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    Plenarprotokoll 13/69 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 69. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. November 1995 Inhalt: Erklärung zu den Menschenrechtsverletzungen der nigerianischen Militärregierung 6031 A Absetzung des Punktes IV d von der Tagesordnung 6031 C Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 6031 D Begrüßung des Außenministers der Schweiz 6095 D Zur Geschäftsordnung Joachim Hörster CDU/CSU 6031 D Ottmar Schreiner SPD 6032 B Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6033 B Ina Albowitz F.D.P.B 6034 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS 6034 D Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593) 6035 B Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Drucksachen 13/2622, 13/2626) Dieter Schanz SPD 6035 C Steffen Kampeter CDU/CSU 6038 D Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6042 D Jürgen Koppelin F.D.P 6045 A Dr. Ludwig Elm PDS 6047 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 6049A Dr. Ludwig Elm PDS (Erklärung nach § 30 GO) 6050D Dr. Peter Glotz SPD 6051 A Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 6053 A Haushaltsgesetz 1996 (Drucksachen 13/2627, 13/2630) . . . . 6057 B Tagesordnungspunkt II: a) Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/ 2601 bis 13/2626, 13/2627, 13/2630) . . 6057 C b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksachen 13/2001, 13/2593, 13/2631) 6057 D Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . . 6058 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 6062 A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6067 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 6070D Dr. Christa Luft PDS 6075 A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 6077 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 6082 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 6083 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 6086 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . 6087 D Dr. Peter Glotz SPD 6090 A Dr. Christa Luft PDS (Erklärung nach § 30 GO) 6091 B Joachim Hörster CDU/CSU 6094 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 6095 A Rudolf Seiters CDU/CSU 6095 C Günter Verheugen SPD 6096 A Ulrich Irmer F.D.P 6096 C Dr. Winfried Wolf PDS 6097 A Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 6097 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (zur GO) 6098 D Namentliche Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1996 6091 D Ergebnis 6092 B Namentliche Abstimmung über Drucksache 13/2972 6091 D Ergebnis 6101 C Namentliche Abstimmung über Drucksache 13/2922 6092 A Ergebnis 6099 B Tagesordnungspunkt IV: Abschließende Beratungen ohne Aussprache c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Drucksachen 13/2207, 13/2940) 6104 C Petra Bläss PDS (Erklärung nach § 31 GO) 6104 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung der Arbeitsbedingungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern (Entsendegesetz) (Drucksache 13/2834) 6105 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe (Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz) (Drucksache 13/2898) 6105 C Nächste Sitzung 6105 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6107*A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1996 (Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/2627, 13/2630, [Drucksache 13/29721) 6107*B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 3 (ArbeitslosenhilfeReformgesetz) 6107' C Heinz Schemken CDU/CSU 6107*C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 6108*C Adolf Ostertag SPD 6109* C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6111*B Dr. Gisela Babel F.D.P 6112*B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 6113*A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 6114*A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 6115* D 69. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 3 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 11. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dr. Dobberthien, SPD 10. 11. 95 Marliese Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 10. 11.95 Meißner, Herbert SPD 10. 11. 95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 11. 95 Nickels, Christa BÜNDNIS 10. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Odendahl, Doris SPD 10. 11. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 10. 11.95 90/DIE GRÜNEN Schwanitz, Rolf SPD 10. 11. 95 Steindor, Marina BÜNDNIS 10. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 10. 11. 95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 10. 11. 95 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1996 - Drucksachen 13/2000, 13/2593, 13/2627, 13/2630 - (Drucksache 13/2972) Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unserer Fraktion ist beim Mißbilligungsantrag der SPD auf Drucksache 13/2972 ein Abstimmungsfehler unterlaufen, den ich als Haushaltsobmann auf meine Kappe nehme. Wir haben versehentlich mit Nein gestimmt, obwohl ich in meiner Rede die Zustimmung angekündigt hatte. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 3 (Arbeitslosenhilfe-Reformgestz - AlhiRG) Heinz Schemken (CDU/CSU): In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Arbeitslosenhilfebezieher und die Bezugsdauer erheblich angestiegen. Der mit der Dauer der Arbeitslosigkeit regelmäßig zunehmende Verlust von beruflicher Qualifikation erschwert die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in das Arbeitsleben. Es hat sich ein Sockel von Arbeitslosenhilfebeziehern gebildet, der die Arbeitslosenhilfe nicht nur vorübergehend, sondern immer häufiger mehr als zehn Jahre in Anspruch nimmt. Im geltenden Recht gewährleisten Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe den Schutz vor den finanziellen Folgen der Arbeitslosigkeit. Der vorliegende Gesetzentwuf zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe enthält die im wesentlichen notwendigen strukturellen Änderungen: Erstens. Der Anspruch auf die Arbeitslosenhilfe setzt voraus, daß der Arbeitslose ein Jahr gearbeitet und im Anschluß daran Arbeitslosengeld bezogen hat. Arbeitslose, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, haben den Anspruch auf Sozialhilfe. Diese unterschiedliche Behandlung muß bei einer Langzeitarbeitslosigkeit mehr oder weniger als Zufall gesehen werden. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sind deshalb stärker aufeinander abzustimmen und systemgerechter abzugrenzen. Dieses Ziel könnte durch eine Befristung der Arbeitslosenhilfe erreicht werden. Der Entwurf sieht dies eben nicht vor. Er beruht vielmehr auf der Abwägung, daß es besser ist, durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen langjährigen Arbeitslosen, die auch einen Verlust von beruflicher Qualifikation haben, einen Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Da die Nachfrage nach Arbeitsplätzen das Angebot weit übersteigt, kann dieses Ziel erreicht werden: durch eine Verbesserung der bestehenen Beschäftigungsmöglichkeiten in Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und produktiven Arbeitsförderung, durch Erschließen neuer Beschäftigungsmöglichkeiten, die gegenwärtig z. B. vielfach durch ausländische Saisonarbeitnehmer genutzt werden, dabei mit einer finanziellen Anreizleistung, durch das Angebot von Tätigkeiten und Maßnahmen, die zur Wiedereingliederung oder Verbesserung der Vermittlungsaussichten beitragen und dies durch finanzielle Absicherung und Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe, durch die Beseitigung von bestehenden Hindernissen für den Versuch von Arbeitlosen, ihren Lebensunterhalt durch eine selbständige Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Zweitens. Mit dem geltenden Recht können diese Ansätze nicht verwirklicht werden. Es ist verwaltungsaufwendig und wegen des weiten Beurteilungsspielraums in der Höhe des Arbeitslosengeldes nicht hilfreich. Der Entwurf sieht deshalb vor, daß die Neufestsetzung und Anpassung an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte jährlich erfolgt und an die Stelle der individuellen Neufestsetzung ein pauschaler Ansatz tritt. Drittens. Da die Nachfrage nach Arbeitsplätzen das Angebot übersteigt, kann die Arbeitsbereitschaft von Arbeitslosenhilfebeziehern vielfach nicht überprüft werden. Arbeitslosenhilfe können deshalb auch Personen beziehen, die keine Arbeit suchen. Sie nehmen die Arbeitslosenhilfe mißbräuchlich in Anspruch. Viertens. Die Arbeitslosenhilfe ist eine aus Steuermitteln des Bundes finanzierte staatliche Fürsorgeleistung. Der Arbeitslose erhält sie, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise bestreiten kann. Die Arbeitslosenhilfe soll deshalb ruhen, wenn der Arbeitslose voraussichtlich die Voraussetzungen einer Rente wegen Alters erfüllt, diese aber nicht beantragt. Fünftens. Das geltende Recht bietet dem Ehegatten des Arbeitslosenhilfebeziehers vielfach keinen Anreiz, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, weil das Einkommen bei der Arbeitslosenhilfe angerechnet wird. Wie in der Sozialhilfe soll deshalb durch einen zusätzlichen Freibetrag ein entsprechender finanzieller Anreiz für den Ehegatten geschaffen werden. Sechstens. Der vorliegende Entwurf setzt bei der Reform der Arbeitslosenhilfe folgende Schwerpunkte: Erhöhung des Anteils von Arbeitslosenhilfebeziehern an Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und der produktiven Arbeitsförderung - §§ 242s, 249h AFG -, Einführung von Trainingsmaßnahmen für Arbeitslosenhilfebezieher unter Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe, Erschließung zumutbarer Beschäftigungsmöglichkeiten durch Einführung einer Arbeitnehmerhilfe - über 60 Prozent der Arbeitslosenhilfeempfänger sind unter 45 Jahre alt - Verlängerung der Fristen, innerhalb deren ein Arbeitsloser eine selbständige Tätigkeit ohne Nachteile bei der Arbeitslosenhilfe ausüben kann, Verlängerung der Fristen, innerhalb deren ein Arbeitsloser sein Recht auf Arbeitslosenhilfe nicht verliert, wenn er wegen der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht bedürftig war, pauschalierende und weniger verwaltungsaufwendige jährliche Anpassung des für die Arbeitslosenhilfe maßgeblichen Arbeitsentgelts, Begrenzung der Arbeitslosenhilfe bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslose frühestens eine Altersrente beanspruchen kann. Natürlich wird durch diese Gesetzgebung auch der Bundeshaushalt entlastet; dies ist erforderlich, um Spielräume für arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu schaffen. Birgit Schnieber-Jastram (CDU/CSU): Eines, glaube ich, ist in diesem Hause unstrittig: Die Sozialversicherungssysteme Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe müssen effektiver als bisher miteinander kooperieren und aufeinander abgestimmt werden. Aber diese Forderung ist nur sinnvoll, wenn eine Reform der einzelnen Systeme - eben auch der Arbeitslosenhilfe - akzeptiert wird. Man muß den Mund nicht nur spitzen, sondern auch pfeifen. Die Voraussetzungen des Bezuges dieser Sozialleistung haben sich geändert: Arbeitslosenhilfe ist leider nicht mehr nur eine Übergangsleistung bei einem kurzfristigen Verlust des Arbeitsplatzes, sondern sie wird mehr und mehr zu einer Dauerleistung. Über die Ursachen dieser Entwicklung kann man sich streiten, das Faktum jedoch bleibt bestehen: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen und ihr Verbleib in der Arbeitslosenhilfe nehmen zu. Wie soll die Sozialpolitik auf diese Entwicklung reagieren? Soll weiterhin ein reines Versorgungssystem aufrecht erhalten werden, oder können den Langzeitarbeitslosen, denen in ihrer Gesamtheit hier niemand den Arbeitswillen abspricht, nicht auch Perspektiven auf eine Beschäftigung eröffnet werden? Ich denke, das wäre ein vernünftiger Weg. Ich möchte einige Punkte des Gesetzentwurfes der Koalition besonders hervorheben: So sollen in Zukunft mit geringen Ausnahmen nur noch Langzeitarbeitslose in die Allgemeinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung zugewiesen werden können. Außerdem werden Trainingsmaßnahmen für Arbeitslose eingeführt, die ihnen nicht nur bei der Bewerbung helfen sollen sondern unter Umständen auch ihre Eignung und Begabung für eine neue Tätigkeit aufzeigen, insgesamt ihre „Professionalität" verbessern sollen. Eine weitere geplante Maßnahme, die ich für sinnvoll halte, sind Zuschüsse an jüngere Arbeitslosenhilfeempfänger, die sich für befristete und nicht gerade hoch dotierte Beschäftigungen zur Verfügung stellen. Wer etwa bei der Ernte mitarbeitet, erhält 25 DM täglich als Zuschlag zu seinem Entgelt. Wenn man bedenkt, daß ein beträchtlicher Anteil der Arbeitslosenhilfebezieher zu einer solchen Tätigkeit in der Lage ist, ist dieses Angebot - ich möchte die Freiwilligkeit unterstreichen wünschenswert und erfreulich. Wer in diesem Zusammenhang von „Arbeitsdienst" redet, zeigt nicht nur sein historisches Unverständnis, sondern offenbart auch nationalen Hochmut nach dem Motto: „Ein Deutscher bückt sich nicht vor einer Erdbeere." Hunderttausende ausländischer Arbeitnehmer kennen diese Scheu nicht und sind sich für Erntearbeiten in Deutschland nicht zu schade. Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang an einen Satz von Willy Brandt erinnern, der zutreffend bemerkte, daß das Sozialstaatsangebot „nicht nur Pflichten des Gemeinwesens gegenüber dem Bürger, sondern auch soziale Verpflichtungen der Bürger im Verhältnis zum Staat" beinhaltet. Liebe Kollegen von der SPD, ich interpretiere in dem heutigen Zusammenhang die Worte ihres ExVorsitzenden so: Wer Hilfe vom Gemeinwesen erhält, der soll sich nach seinen Möglichkeiten auch bemühen, diese Hilfe nicht mehr oder in geringerem Umfang zu benötigen. Nur für den Fall, daß Sie mir vorwerfen sollten, ich würde Sie auf alte Kamellen von vorgestern festnageln, möchte ich auf Äußerungen des Hamburger Bürgermeisters, Ihres Parteifreundes Henning Voscherau, hinweisen. Der forderte in einem Interview vor knapp einer Woche die Abschaffung „überkommener Zumutbarkeitsgrenzen" und erklärte, es könne nicht Sache des einzelnen sein, sich zwischen Arbeit und „einem Einkommen aus der Tasche des Steuerzahlers" zu entscheiden. Ist das, liebe Kollegen von der SPD, ein Anschlag auf den Sozialstaat? Ich habe die meines Erachtens positiven Aspekte des vorliegenden Gesetzentwurfes hervorgehoben und möchte nun einige Sätze zu einer Neuregelung sagen, der ich - und auch einige meiner Fraktionskollegen - nicht ganz ohne Bedenken zustimmen kann: Geplant ist, die Minderung der beruflichen Qualifikation dadurch auszugleichen, daß das Bemessungsentgelt um fünf Prozent gekürzt wird, bis der durchschnittliche Tariflohn der untersten Gruppe erreicht ist. Tatsächlich ist eine Kürzung der Arbeitslosenhilfe, die ja im Vergleich zum Arbeitslosengeld bereits reduziert ist, nicht unproblematisch. Dies gilt um so mehr, wenn es sich um eine pauschale Kürzung handelt. Das individuelle Schicksal verliert an Bedeutung, die eigenen Anstrengungen, der Notlage zu entkommen, können nicht gewürdigt werden. Dies begründet auch mein Bedenken gegen die Vorlage. Die Kürzung der Arbeitslosenhilfe nach drei Jahren wegen der Abnahme beruflicher Qualifikation ist ja bekanntlich geltendes Recht; die Durchsetzung wurde wiederholt vom Bundesrechnungshof angemahnt. Es ist aber wichtig, daß ältere Arbeitslose, die nur noch geringe Vermittlungschancen haben, nicht das Gefühl bekommen, bestraft zu werden. Gerade sie müssen im Gegenteil eine besondere Förderung erfahren. Andererseits war eine Regelung, die alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hatte, nur sehr schwer in die Praxis umzusetzen. Bereits bei der alten Regelung endete die Neufestlegung der Arbeitslosenhilfe häufig vor dem Sozialgericht. Eindeutige gesetzliche Regelungen sind hier wohl tatsächlich nötig, um Rechtsklarheit zu erhalten und Ungerechtigkeiten vorzubeugen. Wie gesagt, nicht allen Einzelpunkten der Novellierung stimme ich aus vollem Herzen zu. Ich akzeptiere die aus meiner Sicht problematischen Abschnitte als Notwendigkeit, auf die nicht nur der Sparzwang hinweist. Auch eine Anpassung an den geänderten Charakter der Arbeitslosenhilfe als „Massenleistung" macht eine Reform in der vorgeschlagenen Art nötig. Insofern kann ich den Gesetzentwurf der Koalition als Gesamtpaket mit gutem Gewissen als gelungen bezeichnen. Abschließend möchte ich den Kollegen von der SPD, deren Kriegsgeheul von sozialem Kahlschlag und „menschlicher Sauerei" (Ottmar Schreiner) in den letzten Wochen wieder lauter geworden ist, in Erinnerung rufen: Es sind eure Engel, die den Teufel an die Wand malen. Unter Ihrer Ägide wurden die ersten einschneidenden Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe geplant, nämlich eine Senkung der Arbeitslosenhilfe und eine Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien. Damals, im März 1981, titelte der „Spiegel" sogar: „Sozialleistungen werden eingesammelt". Ihr Parteifreund Hans Matthöfer erklärte, „von einer Phase des Ausbaus sozialer Leistungen" sei nun - 1981 - „in eine Phase gesunden Abwägens von sozialer Sicherung und Eigenverantwortung überzugehen". Was damals richtig war, ist auch heute gültig. Insofern sollten auch die Kollegen von der SPD den vorliegenden Entwurf, der jene Forderung des Abwägens erfüllt, als das sehen, was er ist: Eine Sicherungsmaßnahme im Sozialstaat. Adolf Ostertag (SPD): Heute vor einer Woche hat der Bundesarbeitsminister auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall das „Bündnis für Arbeit" als „bedeutsamen Beitrag" bezeichnet und angeboten: Laßt uns auf dem Boden der Vorschläge von Klaus Zwickel, nicht auf der Höhe abstrakter Diskussionen, sondern im Rahmen ganz konkreter Projekte zusammenarbeiten, wo es geht. Vorgestern hat der Kanzler auch lobende Worte gefunden. Ich bezweifle aber, ob Sie dieses Angebot der IG Metall wirklich gelesen haben und auch ernst nehmen. Wörtlich heißt es da: „Dieses Bündnis verpflichtet die Bundesregierung, die Arbeitgeber und auch uns zur Einhaltung ... Wenn die Bundesregierung verbindlich erklärt, bei der Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes auf die Kürzung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe zu verzichten und die Sozialhilfekriterien nicht zu verschlechtern", nur dann wird es ein „Bündnis für Arbeit" geben. Einen Tag nach diesem Angebot hat das Kabinett unter Leitung des Bundesarbeitsministers den Gesetzentwurf mit dem irreführenden Etikett „Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe" - besser: „Arbeitslosenbekämpfungsgesetz" - beschlossen. Darin stehen genau die Verschlechterungen, die das angebotene „Bündnis für Arbeit" unmöglich machen. Herr Bundesarbeitsminister, was ist mit den „ganz konkreten Projekten" ? Gehört dieser Entwurf dazu? Meine Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt erneut, wie diese Regierung schönfärberisch redet und gleichzeitig eiskalt ihre Politik des sozialen Ausgrenzens weitertreibt. Sie bekämpfen doch die Arbeitslosen statt die Massenarbeitslosigkeit. Sie wälzen die sozialen Risiken einseitig auf die Beitragszahler ab; Sie ruinieren die Finanzen der Gemeinden in unverantwortlicher Weise. Damit hat diese Regierung den Konsens, der für einen Sozialstaat unerläßlich ist, längst verlassen. Und jetzt kommt gleich ein dreifacher Salto zur weiteren Demontage der Arbeitsmarktpolitik: Erstens. Mit den aktuellen Änderungen im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes werden 35 000 Personen aus der originären Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe abgeschoben, und die Arbeitslosigkeit wird weiter kommunalisiert und statistisch verkleinert. Der Bund stiehlt sich aus seiner Verantwortung. Zweitens. Mit den angekündigten Veränderungen im AFG, die den wohlklingenden Namen „Arbeitsförderungs-Reformgesetz" erhalten sollen, wird das Instrumentarium der aktiven Arbeitsmarktpolitik weiter demontiert. Es wird eine Pseudoreform werden, die wieder der Finanzminister diktiert. Drittens. Auch mit dem sogenannten Arbeitslosenhilfe„reform"gesetz, das wir heute beraten müssen, setzt diese Bundesregierung ihre Strategie des Sozialabbaus und der Ausgrenzung konsequent fort. Die Arbeitslosenhilfe soll weiter auf das Sozialhilfeniveau gedrückt werden. Die Ausgliederung aus dem AFG ist der erste Schritt zur generellen Abschaffung. Für viele Arbeitslose und ihre Familien werden diese gesetzgeberischen Untaten zum Salto mortale. Mit Ihren Vorschlägen zur Arbeitslosenhilfe wird sich die finanzielle und soziale Lage der Arbeitslosen verschärfen, von dem psychischen Druck einmal ganz zu schweigen. Erstens. Sie behaupten, mit den vorgeschlagenen Regelungen eine bessere Integration der Arbeitslosenhilfempfänger zu ermöglichen. In Wahrheit geht es Ihnen nur um Kostenverschiebung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht von „Flickschusterei zu Lasten der Kommunen". Die Stadt Frankfurt wird Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einlegen. Das wurde mit den CDU-Stimmen beschlossen. Durch den Gesetzentwurf wollen Sie den Bund in Milliardenhöhe entlasten auf Kosten der Arbeitslosenhilfeempfänger, der Sozialhilfeempfänger sowie der beitragsfinanzierten Arbeitsmarktpolitik. Zweitens. Sie wollen den Anteil von Arbeitslosenhilfebeziehern in Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und der produktiven Arbeitsförderung erhöhen. In diese Maßnahmen dürfen allerdings nur noch Bezieher von Arbeitslosenhilfe einbezogen werden. Diese Maßnahmen werden aus Beitragsmitteln finanziert. Der Bund entlastet sich somit, indem er sich bei den Beitragszahlern „bedient". Darüber hinaus bringt dies auch arbeitsmarktpolitisch nichts, da erst nach einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit die Teilnahme an einer derartigen Maßnahme möglich ist. Statt zügiger Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt wird ein Abgleiten von Arbeitslosengeldempfängern in die Arbeitslosenhilfe programmiert. Drittens. Mit den vorgesehenen Trainingsmaßnahmen bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosenhilfe sollen die Wiedereingliederungschancen verbessert werden. In erster Linie geht es aber darum, die Arbeitsbereitschaft zu testen. Bei einer Verweigerung gibt's Sperrzeit. Damit können die Empfänger von Arbeitslosenhilfe aus dem Leistungsbezug gedrängt werden. Von den Kosten für diese Trainingsmaßnahmen verabschiedet sich der Bund, den Beitragszahlern werden sie aufgehalst. Viertens. Ältere Arbeitslose sollen gezwungen werden, zum frühestmöglichen Termin Rente wegen Alters zu beantragen. Dies würde bei den Betroffenen zu niedrigeren Renten führen, da sich der Zeitraum der Beitragszahlung verkürzt. Falls sich die Bundesregierung mit den von ihr geplanten Abschlägen durchsetzt, würden die Renten noch weiter gekürzt. Fünftens. Die Bundesregierung will das für die Berechnung der Arbeitslosenhilfe maßgebliche Arbeitsentgelt jährlich pauschal um 5 Prozent senken. Als Untergrenze sollen 50 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV festgelegt werden. In Westdeutschland sind das zur Zeit 2 030 DM, in Ostdeutschland 1 645 DM brutto monatlich. Arbeitslosenhilfeempfänger und -empfängerinnen im Westen würden danach wöchentlich 215 DM, im Osten 174 DM (Leistungsklasse C) erhalten. Als Konsequenz ist einmal eine deutlich stärkere Belastung der Sozialhilfe zu erwarten und zum anderen ein verstärkter Druck auf die Arbeitslosen, gering entlohnte Arbeit zu akzeptieren. Sechstens. Eingeführt werden soll eine sogenannte „Arbeitnehmerhilfe" in Höhe von 25 DM täglich. Dadurch leistet die Bundesregierung einem staatlich geförderten Niedriglohnsektor Vorschub. Der Druck auf Arbeitslose, niedrig bezahlte Beschäftigung - möglicherweise unter Tarif - anzunehmen, wird erhöht. Die Tatsache, daß jede Arbeit angenommen werden muß, führt zu einer Dequalifizierung und zu einer Fehlsteuerung von Arbeitskräften. Zusammenfassend heißt das: Diese Bundesregierung zieht sich mit diesem Gesetzentwurf immer weiter von einer sinnvollen Arbeitsmarktpolitik zurück. Die Erwerbslosen werden mehr und mehr zum Sündenbock der Nation gemacht. Die Folgen sind eine weitere Verarmung der Arbeitslosen und eine weiter um sich greifende Kommunalisierung der Massenarbeitslosigkeit. Konkret in Zahlen heißt das: Auf Kosten der Beitragszahler und Kommunen will der Bund seinen Haushalt um insgesamt 3,4 Milliarden DM im Jahr 1996 beziehungsweise 3,8 Milliarden DM in den folgenden Jahren entlasten. Diese Politik steht im krassen Widerspruch zu den ständigen Versprechungen des Bundesarbeitsministers, die Beitragszahler zu entlasten. Seit 13 Jahren könnte diese Regierung was tun - sie redet aber nur und macht das Gegenteil. Ihre Vorschläge zur Arbeitslosenhilfe werden von allen gesellschaftlich wichtigen Gruppen, den Kirchen, den Gewerkschaften, dem Städte- und Gemeindebund, vielen Arbeitgebern und auch vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit abgelehnt. Deshalb fordere ich auch namens der SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung nachdrücklich auf, den Entwurf zurückzuziehen und auch die originäre Arbeitslosenhilfe beizubehalten. Meine Damen und Herren, wir brauchen ein „Bündnis für Arbeit" und ein „Bündnis gegen Arbeitslosigkeit". Im Gegensatz zur Bundesregierung wollen wir Sozialdemokraten, daß die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik produktiv eingesetzt werden und ein einheitliches AFG erhalten bleibt. Ich verweise auf unseren Entwurf eines Arbeits- und Strukturförderungsgesetzes, das wir am 22. Juni des Jahres erstmals beraten haben. Unsere Vorstellungen decken sich mit den Forderungen der Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen und Wissenschaftlern. Meine Damen und Herren, zu Recht wird Klaus Zwickel jetzt viel gelobt. Vorgestern hat der Kanzler aufgefordert, den IG-Metall-Vorsitzenden vollständig zu zitieren. Ich empfehle dem Kanzler, das Grundsatzreferat vollständig zu lesen. Da steht auch: Bundeskanzler Helmut Kohl hat in seiner Regierungserklärung von 1994 davon gesprochen, in der laufenden Legislaturperiode drei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Weder drei Millionen Arbeitsplätze noch blühende Landschaften wurden bislang geschaffen. Bundeskanzler Kohl verspricht vieles, hält jedoch wenig. Ich fürchte, das bleibt auch so. Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn sich eine unbefangene Zuhörerin - sollte es sie denn an einem Freitag nachmittag um diese Uhrzeit noch geben - diese Debatte anhört, muß sie glauben, daß hier von ganz unterschiedlichen Gesetzen die Rede ist. Der Kollege Schreiner spricht - und da hat er meine volle Zustimmung - vom Arbeitslosenbekämpfungsgesetz. CDU und FDP behaupten, es ginge um Hilfen für Langzeitarbeitslose, darum, den Ausgegrenzten und sozial Schwachen dieser Gesellschaft die Hand zu reichen. Schade, daß das nichts als blanke Rhetorik ist. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, tun genau das Gegenteil von dem, was Sie hier behaupten. Was Sie hier vorlegen, ist und bleibt soziale Demontage. Kern des Gesetzentwurfs ist die Verschärfung von Kontrollen gegenüber den Erwerbslosen, das weitere Abdrängen der Betroffenen in Armut und Billiglohnsektor. Die versprochenen zusätzlichen Maßnahmen für Langzeitarbeitslose sind eben keine zusätzlichen - dafür haben Sie der Bundesanstalt ja auch gar kein Geld zur Verfügung gestellt -, sondern gehen zu Lasten anderer Erwerbsloser. Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die Zugangsvoraussetzung für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von sechs auf zwölf Monate erhöhen, produzieren Sie neue Langzeitarbeitslose. Wenn Sie nicht wirklich neue Maßnahmen ergreifen, mehr Angebote an aktiver Arbeitsmarktpolitik machen, führt das zu einem Verdrängungswettbewerb zwischen denjenigen, die unsere Unterstützung dringend brauchen. Dem Bundeshaushalt für 1996, der heute von Ihnen hier verabschiedet worden ist, liegt die sogenannte Arbeitslosenhilfereform schon zugrunde, obwohl wir den Gesetzentwurf der Regierung heute zum ersten Mal im Parlament beraten. Das macht deutlich, worum es eigentlich geht: nicht um sinnvolle Sozial- und Arbeitspolitik im Konzept, sondern um das Verschieben von Kostenstellen weg vom Bundeshaushalt. Belastet werden sozial Schwache, die wirklich keine Mark entbehren können, nämlich die betroffenen Arbeitslosenhilfebezieher und -bezieherinnen, belastet wird die Arbeitslosenversicherung und auch die Rentenversicherung, belastet werden die Kommunen. Die Kommunen müssen bluten: durch die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe, mit der die Leute gleich an die Sozialhilfe durchgereicht werden , mit der Steigerung der ergänzenden Sozialhilfe, mit der Produktion neuer Langzeitarbeitsloser. Dieses Faktum können Sie auch nicht dadurch verdecken, daß Sie völlig sachfremd einen Teil Ihrer gesetzlichen Änderungen ins Asylbewerberleistungsgesetz abgeschoben haben. Für so dumm können Sie den Deutschen Städtetag doch nicht ernstlich halten! Ich hoffe, daß Sie mit dem Versuch gründlich auf die Nase fallen, in Ihrem ausländerfeindlichen Asylbewerberleistungsgesetz eine Rechnung aufzumachen, die den Kommunen die neuen Belastungen als finanzielle Erleichterungen verkaufen soll und die Haushaltsdruck gegen politischen Anstand ausspielen will. Die durchschnittliche Arbeitslosenhilfe reicht schon jetzt kaum zum Leben. Viele - fast ein Viertel - beziehen weniger als 600 DM im Monat. Sie leben in oder am Rande der Armut. Genau diese Verarmung wollen Sie jetzt noch beschleunigen: Sie konstruieren eine Rutschbahn in Armut und Billiglohnsektor. Die jetztige ist Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, offensichtlich noch nicht steil genug -5 Prozent jährlich sollen die Bemessungsentgelte automatisch abgesenkt werden. Den Vorwurf „Marktwert", Herr Minister, werden Sie sich damit nicht mehr einhandeln; denn mit Markt hat ein Absenkungsautomatismus nichts mehr zu schaffen. Allerdings hat er auch nichts mehr zu tun mit einer Versicherungsleistung, die die Arbeitslosenhilfe bisher gewesen ist. Denn zum Wesen der Erwerbslosigkeit, dem Risiko, gegen das die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich versichern, gehört doch gerade, die eigene Arbeitskraft nicht verkaufen zu können, zur Zeit nicht gebraucht zu werden und „überschüssig" zu sein. Die Ausgrenzung von Millionen Menschen aus der Erwerbsarbeit zur Waffe zu machen und gegen die Betroffenen zu wenden ist schon abenteuerlich. Mit dieser automatischen Abwertung hebeln Sie den Charakter der Arbeitslosenhilfe als Versicherungsleistung, auf die Anspruch besteht, weiter aus und verändern ihren Charakter hin zur Sozialhilfe. Sie verschärfen den Druck auf die Arbeitslosenhilfebezieher, jede Arbeit unter jeder Bedingung anzunehmen. Perspektiven bieten Sie ihnen keine, sondern hier wird lediglich die Situation der Schwäche ausgenutzt, um das Angebot an Billiglohnarbeitskräften zu vergrößern. Das gilt für die Ernteeinsätze genauso wie für die Trainingsmaßnahmen für ALH-Bezieher, die der Gesetzentwurf vorsieht. Bei entsprechender Ausgestaltung könnte ja z. B. ein Bewerbungstraining zumindest eine sinnvolle Förderung im Einzelfall darstellen. Aber darum geht es nicht, das steht erfrischend offen in der Begründung. Die Trainingsmaßnahmen dienen der Einsparung von Haushaltsmitteln, sie sollen die Arbeitsbereitschaft überprüfen und Leistungsmißbrauch feststellen. Sie sind also vor allem Instrument der Kontrolle und eine Schikane gegen Erwerbslose, keineswegs ein Instrument zur Integration in den Arbeitsmarkt. Und hier, so muß ich sagen, macht mir eines wirklich Sorgen: Der ganze Gesetzentwurf spricht immer wieder von Mißbrauchsvermeidung, von schärferen Kontrollen gegenüber den Erwerbslosen. Das gilt genauso für die entsprechenden Passagen im Asylbewerberleistungsgesetz. Sie erwecken in der Öffentlichkeit den Eindruck, als wollten die Menschen die Allgemeinheit betrügen, als wollten sie nicht arbeiten, als bräuchten sie, wie Herr Schäuble das am Mittwoch in der Haushaltsberatung wieder gesagt hat, Anreize zur Arbeit. Angesichts von zirka 6 Millionen fehlenden Erwerbsarbeitsplätzen ist diese Unterstellung doch offensichtlich absurd. Sie öffnen Tür und Tor für eine Mißbrauchskampagne, die jetzt schon in Teilen der Presse begonnen hat. Das bedeutet Stammtischneid auf das angeblich goldene Leben der ALH-Bezieher, auf die, die auf unsere Kosten leben. Für die Betroffenen heißt das neben der schweren Belastung, aus dem Erwerbsleben ausgegrenzt zu sein, außerdem noch Diffamierung und Entmutigung. Für das gesellschaftliche Klima ist das ein weiterer Schritt hin zu Entsolidarisierung und Ellbogengesellschaft. Wir werden alles tun, um solchen Diffamierungen entgegenzutreten. Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Die Gesetzesänderungen im Arbeitsförderungsgesetz, die wir heute beschließen, sind Teil der Haushaltsgesetzgebung. Sie betreffen die Arbeitslosenhilfeempfänger. Da durch die vorgesehenen Änderungen 1,3 Milliarden DM gespart werden sollen, ist schnell erklärlich, daß diese Sparvorschläge in der öffentlichen Diskussion sehr polemisch erörtert werden. Manchem Sozialpolitiker fällt es schwer, die von Finanzen diktierte Sozialpolitik hier im Bundestag zu verteidigen. Allemal ist es leichter, mit grünem Feldgetöse oder kirchlicher Berufsentrüstung vom Leder zu ziehen, als sich die Mühe zu machen, die Vorschriften genauer anzusehen und zu bewerten. Bezieher von Arbeitslosenhilfe erhalten ihr Geld auf der Grundlage ihres letzten Nettogehaltes. Sie bekommen es zur Hälfte unbegrenzt - was einmalig ist, wenn Sie einmal europäische Nachbarländer zum Vergleich heranziehen - und erleben jährlich die Anpassung an die Steigerungen der Bruttoentgelte. Schon nach geltendem Recht ist die Bemessungsgrundlage nicht statisch, über alle Jahre hinweg auf derselben Höhe. Auch heute werden in einem Zeitraum von drei Jahren die Beträge „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles" neu festgesetzt. In die Praxis ist diese Vorschrift aber kaum umgesetzt worden. Jetzt soll die Bemessungsgrundlage - kurz: der letzte Lohn - jährlich um 5 Prozent gekürzt werden, herunter bis zum niedrigsten Tariflohn der entsprechenden Branche. Daß also jemand, der 600 DM Arbeitslosenhilfe bekommt, diese gekürzt bekommt, wie gestern Redner von der SPD behauptet haben, stimmt nicht. Im Grunde ist es doch schwierig zu begründen, warum jemand, der seit längerem aus dem Arbeitsprozeß herausgefallen ist, immer noch fiktiv auf der selben Lohnstufe die Unterstützungsleistung erhalten soll. Es zeigt sich eben, daß das Fürsorgesystem des Bundes - nichts anderes ist ja das Arbeitslosenhilferecht -, orientiert am einmal verdienten Lohn, in innere Widersprüche gerät. Der Absenkung auf der einen Seite stehen nun aber auch verstärkte Hilfen auf der anderen gegenüber. Eine Verbesserung sehe ich darin, daß den Empfängern von Arbeitslosenhilfe Trainingsmaßnahmen angeboten werden können, daß das Instrument der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ihnen mehr als jetzt zugedacht wird. Damit entwickelt sich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu einem Angebot gerade für den Personenkreis, der länger arbeitslos ist. Daß die in solchen Maßnahmen Beschäftigten dann gleich wieder Ansprüche erwerben und unter Umständen wieder Arbeitslosengeld bekommen können, gehört zu den Fragwürdigkeiten dieses Instruments. Es macht aber durchaus Sinn aus sozialpolitischer Sicht, AB-Maßnahmen auf Arbeitslosenhilfeempfänger zu konzentrieren. Bedenken habe ich bei dieser Operation eher, was die Finanzierung angeht. Sparen tut der Finanzminister, zahlen müssen die Beitragszahler. Denn AB-Maßnahmen werden von den Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt. Die über diesen Weg erzielten Einsparungen sind also keine Kürzungen am Unterhalt der Arbeitslosenhilfeempfänger, im Gegenteil eher eine Verstärkung der Hilfen, sie gehen aber zu Lasten der Lohnzusatzkosten. Das widerspricht ganz klar den Absichten der Koalition, die Lohnzusatzkosten zu senken - was auch in der Koalitionsvereinbarung steht. Also, Herr Minister Blüm, von dieser Bürde hat Sie das vorliegende Gesetz nicht befreit. Aus dieser Verantwortung können wir Sie auch nicht entlassen. Setzen Sie Ihre Hoffnungen nicht auf Theo Waigel, bringen Sie selbst Sparvorschläge ein, die dem Ziel „Senkung der Lohnnebenkosten" dienen. Jede Veränderung im Bereich der Arbeitslosenhilfe wird von den Kommunen besonders kritisch beäugt. Sie sorgen sich um zusätzliche Belastungen in der Sozialhilfe. Diese Befürchtungen entzünden sich zur Zeit insbesondere an der Absenkung der Bemessungsgrundlage der Arbeitslosenhilfe sowie an der Streichung der originären Arbeitslosenhilfe, die an anderer Stelle im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen ist. Ich möchte feststellen, daß ich diese Befürchtungen diesmal für unbegründet halte. Geringfügigen Mehrbelastungen durch die Reform der Arbeitslosenhilfe stehen deutliche Entlastungen der Kommunen durch die Novellierung des Sozialhilfegesetzes und des Asylbewerberleistungsgesetzes gegenüber. Voraussetzung ist allerdings, daß die Länder diesen Entlastungen im Bundesrat auch zustimmen. Daher sollten die Städte und Gemeinden ihr Klagelied weniger an den Bund als vielmehr an ihre jeweiligen Landesregierungen richten. Diese stehen für die kommunalen Haushalte nämlich in erster Linie in der Verantwortung. Meine Damen und Herren, bei näherer Betrachtung halte ich die hier zu beschließende Gesetzesänderung für sozial vertretbar. Der Absenkung auf der einen Seite stehen verstärkte Hilfen auf der anderen gegenüber. Die Belastung der Beitragzahler bleibt bedenklich. Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Freitag nachmittag - der übliche Zeitpunkt, dieselbe bekannte Runde, gemütlich eigentlich, wenn da nicht diese Themen wären. Woche für Woche werden unter diesen Bedingungen - unter faktischem Ausschluß der Öffentlichkeit - Beschlüsse gefaßt, die das Sozialsystem fortgesetzt aushöhlen. Nun das neueste Elaborat aus dem Hause Blüm: Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz. Ein Blick in die Zielsetzung legt die Vermutung nahe: Der Arbeitsminister hat es geschafft, endlich ist der Kreis quadriert. Da heißt es, Fallzahlen und Bezugsdauer der Arbeitslosenhilfe seien „erheblich gestiegen", mit „der Dauer der Arbeitslosigkeit entstehe ein regelmäßiger Verlust an beruflicher Qualifikation", und das erschwere die Wiedereingliederung; deshalb verbessere die Bundesregierung die bestehenden Möglichkeiten, schaffe zusätzliche, verbessere die Vermittlungsaussichten, erleichtere die Selbständigkeit usw. usw. So viele Wohltaten! Und das Tollste: Diese Aktivitäten für Arbeitslose kosten nicht nur nichts, sie entlasten den Bundeshaushalt auch noch um 2,1 Milliarden DM. Fürwahr, ein Glanzstück - ein Glanzstück nicht der arbeitsmarktpolitischen Intelligenz der Bundesregierung, sondern ein Glanzstück ihrer demagogischen Entsorgungssprache: Die Sorgen der Menschen werden durch Sprachregelungen beseitigt. Gestern, Herr Minister, haben Sie uns dafür wieder ein bemerkenswertes Beispiel geliefert. Sie fragten uns, was wir denn dagegen hätten, wenn endlich auch mal die Langzeitarbeitslosen von der Arbeitsförderung profitierten. Sie wissen natürlich, daß wir dagegen gar nichts haben, uns allerdings fragen, warum Sie nicht längst mehr getan haben, sondern warten, bis die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf fast eine Million angewachsen ist. Und auch das Sonderprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit haben Sie ja nicht freiwillig wiederaufgelegt. Jetzt sollen Arbeitslosenhilfebezieher verstärkt in § 240h-Maßnahmen. Wie soll das gehen, wenn doch heute schon klar ist, daß z. B. die Mittel für die BVS für 1996 gesenkt sind und dort 25 000 bis 28 000 Stellen zur Disposition stehen? Aber in diesem Gesetz geht es ja im Kern auch um etwas ganz anderes: Dieses Gesetz ist ein rüdes Sparprogramm auf Kosten der Arbeitslosenhilfebezieher/ Innen. Um 5 % soll ihre Arbeitslosenhilfe jährlich runtergestuft werden. Ihr Qualifizierungsgerede soll ja nur den Rauchvorhang für diese Ihre eigentliche Absicht abgeben, Ihre Absicht nämlich: ausgerechnet die Leistungen für Langzeitarbeitslose zu kürzen, um Ihren Chaoshaushalt zu sanieren. Sie wollen weg von der Arbeitslosenhilfe als Dauerleistung, einer Leistung, die Arbeitslose auch für den Fall des dauerhaften Verlustes der Beschäftigung sozial sichern soll. Und weil Sie davon weg wollen, Herr Blüm, gehen Sie landauf, landab mit Ihrem arbeitslosen DiplomIngenieur hausieren. Selbst die IG-Metall-Delegierten haben Sie damit veralbert. Das kommt gar nicht gut an; da helfen Ihnen auch 40 Jahre als Metaller nichts. Zurück zu Ihrem Diplom-Ingenieur also, der nach einem Einkommen von 8 000 DM nunmehr seit 20 Jahren eine üppige Arbeitslosenhilfe kassiert und sich in der sozialen Hängematte ausruht. Für dieses so trefflich demagogisch einzusetzende Einzelbeispiel sollen nun 950 000 Arbeitslosenhilfeempfänger bestraft werden. Das ist soziale Brunnenvergiftung übelster Art. So schafft man ein gesellschaftliches Klima, in dem ein angeblich seriöses Wochenjournal mit Stories „Zum süßen Leben der Sozialschmarotzer" aufmacht und vor allem kritisiert, „daß 90 Prozent der Bundesbürger das soziale Netz ... in Anspruch nehmen". Haben wir uns also schon so weit von der Sozialen Marktwirtschaft verabschiedet, daß diejenigen zu Schmarotzern erklärt werden, die den Sozialstaat beim Wort nehmen? Und Sie machen da noch mit! Wie sieht es wirklich aus? Die maximale Arbeitslosenhilfe beträgt 1995 im günstigsten Fall - verheiratet, ein Kind - 2 740 DM im Monat. Den Anteil derjenigen, die Arbeitslosenhilfe in dieser Höhe bekommen, weiß nicht mal Ihre eigene Statistik auszuweisen, so klein ist er. Aber wir brauchen gar nicht so hoch zu gehen. Nehmen wir nur diejenigen, die Arbeitslosenhilfe nach einem Bruttogehalt oberhalb der Bezugsgröße der Sozialversicherung - 4 060 DM in 1995 - erhalten. Im Februar 1995 waren das 14 Prozent, im günstigsten Fall sind das 1 557 DM im Monat; davon kann eine dreiköpfige Familie nachweislich nicht leben. Diese Familie „entlasten" Sie mit Ihren Kürzungsabsichten nun noch um 67 DM im Monat. Aber 86 Prozent bekommen eben noch weniger Geld. Im August 1995 erhielten 75 Prozent der Männer und 93 Prozent der Frauen in der Bundesre- publik Beträge noch unterhalb der Sozialhilfeschwelle. Jede Kürzung der Arbeitslosenhilfe erhöht die Sozialhilfeausgaben und damit die Belastung der Kommunen in unverantwortlicher Weise. Selbst die an sich gute Idee der verstärkten Arbeitsförderung für Arbeitslosenhilfebezieher ist ja nichts anderes als eine Kostenabwälzung auf die Bundesanstalt. Wann begreifen Sie endlich, daß sich fehlende Jobs nicht durch höheren Druck auf Arbeitslose schaffen lassen? Lassen Sie mich mit einem Zitat aus den keinerlei Sympathien für die PDS verdächtigen „Lübecker Nachrichten" vom 4. November schließen: Um 3,4 Milliarden Mark kürzt das Kabinett bei der Arbeitslosenhilfe, der zungenfertige Blüm aber münzt das ganz als Anstrengung für mehr Beschäftigung um - fürwahr ein echter Verpackungskünstler. Ich hoffe nur, die Betroffenen lassen sich nicht länger einpacken. Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Zur Zeit gibt es in Deutschland mehr als 900 000 Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Ihre Zahl nimmt ebenso zu wie die Bezugsdauer der Leistung. Tatsache ist auch: Mit jedem Jahr der Arbeitslosigkeit nimmt die berufliche Qualifikation des Arbeitslosenhilfebeziehers ab. Das erschwert eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Ein weiterer Punkt, der uns zum Handeln veranlaßt hat: Die unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfebeziehern nach langjähriger Arbeitslosigkeit ist unverständlich und mutet willkürlich an. Wer einmal, wenn auch nur kurze Zeit, erwerbstätig war, bezieht den Rest seines Lebens Arbeitslosenhilfe. Der Arbeitslose, der nicht mit dem Erwerbsleben in Kontakt war, bekommt im gleichen Fall Sozialhilfe. Darum wollen und müssen wir das Recht der Arbeitslosenhilfe reformieren. Um was geht es uns bei der Reform? Drei Gesichtspunkte stehen im Vordergrund. Erstens. Wir wollen Arbeitslosenhilfebeziehern, und zwar insbesondere den Langzeitarbeitslosen, Brücken aus der Arbeitslosigkeit in den ersten Arbeitsmarkt bauen. Sie sollen vom Leistungsbezug unabhängig werden. Zweitens. Wir wollen den Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung verbessern. Drittens. Wir wollen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe stärker aufeinander abstimmen. Wir wollen vor allem durch Arbeitsmarktmaßnahmen die Qualifikation der Arbeitslosenhilfebezieher erhalten und verbessern. Sie sollen fit für den allgemeinen Arbeitsmarkt gemacht werden. Wir müssen die Zugbrücken zur Festung der Arbeitswelt herunterlassen. Wir müssen eine intelligente Arbeitsmarktpolitik betreiben, die den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt auch tatsächlich ermöglicht. Unser Reformvorschlag zur Verbesserung der Lage der Arbeitslosen enthält folgende Maßnahmen. Erstens. Wir konzentrieren die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf langzeitarbeitslose Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Das sind Personen, die es nachweislich schwerer als andere haben, aus eigenen Kräften in den regulären Arbeitsmarkt zurückzukommen, und denen wir deshalb besonders helfen müssen. Künftig werden in ABM in der Regel nur noch Arbeitslose gefördert, die 12 Monate arbeitslos waren. Diese Maßnahme fördert die Benachteiligten und verbessert die Chancen der beruflichen Integration. Zweitens. Wir werden Arbeitslosenhilfebeziehern Arbeitstrainingsmaßnahmen anbieten. Dadurch soll die Eignung des Arbeitslosen für bestimmte Tätigkeiten festgestellt, der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen gefördert und Unterstützung bei Bewerbungen geleistet werden. Der Arbeitslose erhält während der Trainingsmaßnahmen weiterhin Arbeitslosenhilfe. Drittens. Wir werden jüngeren Arbeitslosenhilfebeziehern eine Arbeitnehmerhilfe anbieten, um ihnen die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung, insbesondere im Bereich der Saisonarbeiten, zu ermöglichen. Seit einigen Jahren besteht die paradoxe Situation, daß derartige Tätigkeiten trotz hoher Arbeitslosigkeit im Inland von einer großen Zahl ausländischer Arbeitnehmer verrichtet werden. So werden zur Zeit jährlich etwa 150 000 Arbeitserlaubnisse an ausländische Arbeitnehmer erteilt. Es ist vor diesem Hintergrund nicht einzusehen, weshalb nicht auch jüngere inländische Arbeitslose derartige Saisonarbeiten durchführen können. Die Bundesanstalt für Arbeit zahlt daher künftig als Arbeitsanreiz zusätzlich zum Arbeitslohn 25 DM pro Tag - und zwar ohne Anrechnung auf die Arbeitslosenhilfe. Viertens. Wir erleichtern Arbeitslosenhilfebeziehern die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Nach der bisherigen Rechtslage gilt: Der Arbeitslose, der bei dem Versuch gescheitert ist, seinen Lebensunterhalt länger als ein Jahr aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Unser Gesetzentwurf sieht vor: Arbeitslosenhilfebezieher sollen eine selbständige Tätigkeit aufnehmen und fast drei Jahre ausüben können, ohne das Recht auf erneute Inanspruchnahme der Leistung zu verlieren. Fünftens. Wir wollen die Subsidiarität der bedürftigkeitsabhängigen Arbeitslosenhilfe stärken. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe soll begrenzt werden, wenn der Arbeitslose eine Altersrente beanspruchen könnte oder wenn er die Voraussetzungen für eine solche Altersrente in absehbarer Zeit erfüllt. Denn die aus Steuermitteln des Bundes finanzierte Arbeitslosenhilfe ist eine gegenüber der Versicherungsrente nachrangige Fürsorgeleistung. Es ist nicht einzusehen, weshalb jemand, der Anspruch auf eine Versicherungsleistung hat, statt dessen die ihr gegenüber subsidiäre Arbeitslosenhilfe beanspruchen kann. Lassen Sie mich schließlich auf die geplanten Änderungen bei der Bemessung der Arbeitslosenhilfe eingehen. Dazu hat es in den letzten Wochen ja viel Kritik und noch mehr Polemik gegeben - auch in diesem Hohen Hause. Worum geht es eigentlich? Das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe soll entsprechend der Dynamisierung der Bruttoarbeitsentgelte steigen. Gleichzeitig soll der Qualifikationsverlust, der mit der zunehmenden Dauer der Arbeitslosigkeit unbestreitbar verbunden ist, jedes Jahr durch einen pauschalierten Abschlag vom Bemessungsentgelt in Höhe von 5 Prozent berücksichtigt werden. Da die Dynamisierung in der Regel zu einer Erhöhung der Bruttoarbeitsentgelte führt, wird die reale Minderung des neuen Bemessungsentgelts tatsächlich geringer sein als 5 Prozent. An zwei Gesichtspunkte möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals erinnern, um insbesondere der Gedächtnisschwäche der Opposition auf die Beine zu helfen: Das neue Bemessungsentgelt darf eine Grenze nicht unterschreiten, die sich an der untersten Tariflohngruppe orientiert, denn unter der niedrigsten Tarifgruppe kann niemand Geld verdienen. Die Arbeitslosenhilfe im Anschluß an Arbeitslosengeld wird weiterhin unbefristet gezahlt. Eine Befristung der Arbeitslosenhilfe ist - anders als Sie, Herr Scharping, vorgestern wahrheitswidrig behauptet haben - vom Tisch. Unser Vorschlag ist im übrigen keine revolutionäre Neuerung. Denn bereits das geltende Recht sieht vor, daß die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit alle drei Jahre berücksichtigt wird. Wir machen lediglich das geltende Recht praktikabel. Die bisherige Regelung ist schwer handhabbar. Sie kann zu willkürlichen Ergebnissen führen und ist in der Vergangenheit so gut wie nie umgesetzt worden. Das hat auch der Bundesrechnungshof beanstandet. Wer, wie die Opposition, unsere Reformvorschläge als „Etikettenschwindel", als „Bestrafung der Arbeitslosen" oder als „primitive Konfliktstrategie auf dem Rücken der Arbeitnehmer" bezeichnet, der hat gar nicht begriffen, um was es eigentlich geht. Wir finanzieren nicht Arbeitlosigkeit, wir finanzieren Rückkehrhilfen in den regulären Arbeitsmarkt. Wenn es gelingt, die Arbeitslosen wieder in Arbeit zu bringen, dann wird dadurch automatisch Geld gespart. So erzielen wir durch die Maßnahmen zur Rückkehr der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt einen Einspareffekt von 1,5 Milliarden DM im Bundeshaushalt. Die Leistungsempfänger verlieren dadurch keine einzige Mark. Sie stehen sich sogar besser, weil sie eine neue Arbeit erhalten oder weil sie in ABM ein höheres Entgelt bekommen. Das Gesamtpaket zur Reform der Arbeitslosenhilfe wird 1996 zu einer Entlastung des Bundeshaushalts in Höhe von 3,4 Milliarden DM führen. Davon entfallen 2,1 Milliarden DM auf das ArbeitslosenhilfeReformgesetz, 1,3 Milliarden DM auf die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen. Die Entlastung wird - anders als die Opposition glauben machen will - nur zu einem geringeren Teil durch eine Begrenzung von Leistungen erzielt: Gerade einmal 300 Millionen DM werden durch die geplante Änderung bei der Neubemessung der Arbeitslosenhilfe eingespart. Das sind noch nicht einmal 10 Prozent der Mittel zur Verbesserung der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den allgemeinen Arbeitsmarkt, wie wir sie im ArbeitslosenhilfeReformgesetz und Asylbewerberleistungsgesetz bereitstellen. 600 Millionen DM werden durch die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe eingespart. Der überwiegende Teil der Entlastung wird durch strukturelle Änderungen der Arbeitslosenhilfe erreicht werden, bei denen die Wiedereingliederung der Arbeitslosenhilfebezieher in den allgemeinen Arbeitsmarkt im Vordergrund steht. Deshalb appelliere ich an Sie: Lesen Sie den Entwurf zum Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz aufmerksam. Sie werden dann feststellen, daß dieses weniger ein Spargesetz als ein konstruktiver Beitrag zur Verbesserung der Lage von Langzeitarbeitslosen ist. Lassen Sie uns darüber unvoreingenommen diskutieren. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 690. Sitzung am 3. November 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Viertes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (4. SGB V-Änderungsgesetz - 4. SGB V-ÄndG) - Gesetz zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1994 zur Durchführung des Abkommens vom 5. März 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Chile über Rentenversicherung - Gesetz zu dem Abkommen vom 15. März 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen - Gesetz zu dem Vertrag vom 2. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Belarus über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 12. November 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 24. September 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 20. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Juni 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Mongolischen Volksrepublik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Gesetz zu dem Vertrag vom 15. Februar 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Die Gruppe der PDS hat mit Schreiben vom 8. November 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: - Antrag: Überarbeitung der Eckpunkte zur Regulierung der Telekommunikation - Drucksache 13/1224 - - Antrag: Erstattung eines Berichtes der Bundesregierung zur „Lage der Nation" und zur Durchsetzung des Einigungsvertrages anläßlich des fünften Jahrestages der staatlichen Vereingung am 3. Oktober 1995 - Drucksache 13/2227 - Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksachen 13/1360, 13/1616 Nr. 2 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksachen 13/1070, 13/1233 Nr. 1.4 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zu Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 13/1614, Nr. 1.6 Drucksache 13/1614, Nr. 1.8 Drucksache 13/2306, Nr. 2.33 Drucksache 13/2306, Nr. 2.85 Haushaltsausschuß Drucksache 13/2306, Nr. 2.37 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1614, Nr. 1.4, 13/2306 (Berichtigung) Drucksache 13/2306, Nr. 1.10 Drucksache 13/2306, Nr. 2.2 Drucksache 13/2306, Nr. 2.3 Drucksache 13/2306, Nr. 2.6 Drucksache 13/2306, Nr. 2.7 Drucksache 13/2306, Nr. 2.11 Drucksache 13/2306, Nr. 2.12 Drucksache 13/2306, Nr. 2.21 Drucksache 13/2306, Nr. 2.28 Drucksache 13/2306, Nr. 2.46 Drucksache 13/2306, Nr. 2.47 Drucksache 13/2306, Nr. 2.56 Drucksache 13/2306, Nr. 2.59 Drucksache 13/2306, Nr. 2.70 Drucksache 13/2306, Nr. 2.75 Drucksache 13/2306, Nr. 2.84 Drucksache 13/2306, Nr. 2.92 Drucksache 13/2306, Nr. 2.93 Drucksache 13/2306, Nr. 2.104 Drucksache 13/2306, Nr. 2.105 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/1442, Nr. 2.1 Drucksache 13/1799, Nr. 2.5 bis 2.8 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/2306, Nr. 1.13 Drucksache 13/2306, Nr. 2.18 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/2306, Nr. 2.20 Drucksache 13/2306, Nr. 2.23 Drucksache 13/2306, Nr. 2.31 Drucksache 13/2306, Nr. 2.83 Drucksache 13/2306, Nr. 2.101 Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Drucksache 13/1614, Nr. 1.1 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/1338, Nr. 1.2 Drucksache 13/1614, Nr. 1.5 Drucksache 13/1898, Nr. 1.1 Drucksache 13/1898, Nr. 1.2 Drucksache 13/2306, Nr. 1.2 Drucksache 13/2306, Nr. 2.74 Drucksache 13/2306, Nr. 2.102
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dieter Schanz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die „Frankfurter Rundschau" vom 18. Oktober 1995 schrieb unter der Überschrift „Zukunft als Zauberwort der CDU - Rüttgers möchte Pakt mit den Kreativen", daß der CDU-Politiker für seine von zahlreichen Delegierten als schwach empfundene Rede nur mäßigen Beifall erhielt.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Ja, so ein Unsinn! Stimmt doch gar nicht! Ist eine Zeitungsente! Typisch „Frankfurter Rundschau" !)

    Das verwundert schon, ist aber auch erklärlich. Denn wer mit so viel Vorschußlorbeeren angetreten ist und zum zweiten Mal einen Einzelplan für den Bereich Forschung, Technologie und Bildung verantworten muß, der die Erwartungen in keiner Weise erfüllt, hat selbstverständlich nichts im Rücken, und das hat er auch gespürt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn dann noch ein bißchen Sensibilität hinzukommt, was ich ihm gern unterstelle, wirkt man, so weiß man, selten überzeugend. Seine Truppen in Bonn haben ihn mal wieder im Regen stehenlassen.
    Von der zugesagten Offensive für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie ist auch im Bundeshaushalt 1996 nichts zu spüren.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Statt eines überproportionalen Wachstums, wie angekündigt, wird nicht einmal die Preissteigerungsrate ausgeglichen. Entgegen dem Regierungsentwurf, der Ausgaben in Höhe von 15,62 Milliarden DM vorsah, hat die Koalition für diesen Geschäftsbereich einen um 24,5 Millionen DM reduzierten Plafond, d. h. einen solchen von rund 15,595 Milliarden DM, beschlossen. Meine Damen und Herren, ohne zusätzliche Mittel können aber neue Themen, können Innovationen so gut wie nicht angestoßen werden.
    Forschungspolitik verkommt unter dieser Bundesregierung zu einer Politik der Mängelverwaltung und des Stopfens von Löchern.

    (Beifall bei der SPD)


    Dieter Schanz
    Spielraum für neue Maßnahmen, wie die überfällige Aufstiegsfortbildung und die notwendige Aufstokkung beim Hochschulbau sowie die Förderung von Wissenschaftsorganisationen, soll durch die vorgesehene volle Verzinsung der auf einen Schattenhaushalt übertragenen BAföG-Darlehen gewonnen werden. Diese Pläne werden von den Ländern ebenso wie von den Betroffenen abgelehnt.
    Meine Damen und Herren, es ist wahr: Eine Industrienation, zugegebenermaßen eine große Industrienation, die über ausreichende Bodenschätze nicht verfügt, muß, wenn sie ökonomisch und ökologisch überleben will, wenn sie sich weiterentwickeln will, andere Ressourcen mobilisieren und einsetzen. Wenn der Haushalt das Schicksalsbuch der Nation ist, so sind Forschung und Technologie, Innovation und Entwicklung neuer Produkte, sind Bildung und Wissenschaft sowie qualifizierte Berufsausbildung grundlegende Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Forschungs- und Bildungsstandorts Deutschland. Es sind die Voraussetzungen für wirtschaftliche und soziale Stabilität in unserem Lande.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Grunde genommen hängen die Bedeutung des Standorts und seine Wettbewerbsfähigkeit an drei Fragen. Das ist einmal die Frage der Investitionskraft der Unternehmen, das ist zweitens die Frage von Forschung und Entwicklung, und es ist drittens die Frage von Bildung und Ausbildung.
    Vor diesem Hintergrund, Herr Minister Rüttgers, will ich Ihnen nicht allein die Verantwortung und schon gar nicht die Schuld dafür zuweisen, daß in den zurückliegenden Jahren dieser Einzelplan die Ausgaben für Bildung und Forschung, im Vergleich zu anderen Staatsausgaben und -aufgaben nicht mitgewachsen ist. Nicht zu Unrecht spricht man von der Wilms- und Riesenhuber-Delle, die für 1996, bezogen auf den Einzelplan 30, hochgerechnet ein Defizit von etwa 3,5 Milliarden DM ausmacht.
    Stellen wir uns einmal vor, stellen Sie sich einmal vor, Herr Rüttgers, was heute, da alle Welt erkannt hat, daß Forschung und Entwicklung für eine Industrienation von höchster Bedeutung sind, machbar wäre, machbar auch für die Entwicklung einer funktionierenden Forschungslandschaft in den neuen Bundesländern!

    (Beifall bei der SPD)

    Die Technologiebasis der deutschen Wirtschaft erodiert. Im Kern besteht unsere Exportbasis aus Branchen und Produkten mit mittlerem Technologiegehalt. Hier ziehen die Wettbewerber aus Asien und in Zukunft aus Osteuropa zunehmend nach, vielleicht auch vorbei. Daß Sie, Herr Rüttgers, jetzt vom Bundeskanzler anstelle des Wirtschaftsministers für die südostasiatischen Wachstumsregionen Verantwortung übertragen bekommen haben, unterstreicht diese Feststellung. Ich wünsche Ihnen bei dieser Arbeit viel Erfolg; denn es stimmt: Dort liegt die Zukunft unserer Exporte, dort liegen die Zukunftsmärkte.
    Meine Damen und Herren, die Aufwendungen der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung fallen drastisch. Hierfür tragen Sie Mitverantwortung, weil es der Bundesregierung insgesamt nicht gelingt, die deutsche Wirtschaft davon zu überzeugen, daß sie auf diesem Feld mehr tun muß. Im Rahmen der Verabschiedung des Haushalts 1995 habe ich Ihnen für die SPD-Fraktion für die Bemühungen, die deutsche Industrie zu animieren, mehr für Forschung und Entwicklung auszugeben, unsere volle Unterstützung zugesagt. Dies gilt auch heute noch.
    Ein Beispiel dafür sind die in den EVU angesammelten Rücklagen, die nunmehr auch im Einsatz etwa beim Rückbau der Reaktoren oder bei Markteinführungsstrategien für alternative Energietechnologie aktiviert werden müssen. Hier müssen die Rahmenbedingungen entsprechend den Erfordernissen der Modernisierung unserer Industriegesellschaft gesetzt werden.
    Aber auch durch gezielte Unterstützung von forschungs- und technologieintensiven Unternehmen insbesondere in den neuen Ländern muß die Umsetzung neuer Produkte beschleunigt werden. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen bieten durch die schnelle Reaktion auf den Markt die Garantie für langfristige Erfolge. Bisher hat die Bundesregierung versäumt, mit entsprechenden Hilfen die nötige Unterstützung zu leisten.

    (Beifall bei der SPD)

    Unseren diesbezüglichen Antrag im Haushaltsausschuß zum Einzelplan 30 haben Sie abgelehnt. Gegen die Stimmen der gesamten Opposition hat die Koalition gegen die Aufstockung der Beteiligung am Innovationsrisiko von technologieorientierten Unternehmen gestimmt und den Ansatz auf einem Niveau von 72,2 Millionen DM festgeschrieben.
    Abgelehnt haben sie auch unseren Antrag auf Einstellung eines Lehrtitels zur Fortführung des Hochschulsonderprogramms I, obwohl alle Experten im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Fachausschusses diese Notwendigkeit eindeutig unterstrichen haben. Der Auf- und Ausbau einer Forschungslandschaft, einer gesunden Hochschullandschaft in den neuen Ländern ist aber die Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität. Dies mißachteten Sie auch, als Sie unseren Antrag für den Aus- und Neubau von Hochschulen ablehnten.
    Gefolgt sind Sie unserem Antrag, für 1996, aber auch für die Folgejahre für die Ausbildungsplatzsicherung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und neuen Ländern Mittel in Höhe von 137 Millionen DM einzustellen.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war doch nicht Ihre Idee!)

    - Sehr wohl, Herr Kampeter.
    Meine Fraktion und ich begrüßen diesen Sachverhalt; denn es kann nicht hingenommen werden, daß junge Menschen in den neuen Ländern nach Entlas-

    Dieter Schanz
    sung aus den Grundschulen etc. ohne Perspektive ins Leben gehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dennoch, meine Damen und Herren von der Koalition, Herr Rüttgers, sollten wir aus ordnungspolitischen Gründen sehr sorgfältig mit dieser Subventionierung von Ausbildungsplätzen umgehen.
    Wer beispielsweise das duale System in der beruflichen Bildung - hier geht es nicht nur um Handwerk und Gewerbe - feiert, sollte immer wieder deutlich machen, daß es sich dabei nur um eine vorübergehende, aus der Not geborene Aufgabe handeln darf. Wenn nämlich Handwerksbetriebe und Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft Ausbildungsplätze nur deshalb zur Verfügung stellen, weil der Staat entsprechend hoch subventioniert, befinden wir uns auf einem gefährlichen, ja, sehr gefährlichen Weg.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Ich will nicht mißverstanden werden: Diese Aufgabe muß finanziert werden; denn die Leidtragenden wären die jungen Menschen in den neuen Ländern. Es darf aber keine Dauersubvention erfolgen, nur weil die Bundesregierung insgesamt auf diesem Feld ihre großspurigen Versprechungen nicht eingelöst hat.
    Abgelehnt haben Sie ebenfalls einen Titel, den wir unter der Überschrift „Starthilfe An-Institute neue Länder" beantragten. Jedem von uns ist klar, daß über An-Institute der Hochschulen flächendeckend eher eine Forschungs- und Entwicklungslandschaft aufgebaut werden kann, als wenn man nur am Standort der Hochschulen entsprechend investiert. Gerade in Nordrhein-Westfalen, insbesondere in der strukturschwachen Region des nördlichen Reviers, hat sich gezeigt, daß über An-Institute der Universitäten Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund Entwicklungschancen für schwächere Regionen wachsen. Diese Erfahrung sollten wir, vor allem Sie, für die neuen Länder nutzen.
    Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Debatten der letzten Tage, in denen seitens der Koalition wiederholt die interessanten Vorschläge des IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel erwähnt wurden, stimmt es fast traurig, daß die Koalition seit Jahren dabei ist, den Haushaltstitel „Arbeit und Technik" zurückzufahren. Alle Appelle des DGB und der Einzelgewerkschaften, aber auch andere Wissenschaftseinrichtungen unter der Überschrift „Forschung im Bereich einer sich ständig verändernden Arbeitswelt" auch unter der Überschrift „Flexibilisierung nicht behindern" haben die Koalition nicht daran gehindert, unseren Antrag auf entsprechende Erhöhung abzulehnen. Herr Rüttgers behauptet gerade zu diesem Forschungsfeld, es sei eine Spielwiese für irgendwelche Zurückgebliebene.
    Vor diesem Hintergrund empfinde ich es, meine Damen und Herren, geradezu als Bubenstück, daß mir nichts, dir nichts rund 22 Millionen DM für die Klimaforschung zusätzlich bereitgestellt werden. Nun könnte man jubeln, wenn das Wort Klimaforschung fällt, denn diese ist allzumal notwendig. Man könnte diese frohe Botschaft nach draußen vertreten. Das ist aber nicht so.
    Die Koalition war sich nicht zu schade - im Gegensatz zur Meinung Ihres Hauses, Herr Rüttgers -, in diesem Punkte sogar einen Haushaltsvermerk zu beschließen, welcher besagt, daß diese Mittel ausschließlich zur Finanzierung eines Projekts, nämlich des Strato-C2-Fliegers der Firma Grob, zur Verfügung gestellt werden.

    (Karl Diller [SPD]: Da hört man genau hin! Rossmaniths Wahlkreis!)

    Dies ist vor dem Hintergrund der Tatsache geschehen, daß wir im Mai dieses Jahres einen sehr kritischen Bericht über Ablauf und Ergebnis dieser Forschungslinie im Haushaltsausschuß diskutiert haben mit der Maßgabe, strengste Kriterien anzuwenden, um hier endlich zu einem positiven Ergebnis zu kommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dabei ist die Rolle der F.D.P. besonders bemerkenswert, handelt es sich doch fast um eine direkte Subvention.
    Auch an dieser Stelle möchte ich nicht mißverstanden werden. Ich weiß, daß es sich bei der genannten Firma um ein hochinnovatives Unternehmen handelt. Ich weiß auch, daß diese Forschungslinie, würde sie zum Erfolg führen, für die Bundesrepublik Deutschland und für die Klimaforschung von großem Wert wären, und ich bin mir auch darüber klar, daß bei dieser Firma Arbeitsplätze gesichert werden müssen. Wenn das aber so ist, meine Damen und Herren, warum dann in aller Heimlichkeit und Stille und außerhalb einer öffentlichen Debatte? Warum so klammheimlich? Gibt es da etwas zu verbergen?
    Hinsichtlich des IPP Stellerator Experiments, eines Forschungsprojekts der Max-Planck-Gesellschaft in Greifswald, habe ich im Haushaltsausschuß auf einen entsprechenden Antrag zur Realisierung dieses Forschungsprojekts verzichtet, weil mir im Rahmen des Berichterstattergesprächs zugesichert wurde, die Maßnahme könne, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzt sind, aus dem laufenden Haushalt finanziert werden. Herr Minister, meine Damen und Herren, ich erinnere Sie daran, hier Wort zu halten, denn es ist wichtig für die Forschungslandschaft Ost.
    Zum wiederholten Male haben wir uns bei den Erörterungen zum Geschäftsbereich des Einzelplans 30 mit der Etatisierung der globalen Minderausgabe beschäftigt. Für Haushälter ist es unerträglich, hinzunehmen, daß ein Ministerium die Möglichkeit hat, frei über 129 Millionen DM ohne eigentliche Haushaltskontrolle, die notwendig wäre, zu operieren.
    Meine Damen und Herren, statt mit uns gegen die globale Minderausgabe zu stimmen, sattelt die Koalition noch 29 Millionen DM drauf. Ich halte das für einen Skandal.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dieter Schanz
    Ich frage meine Kollegen Mitberichterstatter, ob sie das weiterhin so mittragen wollen. Wenn mein Kollege Karl Diller den Haushalt 1996 generell mit dem Etikett „ohne Klarheit und Wahrheit" versehen hat, so tut er recht damit, denn gerade dies ist ein klassisches Beispiel für eine Haushaltsvernebelungsaktion.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun wird sich sowohl der Fachausschuß als auch der Haushaltsausschuß in Kürze mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsbildung auseinandersetzen. Meine Damen und Herren, meine Fraktion begrüßt grundsätzlich diese Absicht, nämlich die Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung wiederherzustellen und einen Rechtsanspruch auf individuelle Förderung gesetzlich zu verankern. Die berufliche Aufstiegsfortbildung ist ein überfälliger Beitrag zur Herstellung der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung.
    Ich vermag nicht einzusehen, daß ein qualifizierter Facharbeiter in dieser Gesellschaft nicht gleiche Aufstiegschancen hat wie ein Abiturient oder Hochschulabsolvent. Auch der Zugang zur Hochschulbildung muß liberalisiert und für jede Frau und jeden Mann offen gestaltet werden. Selbstverständlich sind Qualifizierungskriterien notwendig. Hierüber sollten wir sachgerecht diskutieren. Die deutsche Wirtschaft und die Gesellschaft schlechthin benötigen qualifizierte, bildungsorientierte Facharbeiter. Sie sind heute oftmals dringend notwendiger als Absolventen von Hochschulen.
    Ich will nun der Debatte im Fachausschuß und im Haushaltsausschuß nicht vorgreifen und vorschnell bewerten. Kritisieren muß ich aber den vorgelegten Gesetzentwurf, denn er ist unzureichend; kritisieren muß ich den Zeitdruck, unter dem wieder beraten und entschieden werden soll; und kritisieren muß ich die erkennbare Finanzierungslücke für diese Sachentscheidung.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Förderung der Ausbildung von qualifzierten Fach- und Führungskräften in mittleren Managementbereichen ist zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dringend erforderlich. Dies nur wie bisher unter der Überschrift „Meister-BAföG" zu subsumieren reicht, wie Sie ja selbst sagen und wissen, nicht aus.
    Die von meiner Fraktion eingebrachten Anträge zum Einzelplan 30 wurden, wie Sie wissen, ausreichend begründet. Wenn der Zukunftsminister eine Zukunft haben soll, hätten Sie diesen Anträgen zustimmen müssen; denn wir sind uns ja darin einig, daß die in diesem Ministerium zusammengefaßten Zielsetzungen und Aufgaben tatsächlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland von höchster Priorität sind. Wenn ich das aus der Opposition heraus sage, will ich damit durchaus unterstreichen, daß die Aufgabe, die er zu erfüllen hat, eine sehr wichtige und lohnende ist; denn sie liegt im Interesse unseres Volkes, in unser aller Interesse. Ich komme deshalb nicht umhin, Ihnen, Herr Rüttgers, bei Ihrer Aufgabe
    Erfolg zu wünschen; denn dieser Erfolg wäre unser aller Erfolg.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Präsenz Deutschlands auf den neu entstehenden Märkten Asiens, Lateinamerikas, Osteuropas und der GUS muß dringend verstärkt werden. Wir fordern die Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen, damit eine handels- und kooperationsfördernde Infrastruktur in diesen neu entstehenden Märkten aufgebaut werden kann. Herr Rüttgers hat die Zuständigkeit dafür anstelle des Wirtschaftsministers erhalten - ich verstehe das sehr gut -; er muß schnell handeln. Wie auch mein Kollege Uwe Jens festgestellt und gefordert hat, brauchen wir eine Industriepolitik, die versucht, Wachstumshemmnisse abzubauen und Innovationskräfte freizusetzen.
    Der südostasiatische Markt wäre auch für die deutsche Forschungs- und Entwicklungslandschaft von großem Interesse. Dazu gehört natürlich auch die Koordination von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zwischen Unternehmen, Universitäten und sonstigen Forschungseinrichtungen. Über diese verfügt die Bundesrepublik Deutschland. Ich erinnere hier nur an die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Ich verweise auf ein beträchtliches Kapital. Die Politik, Herr Minister Rüttgers, hat die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen. Sie müssen organisieren und koordinieren, initiieren, aber auch finanzieren. Damit ist es in Ihrem Hause nicht gut genug bestellt.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Ausstattung des Einzelplans 30, der Finanzrahmen Ihres Hauses, reicht hierfür nicht aus. Sie werden verstehen, daß wir dem Einzelplan 30 unsere Zustimmung nicht geben können. Wir hätten das gern getan, weil er, wie ich schon gesagt habe, von einem hohen Stellenwert für die Bundesrepublik Deutschland ist.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht zum Einzelplan 30 der Kollege Steffen Kampeter.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Steffen Kampeter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einigen Tagen hat der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Wolfgang Frühwald, auf einem Kongreß auf die rasch zunehmende Geschwindigkeit aller Lebensprozesse hingewiesen. Ein heute geborenes Kind werde mit 75 Jahren, in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts, zu den erfahrenen Menschen gezählt werden können.
    Wenn wir heute einmal zurückblicken, was in den vergangenen 75 Jahren alles geschehen ist: Aufstieg und Fall des Nationalsozialismus, Aufstieg und Fall des Kommunismus, Weltkrieg, Völkermord, die

    Steffen Kampeter
    Atombombe, der erste Mensch auf dem Mond, eine enorme Explosion von Wissenschaft, Technik und Verkehr; und in der gleichen Zeit, in der 1927 Charles Lindbergh den Atlantik von New York nach Paris überquerte, nämlich in 33 Stunden, fliegt heute ein Jet um die Welt, wird deutlich, welchen unvorstellbaren Wandel der Erfahrung wir in den nächsten 75 Jahren in dieser Welt zu erwarten haben.
    Damit wird auch deutlich, daß die Gestaltung der Zukunft, die emotional bei vielen Menschen in Deutschland mit dem Weg und dem Wechsel ins 21. Jahrhundert verbunden ist, zu den wichtigsten Anliegen der politischen Gegenwartsdiskussion gehört. Die Union ist in Deutschland die politische Kraft, in der die Zukunftsgestaltung im Mittelpunkt des politischen Handelns steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU Zurufe von der SPD)

    Dabei geht es sowohl darum, Bewährtes für das 21. Jahrhundert zu sichern, als auch darum, zugleich auf die vielfältigen und neuen Fragen hinreichende Antworten zu entwickeln. Dies wird, um ein Beispiel zu nennen, deutlich durch die politischen Akzente im Einzelplan 30, im Etat des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie oder neuerdings: des Zukunftsministers.
    Während der Bundeshaushalt insgesamt in den Etatberatungen um 1,4 Prozent sinkt, haben wir in diesem Etat einen Aufwuchs um rund 2,9 Prozent für das Jahr 1996.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist ein politischer Beleg für die Bedeutung dieses Bereichs.
    Wenn Sie darüber hinaus noch in Betracht ziehen, daß in den Beratungen des Haushaltsausschusses eine Vielzahl von anderen Etats mit guten Gründen Kürzungen haben hinnehmen müssen und der Zukunftsetat trotz erheblicher Umschichtungen im Ergebnis noch einen Aufwuchs erfahren hat, wird uns die Bedeutung dieser Entwicklungen angesichts der knappen haushaltspolitischen Jahre für das Jahr 1996 erst im vollen Umfang bewußt.
    Mit einem Gesamtausgabevolumen von knapp 15,7 Milliarden DM wird der in Zahlen geronnene Wille zu einer aktiven Zukunftsgestaltung deutlich. Dies ist ein guter Beitrag für die Zukunft in unserem Land.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich konnten nicht alle Wünsche befriedigt werden. Das kann aber auch nicht gewollt sein. Es kann nicht Sinn und Aufgabe des Staates sein, Wunschlisten von Interessenten zu erfüllen. Ich gebe eines zu bedenken: Gerade im Etat von Herrn Bundesminister Rüttgers, wo es ein Herzensanliegen ist, Kreativität und Intelligenz zu fördern, sollte es gelingen, mit kreativer und intelligenter Mittelbewirtschaftung zukünftige Aufgaben zu erledigen.
    Ich erinnere an dieser Stelle auch daran, was in den letzten Jahren an Anpassungslasten z. B. im Wissenschaftsbereich in den neuen Ländern passiert ist. Wir haben diesen Instituten viel zugemutet. Wir sind auf großen Veränderungs- und Anpassungswillen gestoßen. Ich würde mir wünschen, daß sich manche andere Wissenschaftseinrichtungen in den anderen Bundesländern hiervon wenigstens ein Stückchen abschneiden würden und bereit wären, die Lasten zu tragen, die viele Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen in den neuen Bundesländern in den vergangenen Jahren haben tragen müssen.
    Für den Etat 1996 gilt: Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sind Kernanliegen unserer Politik. Dabei wollen wir alle Kreativitätsreserven für die Zukunftsgestaltung mobilisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, gefallen sich hingegen - das wird durch Ihr Verhalten bei den Haushaltsberatungen sehr, sehr deutlich - in der Rolle des Zukunftsverweigerers, des Verhinderers von technischem Fortschritt.

    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!)

    Sie versagen vor der politischen Aufgabe, den Weg ins 21. Jahrhundert zu gestalten.
    Um noch einmal das Bild von dem heute neugeborenen Kind zu verwenden: Wenn wir heute den Einstieg in die Zukunftstechnologie nicht beherzt angehen, wird es dem Neugeborenen bei sozialdemokratischer Regierung, sagen wir einmal, im Jahre 2070, doch wie folgt ergehen: Es würde in einem Deutschland leben, welches im Weltvergleich eher einem Museum der Technik des 20. Jahrhunderts als einem leistungsfähigen Dienstleistungs- und Industriestaat des 21. Jahrhunderts gleicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da reicht es einfach nicht aus - wie es Herr Fischer vorgestern hier getan hat -, sich auf angebliches nächtliches Surfen im Internet zu berufen. Denn gerade die Grünen, zumeist gemeinsam mit Ihnen von der SPD - darauf werde ich später noch eingehen -, spielen doch die zentrale Rolle bei der Zukunftsverweigerung in Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU Lachen und Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Kollege Schanz, Sie haben im Zusammenhang mit der Entwicklung des zukunftswichtigen Projekts Strato 2C vorhin von Heimlichkeiten im Ausschuß gesprochen. Das empfinde ich als dreist.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie ziehen aus der Sitzung des Haushaltsausschusses aus. Wir erledigen ordnungsgemäß unsere Aufgaben, für die wir vom Wähler beauftragt worden sind. Sie hätten in der Zeit, in der Sie sich draußen vor den

    Steffen Kampeter
    Kameras der Presse vergnügt haben, im Haushaltsausschuß jede Frage mit uns diskutieren können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Uns dann heute vorzuwerfen, wir hätten eine Entscheidung heimlich getroffen, ist wirklich dreist und empörend.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich möchte einige Beispiele aufzeigen, an Hand deren die Unterschiede zwischen Regierung und Opposition, die Unterschiede zwischen Zukunftsgestaltung und Zukunftsverweigerung, deutlich werden.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das ist eine interessante Frage!)

    Trotz gelegentlicher rhetorischer Appelle - Herr Schanz hat ja auch gesagt, er sei im Prinzip für dieses oder jenes Anliegen - haben Sie im Kern Ihre alte Politik beibehalten. Chancen werden von Ihnen nicht erkannt oder, was noch schwerer wiegt, ignoriert. Risiken werden in der Regel heillos überschätzt. Während wir die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts gestalten wollen, beabsichtigen Sie mit Ihrer intellektuellen Vollkaskomentalität, den Jahrtausendwechsel noch ein paar Jahre nach hinten zu verschieben.
    Dies gilt zum Beispiel für die Gen- und Biotechnologie, die in vielen Bereichen an der Schwelle zum kommerziellen Durchbruch steht. Neues biotechnologisches Wissen wird im Rahmen des Umweltschutzes, in der Landwirtschaft, in der Pharmazie und in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Stärken der deutschen Chemie bei neueren organischen Chemikalien, in der Pharmakologie und im Pflanzenschutz werden in den kommenden Jahren durch neue biotechnologische Verfahren revolutioniert. Die Gentherapie weckt Hoffnungen auf substantiellen Fortschritt bei der Heilung von Krankheiten wie Krebs.
    Aus wissenschaftlichen Untersuchungen wird deutlich, daß unter den 30 wichtigsten Innovationen bis zum Jahr 2000 die Hälfte ganz wesentlich mitbestimmt wird von der Biotechnologie.

    (Jörg Tauss [SPD]: Aber nicht von der Regierung!)

    Nach Schätzungen der OECD wird die Biotechnologie im 21. Jahrhundert eine ähnliche Bedeutung gewinnen, wie sie heute die Informationstechnik innehat. Gar nicht absehbar sind die neuen Märkte, die sich aus der Diffusion der Biotechnologie in Grenzbereichen wie Elektronikinformatik oder Materialwissenschaft ergeben.
    Die Wachstumsraten sind heute groß. Aber der Weltmarkt für Biotechnologie - für 1991 auf 6 Milliarden US-Dollar geschätzt - wird weiter wachsen. Für das Jahr 2000 wird von der Industrie ein Weltumsatz von 150 Milliarden US-Dollar erwartet. Damit ist dies einer der am schnellsten wachsenden Märkte. Im engeren Bereich der Biotechnologie sind in Deutschland zur Zeit 40 000 Menschen beschäftigt. Das Beschäftigungspotential muß auch wegen der zahlreichen beschriebenen
    Anwendungen im Dienstleistungsbereich hoch eingeschätzt werden.
    Die Förderung der Biotechnologie stellt daher, wie in den vergangenen Jahren, einen Schwerpunkt der Forschungs- und Innovationspolitik ouch im Haushalt 1996 dar. Es muß doch unsere Aufgabe sein, alles Verantwortbare zu leisten, um Unternehmen zu ermutigen, bei uns zu investieren. Arbeitsplätze müssen auch in diesem Bereich geschaffen werden, dürfen nicht verhindert werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Doch in den Haushaltsberatungen wollte die Opposition, insbesondere Bündnis 90/Die Grünen, streichen.

    (Abg. Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    - Ich komme auf Sie und die Haltung der Grünen zur Gentechnologie ausführlich zu sprechen. Deshalb bäte ich Sie, auf eine Zwischenfrage zu verzichten.

    (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Offensichtlich ist Ihr Wissen nicht so besonders toll!)

    Bei Ihnen zeichnen sich starke ideologische Barrieren ab. So hat Ihre für die Gentechnologie zuständige Sprecherin in einem Interview die Gentechnik als „gefährlichen Unsinn" bezeichnet. Und auf die Frage, ob geninduzierte Ertragssteigerungen bei Lebensmitteln nicht einen Beitrag gegen den Hunger in der Welt leisten könnten, antwortete sie ablehnend.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, solche Stellungnahmen sind nicht nur Zukunftsverweigerung, sondern zynisch. Mit ideologischer Verweigerung werden wir den Hunger in dieser Welt nicht stillen können. Das geht nur im Wege technologischer Innovationen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Gen- und Biotechnologie brauchen mehr als nur materielle Forschungsförderung. Sie brauchen rechtliche, administrative und moralische Unterstützung.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Dann mal los!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die SPD darunter versteht, kann am rot-grünen hessischen Beispiel gezeigt werden. Die Förderung eines Kongresses von Gentechnikgegnern durch die Landesregierung in Wiesbaden beweist, daß man Wissenschaftsgelder auch gezielt zur Verhinderung von Zukunftsgestaltung einsetzen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU Joachim Tappe [SPD]: Ach, du lieber Himmel!)


    Steffen Kampeter
    Ich will an dieser Stelle aus einem Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung" über diesen Kongreß zitieren:
    Zur freien gentechnik Landwirtschaft hat der Kongreß „Gegen Gen" aufgerufen, der im Hessischen stattfand. Vier Tage wurde diskutiert. Gründe für die Gentechnologie, so heißt es, seien irrational und unreflektiert. Die Gentechnik führe zu einer weiteren Verarmung an Sorten, zu mehr Chemieeinsatz und Bodenreaktionen. Es wird von einem nicht abschätzbaren Risiko gesprochen.

    (Kristin Heyne [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben!)

    Wir haben gegen die Förderung dieses Kongresses protestiert. Die hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst behauptet in einem Schreiben an Bundesminister Rüttgers, dies sei ein Kongreß, der sowohl Chancen als auch Risiken darstelle. Meine sehr verehrten Damen und Herren, von Risiken habe ich in diesem Bericht gelesen, aber wo hat dieser Kongreß die Chancen der Gentechnik aufgezeigt?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn solche Berichte deutlich machen, daß Chancen offensichtlich irgendwo vergraben werden, die Risiken ideologisch überhöht werden, dann ist das Zukunftsverweigerung. Das ist die Vernichtung von möglichen Arbeitsplätzen in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    So sieht es konkret aus, Herr Kollege Schanz,

    (Joachim Tappe [SPD]: So sieht es nicht aus! Das ist Unfug!)

    wenn Sie sagen, Sie seien bereit, Forschung und Wissenschaft in diesem Land zu unterstützen. Rhetorische Bekenntnisse reichen nicht aus. Es geht um konkrete Unterstützung.

    (Joachim Tappe [SPD]: Die haben Sie auch noch nicht geboten!)

    Das Beispiel Transrapid zeigt ein weiteres, meine sehr verehrten Damen und Herren.

    (Zurufe von der SPD)

    - Ja, das tut Ihnen weh. Gerade diese Frage sollte Ihnen auch wehtun, denn es ist ein weiteres wichtiges Beispiel, wo Sie technologischen Fortschritt, wo Sie Arbeitsplätze in Deutschland blockieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich zu einem weiteren Bereich kommen. Schon heute werden in Deutschland pro Jahr mehr Computer als Autos verkauft. Die Mikroelektronik ist weltweit auf dem Vormarsch. Der Weltmarkt für Halbleiter wuchs 1994 um 28 Prozent auf 110 Milliarden Dollar. Die europäischen Hersteller befinden sich ebenfalls im Aufwind und erzielen
    nach einer längeren Verlustphase erstmals wieder Gewinne - ich behaupte: nicht zuletzt wegen unserer Förderpolitik. Denn im Etat 1996 wachsen die Mittel für diesen Bereich überproportional.
    Europa darf sich aus dieser für die Innovationskraft wichtigen Technik nicht verdrängen lassen.

    (Joachim Tappe [SPD]: 13 Jahre lang ist verdrängt worden!)

    Wir brauchen die Anwendungen wie Multimedia, Informationshighways und Kommunikationstechnik. All diese modernen Anwendungen, die zukünftigen Wachstumsmärkte der Welt, sind ohne eine moderne Mikroelektronik nicht erschließbar.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Donnerwetter, Herr Kampeter!)

    Im Etat 1996 werden die Mittel für die Förderung der Informationstechnik erstmals die Milliardengrenze überschreiten. Damit wird wiederum deutlich: Wir reden nicht nur von Zukunft,

    (Zuruf von der SPD: Doch!)

    sondern wir gestalten sie ganz konkret.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Tagen hat beim Deutschen Industrie- und Handelstag ein achtzehnjähriger Unternehmer aus Ostwestfalen seine Unternehmensgruppe vorgestellt, die im zweiten Geschäftsjahr dreistellige Millionenumsätze im Computerbereich erwirtschaftet und über 200 Arbeitsplätze geschaffen hat. Mit 18 Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren!
    Angesichts dieses ungewöhnlichen Erfolges hat ein Kollege aus der Opposition - ich glaube, er war früher mal wirtschaftspolitischer Experte - sofort nach der Gefahr des Scheiterns gefragt. Das finde ich symptomatisch für das Verhalten der SPD zu Zukunftschancen. Da gibt es einen jungen Unternehmer, der 200 Arbeitsplätze - er hat mit 16 Jahren begonnen - geschaffen hat, der dreistellige Millionenumsätze erzielt. Anstatt sich über diesen Erfolg zu freuen, wird nach der Angst vor dem Scheitern gefragt. Hätte sich dieser junge Mensch von dem Bedenkenträger aus der SPD beraten lassen, wäre das Unternehmen heute überhaupt noch nicht gegründet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie bei allen Haushaltsberatungen wird natürlich über eine zu knappe Mittelzuweisung in verschiedenen Bereichen geklagt. Herr Kollege Schanz hat in dieses Klagelied auch eingestimmt. Ich teile diese Klage nicht. Knappe Mittel sind eine Aufforderung zur intelligenten Bewirtschaftung von Budgets. Jedes am Markt tätige Unternehmen weiß, daß, wenn Einnahmen ausbleiben, für den dauerhaften Erhalt des Unternehmens deutliche Kostenreduzierungen erforderlich sind.

    (Jörg Tauss [SPD]: Ja, vor allem bei Bildung!)


    Steffen Kampeter
    Die Kostensituation hat das Unternehmen selbst in der Hand. Eigenverantwortliches, kreatives, ja intelligentes Handeln ist gefragt. Auf den hier zur Diskussion stehenden Bereich übertragen bedeutet dies, daß bei konstanten oder langsam wachsenden Budgets neue Formen des Kostenmanagements gefunden werden müssen.
    Ich möchte dies an einem Beispiel deutlich machen, nämlich an dem des schon angesprochenen Studenten-BAföG und der beruflichen Aufstiegsqualifikation, des Meister-BAföG. Im Kern der Diskussion über die Studenten-BAföG-Reform steht die Stärkung von Eigenverantwortung und damit der Grundgedanke,

    (Zuruf von der SPD: Soziale Ausgrenzung steht im Kern!)

    daß nach erfolgter Ausbildung und bei hohem Einkommen aus einer akademischen Tätigkeit ein Teil der Fördermittel in den BAföG-Topf zurückfließen soll. Damit sollen wichtige Strukturverbesserungen für die heutigen Studenten finanziert werden. Als jemand, der selbst BAföG-Student war, finde ich dies gut. Das ist ein gelungener Generationenvertrag. Ehemalige Studenten leisten ihren Möglichkeiten entsprechend einen Beitrag dazu, daß beispielsweise im Jahr 1996 ein Anstieg der BAföGLeistungen um etwa 6 Prozent für die folgende Studentengeneration ermöglicht wird. Diese BAföG-Strukturreform, würde sie umgesetzt, bedeutete innerhalb von zwei Jahren 12 Prozent mehr BAföG bei gleichzeitig geringerer Belastung für die öffentlichen Haushalte. Dies nenne ich eine innovative Finanzierung und eine, die die Eigenverantwortung stärkt. Denn mit den zusätzlichen 266 Millionen DM können allein im Jahr 1996 weitere wichtige zentrale Aufgaben in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik finanziert werden, für die ohne BAföG-Reform kein Spielraum wäre.

    (Tilo Braune [SPD]: Haushaltssanierung auf Kosten sozial Schwacher ist das!)

    Im engen fachlich-politischen Zusammenhang hierzu steht das Vorhaben, die Meisterausbildung finanziell zu unterstützen. Diese Unterstützung wird von den Betroffenen zu Recht erwartet. Sie soll nach den gleichen Strukturprinzipien wie die Studentenförderung organisiert werden. In den Diskussionen mit dem Handwerk wurde nie bezweifelt, daß auch hier ein Element der Eigenverantwortung enthalten sein muß. Das ist um so anerkennenswerter, als die finanziellen Belastungen beim Selbständigmachen eines Handwerkers erheblich höher sind als bei der Berufsaufnahme eines Akademikers. Der Bundesrat hat diesen Gesetzentwurf in seiner letzten Sitzung zwar grundsätzlich begrüßt - Rhetorik -, aber gleichzeitig jede Form der Finanzierung verweigert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die politische Konsequenz heißt: Es gibt weiterhin - richtigerweise - viel Geld für die Studenten, aber kein Geld für die Handwerker. Soll etwa das die von Herrn Schanz
    geforderte Gleichbehandlung von akademischer und beruflicher Bildung sein?

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Jörg Tauss [SPD]: Es ist doch eine Notlösung, was Sie jetzt machen müssen!)

    Ich möchte mit einem Bild schließen. In diesen Tagen hat ein niederländischer Unternehmer das Gelände des Reaktors von Kalkar gekauft, um dort einen Freizeitpark zu errichten.

    (Christian Lenzer [CDU/CSU]: Das ist eine Schande!)

    Ich freue mich über die in Kalkar dadurch geschaffenen Arbeitsplätze. Es ist sicherlich ein wirtschaftlicher Impuls. Aber wir können nicht auf Dauer zum Prinzip erheben, daß wir technologische Hochentwicklungen von Rot und Grün stoppen lassen und daraus dann Freizeitparks machen.

    (Christian Lenzer [CDU/CSU]: Acht Milliarden verpulvert!)

    Dann lese ich in der Zeitung auch noch „Achterbahn statt Atommeiler" und daß dieser Unternehmer als „König von Kalkar" charakterisiert wird.

    (Zuruf von der SPD: Das ist ein gelehriger Schüler des Kanzlers!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam darum ringen, daß wir hinreichend Geld haben, um in Freizeitparks zu investieren, daß wir aber die technologische Zukunft unseres Landes nicht verspielen.
    Wir stimmen dem Einzelplan 30 zu.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Karl Diller [SPD]: Was heutzutage alles im Haushaltsausschuß sitzt, mein Gott!)