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    Plenarprotokoll 13/69 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 69. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. November 1995 Inhalt: Erklärung zu den Menschenrechtsverletzungen der nigerianischen Militärregierung 6031 A Absetzung des Punktes IV d von der Tagesordnung 6031 C Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 6031 D Begrüßung des Außenministers der Schweiz 6095 D Zur Geschäftsordnung Joachim Hörster CDU/CSU 6031 D Ottmar Schreiner SPD 6032 B Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6033 B Ina Albowitz F.D.P.B 6034 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS 6034 D Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593) 6035 B Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Drucksachen 13/2622, 13/2626) Dieter Schanz SPD 6035 C Steffen Kampeter CDU/CSU 6038 D Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6042 D Jürgen Koppelin F.D.P 6045 A Dr. Ludwig Elm PDS 6047 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 6049A Dr. Ludwig Elm PDS (Erklärung nach § 30 GO) 6050D Dr. Peter Glotz SPD 6051 A Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 6053 A Haushaltsgesetz 1996 (Drucksachen 13/2627, 13/2630) . . . . 6057 B Tagesordnungspunkt II: a) Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/ 2601 bis 13/2626, 13/2627, 13/2630) . . 6057 C b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksachen 13/2001, 13/2593, 13/2631) 6057 D Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . . 6058 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 6062 A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6067 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 6070D Dr. Christa Luft PDS 6075 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 6077 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 6082 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 6083 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 6086 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . 6087 D Dr. Peter Glotz SPD 6090 A Dr. Christa Luft PDS (Erklärung nach § 30 GO) 6091 B Joachim Hörster CDU/CSU 6094 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 6095 A Rudolf Seiters CDU/CSU 6095 C Günter Verheugen SPD 6096 A Ulrich Irmer F.D.P 6096 C Dr. Winfried Wolf PDS 6097 A Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 6097 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (zur GO) 6098 D Namentliche Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1996 6091 D Ergebnis 6092 B Namentliche Abstimmung über Drucksache 13/2972 6091 D Ergebnis 6101 C Namentliche Abstimmung über Drucksache 13/2922 6092 A Ergebnis 6099 B Tagesordnungspunkt IV: Abschließende Beratungen ohne Aussprache c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Drucksachen 13/2207, 13/2940) 6104 C Petra Bläss PDS (Erklärung nach § 31 GO) 6104 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung der Arbeitsbedingungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern (Entsendegesetz) (Drucksache 13/2834) 6105 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe (Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz) (Drucksache 13/2898) 6105 C Nächste Sitzung 6105 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6107*A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1996 (Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/2627, 13/2630, [Drucksache 13/29721) 6107*B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 3 (ArbeitslosenhilfeReformgesetz) 6107' C Heinz Schemken CDU/CSU 6107*C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 6108*C Adolf Ostertag SPD 6109* C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6111*B Dr. Gisela Babel F.D.P 6112*B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 6113*A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 6114*A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 6115* D 69. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 3 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 11. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dr. Dobberthien, SPD 10. 11. 95 Marliese Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 10. 11.95 Meißner, Herbert SPD 10. 11. 95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 11. 95 Nickels, Christa BÜNDNIS 10. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Odendahl, Doris SPD 10. 11. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 10. 11.95 90/DIE GRÜNEN Schwanitz, Rolf SPD 10. 11. 95 Steindor, Marina BÜNDNIS 10. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 10. 11. 95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 10. 11. 95 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1996 - Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/2627, 13/2630 - (Drucksache 13/2972) Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unserer Fraktion ist beim Mißbilligungsantrag der SPD auf Drucksache 13/2972 ein Abstimmungsfehler unterlaufen, den ich als Haushaltsobmann auf meine Kappe nehme. Wir haben versehentlich mit Nein gestimmt, obwohl ich in meiner Rede die Zustimmung angekündigt hatte. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 3 (Arbeitslosenhilfe-Reformgestz - AlhiRG) Heinz Schemken (CDU/CSU): In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Arbeitslosenhilfebezieher und die Bezugsdauer erheblich angestiegen. Der mit der Dauer der Arbeitslosigkeit regelmäßig zunehmende Verlust von beruflicher Qualifikation erschwert die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in das Arbeitsleben. Es hat sich ein Sockel von Arbeitslosenhilfebeziehern gebildet, der die Arbeitslosenhilfe nicht nur vorübergehend, sondern immer häufiger mehr als zehn Jahre in Anspruch nimmt. Im geltenden Recht gewährleisten Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe den Schutz vor den finanziellen Folgen der Arbeitslosigkeit. Der vorliegende Gesetzentwuf zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe enthält die im wesentlichen notwendigen strukturellen Änderungen: Erstens. Der Anspruch auf die Arbeitslosenhilfe setzt voraus, daß der Arbeitslose ein Jahr gearbeitet und im Anschluß daran Arbeitslosengeld bezogen hat. Arbeitslose, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, haben den Anspruch auf Sozialhilfe. Diese unterschiedliche Behandlung muß bei einer Langzeitarbeitslosigkeit mehr oder weniger als Zufall gesehen werden. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sind deshalb stärker aufeinander abzustimmen und systemgerechter abzugrenzen. Dieses Ziel könnte durch eine Befristung der Arbeitslosenhilfe erreicht werden. Der Entwurf sieht dies eben nicht vor. Er beruht vielmehr auf der Abwägung, daß es besser ist, durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen langjährigen Arbeitslosen, die auch einen Verlust von beruflicher Qualifikation haben, einen Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Da die Nachfrage nach Arbeitsplätzen das Angebot weit übersteigt, kann dieses Ziel erreicht werden: durch eine Verbesserung der bestehenen Beschäftigungsmöglichkeiten in Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und produktiven Arbeitsförderung, durch Erschließen neuer Beschäftigungsmöglichkeiten, die gegenwärtig z. B. vielfach durch ausländische Saisonarbeitnehmer genutzt werden, dabei mit einer finanziellen Anreizleistung, durch das Angebot von Tätigkeiten und Maßnahmen, die zur Wiedereingliederung oder Verbesserung der Vermittlungsaussichten beitragen und dies durch finanzielle Absicherung und Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe, durch die Beseitigung von bestehenden Hindernissen für den Versuch von Arbeitlosen, ihren Lebensunterhalt durch eine selbständige Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Zweitens. Mit dem geltenden Recht können diese Ansätze nicht verwirklicht werden. Es ist verwaltungsaufwendig und wegen des weiten Beurteilungsspielraums in der Höhe des Arbeitslosengeldes nicht hilfreich. Der Entwurf sieht deshalb vor, daß die Neufestsetzung und Anpassung an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte jährlich erfolgt und an die Stelle der individuellen Neufestsetzung ein pauschaler Ansatz tritt. Drittens. Da die Nachfrage nach Arbeitsplätzen das Angebot übersteigt, kann die Arbeitsbereitschaft von Arbeitslosenhilfebeziehern vielfach nicht überprüft werden. Arbeitslosenhilfe können deshalb auch Personen beziehen, die keine Arbeit suchen. Sie nehmen die Arbeitslosenhilfe mißbräuchlich in Anspruch. Viertens. Die Arbeitslosenhilfe ist eine aus Steuermitteln des Bundes finanzierte staatliche Fürsorgeleistung. Der Arbeitslose erhält sie, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise bestreiten kann. Die Arbeitslosenhilfe soll deshalb ruhen, wenn der Arbeitslose voraussichtlich die Voraussetzungen einer Rente wegen Alters erfüllt, diese aber nicht beantragt. Fünftens. Das geltende Recht bietet dem Ehegatten des Arbeitslosenhilfebeziehers vielfach keinen Anreiz, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, weil das Einkommen bei der Arbeitslosenhilfe angerechnet wird. Wie in der Sozialhilfe soll deshalb durch einen zusätzlichen Freibetrag ein entsprechender finanzieller Anreiz für den Ehegatten geschaffen werden. Sechstens. Der vorliegende Entwurf setzt bei der Reform der Arbeitslosenhilfe folgende Schwerpunkte: Erhöhung des Anteils von Arbeitslosenhilfebeziehern an Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und der produktiven Arbeitsförderung - §§ 242s, 249h AFG -, Einführung von Trainingsmaßnahmen für Arbeitslosenhilfebezieher unter Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe, Erschließung zumutbarer Beschäftigungsmöglichkeiten durch Einführung einer Arbeitnehmerhilfe - über 60 Prozent der Arbeitslosenhilfeempfänger sind unter 45 Jahre alt - Verlängerung der Fristen, innerhalb deren ein Arbeitsloser eine selbständige Tätigkeit ohne Nachteile bei der Arbeitslosenhilfe ausüben kann, Verlängerung der Fristen, innerhalb deren ein Arbeitsloser sein Recht auf Arbeitslosenhilfe nicht verliert, wenn er wegen der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht bedürftig war, pauschalierende und weniger verwaltungsaufwendige jährliche Anpassung des für die Arbeitslosenhilfe maßgeblichen Arbeitsentgelts, Begrenzung der Arbeitslosenhilfe bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslose frühestens eine Altersrente beanspruchen kann. Natürlich wird durch diese Gesetzgebung auch der Bundeshaushalt entlastet; dies ist erforderlich, um Spielräume für arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu schaffen. Birgit Schnieber-Jastram (CDU/CSU): Eines, glaube ich, ist in diesem Hause unstrittig: Die Sozialversicherungssysteme Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe müssen effektiver als bisher miteinander kooperieren und aufeinander abgestimmt werden. Aber diese Forderung ist nur sinnvoll, wenn eine Reform der einzelnen Systeme - eben auch der Arbeitslosenhilfe - akzeptiert wird. Man muß den Mund nicht nur spitzen, sondern auch pfeifen. Die Voraussetzungen des Bezuges dieser Sozialleistung haben sich geändert: Arbeitslosenhilfe ist leider nicht mehr nur eine Übergangsleistung bei einem kurzfristigen Verlust des Arbeitsplatzes, sondern sie wird mehr und mehr zu einer Dauerleistung. Über die Ursachen dieser Entwicklung kann man sich streiten, das Faktum jedoch bleibt bestehen: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen und ihr Verbleib in der Arbeitslosenhilfe nehmen zu. Wie soll die Sozialpolitik auf diese Entwicklung reagieren? Soll weiterhin ein reines Versorgungssystem aufrecht erhalten werden, oder können den Langzeitarbeitslosen, denen in ihrer Gesamtheit hier niemand den Arbeitswillen abspricht, nicht auch Perspektiven auf eine Beschäftigung eröffnet werden? Ich denke, das wäre ein vernünftiger Weg. Ich möchte einige Punkte des Gesetzentwurfes der Koalition besonders hervorheben: So sollen in Zukunft mit geringen Ausnahmen nur noch Langzeitarbeitslose in die Allgemeinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung zugewiesen werden können. Außerdem werden Trainingsmaßnahmen für Arbeitslose eingeführt, die ihnen nicht nur bei der Bewerbung helfen sollen sondern unter Umständen auch ihre Eignung und Begabung für eine neue Tätigkeit aufzeigen, insgesamt ihre „Professionalität" verbessern sollen. Eine weitere geplante Maßnahme, die ich für sinnvoll halte, sind Zuschüsse an jüngere Arbeitslosenhilfeempfänger, die sich für befristete und nicht gerade hoch dotierte Beschäftigungen zur Verfügung stellen. Wer etwa bei der Ernte mitarbeitet, erhält 25 DM täglich als Zuschlag zu seinem Entgelt. Wenn man bedenkt, daß ein beträchtlicher Anteil der Arbeitslosenhilfebezieher zu einer solchen Tätigkeit in der Lage ist, ist dieses Angebot - ich möchte die Freiwilligkeit unterstreichen wünschenswert und erfreulich. Wer in diesem Zusammenhang von „Arbeitsdienst" redet, zeigt nicht nur sein historisches Unverständnis, sondern offenbart auch nationalen Hochmut nach dem Motto: „Ein Deutscher bückt sich nicht vor einer Erdbeere." Hunderttausende ausländischer Arbeitnehmer kennen diese Scheu nicht und sind sich für Erntearbeiten in Deutschland nicht zu schade. Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang an einen Satz von Willy Brandt erinnern, der zutreffend bemerkte, daß das Sozialstaatsangebot „nicht nur Pflichten des Gemeinwesens gegenüber dem Bürger, sondern auch soziale Verpflichtungen der Bürger im Verhältnis zum Staat" beinhaltet. Liebe Kollegen von der SPD, ich interpretiere in dem heutigen Zusammenhang die Worte ihres ExVorsitzenden so: Wer Hilfe vom Gemeinwesen erhält, der soll sich nach seinen Möglichkeiten auch bemühen, diese Hilfe nicht mehr oder in geringerem Umfang zu benötigen. Nur für den Fall, daß Sie mir vorwerfen sollten, ich würde Sie auf alte Kamellen von vorgestern festnageln, möchte ich auf Äußerungen des Hamburger Bürgermeisters, Ihres Parteifreundes Henning Voscherau, hinweisen. Der forderte in einem Interview vor knapp einer Woche die Abschaffung „überkommener Zumutbarkeitsgrenzen" und erklärte, es könne nicht Sache des einzelnen sein, sich zwischen Arbeit und „einem Einkommen aus der Tasche des Steuerzahlers" zu entscheiden. Ist das, liebe Kollegen von der SPD, ein Anschlag auf den Sozialstaat? Ich habe die meines Erachtens positiven Aspekte des vorliegenden Gesetzentwurfes hervorgehoben und möchte nun einige Sätze zu einer Neuregelung sagen, der ich - und auch einige meiner Fraktionskollegen - nicht ganz ohne Bedenken zustimmen kann: Geplant ist, die Minderung der beruflichen Qualifikation dadurch auszugleichen, daß das Bemessungsentgelt um fünf Prozent gekürzt wird, bis der durchschnittliche Tariflohn der untersten Gruppe erreicht ist. Tatsächlich ist eine Kürzung der Arbeitslosenhilfe, die ja im Vergleich zum Arbeitslosengeld bereits reduziert ist, nicht unproblematisch. Dies gilt um so mehr, wenn es sich um eine pauschale Kürzung handelt. Das individuelle Schicksal verliert an Bedeutung, die eigenen Anstrengungen, der Notlage zu entkommen, können nicht gewürdigt werden. Dies begründet auch mein Bedenken gegen die Vorlage. Die Kürzung der Arbeitslosenhilfe nach drei Jahren wegen der Abnahme beruflicher Qualifikation ist ja bekanntlich geltendes Recht; die Durchsetzung wurde wiederholt vom Bundesrechnungshof angemahnt. Es ist aber wichtig, daß ältere Arbeitslose, die nur noch geringe Vermittlungschancen haben, nicht das Gefühl bekommen, bestraft zu werden. Gerade sie müssen im Gegenteil eine besondere Förderung erfahren. Andererseits war eine Regelung, die alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hatte, nur sehr schwer in die Praxis umzusetzen. Bereits bei der alten Regelung endete die Neufestlegung der Arbeitslosenhilfe häufig vor dem Sozialgericht. Eindeutige gesetzliche Regelungen sind hier wohl tatsächlich nötig, um Rechtsklarheit zu erhalten und Ungerechtigkeiten vorzubeugen. Wie gesagt, nicht allen Einzelpunkten der Novellierung stimme ich aus vollem Herzen zu. Ich akzeptiere die aus meiner Sicht problematischen Abschnitte als Notwendigkeit, auf die nicht nur der Sparzwang hinweist. Auch eine Anpassung an den geänderten Charakter der Arbeitslosenhilfe als „Massenleistung" macht eine Reform in der vorgeschlagenen Art nötig. Insofern kann ich den Gesetzentwurf der Koalition als Gesamtpaket mit gutem Gewissen als gelungen bezeichnen. Abschließend möchte ich den Kollegen von der SPD, deren Kriegsgeheul von sozialem Kahlschlag und „menschlicher Sauerei" (Ottmar Schreiner) in den letzten Wochen wieder lauter geworden ist, in Erinnerung rufen: Es sind eure Engel, die den Teufel an die Wand malen. Unter Ihrer Ägide wurden die ersten einschneidenden Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe geplant, nämlich eine Senkung der Arbeitslosenhilfe und eine Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien. Damals, im März 1981, titelte der „Spiegel" sogar: „Sozialleistungen werden eingesammelt". Ihr Parteifreund Hans Matthöfer erklärte, „von einer Phase des Ausbaus sozialer Leistungen" sei nun - 1981 - „in eine Phase gesunden Abwägens von sozialer Sicherung und Eigenverantwortung überzugehen". Was damals richtig war, ist auch heute gültig. Insofern sollten auch die Kollegen von der SPD den vorliegenden Entwurf, der jene Forderung des Abwägens erfüllt, als das sehen, was er ist: Eine Sicherungsmaßnahme im Sozialstaat. Adolf Ostertag (SPD): Heute vor einer Woche hat der Bundesarbeitsminister auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall das „Bündnis für Arbeit" als „bedeutsamen Beitrag" bezeichnet und angeboten: Laßt uns auf dem Boden der Vorschläge von Klaus Zwickel, nicht auf der Höhe abstrakter Diskussionen, sondern im Rahmen ganz konkreter Projekte zusammenarbeiten, wo es geht. Vorgestern hat der Kanzler auch lobende Worte gefunden. Ich bezweifle aber, ob Sie dieses Angebot der IG Metall wirklich gelesen haben und auch ernst nehmen. Wörtlich heißt es da: „Dieses Bündnis verpflichtet die Bundesregierung, die Arbeitgeber und auch uns zur Einhaltung ... Wenn die Bundesregierung verbindlich erklärt, bei der Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes auf die Kürzung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe zu verzichten und die Sozialhilfekriterien nicht zu verschlechtern", nur dann wird es ein „Bündnis für Arbeit" geben. Einen Tag nach diesem Angebot hat das Kabinett unter Leitung des Bundesarbeitsministers den Gesetzentwurf mit dem irreführenden Etikett „Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe" - besser: „Arbeitslosenbekämpfungsgesetz" - beschlossen. Darin stehen genau die Verschlechterungen, die das angebotene „Bündnis für Arbeit" unmöglich machen. Herr Bundesarbeitsminister, was ist mit den „ganz konkreten Projekten" ? Gehört dieser Entwurf dazu? Meine Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt erneut, wie diese Regierung schönfärberisch redet und gleichzeitig eiskalt ihre Politik des sozialen Ausgrenzens weitertreibt. Sie bekämpfen doch die Arbeitslosen statt die Massenarbeitslosigkeit. Sie wälzen die sozialen Risiken einseitig auf die Beitragszahler ab; Sie ruinieren die Finanzen der Gemeinden in unverantwortlicher Weise. Damit hat diese Regierung den Konsens, der für einen Sozialstaat unerläßlich ist, längst verlassen. Und jetzt kommt gleich ein dreifacher Salto zur weiteren Demontage der Arbeitsmarktpolitik: Erstens. Mit den aktuellen Änderungen im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes werden 35 000 Personen aus der originären Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe abgeschoben, und die Arbeitslosigkeit wird weiter kommunalisiert und statistisch verkleinert. Der Bund stiehlt sich aus seiner Verantwortung. Zweitens. Mit den angekündigten Veränderungen im AFG, die den wohlklingenden Namen „Arbeitsförderungs-Reformgesetz" erhalten sollen, wird das Instrumentarium der aktiven Arbeitsmarktpolitik weiter demontiert. Es wird eine Pseudoreform werden, die wieder der Finanzminister diktiert. Drittens. Auch mit dem sogenannten Arbeitslosenhilfe„reform"gesetz, das wir heute beraten müssen, setzt diese Bundesregierung ihre Strategie des Sozialabbaus und der Ausgrenzung konsequent fort. Die Arbeitslosenhilfe soll weiter auf das Sozialhilfeniveau gedrückt werden. Die Ausgliederung aus dem AFG ist der erste Schritt zur generellen Abschaffung. Für viele Arbeitslose und ihre Familien werden diese gesetzgeberischen Untaten zum Salto mortale. Mit Ihren Vorschlägen zur Arbeitslosenhilfe wird sich die finanzielle und soziale Lage der Arbeitslosen verschärfen, von dem psychischen Druck einmal ganz zu schweigen. Erstens. Sie behaupten, mit den vorgeschlagenen Regelungen eine bessere Integration der Arbeitslosenhilfempfänger zu ermöglichen. In Wahrheit geht es Ihnen nur um Kostenverschiebung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht von „Flickschusterei zu Lasten der Kommunen". Die Stadt Frankfurt wird Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einlegen. Das wurde mit den CDU-Stimmen beschlossen. Durch den Gesetzentwurf wollen Sie den Bund in Milliardenhöhe entlasten auf Kosten der Arbeitslosenhilfeempfänger, der Sozialhilfeempfänger sowie der beitragsfinanzierten Arbeitsmarktpolitik. Zweitens. Sie wollen den Anteil von Arbeitslosenhilfebeziehern in Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und der produktiven Arbeitsförderung erhöhen. In diese Maßnahmen dürfen allerdings nur noch Bezieher von Arbeitslosenhilfe einbezogen werden. Diese Maßnahmen werden aus Beitragsmitteln finanziert. Der Bund entlastet sich somit, indem er sich bei den Beitragszahlern „bedient". Darüber hinaus bringt dies auch arbeitsmarktpolitisch nichts, da erst nach einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit die Teilnahme an einer derartigen Maßnahme möglich ist. Statt zügiger Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt wird ein Abgleiten von Arbeitslosengeldempfängern in die Arbeitslosenhilfe programmiert. Drittens. Mit den vorgesehenen Trainingsmaßnahmen bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosenhilfe sollen die Wiedereingliederungschancen verbessert werden. In erster Linie geht es aber darum, die Arbeitsbereitschaft zu testen. Bei einer Verweigerung gibt's Sperrzeit. Damit können die Empfänger von Arbeitslosenhilfe aus dem Leistungsbezug gedrängt werden. Von den Kosten für diese Trainingsmaßnahmen verabschiedet sich der Bund, den Beitragszahlern werden sie aufgehalst. Viertens. Ältere Arbeitslose sollen gezwungen werden, zum frühestmöglichen Termin Rente wegen Alters zu beantragen. Dies würde bei den Betroffenen zu niedrigeren Renten führen, da sich der Zeitraum der Beitragszahlung verkürzt. Falls sich die Bundesregierung mit den von ihr geplanten Abschlägen durchsetzt, würden die Renten noch weiter gekürzt. Fünftens. Die Bundesregierung will das für die Berechnung der Arbeitslosenhilfe maßgebliche Arbeitsentgelt jährlich pauschal um 5 Prozent senken. Als Untergrenze sollen 50 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV festgelegt werden. In Westdeutschland sind das zur Zeit 2 030 DM, in Ostdeutschland 1 645 DM brutto monatlich. Arbeitslosenhilfeempfänger und -empfängerinnen im Westen würden danach wöchentlich 215 DM, im Osten 174 DM (Leistungsklasse C) erhalten. Als Konsequenz ist einmal eine deutlich stärkere Belastung der Sozialhilfe zu erwarten und zum anderen ein verstärkter Druck auf die Arbeitslosen, gering entlohnte Arbeit zu akzeptieren. Sechstens. Eingeführt werden soll eine sogenannte „Arbeitnehmerhilfe" in Höhe von 25 DM täglich. Dadurch leistet die Bundesregierung einem staatlich geförderten Niedriglohnsektor Vorschub. Der Druck auf Arbeitslose, niedrig bezahlte Beschäftigung - möglicherweise unter Tarif - anzunehmen, wird erhöht. Die Tatsache, daß jede Arbeit angenommen werden muß, führt zu einer Dequalifizierung und zu einer Fehlsteuerung von Arbeitskräften. Zusammenfassend heißt das: Diese Bundesregierung zieht sich mit diesem Gesetzentwurf immer weiter von einer sinnvollen Arbeitsmarktpolitik zurück. Die Erwerbslosen werden mehr und mehr zum Sündenbock der Nation gemacht. Die Folgen sind eine weitere Verarmung der Arbeitslosen und eine weiter um sich greifende Kommunalisierung der Massenarbeitslosigkeit. Konkret in Zahlen heißt das: Auf Kosten der Beitragszahler und Kommunen will der Bund seinen Haushalt um insgesamt 3,4 Milliarden DM im Jahr 1996 beziehungsweise 3,8 Milliarden DM in den folgenden Jahren entlasten. Diese Politik steht im krassen Widerspruch zu den ständigen Versprechungen des Bundesarbeitsministers, die Beitragszahler zu entlasten. Seit 13 Jahren könnte diese Regierung was tun - sie redet aber nur und macht das Gegenteil. Ihre Vorschläge zur Arbeitslosenhilfe werden von allen gesellschaftlich wichtigen Gruppen, den Kirchen, den Gewerkschaften, dem Städte- und Gemeindebund, vielen Arbeitgebern und auch vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit abgelehnt. Deshalb fordere ich auch namens der SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung nachdrücklich auf, den Entwurf zurückzuziehen und auch die originäre Arbeitslosenhilfe beizubehalten. Meine Damen und Herren, wir brauchen ein „Bündnis für Arbeit" und ein „Bündnis gegen Arbeitslosigkeit". Im Gegensatz zur Bundesregierung wollen wir Sozialdemokraten, daß die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik produktiv eingesetzt werden und ein einheitliches AFG erhalten bleibt. Ich verweise auf unseren Entwurf eines Arbeits- und Strukturförderungsgesetzes, das wir am 22. Juni des Jahres erstmals beraten haben. Unsere Vorstellungen decken sich mit den Forderungen der Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen und Wissenschaftlern. Meine Damen und Herren, zu Recht wird Klaus Zwickel jetzt viel gelobt. Vorgestern hat der Kanzler aufgefordert, den IG-Metall-Vorsitzenden vollständig zu zitieren. Ich empfehle dem Kanzler, das Grundsatzreferat vollständig zu lesen. Da steht auch: Bundeskanzler Helmut Kohl hat in seiner Regierungserklärung von 1994 davon gesprochen, in der laufenden Legislaturperiode drei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Weder drei Millionen Arbeitsplätze noch blühende Landschaften wurden bislang geschaffen. Bundeskanzler Kohl verspricht vieles, hält jedoch wenig. Ich fürchte, das bleibt auch so. Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn sich eine unbefangene Zuhörerin - sollte es sie denn an einem Freitag nachmittag um diese Uhrzeit noch geben - diese Debatte anhört, muß sie glauben, daß hier von ganz unterschiedlichen Gesetzen die Rede ist. Der Kollege Schreiner spricht - und da hat er meine volle Zustimmung - vom Arbeitslosenbekämpfungsgesetz. CDU und FDP behaupten, es ginge um Hilfen für Langzeitarbeitslose, darum, den Ausgegrenzten und sozial Schwachen dieser Gesellschaft die Hand zu reichen. Schade, daß das nichts als blanke Rhetorik ist. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, tun genau das Gegenteil von dem, was Sie hier behaupten. Was Sie hier vorlegen, ist und bleibt soziale Demontage. Kern des Gesetzentwurfs ist die Verschärfung von Kontrollen gegenüber den Erwerbslosen, das weitere Abdrängen der Betroffenen in Armut und Billiglohnsektor. Die versprochenen zusätzlichen Maßnahmen für Langzeitarbeitslose sind eben keine zusätzlichen - dafür haben Sie der Bundesanstalt ja auch gar kein Geld zur Verfügung gestellt -, sondern gehen zu Lasten anderer Erwerbsloser. Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die Zugangsvoraussetzung für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von sechs auf zwölf Monate erhöhen, produzieren Sie neue Langzeitarbeitslose. Wenn Sie nicht wirklich neue Maßnahmen ergreifen, mehr Angebote an aktiver Arbeitsmarktpolitik machen, führt das zu einem Verdrängungswettbewerb zwischen denjenigen, die unsere Unterstützung dringend brauchen. Dem Bundeshaushalt für 1996, der heute von Ihnen hier verabschiedet worden ist, liegt die sogenannte Arbeitslosenhilfereform schon zugrunde, obwohl wir den Gesetzentwurf der Regierung heute zum ersten Mal im Parlament beraten. Das macht deutlich, worum es eigentlich geht: nicht um sinnvolle Sozial- und Arbeitspolitik im Konzept, sondern um das Verschieben von Kostenstellen weg vom Bundeshaushalt. Belastet werden sozial Schwache, die wirklich keine Mark entbehren können, nämlich die betroffenen Arbeitslosenhilfebezieher und -bezieherinnen, belastet wird die Arbeitslosenversicherung und auch die Rentenversicherung, belastet werden die Kommunen. Die Kommunen müssen bluten: durch die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe, mit der die Leute gleich an die Sozialhilfe durchgereicht werden , mit der Steigerung der ergänzenden Sozialhilfe, mit der Produktion neuer Langzeitarbeitsloser. Dieses Faktum können Sie auch nicht dadurch verdecken, daß Sie völlig sachfremd einen Teil Ihrer gesetzlichen Änderungen ins Asylbewerberleistungsgesetz abgeschoben haben. Für so dumm können Sie den Deutschen Städtetag doch nicht ernstlich halten! Ich hoffe, daß Sie mit dem Versuch gründlich auf die Nase fallen, in Ihrem ausländerfeindlichen Asylbewerberleistungsgesetz eine Rechnung aufzumachen, die den Kommunen die neuen Belastungen als finanzielle Erleichterungen verkaufen soll und die Haushaltsdruck gegen politischen Anstand ausspielen will. Die durchschnittliche Arbeitslosenhilfe reicht schon jetzt kaum zum Leben. Viele - fast ein Viertel - beziehen weniger als 600 DM im Monat. Sie leben in oder am Rande der Armut. Genau diese Verarmung wollen Sie jetzt noch beschleunigen: Sie konstruieren eine Rutschbahn in Armut und Billiglohnsektor. Die jetztige ist Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, offensichtlich noch nicht steil genug -5 Prozent jährlich sollen die Bemessungsentgelte automatisch abgesenkt werden. Den Vorwurf „Marktwert", Herr Minister, werden Sie sich damit nicht mehr einhandeln; denn mit Markt hat ein Absenkungsautomatismus nichts mehr zu schaffen. Allerdings hat er auch nichts mehr zu tun mit einer Versicherungsleistung, die die Arbeitslosenhilfe bisher gewesen ist. Denn zum Wesen der Erwerbslosigkeit, dem Risiko, gegen das die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich versichern, gehört doch gerade, die eigene Arbeitskraft nicht verkaufen zu können, zur Zeit nicht gebraucht zu werden und „überschüssig" zu sein. Die Ausgrenzung von Millionen Menschen aus der Erwerbsarbeit zur Waffe zu machen und gegen die Betroffenen zu wenden ist schon abenteuerlich. Mit dieser automatischen Abwertung hebeln Sie den Charakter der Arbeitslosenhilfe als Versicherungsleistung, auf die Anspruch besteht, weiter aus und verändern ihren Charakter hin zur Sozialhilfe. Sie verschärfen den Druck auf die Arbeitslosenhilfebezieher, jede Arbeit unter jeder Bedingung anzunehmen. Perspektiven bieten Sie ihnen keine, sondern hier wird lediglich die Situation der Schwäche ausgenutzt, um das Angebot an Billiglohnarbeitskräften zu vergrößern. Das gilt für die Ernteeinsätze genauso wie für die Trainingsmaßnahmen für ALH-Bezieher, die der Gesetzentwurf vorsieht. Bei entsprechender Ausgestaltung könnte ja z. B. ein Bewerbungstraining zumindest eine sinnvolle Förderung im Einzelfall darstellen. Aber darum geht es nicht, das steht erfrischend offen in der Begründung. Die Trainingsmaßnahmen dienen der Einsparung von Haushaltsmitteln, sie sollen die Arbeitsbereitschaft überprüfen und Leistungsmißbrauch feststellen. Sie sind also vor allem Instrument der Kontrolle und eine Schikane gegen Erwerbslose, keineswegs ein Instrument zur Integration in den Arbeitsmarkt. Und hier, so muß ich sagen, macht mir eines wirklich Sorgen: Der ganze Gesetzentwurf spricht immer wieder von Mißbrauchsvermeidung, von schärferen Kontrollen gegenüber den Erwerbslosen. Das gilt genauso für die entsprechenden Passagen im Asylbewerberleistungsgesetz. Sie erwecken in der Öffentlichkeit den Eindruck, als wollten die Menschen die Allgemeinheit betrügen, als wollten sie nicht arbeiten, als bräuchten sie, wie Herr Schäuble das am Mittwoch in der Haushaltsberatung wieder gesagt hat, Anreize zur Arbeit. Angesichts von zirka 6 Millionen fehlenden Erwerbsarbeitsplätzen ist diese Unterstellung doch offensichtlich absurd. Sie öffnen Tür und Tor für eine Mißbrauchskampagne, die jetzt schon in Teilen der Presse begonnen hat. Das bedeutet Stammtischneid auf das angeblich goldene Leben der ALH-Bezieher, auf die, die auf unsere Kosten leben. Für die Betroffenen heißt das neben der schweren Belastung, aus dem Erwerbsleben ausgegrenzt zu sein, außerdem noch Diffamierung und Entmutigung. Für das gesellschaftliche Klima ist das ein weiterer Schritt hin zu Entsolidarisierung und Ellbogengesellschaft. Wir werden alles tun, um solchen Diffamierungen entgegenzutreten. Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Die Gesetzesänderungen im Arbeitsförderungsgesetz, die wir heute beschließen, sind Teil der Haushaltsgesetzgebung. Sie betreffen die Arbeitslosenhilfeempfänger. Da durch die vorgesehenen Änderungen 1,3 Milliarden DM gespart werden sollen, ist schnell erklärlich, daß diese Sparvorschläge in der öffentlichen Diskussion sehr polemisch erörtert werden. Manchem Sozialpolitiker fällt es schwer, die von Finanzen diktierte Sozialpolitik hier im Bundestag zu verteidigen. Allemal ist es leichter, mit grünem Feldgetöse oder kirchlicher Berufsentrüstung vom Leder zu ziehen, als sich die Mühe zu machen, die Vorschriften genauer anzusehen und zu bewerten. Bezieher von Arbeitslosenhilfe erhalten ihr Geld auf der Grundlage ihres letzten Nettogehaltes. Sie bekommen es zur Hälfte unbegrenzt - was einmalig ist, wenn Sie einmal europäische Nachbarländer zum Vergleich heranziehen - und erleben jährlich die Anpassung an die Steigerungen der Bruttoentgelte. Schon nach geltendem Recht ist die Bemessungsgrundlage nicht statisch, über alle Jahre hinweg auf derselben Höhe. Auch heute werden in einem Zeitraum von drei Jahren die Beträge „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles" neu festgesetzt. In die Praxis ist diese Vorschrift aber kaum umgesetzt worden. Jetzt soll die Bemessungsgrundlage - kurz: der letzte Lohn - jährlich um 5 Prozent gekürzt werden, herunter bis zum niedrigsten Tariflohn der entsprechenden Branche. Daß also jemand, der 600 DM Arbeitslosenhilfe bekommt, diese gekürzt bekommt, wie gestern Redner von der SPD behauptet haben, stimmt nicht. Im Grunde ist es doch schwierig zu begründen, warum jemand, der seit längerem aus dem Arbeitsprozeß herausgefallen ist, immer noch fiktiv auf der selben Lohnstufe die Unterstützungsleistung erhalten soll. Es zeigt sich eben, daß das Fürsorgesystem des Bundes - nichts anderes ist ja das Arbeitslosenhilferecht -, orientiert am einmal verdienten Lohn, in innere Widersprüche gerät. Der Absenkung auf der einen Seite stehen nun aber auch verstärkte Hilfen auf der anderen gegenüber. Eine Verbesserung sehe ich darin, daß den Empfängern von Arbeitslosenhilfe Trainingsmaßnahmen angeboten werden können, daß das Instrument der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ihnen mehr als jetzt zugedacht wird. Damit entwickelt sich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu einem Angebot gerade für den Personenkreis, der länger arbeitslos ist. Daß die in solchen Maßnahmen Beschäftigten dann gleich wieder Ansprüche erwerben und unter Umständen wieder Arbeitslosengeld bekommen können, gehört zu den Fragwürdigkeiten dieses Instruments. Es macht aber durchaus Sinn aus sozialpolitischer Sicht, AB-Maßnahmen auf Arbeitslosenhilfeempfänger zu konzentrieren. Bedenken habe ich bei dieser Operation eher, was die Finanzierung angeht. Sparen tut der Finanzminister, zahlen müssen die Beitragszahler. Denn AB-Maßnahmen werden von den Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt. Die über diesen Weg erzielten Einsparungen sind also keine Kürzungen am Unterhalt der Arbeitslosenhilfeempfänger, im Gegenteil eher eine Verstärkung der Hilfen, sie gehen aber zu Lasten der Lohnzusatzkosten. Das widerspricht ganz klar den Absichten der Koalition, die Lohnzusatzkosten zu senken - was auch in der Koalitionsvereinbarung steht. Also, Herr Minister Blüm, von dieser Bürde hat Sie das vorliegende Gesetz nicht befreit. Aus dieser Verantwortung können wir Sie auch nicht entlassen. Setzen Sie Ihre Hoffnungen nicht auf Theo Waigel, bringen Sie selbst Sparvorschläge ein, die dem Ziel „Senkung der Lohnnebenkosten" dienen. Jede Veränderung im Bereich der Arbeitslosenhilfe wird von den Kommunen besonders kritisch beäugt. Sie sorgen sich um zusätzliche Belastungen in der Sozialhilfe. Diese Befürchtungen entzünden sich zur Zeit insbesondere an der Absenkung der Bemessungsgrundlage der Arbeitslosenhilfe sowie an der Streichung der originären Arbeitslosenhilfe, die an anderer Stelle im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen ist. Ich möchte feststellen, daß ich diese Befürchtungen diesmal für unbegründet halte. Geringfügigen Mehrbelastungen durch die Reform der Arbeitslosenhilfe stehen deutliche Entlastungen der Kommunen durch die Novellierung des Sozialhilfegesetzes und des Asylbewerberleistungsgesetzes gegenüber. Voraussetzung ist allerdings, daß die Länder diesen Entlastungen im Bundesrat auch zustimmen. Daher sollten die Städte und Gemeinden ihr Klagelied weniger an den Bund als vielmehr an ihre jeweiligen Landesregierungen richten. Diese stehen für die kommunalen Haushalte nämlich in erster Linie in der Verantwortung. Meine Damen und Herren, bei näherer Betrachtung halte ich die hier zu beschließende Gesetzesänderung für sozial vertretbar. Der Absenkung auf der einen Seite stehen verstärkte Hilfen auf der anderen gegenüber. Die Belastung der Beitragzahler bleibt bedenklich. Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Freitag nachmittag - der übliche Zeitpunkt, dieselbe bekannte Runde, gemütlich eigentlich, wenn da nicht diese Themen wären. Woche für Woche werden unter diesen Bedingungen - unter faktischem Ausschluß der Öffentlichkeit - Beschlüsse gefaßt, die das Sozialsystem fortgesetzt aushöhlen. Nun das neueste Elaborat aus dem Hause Blüm: Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz. Ein Blick in die Zielsetzung legt die Vermutung nahe: Der Arbeitsminister hat es geschafft, endlich ist der Kreis quadriert. Da heißt es, Fallzahlen und Bezugsdauer der Arbeitslosenhilfe seien „erheblich gestiegen", mit „der Dauer der Arbeitslosigkeit entstehe ein regelmäßiger Verlust an beruflicher Qualifikation", und das erschwere die Wiedereingliederung; deshalb verbessere die Bundesregierung die bestehenden Möglichkeiten, schaffe zusätzliche, verbessere die Vermittlungsaussichten, erleichtere die Selbständigkeit usw. usw. So viele Wohltaten! Und das Tollste: Diese Aktivitäten für Arbeitslose kosten nicht nur nichts, sie entlasten den Bundeshaushalt auch noch um 2,1 Milliarden DM. Fürwahr, ein Glanzstück - ein Glanzstück nicht der arbeitsmarktpolitischen Intelligenz der Bundesregierung, sondern ein Glanzstück ihrer demagogischen Entsorgungssprache: Die Sorgen der Menschen werden durch Sprachregelungen beseitigt. Gestern, Herr Minister, haben Sie uns dafür wieder ein bemerkenswertes Beispiel geliefert. Sie fragten uns, was wir denn dagegen hätten, wenn endlich auch mal die Langzeitarbeitslosen von der Arbeitsförderung profitierten. Sie wissen natürlich, daß wir dagegen gar nichts haben, uns allerdings fragen, warum Sie nicht längst mehr getan haben, sondern warten, bis die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf fast eine Million angewachsen ist. Und auch das Sonderprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit haben Sie ja nicht freiwillig wiederaufgelegt. Jetzt sollen Arbeitslosenhilfebezieher verstärkt in § 240h-Maßnahmen. Wie soll das gehen, wenn doch heute schon klar ist, daß z. B. die Mittel für die BVS für 1996 gesenkt sind und dort 25 000 bis 28 000 Stellen zur Disposition stehen? Aber in diesem Gesetz geht es ja im Kern auch um etwas ganz anderes: Dieses Gesetz ist ein rüdes Sparprogramm auf Kosten der Arbeitslosenhilfebezieher/ Innen. Um 5 % soll ihre Arbeitslosenhilfe jährlich runtergestuft werden. Ihr Qualifizierungsgerede soll ja nur den Rauchvorhang für diese Ihre eigentliche Absicht abgeben, Ihre Absicht nämlich: ausgerechnet die Leistungen für Langzeitarbeitslose zu kürzen, um Ihren Chaoshaushalt zu sanieren. Sie wollen weg von der Arbeitslosenhilfe als Dauerleistung, einer Leistung, die Arbeitslose auch für den Fall des dauerhaften Verlustes der Beschäftigung sozial sichern soll. Und weil Sie davon weg wollen, Herr Blüm, gehen Sie landauf, landab mit Ihrem arbeitslosen DiplomIngenieur hausieren. Selbst die IG-Metall-Delegierten haben Sie damit veralbert. Das kommt gar nicht gut an; da helfen Ihnen auch 40 Jahre als Metaller nichts. Zurück zu Ihrem Diplom-Ingenieur also, der nach einem Einkommen von 8 000 DM nunmehr seit 20 Jahren eine üppige Arbeitslosenhilfe kassiert und sich in der sozialen Hängematte ausruht. Für dieses so trefflich demagogisch einzusetzende Einzelbeispiel sollen nun 950 000 Arbeitslosenhilfeempfänger bestraft werden. Das ist soziale Brunnenvergiftung übelster Art. So schafft man ein gesellschaftliches Klima, in dem ein angeblich seriöses Wochenjournal mit Stories „Zum süßen Leben der Sozialschmarotzer" aufmacht und vor allem kritisiert, „daß 90 Prozent der Bundesbürger das soziale Netz ... in Anspruch nehmen". Haben wir uns also schon so weit von der Sozialen Marktwirtschaft verabschiedet, daß diejenigen zu Schmarotzern erklärt werden, die den Sozialstaat beim Wort nehmen? Und Sie machen da noch mit! Wie sieht es wirklich aus? Die maximale Arbeitslosenhilfe beträgt 1995 im günstigsten Fall - verheiratet, ein Kind - 2 740 DM im Monat. Den Anteil derjenigen, die Arbeitslosenhilfe in dieser Höhe bekommen, weiß nicht mal Ihre eigene Statistik auszuweisen, so klein ist er. Aber wir brauchen gar nicht so hoch zu gehen. Nehmen wir nur diejenigen, die Arbeitslosenhilfe nach einem Bruttogehalt oberhalb der Bezugsgröße der Sozialversicherung - 4 060 DM in 1995 - erhalten. Im Februar 1995 waren das 14 Prozent, im günstigsten Fall sind das 1 557 DM im Monat; davon kann eine dreiköpfige Familie nachweislich nicht leben. Diese Familie „entlasten" Sie mit Ihren Kürzungsabsichten nun noch um 67 DM im Monat. Aber 86 Prozent bekommen eben noch weniger Geld. Im August 1995 erhielten 75 Prozent der Männer und 93 Prozent der Frauen in der Bundesre- publik Beträge noch unterhalb der Sozialhilfeschwelle. Jede Kürzung der Arbeitslosenhilfe erhöht die Sozialhilfeausgaben und damit die Belastung der Kommunen in unverantwortlicher Weise. Selbst die an sich gute Idee der verstärkten Arbeitsförderung für Arbeitslosenhilfebezieher ist ja nichts anderes als eine Kostenabwälzung auf die Bundesanstalt. Wann begreifen Sie endlich, daß sich fehlende Jobs nicht durch höheren Druck auf Arbeitslose schaffen lassen? Lassen Sie mich mit einem Zitat aus den keinerlei Sympathien für die PDS verdächtigen „Lübecker Nachrichten" vom 4. November schließen: Um 3,4 Milliarden Mark kürzt das Kabinett bei der Arbeitslosenhilfe, der zungenfertige Blüm aber münzt das ganz als Anstrengung für mehr Beschäftigung um - fürwahr ein echter Verpackungskünstler. Ich hoffe nur, die Betroffenen lassen sich nicht länger einpacken. Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Zur Zeit gibt es in Deutschland mehr als 900 000 Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Ihre Zahl nimmt ebenso zu wie die Bezugsdauer der Leistung. Tatsache ist auch: Mit jedem Jahr der Arbeitslosigkeit nimmt die berufliche Qualifikation des Arbeitslosenhilfebeziehers ab. Das erschwert eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Ein weiterer Punkt, der uns zum Handeln veranlaßt hat: Die unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfebeziehern nach langjähriger Arbeitslosigkeit ist unverständlich und mutet willkürlich an. Wer einmal, wenn auch nur kurze Zeit, erwerbstätig war, bezieht den Rest seines Lebens Arbeitslosenhilfe. Der Arbeitslose, der nicht mit dem Erwerbsleben in Kontakt war, bekommt im gleichen Fall Sozialhilfe. Darum wollen und müssen wir das Recht der Arbeitslosenhilfe reformieren. Um was geht es uns bei der Reform? Drei Gesichtspunkte stehen im Vordergrund. Erstens. Wir wollen Arbeitslosenhilfebeziehern, und zwar insbesondere den Langzeitarbeitslosen, Brücken aus der Arbeitslosigkeit in den ersten Arbeitsmarkt bauen. Sie sollen vom Leistungsbezug unabhängig werden. Zweitens. Wir wollen den Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung verbessern. Drittens. Wir wollen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe stärker aufeinander abstimmen. Wir wollen vor allem durch Arbeitsmarktmaßnahmen die Qualifikation der Arbeitslosenhilfebezieher erhalten und verbessern. Sie sollen fit für den allgemeinen Arbeitsmarkt gemacht werden. Wir müssen die Zugbrücken zur Festung der Arbeitswelt herunterlassen. Wir müssen eine intelligente Arbeitsmarktpolitik betreiben, die den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt auch tatsächlich ermöglicht. Unser Reformvorschlag zur Verbesserung der Lage der Arbeitslosen enthält folgende Maßnahmen. Erstens. Wir konzentrieren die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf langzeitarbeitslose Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Das sind Personen, die es nachweislich schwerer als andere haben, aus eigenen Kräften in den regulären Arbeitsmarkt zurückzukommen, und denen wir deshalb besonders helfen müssen. Künftig werden in ABM in der Regel nur noch Arbeitslose gefördert, die 12 Monate arbeitslos waren. Diese Maßnahme fördert die Benachteiligten und verbessert die Chancen der beruflichen Integration. Zweitens. Wir werden Arbeitslosenhilfebeziehern Arbeitstrainingsmaßnahmen anbieten. Dadurch soll die Eignung des Arbeitslosen für bestimmte Tätigkeiten festgestellt, der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen gefördert und Unterstützung bei Bewerbungen geleistet werden. Der Arbeitslose erhält während der Trainingsmaßnahmen weiterhin Arbeitslosenhilfe. Drittens. Wir werden jüngeren Arbeitslosenhilfebeziehern eine Arbeitnehmerhilfe anbieten, um ihnen die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung, insbesondere im Bereich der Saisonarbeiten, zu ermöglichen. Seit einigen Jahren besteht die paradoxe Situation, daß derartige Tätigkeiten trotz hoher Arbeitslosigkeit im Inland von einer großen Zahl ausländischer Arbeitnehmer verrichtet werden. So werden zur Zeit jährlich etwa 150 000 Arbeitserlaubnisse an ausländische Arbeitnehmer erteilt. Es ist vor diesem Hintergrund nicht einzusehen, weshalb nicht auch jüngere inländische Arbeitslose derartige Saisonarbeiten durchführen können. Die Bundesanstalt für Arbeit zahlt daher künftig als Arbeitsanreiz zusätzlich zum Arbeitslohn 25 DM pro Tag - und zwar ohne Anrechnung auf die Arbeitslosenhilfe. Viertens. Wir erleichtern Arbeitslosenhilfebeziehern die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Nach der bisherigen Rechtslage gilt: Der Arbeitslose, der bei dem Versuch gescheitert ist, seinen Lebensunterhalt länger als ein Jahr aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Unser Gesetzentwurf sieht vor: Arbeitslosenhilfebezieher sollen eine selbständige Tätigkeit aufnehmen und fast drei Jahre ausüben können, ohne das Recht auf erneute Inanspruchnahme der Leistung zu verlieren. Fünftens. Wir wollen die Subsidiarität der bedürftigkeitsabhängigen Arbeitslosenhilfe stärken. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe soll begrenzt werden, wenn der Arbeitslose eine Altersrente beanspruchen könnte oder wenn er die Voraussetzungen für eine solche Altersrente in absehbarer Zeit erfüllt. Denn die aus Steuermitteln des Bundes finanzierte Arbeitslosenhilfe ist eine gegenüber der Versicherungsrente nachrangige Fürsorgeleistung. Es ist nicht einzusehen, weshalb jemand, der Anspruch auf eine Versicherungsleistung hat, statt dessen die ihr gegenüber subsidiäre Arbeitslosenhilfe beanspruchen kann. Lassen Sie mich schließlich auf die geplanten Änderungen bei der Bemessung der Arbeitslosenhilfe eingehen. Dazu hat es in den letzten Wochen ja viel Kritik und noch mehr Polemik gegeben - auch in diesem Hohen Hause. Worum geht es eigentlich? Das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe soll entsprechend der Dynamisierung der Bruttoarbeitsentgelte steigen. Gleichzeitig soll der Qualifikationsverlust, der mit der zunehmenden Dauer der Arbeitslosigkeit unbestreitbar verbunden ist, jedes Jahr durch einen pauschalierten Abschlag vom Bemessungsentgelt in Höhe von 5 Prozent berücksichtigt werden. Da die Dynamisierung in der Regel zu einer Erhöhung der Bruttoarbeitsentgelte führt, wird die reale Minderung des neuen Bemessungsentgelts tatsächlich geringer sein als 5 Prozent. An zwei Gesichtspunkte möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals erinnern, um insbesondere der Gedächtnisschwäche der Opposition auf die Beine zu helfen: Das neue Bemessungsentgelt darf eine Grenze nicht unterschreiten, die sich an der untersten Tariflohngruppe orientiert, denn unter der niedrigsten Tarifgruppe kann niemand Geld verdienen. Die Arbeitslosenhilfe im Anschluß an Arbeitslosengeld wird weiterhin unbefristet gezahlt. Eine Befristung der Arbeitslosenhilfe ist - anders als Sie, Herr Scharping, vorgestern wahrheitswidrig behauptet haben - vom Tisch. Unser Vorschlag ist im übrigen keine revolutionäre Neuerung. Denn bereits das geltende Recht sieht vor, daß die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit alle drei Jahre berücksichtigt wird. Wir machen lediglich das geltende Recht praktikabel. Die bisherige Regelung ist schwer handhabbar. Sie kann zu willkürlichen Ergebnissen führen und ist in der Vergangenheit so gut wie nie umgesetzt worden. Das hat auch der Bundesrechnungshof beanstandet. Wer, wie die Opposition, unsere Reformvorschläge als „Etikettenschwindel", als „Bestrafung der Arbeitslosen" oder als „primitive Konfliktstrategie auf dem Rücken der Arbeitnehmer" bezeichnet, der hat gar nicht begriffen, um was es eigentlich geht. Wir finanzieren nicht Arbeitlosigkeit, wir finanzieren Rückkehrhilfen in den regulären Arbeitsmarkt. Wenn es gelingt, die Arbeitslosen wieder in Arbeit zu bringen, dann wird dadurch automatisch Geld gespart. So erzielen wir durch die Maßnahmen zur Rückkehr der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt einen Einspareffekt von 1,5 Milliarden DM im Bundeshaushalt. Die Leistungsempfänger verlieren dadurch keine einzige Mark. Sie stehen sich sogar besser, weil sie eine neue Arbeit erhalten oder weil sie in ABM ein höheres Entgelt bekommen. Das Gesamtpaket zur Reform der Arbeitslosenhilfe wird 1996 zu einer Entlastung des Bundeshaushalts in Höhe von 3,4 Milliarden DM führen. Davon entfallen 2,1 Milliarden DM auf das ArbeitslosenhilfeReformgesetz, 1,3 Milliarden DM auf die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen. Die Entlastung wird - anders als die Opposition glauben machen will - nur zu einem geringeren Teil durch eine Begrenzung von Leistungen erzielt: Gerade einmal 300 Millionen DM werden durch die geplante Änderung bei der Neubemessung der Arbeitslosenhilfe eingespart. Das sind noch nicht einmal 10 Prozent der Mittel zur Verbesserung der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den allgemeinen Arbeitsmarkt, wie wir sie im ArbeitslosenhilfeReformgesetz und Asylbewerberleistungsgesetz bereitstellen. 600 Millionen DM werden durch die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe eingespart. Der überwiegende Teil der Entlastung wird durch strukturelle Änderungen der Arbeitslosenhilfe erreicht werden, bei denen die Wiedereingliederung der Arbeitslosenhilfebezieher in den allgemeinen Arbeitsmarkt im Vordergrund steht. Deshalb appelliere ich an Sie: Lesen Sie den Entwurf zum Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz aufmerksam. Sie werden dann feststellen, daß dieses weniger ein Spargesetz als ein konstruktiver Beitrag zur Verbesserung der Lage von Langzeitarbeitslosen ist. Lassen Sie uns darüber unvoreingenommen diskutieren. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 690. Sitzung am 3. November 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Viertes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (4. SGB V-Änderungsgesetz - 4. SGB V-ÄndG) - Gesetz zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1994 zur Durchführung des Abkommens vom 5. März 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Chile über Rentenversicherung - Gesetz zu dem Abkommen vom 15. März 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen - Gesetz zu dem Vertrag vom 2. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Belarus über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 12. November 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 24. September 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 20. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Juni 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Mongolischen Volksrepublik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 15. Februar 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Die Gruppe der PDS hat mit Schreiben vom 8. November 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: - Antrag: Überarbeitung der Eckpunkte zur Regulierung der Telekommunikation - Drucksache 13/1224 - - Antrag: Erstattung eines Berichtes der Bundesregierung zur „Lage der Nation" und zur Durchsetzung des Einigungsvertrages anläßlich des fünften Jahrestages der staatlichen Vereingung am 3. Oktober 1995 - Drucksache 13/2227 - Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksachen 13/1360, 13/1616 Nr. 2 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksachen 13/1070, 13/1233 Nr. 1.4 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zu Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 13/1614, Nr. 1.6 Drucksache 13/1614, Nr. 1.8 Drucksache 13/2306, Nr. 2.33 Drucksache 13/2306, Nr. 2.85 Haushaltsausschuß Drucksache 13/2306, Nr. 2.37 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1614, Nr. 1.4, 13/2306 (Berichtigung) Drucksache 13/2306, Nr. 1.10 Drucksache 13/2306, Nr. 2.2 Drucksache 13/2306, Nr. 2.3 Drucksache 13/2306, Nr. 2.6 Drucksache 13/2306, Nr. 2.7 Drucksache 13/2306, Nr. 2.11 Drucksache 13/2306, Nr. 2.12 Drucksache 13/2306, Nr. 2.21 Drucksache 13/2306, Nr. 2.28 Drucksache 13/2306, Nr. 2.46 Drucksache 13/2306, Nr. 2.47 Drucksache 13/2306, Nr. 2.56 Drucksache 13/2306, Nr. 2.59 Drucksache 13/2306, Nr. 2.70 Drucksache 13/2306, Nr. 2.75 Drucksache 13/2306, Nr. 2.84 Drucksache 13/2306, Nr. 2.92 Drucksache 13/2306, Nr. 2.93 Drucksache 13/2306, Nr. 2.104 Drucksache 13/2306, Nr. 2.105 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/1442, Nr. 2.1 Drucksache 13/1799, Nr. 2.5 bis 2.8 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/2306, Nr. 1.13 Drucksache 13/2306, Nr. 2.18 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/2306, Nr. 2.20 Drucksache 13/2306, Nr. 2.23 Drucksache 13/2306, Nr. 2.31 Drucksache 13/2306, Nr. 2.83 Drucksache 13/2306, Nr. 2.101 Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Drucksache 13/1614, Nr. 1.1 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/1338, Nr. 1.2 Drucksache 13/1614, Nr. 1.5 Drucksache 13/1898, Nr. 1.1 Drucksache 13/1898, Nr. 1.2 Drucksache 13/2306, Nr. 1.2 Drucksache 13/2306, Nr. 2.74 Drucksache 13/2306, Nr. 2.102
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Oswald Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege
    Repnik, vorab eine Bemerkung: Loch für Loch wurde in dieser Woche in dieser Debatte bestätigt, was zum Auszug der Opposition in der vorletzten Sitzungswoche geführt hat.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihr wollt nicht anständig arbeiten; das ist es!)

    Dieser Finanzminister, der „Herr der Schröpfung", wie es heute der „Kölner Stadt-Anzeiger" schreibt, der im nächsten Jahr die Steuer- und Abgabenquote nicht reduziert, der versucht, den Haushalt auf dem Papier mit Luftbuchungen zu sanieren, sollte daraus, daß wir den SPD-Antrag nicht mit unterschreiben, nicht ableiten, daß wir sein Vorgehen nicht mißbilligen. Man soll aber andererseits nicht glauben, daß die grüne Fraktion gemeinsam mit der Sozialdemokratie diesen Mißbilligungsantrag hätte einbringen müssen, da die Sozialdemokratie in dieser Woche nicht den Mut hatte, selbst für die Anträge zu stimmen, zu denen sie ansonsten im politischen Alltag in dieser Republik steht,

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Mutlos!)

    beispielsweise in bezug auf die Gemeinschaftsaufgabe Ost, den Eurofighter, die MEKO-Fregatten. Man sollte sich nicht wundern, wenn wir unsere Unterschrift zurückziehen. Soviel dazu.
    Ich möchte auf Grund der Eingangsrede des Kollegen Wieczorek als Obmann unserer Fraktion ihm für seine Arbeit im Ausschuß danken,

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    auch den Obleuten der anderen Fraktionen. Ich möchte ein Beispiel anführen: Trotz der Hektik der vorletzten Sitzungswoche mit dem Auszug der Opposition hat Kollege Wieczorek dafür gesorgt, daß die traditionelle Abschlußfeier des Haushaltsausschusses zustande kam. Auch die Opposition hat mitgefeiert. Dies vielleicht als Beispiel dafür, daß Kollegialität im Haushaltsausschuß auch solche Strapazen übersteht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Zuruf von der CDU/CSU: Helmut, wir danken dir!)

    Nun aber zum Inhalt. Wir sind in einer Situation, in der es überhaupt nicht weiterführt, wenn die Diskussion auf dem Niveau läuft, um das sich Herr Kollege Repnik heute wieder bemüht hat. Er hält der Opposition vor, wie die Finanzsituation in Niedersachsen und in den Ländern aussieht. Wer selber die Hosen voll hat, braucht doch nicht auf andere Leute mit vollen Hosen zu verweisen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Die gesellschaftspolitische Situation ist nun einmal so, daß wir eine Strukturkrise der öffentlichen Haushalte in Deutschland haben, vom Bund angefangen über die Bundesländer bis zu den Gemeinden.

    Oswald Metzger
    Wenn einem nicht mehr dazu einfällt, als sich gegenseitig irgendwelche Vorhaltungen zu machen, dann können wir einpacken. Kreativität ist gefragt. Insofern gab es in dieser Woche wenigstens eine Botschaft hier im Haus: Der IG Metall-Chef Zwickel erzielte mit seinem Vorschlag zumindest eine gewisse Resonanz, wobei es von Resonanz bis zur tatsächlichen Wirkung ein weiter Weg ist.
    Ich möchte ein paar strukturelle Bereiche skizzieren, die in unserem Entschließungsantrag auftauchen. Dort, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bemühen wir uns tatsächlich nicht nur - was wir auch hätten tun können - um Politlyrik, darum, programmatische Schwerpunkte aufzulisten, ohne angesichts der Deckungslücken im Bundeshaushalt eigene Streichungsvorschläge zu machen. Vielmehr benennen wir auch Bereiche, in denen Kürzungen vorgeschlagen werden.
    Insofern sind wir die einzige Fraktion in diesem Haus, die heute, zumindest nach unseren Vorstellungen, ein relativ schlüssiges Deckungskonzept vorschlägt. Es muß uns erst einmal jemand nachmachen, daß eine Fraktion in einem Gesamtvolumen von 8 Milliarden DM den Abbau von Steuervergünstigungen und von Subventionen vorschlägt und damit die eigenen Maßnahmen im Bereich Arbeitsmarktpolitik und Verkürzung der Arbeitslosenhilfe sauber gegenfinanziert.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Zu den strukturellen Problemen dieses Bundeshaushalts. Wir haben eine Steuer- und Abgabenquote, die im nächsten Jahr, Herr Finanzminister, eben nicht sinkt. Vielmehr ist das in sich zusammengebrochen, was Sie im September noch jubelnd verkündet haben: Das Jahr 1996 wird das Jahr der Steuersenkungen sein, und damit wird der Wachstumslokomotive, vor allem dem Bereich Kaufkraftnachfrage zusätzlich Geld zugeführt.
    Wir haben nächstes Jahr durch die Pflegeversicherung und durch die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge in der Rentenversicherung tatsächlich die Situation, daß der Kaufkraftzufluß an die Bevölkerung praktisch ein Nullsummenspiel ergibt. Die grüne Bundestagsfraktion hat Ihnen aber schon lange vor dem September vorgehalten, daß die Rechnung mit der Steuerentlastung nicht aufgeht. Das ist der eine Punkt, wo Sie im nächsten Jahr auf das Prinzip Hoffnung setzen müssen, weil Sie das wahrscheinlich nicht realisieren können, was Sie sich im Bereich Wachstum erhoffen.
    Sie wissen, daß die OECD und die Wirtschaftsforschungsinstitute die Wachstumsraten im Bereich der Konjunktur inzwischen deutlich nach unten reduziert haben. Ihre Finanzplanung geht von viel zu optimistischen Erwartungen aus. Deshalb ist es aus Sicht des Novembers 1995 absolut ausgeschlossen, daß Sie im Bereich der Steuereinnahmen wesentlich günstiger fahren als dieses Jahr. Es fehlen die Rahmenbedingungen dafür.
    Sie brauchen sich nur die Daten auf dem Arbeitsmarkt anschauen. Die Zahl der Arbeitslosen wird eine Größenordnung von 3,5 Millionen oder mehr
    haben, was dazu führt, daß die Einnahmen der Bundesanstalt für Arbeit geringer als erwartet ausfallen, daß die Arbeitslosenhilfezahlungen im Bereich der Versorgung der von Arbeitslosigkeit Betroffenen noch mehr steigen werden, als es die Koalition im Rahmen dieser Haushaltsberatungen eingeräumt hat.
    Wie wollen Sie angesichts einer solchen Vorbelastung tatsächlich seriös glauben, daß dieser Haushalt in dem Rahmen bleibt, wie Sie sich ihn vorstellen? Sie werden nächstes Jahr, weil die Kommunal- und Länderhaushalte ihre bisherigen Soll-Verschuldungsansätze überschreiten, die in der Finanzplanung der Landesfinanzminister und vieler kommunaler Kämmerer enthalten sind, eine Überziehung in der Fremdfinanzierung erhalten, die das Maastricht-Kriterium, die 60-Prozent-Marge, bei der die Verschuldungssituation aller öffentlichen Haushalte eine Rolle spielt, wahrscheinlich übersteigen wird.

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Deshalb haben wir ja den Solidaritätspakt!)

    - Herr Kollege Roth, der Einwand ist richtig. Wir brauchen einen Solidaritätspakt. Sie merken ja, ich bemühe mich um eine differenzierte Argumentation. Natürlich sitzen alle Gebietskörperschaften, was die Finanzsituation betrifft, im gleichen Boot. Deshalb nützt es überhaupt nichts, wenn wir eine Debatte auf dem Niveau führen, wie wir es jetzt in den letzten Tagen hier gehabt haben. Solche Haushaltsdebatten langweilen mich als grünen Haushälter angesichts der Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft ausgesetzt sieht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    In jedem Kommunalparlament irgendwo in der oberschwäbischen Provinz wird inzwischen quer durch die Fraktionen seriöser als hier über Ausgabendisziplinierung und die Notwendigkeit geredet, Schwerpunkte auf das zu legen, was zukunftsfähig ist.
    Die Schwerpunkte der Investitionen der öffentlichen Haushalte müssen aus betriebswirtschaftlicher Sicht gesetzt werden. Wir müssen die Energiewende finanzieren, zum Beispiel - ganz banal gesprochen - Energiesparinvestitionen für öffentliche Gebäude fördern oder Anreize dafür geben, daß die Bevölkerung vorsorgende Investitionen tätigt, um künftige Kosten zu vermeiden. Von der Kraft-Wärme-Kopplung beispielsweise - das wissen Sie genau - würden die mittelständischen Betriebe der Installationswirtschaft profitieren. Sie zu fördern würde Arbeitsplätze schaffen. Das wäre nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ähnlich ist es, wenn Sie eine Verkehrswende angehen: Was nützen uns die schönsten Autobahnen, die schönsten Umgehungsstraßen, wenn damit nur mehr individueller Verkehr, ein höherer CO2Ausstoß, mehr Staus, ein größeres Chaos produziert werden und mehr Verkehrsopfer zu beklagen sind, während sinnvolle Investitionen in das Schienennetz dieser Republik verabsäumt werden? Sie fördern lieber eine Paralleltechnologie wie den Transrapid, die

    Oswald Metzger
    Investitionen in Höhe von -zig Milliarden bindet, statt sinnvollerweise ein Programm zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs aufzustellen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS] Roland Sauer [Stuttgart] [CDU/ CSU]: Wieso sind Sie denn zu Hause für die Straßen?)

    Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, daß ein struktureller Mangel in dieser Gesellschaft auch in der zu hohen Steuer- und Abgabenquote liegt. Dies führt dazu, daß auch der Durchschnittsbürger in die Schattenwirtschaft gedrängt wird. Extrem viele Umsätze und damit potentielle Steuereinnahmen gehen am Staat vorbei, weil jeder Mensch - aus mir durchaus nachvollziehbaren Gründen - versucht, seine persönliche Steuerlast zu minimieren.
    Also hilft doch nur eines: Machen wir Ernst mit der Ankündigung - diese Aufforderung geht auch an den kleinen Koalitionspartner F.D.P. -, Steuervergünstigungen und Subventionen abzubauen, um die nominelle Steuerbelastung tatsächlich reduzieren zu können. Nur so kann die Steuerbelastung eines Systems, das heute nur die Begüterten dieser Gesellschaft überdurchschnittlich begünstigt, in das richtige Lot gebracht werden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Gehen wir diese Herkulesaufgabe einmal an, Kollege Weng, Kollegin Albowitz! Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Lambsdorff hat - nachdem er jetzt zwei Wochen zum Stillhalten vergattert war, weil die F.D.P. entgegen ihrer ursprünglichen Forderung beim Haushaltssicherungsgesetz eingeknickt ist - diese Woche das gleiche gefordert.
    Wir müssen dieser Situation Rechnung tragen und die nominelle Steuerbelastung zurückfahren, aber um den Preis des Abbaus von Steuervergünstigungen und Subventionen.
    Es geht natürlich auch um folgendes, Herr Finanzminister: Eine Regierung, die mit einer so knappen Mehrheit regiert, kann es sich offensichtlich nicht leisten und hat nicht die Kraft dazu, tatsächlich die Axt an liebgewonnene Gewohnheiten zu legen. Wir müssen diese Kraft aber aufbringen, weil wir sonst das Umsteuern nicht schaffen.
    Genau das gleiche Problem gibt es im Bereich der Unternehmensteuern. Die Bundesrepublik Deutschland hat die höchsten nominalen Steuerquoten für Kapitalgesellschaften: im Westen - wo noch die Gewerbekapitalsteuer erhoben wird - von mehr als 60 Prozent,

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Dann schaffen wir sie ab!)

    im Osten noch von knapp 60 Prozent. Damit liegen wir knapp vor Japan. Ich weiß, Herr Schäuble, daß ich Ihnen das nicht zu sagen brauche. Ich sage das auch in Richtung der Sozialdemokraten.
    Dieses Maß der nominalen Steuerbelastung hat dazu geführt, daß die großen Konzerne dieser Republik in den letzten Jahren systematisch ihre tatsächlich bezahlten Ertragsteuern reduzieren konnten. Auf Grund der weltweiten Verflechtung mittels Holdings und Beteiligungsgesellschaften ist es ihnen möglich, ihre Erträge im Ausland, wo die Ertragsteuern niedriger sind, zu versteuern. Dieses Problem führt dazu, daß selbst in Zeiten, in denen die Wirtschaft floriert, Erträge der Großbetriebe am deutschen Fiskus vorbeifließen. Dieses Problem müssen wir angehen. Das erkennen auch wir als Grüne.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dann müssen Sie unseren Vorschlägen zustimmen! Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sie sind schon weiter als die SPD!)

    Seriöse Wirtschafts- und Finanzpolitik verlangt solche Erkenntnisse.
    Diese baren Selbstverständlichkeiten - sie sind für manche im Raum wahrscheinlich nur deshalb interessant, weil sie ein Grüner sagt - spreche ich an, weil wir Sparpotentiale realisieren und ein Umsteuern in dieser Gesellschaft erreichen wollen, das auf eine nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik hinausläuft.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS])

    Ich fühle mich nicht als häushälterischer Erbsenzähler, wie viele der Kolleginnen und Kollegen, manchmal auch der eigenen Fraktion, Haushälter bezeichnen,

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Man muß sich auch in Details auskennen!)

    sondern mir geht es darum, tatsächlich die Schieflage der öffentlichen Haushalte strukturell in eine andere Situation zu bringen. Wir brauchen Investitionsspielräume.
    Wir müssen noch an einen anderen Bereich denken, nämlich den Ausgabenbereich des Staates. Der Staat soll tun, was des Staates ist, aber nicht alles an sich ziehen, weil der Staat nicht alles besser macht.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Der Beifall kommt zu früh. Da sind Sie zu kurz gesprungen.
    Allerdings ist Privatisierung als solche kein Allheilmittel, wie viele Beispiele zeigen. Wenn Sie nach dem Motto verfahren: Die guten Risiken des Staates werden privatisiert und die schlechten bleiben beim Staat hängen, verschlechtern Sie natürlich insgesamt die fiskalischen Rahmenbedingungen für den öffentlichen Haushalt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS])


    Oswald Metzger
    Die Haushälter wissen, daß das keine seriöse und nachhaltige Haushaltspolitik wäre.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das dürfen Sie nicht statisch sehen! Zuruf von der SPD)

    Hier fiel gerade das Stichwort Tafelsilber. Herr Finanzminister, schauen Sie sich doch an, wie die Finanzplanung in den nächsten Jahren aussieht. Sie sind im September bei der Finanzplanung mit dem Anspruch angetreten, die Staatsquote zurückzuführen. Das Ziel ist okay. Das werden Sie aber auf Grund der Ausgangssituation mit der reduzierten Steuerschätzung jetzt nicht erreichen, weil die Finanzplanung Makulatur ist. Sie glauben doch selber nicht, daß Sie im Jahr 1999 mit 29 Milliarden DM Neuverschuldung auskommen, wie es jetzt in der Finanzplanung steht.
    Für das Jahr 1996 haben Sie nach den Veränderungen, die der Regierungsentwurf seit September erfahren hat, allein rund 10 Milliarden DM Einmalerlöse. Stichwort: Verscherbelung des Tafelsilbers. Diese Einnahmen können Sie ab 1997 nicht wiederholen.

    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Die machen alles!)

    Sie werden auch nicht jedes Jahr, weil das ein reiner Buchungstrick ist, durch das Vorziehen der Mineralölsteuer 2,6 Milliarden DM auf der Habenseite des Bundeshaushalts einstellen können.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Da haben Sie recht!)

    Hier fehlen Ihnen dann im Prinzip schon runde 13 Milliarden DM als Ausgangsbasis. Wenn Sie dann wirklich Ihre Nettoneuverschuldung ab 1997 unter 50 Milliarden DM fahren müßten, müßten Sie im Saldo nach meiner Rechnung schon über 20 Milliarden DM als Einnahmeverbesserung des Bundes erzielen. Das werden Sie nach menschlichem Ermessen nie und nimmer schaffen, weil auch das Steuerrecht selbst im nächsten Jahr ein großes Risiko birgt. Das wissen Sie so gut wie ich.
    Durch das Auslaufen der hohen Sonderabschreibungen für den Osten ist möglicherweise zu erwarten, daß es ähnlich wie beim Auslaufen von Abschreibungsregelungen, zum Beispiel beim Kauf von Altbauwohnungen, nächstes Jahr eine Art Finish-Effekt gibt, daß Leute sich noch versorgen und ihre veranlagte Einkommensteuer und Körperschaftsteuer in den Keller fährt.
    Vor dem Hintergrund, daß bisher nur ein Drittel der Steuerrückgänge konjunkturbedingt ist und die Wachstumserwartungen inzwischen nach unten korrigiert wurden, ist möglicherweise im nächsten Jahr der Anteil der konjunkturell bedingten Steuerausfälle höher als dieses Jahr. Der Basiseffekt der Steuerabzüge durch die Sonderabschreibungen Ost kommt dazu. Dann können wir hier gemeinsam das Kreuz schlagen, weil viele im Haus dann erst begreifen, daß die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte kein Einmaleffekt und kein Zweimaleffekt ist, sondern in den nächsten Jahren dauerhaft die politische Debatte bestimmen wird.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Deshalb noch einmal mein Appell an alle in diesem Haus: Wer glaubt, vor dem Hintergrund der Verknappung der öffentlichen Mittel parteipolitisches Kapital aus der Debatte schlagen zu können, der täuscht sich. Jeder von uns in diesem Haus trägt, mit wenigen Ausnahmen, irgendwo auf Bundesländerebene Regierungsverantwortung; im kommunalen Bereich tun dies ohnehin ganz viele. Alle stehen vor der gleichen Aufgabe, und niemand ist bereit, um des Populismus willen tatsächlich entsprechende Antworten zu geben.
    Wenn wir finanzpolitisch redlich argumentieren wollen, wie es der Haushaltsausschußvorsitzende Helmut Wieczorek gesagt hat, müssen wir uns an dem Punkt selbst ein Stück weit zurücknehmen und ein Stück Gemeinsamkeit in der Finanzpolitik als Basis der Lebensqualität einer Gesellschaft an den Tag legen.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Gemeinsamkeit mit euch kostet immer nur Geld!)

    Diese Gemeinsamkeit fordere ich ein. Sie verlangt aber, daß sich natürlich auch die Regierungskoalition ein Stück weit zurücknimmt. Deshalb hätte ich es gut gefunden, wenn sich die Haushälter der Koalitionsfraktionen in der vorletzten Woche eben nicht zu Jasagern entwickelt hätten, die innerhalb von wenigen Tagen die unseriösen Deckungsvorschläge des Finanzministers durchgewinkt hätten,

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir haben ordentlich beraten und unsere Pflicht erfüllt, ganz im Gegensatz zu Ihnen!)

    sondern gesagt hätten: Wir wollen ausreichende Beratungszeit. Eigentlich wäre die Zeit reif für eine Ergänzungsvorlage der Regierung. - Wir hätten dann eine seriöse Diskussion unter Beteiligung der Opposition gehabt und hätten vielleicht ein Ergebnis erreicht, das besser aussähe als das, was wir heute haben.
    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Kollege Dr. Wolfgang Weng.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Weng


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Äußerungen des Kollegen Metzger sind in einigen Punkten sicher interessant und richtig. Aber an einer Stelle hat er sich ganz eklatant selber widersprochen. Das macht dann immer deutlich, daß es sehr leicht ist, aus der Oppositionsrolle heraus große Worte zu führen. Herr Kollege Metzger, eingangs Ihrer Rede haben Sie gesagt, über das, was in den Bundesländern los sei, sollten wir hier überhaupt nicht reden. Ausgangs

    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    haben Sie gesagt, überall sei irgend jemand mit in der Verantwortung, und deswegen müsse über alles gesprochen werden. Dies paßt natürlich nicht zusammen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir haben durch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat, durch die Mehrheitsverhältnisse im Vermittlungsausschuß und durch die Pflicht des Bundes, bankrotte Länder zu sanieren, nämlich genau die Situation, daß schon über alles gesprochen werden muß, was in den einzelnen Gebietskörperschaften vor sich geht. Deswegen gibt es einen Stabilitätspakt aller Gebietskörperschaften.
    Der SPD muß man vorhalten, daß sie, als Kollege Repnik von „sparsamster Haushaltspolitik" gesprochen hat, furchtbar gelacht hat. Meine Damen und Herren, die gleiche SPD hat an anderer Stelle immer vom „Kaputtsparen" geredet.

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Genau!)

    Entweder war es zuviel, oder es war zuwenig, aber es kann nicht beides gewesen sein. Sie machen sich mit solchem Verhalten lächerlich.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Bei der dritten Lesung des Bundeshaushalts läßt man natürlich auch die abgelaufene Woche einmal Revue passieren. Ich habe vor allem die Medien im Laufe dieser Woche sehr aufmerksam verfolgt, weil das, was sie darstellen, nachher die Öffentlichkeit zur Kenntnis erhält. Erwartungsgemäß hat die Strategie der SPD-Oppositionsfraktion und ihres Vorsitzenden vom Mittwoch bei der Debatte über den Kanzlerhaushalt interessante Medienreaktionen ausgelöst. Natürlich haben wie immer die SPD-nahen Berichterstatter einen großen Erfolg gefeiert, die eher konservativen von einem Schlag ins Wasser geredet. Das kennen wir schon. Für mich war aber interessant, wo und wie politisch neutrale Journalisten die Tatsache bewertet haben, daß Herr Scharping versucht hat, den Bundeskanzler auszusitzen - nach meinem Gefühl übrigens nicht intelligent.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Auch das ist richtig!)

    Ich zitiere Gunter Hartwig aus der „Leonberger Kreiszeitung":

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr neutral! Peter Dreßen [SPD]: Eine führende Zeitung!)

    Kohl bot Grundsätzliches zu Europa, etwas Lyrik zur Wirtschaftspolitik und zum Schluß Bissiges. Scharping antwortete mit bekannten Vorwürfen und bohrender Klage über die Bilanz, zumindest verlor Scharping nicht weiter an Boden.

    (Heiterkeit bei der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, wenn der Erfolg des Herausforderers sein soll, daß er nicht weiter an
    Boden verliert, dann kann die Koalition ruhig und gelassen sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Ingrid Matthäus-Maier [SPD] Die „Leonberger Kreiszeitung"!)

    Ich meine, ein Herausforderer, der sitzen bleibt, hat versagt.

    (Lachen bei der SPD Peter Dreßen [SPD]: Keiner klatscht!)

    Haushaltsdebatte als Stunde der Opposition? Hier hat sich wieder einmal gezeigt, daß die SPD nicht einmal diese Rolle spielen kann.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Die können überhaupt keine Rolle!)

    Die Grünen wenigstens haben begriffen, daß der gemeinsame Auszug aller Oppositionsgruppierungen aus dem Haushaltsausschuß ein Schlag ins Wasser war,

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    und sind in der Plenarberatung in der zweiten Lesung in dieser Woche zur Sacharbeit zurückgekehrt.

    (Karl Diller [SPD]: Herr Weng, wo ist denn Graf Lambsdorff? Ist der wieder in der Toilette eingesperrt worden? Ina Albowitz [F.D.P.]: Er ist immer bei uns!)

    Die Oppositionsfraktion SPD dagegen hat sich darin gefallen, sich zu allen Sachanträgen der Stimme zu enthalten und selbst keine Anträge zu stellen. Sie hat auch keine Alternativen aufgezeigt. Zwischen Grün-Rot und Knallrot eingekeilt, fällt der SPD nichts mehr ein.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Peter Dreßen [SPD]: Ist das das Niveau der F.D.P. im Jahre 1996?)

    Wer sich an den Beratungen nicht beteiligt, kann tatsächlich gleich zu Hause bleiben und das Oppositionsfeld räumen. Die SPD hat es freiwillig den Grünen überlassen.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Deren Oppositionsrolle bedeutet natürlich keine Regierungsfähigkeit. Zu Unterschiedliches und zu Gegensätzliches ist aus den grünen Reihen vorgetragen worden. Die Positionen gehen wild durcheinander.
    Auch geschickte Verschleierung, Herr Kollege Metzger, kann nicht verdecken, daß man immer nur weitere Belastung der Bürger mit zusätzlichen Abgaben und Steuern im Auge hat. Wenn die Deckungsvorschläge, mit denen die Grünen ihre Mehrausgaben bestreiten wollten - auf sie hat Herr Metzger vorhin wieder hingewiesen, aber geschickt getarnt -, auf sogenannten Einnahmeverbesserungen beruhen, dann wird hier genau das gemacht, was wir nicht

    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    wollen: Es werden bekannte sozialistische Rezepte herausgezogen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über Sozialismus weiß ich besser Bescheid als Sie!)

    Nicht Ausgaben sparen, sondern immer höhere Belastung der Bürger, das ist Forderung der Grünen.

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Übrigens darf sich die Oppositionsrolle bei der Debatte über den Bundeshaushalt nicht in Klagen und Fragen erschöpfen. Wenn die Haushaltsdebatte Stunde der Opposition und der Herausforderung durch die Opposition sein soll, dann müßten von dort vorwärtsgerichtete Vorschläge kommen. Es ist aber in dieser Woche sehr deutlich geworden, daß sich die SPD am hintersten Ende des Fortschrittes bewegt. Sie keucht hinterher. Sie wird ja selbst durch die Vorschläge der erzkonservativen IG Metall überholt.

    (Zuruf des Abg. Peter Dreßen [SPD])

    Die SPD entlarvt sich selbst, Herr Gewerkschaftsfunktionär, an vielen Stellen mit ihrem Parteitagsantrag, der in dieser Woche hier kursierte.
    Lassen Sie mich ein kleines Beispiel nennen, weil kleine Beispiele oft für die große Dimension stehen. Seit langem hat die F.D.P. gefordert, auch den Privathaushalt als einen ganz normalen Arbeitsplatz zu ermöglichen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Hierzu hat Frau Matthäus-Maier auf der Suche nach Kampfbegriffen die diffamierende Bezeichnung „Dienstmädchenprivileg" erfunden.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Frechheit!)

    Jetzt schreibt die SPD in ihren Parteitagsantrag - wörtlich -:
    Es sind Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß bei Dienstleistungen für private Haushalte gut bezahlte und sozial abgesicherte Arbeitsplätze entstehen.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist vernünftig! Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Weiterlesen! Wie heißt der nächste Satz?)

    Genau dies haben wir immer gefordert. Die Bezahlung wird sicherlich wie überall am Markt zwischen Angebot und Nachfrage durch die Tarifparteien entschieden, und sie wird durch die Tarifparteien geregelt. Die soziale Absicherung muß bei einem ordentlichen Arbeitsverhältnis wohl selbstverständlich sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sonst ist es nämlich keins! Karl Diller [SPD]: Feigling, lies den nächsten Satz!)

    Die totale Umkehr der SPD in Richtung Vernunft wäre zu loben. Aber das Ganze wird kaschiert, weil man nämlich über die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit dieser Aufwendungen keinen Ton verliert, das heißt, wieder hinterherkeucht. Dafür kann es kein Lob geben.
    Meine Damen und Herren, Haushaltsrecht ist Königsrecht des Parlaments.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat man bei Ihnen aber nicht gemerkt!)

    Das Gesetz zum Bundeshaushalt ist ein wichtiges Gesetz. Ich habe keinen Zweifel, daß die Koalition diesen Haushalt heute in dritter Lesung mit klarer Mehrheit verabschieden wird.

    (Zuruf von der SPD: Natürlich! Sie machen ja alles mit! Karl Diller [SPD]: Den Grafen sperren Sie wieder in der Toilette ein!)

    Eine funktionierende Koalition beweist sich allerdings auch dadurch, daß sie weniger wichtige Vorhaben geschlossen bewältigt. Deswegen darf die Hängepartie in Sachen Flexibilisierung beim Ladenschluß nicht fortgesetzt werden.

    (Beifall bei der F.D.P. Peter Dreßen [SPD]: Sie sind doch auf dem Bauch damit gelandet! Gegenruf der Abg. Ina Albowitz [F.D.P.]: Warten wir einmal ab!)

    - Die sehr unterschiedlichen Äußerungen von der linken Seite des Hauses lasse ich dahingestellt. Das kennen wir schon.
    Hier braucht es eine schnelle Entscheidung der Unionsfraktionen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren Kollegen von der Union, wir alle blicken auf die anstehenden Wahlen im März, darunter auch die Landtagswahl in BadenWürttemberg. Dort stellt sich eine große Koalition nach vier Jahren kleiner Politik den Wählern.

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein! Sie stellt sich nicht den Wählern!)

    Bei uns gibt es die Sorge, Herr Kollege Repnik, daß eine Hängepartie in Sachen Ladenschluß von einigen Politikern aus Ihren Reihen zu einer Doppelstrategie Anlaß sein könnte. Während in Bonn der gemeinsame Kompromiß, den auch viele von Ihnen wollen, auf die lange Bank geschoben wird, wirbt man vor Ort um Stimmen aus dem Einzelhandel gegen die F.D.P.
    Jeder weiß, daß bei einem laufenden politischen Vorhaben immer viel Unruhe gegeben ist, daß aber nach Abschluß dieser Vorhaben üblicherweise alle Betroffenen sehen, daß das Ganze doch in Ordnung war und daß es Besserung gibt, und sie ihre Chancen erkennen, und dann wieder Ruhe einkehrt. Deswegen ist ein solches offenes Verfahren niemals wünschenswert.
    Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren Kollegen von der Union: Es war Ihr baden-württembergischer CDU-Kollege Haungs, der als erster öffentlich den Durchbruch verkündet hat.

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Jawohl, das werden wir auch immer erzählen!)


    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    Es war der baden-württembergische Vorsitzende Ihrer Fraktion, Dr. Schäuble, der bei dem gefundenen Kompromiß die Feder geführt hat.
    Daß der Herr Bundeskanzler, der dieses Thema mehrfach als nicht ganz so wichtig bezeichnet hat, bei dieser Koalitionsberatung dabei war, zeigt auch unter dem Aspekt dessen, was vor zwei Jahren in gleicher Sache gewesen ist, daß er dieser Sache und diesem Verfahren doch ein besonderes Gewicht beimißt.

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Jetzt lupft er sich über die 5 Prozent!)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, Sie sind jetzt in der Pflicht. Zeigen Sie Ihre Handlungsfähigkeit bei diesem uralten Thema jetzt schnell!

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir brauchen Sie, und Sie brauchen uns.
    Meine Damen und Herren, beim Stichwort Koalitionen habe ich immer die Karikatur aus einer Zeitschrift vor Augen, in der am Brunnenrand ein dicker häßlicher grüner Frosch mit dem Gesicht von Joseph Fischer neben einer Goldkugel sitzt,

    (Freimut Duve [SPD]: Vorsicht! Vorsicht! Da wäre ich als F.D.P.-Mann ganz vorsichtig!)

    und zwei Frauen bewegen sich auf diesen Brunnen hin, eine Frau im roten und eine Frau im schwarzen Kleid.
    Jedes Kind weiß: Nur im Märchen wird der grüne Frosch zum Prinzen, wenn er geküßt wird. Das hat die SPD in den Bundesländern, in denen sie mit den Grünen koaliert, schon bitter erfahren müssen.

    (Zustimmung bei der F.D.P. und der CDU/ CSU Freimut Duve [SPD]: Ein sehr gefährliches Bild für einen F.D.P.-Politiker!)

    Deswegen mein Rat an die Union: Lassen Sie den häßlichen grünen Frosch ungeküßt! Halten Sie sich lieber an die goldene Kugel, die F.D.P.: klein, aber wertvoll!

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Karl Diller [SPD]: Wo seid ihr denn noch vertreten?)

    Herr Bundesfinanzminister, Sie haben in dieser Woche darauf hingewiesen, daß die Dauer Ihrer Amtszeit die des Kollegen Stoltenberg überschritten hat. Heute nochmals herzlichen Glückwunsch dazu!

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aber Sie sind noch lange nicht aus der Pflicht, und das nächste Spiel ist bekanntlich das schwerste.

    (Freimut Duve [SPD]: Das kann man wohl sagen!)

    Im nächsten Jahr bleibt viel zu tun: Sie müssen den
    Finanzplan in Ordnung bringen, das heißt, ohne
    Erhöhung der Verschuldung die Rahmendaten einarbeiten. Das wird nicht einfach sein.

    (Karl Diller [SPD]: Aha! Schlampiger Finanzminister!)

    Bei Ihrem geplanten und mit Blick auf die europäische Währungsunion auch notwendigen nationalen Stabilitätspakt unterstützt die F.D.P. Sie vorbehaltlos, und die Opposition wird sich hier nicht verweigern können. Da ist das vom grünen Kollegen Metzger hier Gesagte sehr viel vernünftiger als das Geschrei der SPD.
    Der Haushaltsvollzug im kommenden Jahr braucht Ihre ganze Kraft, Herr Minister Waigel. Mit der Durchführung der geplanten Privatisierungen sind Sie persönlich im Wort. Hierbei haben Sie uns an Ihrer Seite.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da kommt die grüne Kröte! Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie ihn küssen?)

    Zusätzlich haben Sie erklärt, 1998 einen ersten Schritt bei der Rückführung des Solidarzuschlags zu machen. Richten Sie sich ruhig schon einmal auf 1997 ein! Denn wenn dem Herrn Bundeskanzler das ständige Drängeln der Freien Demokraten zu dieser Steuersenkung lästig wird, wird er Ihnen sicherlich raten, diesen ersten Schritt schon für 1997 zu planen. Wenn dies politisch gewünscht wird, wird das auch möglich sein.

    (Beifall bei der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin der Froschkönig, und er ist die Prinzessin? Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Er ist die Kugel!)

    Darf ich Sie, Herr Minister Waigel, gerade weil ich in dieser Woche die Medien sehr sorgfältig verfolgt habe, heute hier auch als Vorsitzenden der CSU ansprechen: Ein Mitglied des Bundeskabinetts, das Ihrer Partei angehört, hat in dieser Woche öffentlich in Deutschlands auflagenstärkster Zeitung die Einführung des Mehrheitswahlrechts gefordert.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

    Das bedeutet bekanntlich eine Wahlrechtsmanipulation zugunsten der Großparteien.
    Ich weiß nicht, ob ein Minister besonders gut beraten ist, gerade in der Woche, in der es mit dem Haushalt auch um sein Ministergehalt geht und er hier die Zustimmung der F.D.P. braucht, an einer solchen Stelle dem Partner den parlamentarischen Tod zu wünschen.

    (Karl Diller [SPD]: Herr Waigel, das ist das Drohen eines zahnlosen Tigers!)

    Ich stelle mir umgekehrt Ihr Gesicht vor, Herr Minister Waigel, wenn Frau Leutheusser-Schnarrenberger in der „Bild-Zeitung" den Vorschlag gemacht

    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    hätte, Parteien nicht im Bundestag zuzulassen, die nur in einem einzigen Bundesland kandidieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)

    Da wären Sie und Ihre Freunde sicherlich beleidigt, obwohl auch für eine solche Regelung eine gewisse Logik sprechen könnte.
    Partnerschaftliche Zusammenarbeit in einer Koalition ist auch eine Frage der Atmosphäre. Sagen Sie Herrn Spranger, er solle sich lieber um die Entwicklung in fernen Ländern kümmern, anstatt hier in Deutschland Keile in die Koalition zu treiben.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Herr Minister Waigel, die SPD stellt einen Mißbilligungsantrag. Der Redner Ihrer Fraktion hat richtig dargelegt, daß hier der Falsche getroffen wird. Deswegen wird dieser Mißbilligungsantrag, der eigentlich gegenstandslos ist, von uns selbstverständlich abgelehnt.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Mit Abscheu und Empörung! Karl Diller [SPD]: Ihre Kollegin Albowitz hat das unseriös genannt!)

    Ihr Haus hat auf unseren Wunsch Daten geliefert, die in der Situation einer entstandenen Haushaltslücke eine Lösungsmöglichkeit boten. Diese gaben uns die Chance, mit den einzelnen Positionen, die, auf einem Blatt zusammengefaßt, zu dem Gesamtergebnis führten,

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wir haben uns sachkundig gemacht!)

    den Haushalt so zu verabschieden, wie wir es in zweiter Lesung getan haben und heute in dritter Lesung auch tun wollen. Die Verantwortung hierfür trägt die Mehrheit dieses Parlamentes, und die Mehrheit des Haushaltsausschusses, nachher in der Abstimmung. Verantwortung tragen nicht Sie, der Sie uns durch die Lieferung von Material geholfen haben und zur Seite getreten sind. Der Entschließungsantrag ist ohne jede Substanz.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, als Vertreter meiner Fraktion habe ich nach der umfangreichen, in diesem Jahr zum zweitenmal geleisteten Arbeit, den Mitarbeitern von Bundestag, Ministerien und Rechnungshof, den Kollegen im Ausschuß, vor allem natürlich dem Obmann Kollegen Adolf Roth von der Union und dem Ausschußvorsitzenden zu danken. Dem Ausschußvorsitzenden Helmut Wieczorek danke ich zusätzlich für die nichtparteipolitischen Äußerungen, die er hier gemacht hat. Es fällt immer etwas schwer, bei dem bunten Gemisch von parteipolitischen und allgemeinen Äußerungen an der richtigen Stelle zu applaudieren. Der Schlußapplaus unserer Fraktion betraf nur den Teil, der nicht parteipolitisch war. Ich bitte das dem Kollegen Wieczorek mitzuteilen, falls er wieder auftaucht.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Auch wenn die Sacharbeit zwangsläufig unter dem Zeitdruck etwas gelitten hat, wenn diese noch mehr durch das Verhalten der Opposition, sich zu verweigern, gelitten hat: Wir haben ein gutes Stück Arbeit geleistet.
    Ich habe an dieser Stelle Beifall erwartet.

    (Zuruf von der PDS: Merkt bloß keiner! Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deswegen nehme ich einen kleinen Schluck Wasser. Ich glaube auch, daß das ein richtiger Moment ist. Man kann sich ja nicht selber übertrieben loben, aber wenn man es selber nicht macht - das sagt der Finanzminister immer -, dann macht es am Ende gar keiner. Deswegen muß an dieser Stelle Entsprechendes in das Protokoll. Vielen Dank. Ich mache jetzt trotzdem mit meinen Ausführungen weiter; sonst kommt hier durchgängig 20 Minuten Applaus. Das können wir auch nicht haben.
    Meine Damen und Herren, in schwieriger Haushaltssituation haben die Freien Demokraten Schwerpunkte gesetzt, die in Deutschland zur Standortverbesserung und damit auch zur Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt beitragen sollen. Arbeitsplätze im Hochtechnologiebereich zum Beispiel entstehen nur bei konkreten Projekten, wie etwa dem Transrapid. Sie entstehen nicht durch blumige Worte, wie wir sie von der Opposition hören, die sich, wenn es ernst wird, immer verweigert. Nur hochqualifizierte Produktion in Deutschland - das wird Ihnen am Parteitag Herr Schröder, der etwas dazugelernt hat, aber prompt in das Parteiloch fiel, erzählen - kann die Voraussetzungen für die Lebensqualität der Bürger, für Arbeitsplätze und vor allem auch für zusätzliche Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich schaffen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Bei Verbesserungen des Standorts, wenn es darum geht, die Gewerbekapitalsteuer aufzuheben, die Gewerbesteuer zu senken, verweigert sich die SPD. Bei der Forderung nach massiver Erhöhung der Erbschaftsteuer - wenn Menschen sparen und ihr Erspartes dann nicht selbst verbrauchen, sondern weitergeben wollen - zeigt s ch das wahre Gesicht der Sozialdemokraten: abkassieren, immer nur abkassieren!

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Mit der Förderung von Mittelstand und Kultur, mit Signalen in der Umweltpolitik, auch mit einem Bremsen bei Verteidigungsausgaben haben wir von der F.D.P. Schwerpunkte bei der Parlamentsarbeit gesetzt. Wo Erhöhungen der Ausgaben notwendig waren, haben wir darauf geachtet, daß Investitionen berücksichtigt wurden. Unser Augenmerk liegt auf Rückführung der Verschuldung, vor allem mit Blick auf die Zukunftschancen der heranwachsenden Generation. Unser Augenmerk liegt auf Wahrung der Stabilität unserer Währung in Deutschland wie auch zukünftig in Europa. Wir wollen, daß sich sparsame Bürger auf staatliche Solidität verlassen können.

    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    Der Haushalt 1996 flankiert die von der Bundesregierung angekündigte Initiative zur Schaffung weiterer zusätzlicher Arbeitsplätze. Hierauf, auf die Verringerung der Arbeitslosigkeit, richtet sich all unser Bemühen.
    Die Bundestagsfraktion der F.D.P. stimmt dem Bundeshaushalt für das Jahr 1996 auch in dritter und letzter Lesung zu.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Heilig's Blechle!)

    - Joseph Fischer, Frankfurt, ist völlig überrascht.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Weng ist der Meister der leisen Töne und der kleinen Erbsen!)