal ein Teil der Lösung wird und nicht ein Teil des Problems, was wir lange gewesen sind?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wichtig ist aber auch, daß sich Rußland beteiligt. Vorgestern haben wir mit dem russischen Verteidigungsminister Gratschow eine praktikable Vereinbarung erzielt. Sie ermöglicht, daß Rußland politisch und militärisch an der NATO-Operation zur Absicherung des Friedens beteiligt wird. Diese Vereinbarung schafft einen völlig neuen Konsultationsmechanismus.

    Bundesminister Volker Rühe
    Liebe Frau Lederer: Das einzige, was ich sagen möchte: Wenn der Herr Gratschow und Rußland zufrieden sind, sollten auch Sie mit dieser Vereinbarung zufrieden sein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Bedeutung dieser Vereinbarung geht weit über die Absicherung des Friedens in Bosnien hinaus. Sie gibt der Partnerschaft zwischen einer neuen NATO und Rußland praktischen Inhalt. Konkrete und erfolgreiche Zusammenarbeit entzieht altem Denken in Moskau die Grundlage, das es ja noch gibt. Für viele dort ist die NATO noch ein Begriff aus der Zeit des Kalten Krieges. Die politische Führung tut auch zuwenig, um zu erläutern, daß wir es längst mit einer neuen NATO zu tun haben. Aber darauf sind wir in der Zukunft nicht mehr angewiesen. Die Bürger in Rußland werden sehen, wie die Soldaten der NATO und die russischen Soldaten zusammenwirken, gemeinsam handeln. Gemeinsam müssen wir den Erfolg in Jugoslawien suchen, und das ist ein riesiger Fortschritt, auch für die europäische Sicherheitsstruktur.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Dynamik des Friedensprozesses muß jetzt aufrechterhalten werden. Für die Region ist rasch ein Zeichen zu setzen, daß die Staatengemeinschaft bereit ist, den Frieden militärisch abzusichern. Deshalb verlegt die NATO Hauptquartiere und Führungskräfte sehr rasch in die Region. Zugleich werden damit die Voraussetzungen geschaffen, daß die Friedenstruppe wenige Tage nach der Pariser Friedenskonferenz verlegt werden kann.
    Für die Vorausverlegung von Kräften liegen die wesentlichen Bedingungen vor. Die Abkommen mit den betroffenen Ländern zur Stationierung und zum Transit von Truppen zwischen der NATO und den entsprechenden Staaten sind geschlossen. Wir bitten um die Zustimmung des Bundestages sowohl für die Vorausverlegung von Führungskräften und Hauptquartieren als auch für die Entsendung der Hauptkräfte. Das sind wir, denke ich, den Soldaten, die in wenigen Tagen in den Einsatz gehen sollen, schuldig. Die Entsendung der Hauptkräfte erfolgt natürlich erst nach Unterzeichnung des Friedensvertrages, Erteilung eines UN-Mandats und einem entsprechenden Beschluß des NATO-Rats.
    Die Dauer der Operation - das ist gestern noch einmal, nachdem ich auch sehr deutlich darauf hingewirkt habe, in Brüssel von allen NATO-Verteidigungsministern bekräftigt worden - ist auf ein Jahr begrenzt. So sieht es übrigens das Vertragswerk von Dayton auch vor. Das heißt, für das Bündnis gilt: Wir gehen gemeinsam hinein, wir handeln gemeinsam, und wir gehen auch gemeinsam aus dieser Operation wieder heraus.
    In den ersten Monaten muß die Hauptaufgabe der militärischen Operation erledigt sein: die Entflechtung der Truppen, ihre Rückführung hinter die vereinbarten Linien und die Kasernierung der Verbände.
    Anschließend muß sich die Friedenstruppe darauf konzentrieren, ein stabiles und sicheres Umfeld für die politischen Prozesse und die Normalisierung des Lebens zu schaffen. Das kann man gar nicht deutlich genug sagen - Kollege Gerhardt und andere haben das gesagt -: Das ist zwar eine militärische Operation, aber doch nicht für militärische Ziele, sondern für zivile Ziele, für politische Ziele, damit der Wiederaufbau beginnen kann, damit dort gewählt werden kann, damit die Flüchtlinge zurückkehren können. Wie kann man da von einer Militarisierung sprechen? Es sind militärische Mittel, um zivile und politische Ziele zu erreichen, die wir alle anstreben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aber man muß auch sagen, daß die Anwesenheit dieser Truppen begrenzt werden muß. Am Anfang muß der Frieden von außen kommen. Aber dann muß er auch von innen kommen, und die politischen und sonstigen Eliten dieser Länder müssen bereit sein, wieder zusammenzuleben. Darauf kommt es letztlich an. Das kann nicht auf Dauer durch fremde Soldaten abgesichert werden.
    Deswegen darf die Mission der NATO nicht ausfasern. Wir dürfen keine Aufgaben annehmen, die aus gutem Grund in den zivilen Strukturen angesiedelt werden. Deswegen ist es wichtig, und ich denke, da sind wir uns alle einig, daß mit der Londoner Konferenz jetzt auch mit Nachdruck der zivile Aufbau vorangetrieben wird.
    Zugleich mit der Entsendung bewaffneter Kräfte zur Absicherung des Friedens erfolgt das politische Signal zur Abrüstung. Das ist ein Vorstoß des deutschen Außenministers, wofür er, glaube ich, alle Unterstützung verdient. Wir haben festgestellt, daß das am Anfang unter „ferner liefen" behandelt wurde. Ich darf sagen, daß das gestern bei der Sitzung der Verteidigungsminister in Brüssel ganz oben auf der Tagesordnung stand, weil jeder gespürt hat, wie wichtig es für das Gelingen dieser Friedensmission ist, daß wir diese Monate nutzen, um zu einer Abrüstung zu gelangen. Wir wollen nicht, daß alle auf das serbische Niveau hochrüsten, sondern wir wollen, daß die Serben herunterrüsten auf das Niveau der Muslime, damit es einen verläßlichen Frieden gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Im übrigen ist die effektive Rüstungskontrolle - das wird noch vor Weihnachten in Bonn beginnen, sieben Tage nach der Pariser Konferenz - nicht nur wichtig für das Gelingen der gesamten Mission, sondern auch für die Sicherheit der eigenen Truppen, die wir dort einsetzen.
    Die Chancen für Frieden im früheren Jugoslawien sind günstig. Alle Konfliktparteien haben sich verpflichtet, auf jede feindselige Handlung zu verzichten, ihre Truppen zurückzuziehen, miteinander zu arbeiten und die Friedenstruppe zu unterstützen. Aber natürlich kann und wird es Probleme geben. Wir müssen festhalten: Es geht nicht darum, prinzi-

    Bundesminister Dr. Volker Rühe
    piell einen Frieden gegen die Konfliktparteien durchzusetzen, sondern es geht darum, ihnen zu helfen, den Frieden ins Werk zu setzen, den sie selbst in Dayton unterschrieben haben. Dabei muß jede Parteinahme unterlassen werden. Allen muß klar werden, daß sich die Friedenstruppe strikt darauf konzentriert, die ehemaligen Konfliktparteien zu trennen und den Aufbau friedlicher Strukturen zu sichern.
    Deutschland muß sich nach seinen Möglichkeiten angemessen und solidarisch beteiligen. Aber deutsche Soldaten sollen nicht zwischen den Konfliktparteien eingesetzt werden; daraus ergeben sich Konsequenzen für die Stationierung und die Art der Verbände. Unser Beitrag entspricht dem erklärten Bedarf der Allianz. Transporteinheiten, Pioniere und Sanitäter sind ein knappes Gut. Wir werden helfen, die Friedenstruppe zu unterstützen und zu versorgen. Diese Truppenteile werden in Kroatien stationiert sein, aber auch zeitlich begrenzt in BosnienHerzegowina eingesetzt werden. Solange das Waffenembargo in Kraft bleibt, wird sich die Marine an der Überwachung beteiligen. Wir werden der NATO weiterhin unsere Aufklärungs- und ECR-TornadoFlugzeuge zur Verfügung stellen. Unsere Aufklärungsflugzeuge überwachen die nach dem Friedensvertrag vorgesehenen Truppenbewegungen und die Truppenentflechtungen. Aber neben alldem, was hier sehr richtig gesagt worden ist, möchte ich feststellen: Wir müssen doch unsere eigenen Flugzeuge schützen, übrigens auch unsere Soldaten auf dem Boden, notfalls durch den Einsatz der Luftwaffe, der NATO. Hier spielen die ECR-Tornados eine ganz wichtige Rolle.
    Aber, Herr Scharping - in dem Falle sollte ich vielleicht sogar sagen: Herr Lafontaine -: In dem Friedensvertrag von Dayton können Sie nachlesen, daß vereinbart ist, daß mit dem Friedensschluß alle Raketensysteme abgeschaltet werden, mit denen man Flugzeuge abschießen kann. Jetzt ist es eine entscheidende Aufgabe der ECR-Tornados, dieses zu überwachen. Wenn auch nur ein Raketenabwehrsystem eingeschaltet wird, bedeutet das nicht nur einen kriegerischen Akt, sondern einen Bruch des Friedensvertrages von Dayton,

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Ja!)

    für den schwere Sanktionen vorgesehen sind. Zu diesen Flugzeugen kann man noch sagen: Sie dienen dem Schutz unserer Soldaten, und sie dienen der Durchsetzung des Friedensvertrages von Dayton, damit die tödlichen Raketenabwehrsysteme der Serben nicht eingesetzt werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unsere Transporteinheiten, Pioniere und Sanitäter werden bei ihrem Einsatz wirksam geschützt und gesichert. Deshalb werden Sicherungskräfte mitgeschickt. Aber wir halten uns die Möglichkeit offen, diese Sicherungskräfte angemessen zu verstärken, wenn es die Lage erfordert. Außerdem sind unsere Verbände in die internationale Streitmacht eingebunden und stehen unter dem Schutz von NATO- Kampftruppen. Hier gibt es gelegentlich in Deutschland eine etwas merkwürdige Diskussion. Es wird dort keine deutsche Armee hingeschickt, die alle möglichen Kampfverbände enthält; vielmehr handelt es sich um einen Spezialverband mit einer logistischen Rolle. Wenn wir insgesamt 60 000 deutsche Soldaten dort hätten, wäre dieser Verband genauso als Logistikverband zugeschnitten. Er muß natürlich im Zusammenhang mit den Kampfverbänden der anderen gesehen werden. Das heißt: Wenn er zum Beispiel im Raum der englischen Division tätig wird, dann wirkt er ganz selbstverständlich mit den Kampfverbänden dieser Division zusammen und steht auch unter dem Schutz der Panzer. Deswegen kann ich die Diskussion nicht verstehen, in der versucht wird, uns einzureden, wir müßten diese Spezialtruppe, diese Logistiktruppe, nun auch noch durch eigene deutsche Panzer schützen, so, als ob das organische Zusammenwirken mit den Kampfverbänden, auch mit den Panzerverbänden der Alliierten nicht ausreichen würde. Man muß das im Zusammenhang sehen. Ich hoffe, daß diese törichte Diskussion bald beendet ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Unser Kontingent wird eine Größenordnung von rund 4 000 Soldaten haben. Etwa 70 Prozent werden Berufs- und Zeitsoldaten sein. Wehrdienstleistende können nur teilnehmen, wenn sie sich freiwillig melden. Jeder Vater, jede Mutter eines Wehrpflichtigen kann sicher sein: Kein Wehrpflichtiger in Deutschland wird gegen seinen Willen im früheren Jugoslawien eingesetzt.
    Unser Beitrag hat Gewicht. Das bemißt sich nicht nur nach der Zahl, sondern auch nach der Qualität der militärischen Fähigkeiten. Im Verhältnis zum amerikanischen, britischen und französischen Engagement ist unser Beitrag maßvoll. Wir stehen wahrlich nicht in der Gefahr, mit dem deutschen Einsatz zu übertreiben.
    Wir können und müssen nicht alles machen; aber wir müssen tun, was wir können. Im Bündnis gibt es keine Mehrforderungen. Im Gegenteil - das haben meine Gespräche auch gestern in Brüssel gezeigt -: Unser Beitrag wird als angemessen und als sehr positiv gewürdigt.
    Wer Frieden auf dem Balkan will, der muß auch die Friedenstruppe wollen. Wer den Wiederaufbau eines gequälten Landes will, der muß wollen, daß die Friedenstruppe dafür Sicherheit schafft. Wenn Bosnier, Serben und Kroaten, wenn Rußland, Europa und Amerika, wenn UNO, NATO und die Europäische Union sich zur militärischen Absicherung des Friedens verpflichten, dann kann keiner abseits stehen. Das sollten sogar Sie von der großen Friedensmacht Bündnis 90/Die Grünen begreifen. Sie sind nicht nur isoliert, sondern es gibt überhaupt niemanden auf der ganzen Welt, der nicht zu der Friedenstruppe steht. Wer den Frieden will, wer verhindern will, daß die Bilder des Krieges, an die ich am Beginn meiner Rede noch einmal erinnert habe, wiederkeh-

    Bundesminister Dr. Volker Rühe
    ren, der muß ja sagen zur Friedenstruppe. Alles andere wäre unmoralisch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

    Wenn der Satz „Es kann sehr unmoralisch sein, sich dem Unrecht nicht entgegenzustellen durch den Einsatz von Soldaten" nach den Ereignissen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts - Auschwitz und anderes - jemals eine Bedeutung gehabt hat, dann jetzt, wo es einen Friedensvertrag, eine Friedenstruppe und den geschlossenen internationalen Willen gibt, sich Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen entgegenzustellen. Da heißt es nicht nur, dies politisch zu unterstützen. Alles andere wäre unmoralisch. Es wäre schlicht unmoralisch, sich hier zu verweigern. Das muß man ganz deutlich sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)