Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Faße, Sie kommen genauso wie ich aus Niedersachsen. Ich glaube, man kann heute nicht mehr ernsthaft Politik in der Weise machen, daß man sich hinstellt und sagt: Hierfür müßten noch ein paar Millionen her, dafür müßten noch ein paar Millionen her. Ich glaube, die Kunst ist doch eigentlich, daß man, wenn man begrenzte, wenn man knappe Mittel hat, damit eine vernünftige Politik macht.
Was Sie vorgetragen haben, kann ich deswegen nicht ernst nehmen, weil ich glaube, die gesamte verkehrspolitische Debatte leidet an Scheinheiligkeit.
Wenn Sie einmal einen Blick nach Niedersachsen werfen, dann erkennen Sie - es lohnt sich ja immer, über konkrete Dinge zu reden -, daß die ÖPNV-Mittel des Landes auf Null zurückgefahren worden sind.
Wenn Herr Ministerpräsident Schröder durchs Land zieht und beispielsweise in Bad Bentheim - das ist zufällig auch mein Wahlkreis - ein Güterzentrum einweiht und dafür Fördermittel in Höhe von 7,9 Millionen DM in Aussicht stellt, dann sind das ohne jede Ausnahme Fördermittel aus dem GVFGTopf des Bundes. Niedersachsen hat seine Mittel auf Null zurückgefahren.
An sich wollte ich mich mit dem ersten Redner beschäftigen, der sehr schnell gesprochen hat. Ich werde versuchen, etwas langsamer zu reden und mich dadurch mit dem einen oder anderen Gedanken verständlich zu machen. Ich glaube, es lohnt, sich bei jedem Fachbereich zu vergegenwärtigen,
Dr. Hermann Kues
worauf es eigentlich ankommt. Es kommt auf folgendes an - das ist die Kernfrage -: Wie schaffen wir es bei knappen Mitteln, unsere Angelegenheiten so zu organisieren, daß wir ohne wesentliche Einschränkungen unserer Mobilität einen auch ökologisch zu verantwortenden Verkehr hinbekommen.
Es hat wenig Zweck, hier Glaubenskriege zu führen und den Eindruck zu erwecken, als könne man heute noch ernsthaft über Schiene oder Straße diskutieren oder als könne man ernsthaft über ÖPNV oder Individualverkehr streiten.
Die Kunst ist doch, daß man wirtschaftliche Aspekte - Verkehr hat eine wirtschaftliche Bedeutung - und ökologische Aspekte zusammenführt. Das fängt eigentlich erst dort an, wo man Konzepte entwickelt, die nicht nur für den Ballungsraum tragfähig sind, sondern auch für den ländlichen Raum passen.
Eine ungeordnete, drastische Erhöhung der Mineralölsteuer wäre für den ländlichen Raum sowohl wirtschaftlich wie auch von den Lebensverhältnissen her eine Katastrophe.
Ich weiß - das wird keiner bestreiten können -, daß in den vergangenen Jahrzehnten der Verkehr rapide, ja fast explosionsartig zugenommen hat. Gerade deshalb glaube ich auch, daß es bei der bisherigen Entwicklung nicht bleiben darf, sondern daß neue Wege beschritten werden müssen. Um so unverständlicher ist es, daß Sie sich etwa auf neue Entwicklungen wie den Transrapid nicht einlassen. Ich komme aus einer Region, wo der Transrapid eine Achterschleife dreht.
Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß man einem ausländischen Interessenten, der nach unserem Konzept fragt, klarmachen kann, daß wir den Transrapid haben, der in einer Achterschleife läuft, wir das Transrapid-Projekt aber nicht realisieren wollen. So können Sie keinem klarmachen, daß das eine lohnende Technologie ist, die wir auf dem Weltmarkt auch vermarkten und verkaufen wollen.
Ich glaube, daß niemand die Augen davor verschließen kann, daß in Deutschland mittlerweile der Umweltschutz integraler Bestandteil der Verkehrspolitik geworden ist. Das kann man auch mit Zahlen belegen. Die Jahresbeträge, etwa für Bepflanzungs-, Ausgleichs- und Aufforstungsmaßnahmen an Bundesfernstraßen, belaufen sich ein- schließlich der Mittel für die Grün- und Biotoppflege mittlerweile auf Hunderte von Millionen DM. Ich zähle dazu auch den Radwegebau an Bundesfernstraßen. Auch dieser gehört zu den umweltrelevanten Maßnahmen. Bis heute sind immerhin fast 1,5 Milliarden DM aus dem Verkehrshaushalt dort hineingeflossen.
Ich weiß nicht, ob dies alles ausreicht, um den Ansatz zur Bewahrung der Schöpfung wirklich umzusetzen.
Aber ich denke, wir müssen an diese Aufgabe herangehen, um dem Auto und dem Individualverkehr eine sichere Zukunft zu geben, nicht um sie weiter zu verteufeln, zumal es sehr viel Scheinheiligkeit gibt. Längst nicht alle, die diese Fragestellungen thematisieren, sind in ihrem persönlichen Verhalten entsprechend konsequent.
Ich könnte das weiter präzisieren und erläutern. Der eine oder andere weiß, was ich damit meine.
Man kann Verkehr auch nicht unbedingt nur aus
der Zahl der zugelassenen Autos ablesen. Der Stau als besondere Form des ruhenden Verkehrs bewirkt
in Deutschland pro Jahr das Verbrennen von nahezu 14 Milliarden Litern Benzin, und zwar nutzlos. Diese Verbrennung produziert viele Tonnen Kohlendioxid und Kohlenmonoxid. Aber ich sage auch: Wir können diesen Stau vermeiden,
wenn es uns gelingt, den Verkehr flüssig zu halten.
Dazu gehören an bestimmten, als neuralgisch erkannten Punkten
auch neue und breitere Straßen.