Rede von
Matthias
Wissmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehrshaushalt bleibt auch im Jahre 1996 mit über 23 Milliarden DM an Investitionen und einer Investitionsquote von fast 46 Prozent größter Investitionshaushalt des Bundes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder, der gerade die Bedeutung der Verkehrsinvestitionen für Arbeitsplätze und bauwirtschaftliche Entwicklung in einer schwierigen baukonjunkturellen Phase kennt, weiß, wie wichtig es ist, daß es auch dank der Beratungen im Haushaltsausschuß gelungen ist, die Investitionen gegenüber dem Ansatz noch zu erhöhen.
Mein erster Dank gilt heute den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuß, insbesondere den Berichterstattern - ich betone: aller Fraktionen -, natürlich aber auch den Kollegen im Verkehrsausschuß. Ich fand, daß wir eine kollegiale Arbeit gemacht haben. Ich danke auch meinen tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Verkehrsministerium,
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
die heute abend um 22.40 Uhr aus allen wichtigen Abteilungen präsent sind. Sie verstehen sicher, daß man ohne eine gute Mannschaft auch keine gute Politik machen kann.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushaltsentwurf spricht eine deutliche Sprache. Für die Eisenbahnen des Bundes geben wir 30 Milliarden DM aus, davon 7,7 Milliarden DM für Investitionen, die wir noch durch besondere Maßnahmen erheblich verstärken. Für Bundesfernstraßen geben wir 10 Milliarden DM aus, davon 8,1 Milliarden DM für Investitionen. Für Bundeswasserstraßen geben wir 2,8 Milliarden DM aus, davon 1,1 Milliarden DM für Investitionen. Für die Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden haben wir nahezu ausnahmslos Investitionen in Höhe von 6,3 Milliarden DM. Mit anderen Worten: Wir setzen bei leichten Einbußen die Investitionspolitik der letzten Jahre auf hohem Niveau fort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mancher mag sich vielleicht in diesem Kreis daran erinnern, daß wir vor etwa genau sechs Jahren um etwa dieselbe Stunde, etwa um 20.40 Uhr, im Wasserwerk zusammen waren, um, beeindruckt vom Moment der Maueröffnung, gemeinsam das Deutschlandlied zu singen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, daß wir sagen können, daß wir nicht nur im Verkehrsbereich, aber natürlich auch im Verkehrsbereich den Gedanken des Zusammenwachsens unseres Landes auch in den konkreten Zahlen und Fakten des Haushaltes gerecht werden. Die Verkehrsprojekte deutsche Einheit, der Aufbau der Verkehrswege in den neuen Bundesländern haben im Haushalt meines Vorgängers Günther Krause, haben aber auch in den gesamten letzten Haushalten eine herausragende Rolle gespielt. Ich sage hierzu, sie werden auch in kommenden Jahren die herausragende Rolle bei den Verkehrsinvestitionen des Bundes bilden. Mehr als 50 Prozent unserer Gelder für Schienen-, Straßen- und Wasserwege gehen in den kommenden Jahren in die neuen Bundesländer. Damit werden wir dem Anspruch gerecht, den wir uns damals vor sechs Jahren geschworen haben,
nämlich alles zu tun, um das Zusammenwachsen Deutschlands zu ermöglichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet für den Schienenbereich, daß wir den Dreijahresplan Schiene 1995, 1996, 1997 in dem vorgesehenen Umfang angehen. Das heißt konkret: Wir werden noch vor Ende des Jahres das dritte Schienenprojekt deutsche Einheit für den Verkehr freigeben. Alle drei Projekte, die dann fertig sein werden, sind Schienenprojekte.
(D)
Wir werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zur Mitte des kommenden Jahres das letzte nicht begonnene Schienenverkehrsprojekt deutsche Einheit - Nürnberg, Erfurt, Halle, Leipzig - endlich, sage ich, im Bau beginnen können, weil wir wissen, daß es eine strategische Verkehrsverbindung für ganz Deutschland ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es Widerstände gibt: So wie ich mich zu den Schienenprojekten bekenne, bekenne ich mich auch zu den wichtigen, ökologisch verträglichen Straßenbauprojekten.
Es wird vor Ende des Jahres den Baubeginn der Ostseeautobahn in Vorpommern geben.
Wir werden bis zur Mitte des kommenden Jahres den Baubeginn der Waldautobahn in Thüringen erleben. Mir kommt es darauf an, daß wir nicht nur reden, sondern daß wir handeln, weil wir wissen: Die Infrastruktur ist die Bedingung des weiteren wirtschaftlichen Aufbaus. Eine ökologisch verträgliche Infra-
Bundesminister Matthias Wissmann
strukturentwicklung muß am Ende auch durchgesetzt werden, selbst wenn es Widerstände gibt,
von denen ich sehr wohl weiß, daß wir sie immer wieder erleben werden.
Bei den Schieneninvestitionen haben wir bei allen planerischen Unwägbarkeiten die Finanzierung im Kern gesichert. Die Bundesregierung wird die Schieneninvestitionen in den kommenden Jahren durch folgende Maßnahmen erheblich verstärken.
Erstens. Durch Investitionseinsparungen und Erlöse bei der Bahn AG in den Bereichen Telekommunikation und Bahnstrom werden wir über eine Mehrjahresstrecke in Milliardenhöhe zusätzliche Investitionen mobilisieren können, übrigens eine Möglichkeit, die wir ohne die Bahnreform nie gehabt hätten.
Zweitens. Durch Mehrerlöse aus dem Verkauf nicht bahnnotwendiger Immobilien durch die DB AG werden wir ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur Investitionsverstärkung leisten können.
Drittens. Durch Verwendung außerordentlicher Erträge der Bahn AG werden wir ebenfalls die Investitionen verstetigen.
Ich kann heute sagen: Mit dieser Strategie sichern wir die Verwirklichung aller wesentlichen Teile des Dreijahresplans Schiene für die Jahre 1995 bis 1997
und stehen damit zu den eingegangenen Zusagen.
Ich sprach schon von den Straßeninvestitionen. Wenn gegen die Straßeninvestitionen gelegentlich polemisiert wird, dann muß man wissen, daß weit mehr als die Hälfte aller Straßeninvestitionen in Ortsumgehungen, in den Lärmschutz für betroffene Bürger geht. Wenn ich dank der Entscheidungen des Haushaltsausschusses, die im Endeffekt 400 Millionen DM Verstärkung der Straßenbaumittel gegenüber dem ursprünglichen Ansatz bedeuten, in über 30 Fällen die Möglichkeit schaffen konnte, den für 1995 und 1996 vorgesehenen Baubeginn durchzuführen - ich bin den Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen für die große Unterstützung in dieser Frage mehr als dankbar -, dann hat das dann am Ende, wenn wir gebaut haben werden, auch konkreten Bürger- und Lärmschutz zur Folge.
Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, Sie sollten nicht nur vor Ort die einzelne Ortsdurchfahrt fordern und dann, wenn sie kommt, feiern, sondern Sie sollten mit uns am Ende auch hier bereit sein, den Kopf hinzuhalten für den Straßenbau, dann, wenn der Wind weht, und nicht nur dann, wenn vor Ort der Beifall erschallt. Ich jedenfalls bin froh, daß wir beispielsweise die Mehreinnahmen aus der von uns durchgesetzten Lkw-Gebühr unmittelbar nach der Entscheidung des
Haushaltsausschusses bis zu einer Höhe von 100 Millionen DM für die Verstärkung der Straßenbauinvestitionen nutzen können.
Ein besonders aktueller Punkt, der heute angesprochen worden ist, ist die Schiffahrtsförderung. Hier hat der Haushaltsausschuß in der Tradition früherer Jahre eine Verstärkung der Mittel von 40 auf 100 Millionen DM vorgenommen und damit einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, in einem hart umkämpften Weltmarkt die deutsche Flagge unter schwierigsten Bedingungen auch in Zukunft zu sichern. Ich will hier nicht an den kritischen Fragen vorbeigehen und will sagen: Der Fall Hapag-Lloyd, der vorhin angesprochen worden ist, Herr Kollege Wagner, hat zwei Seiten. Einerseits - das sage ich auch hier ganz klar; das haben wir in den letzten Tagen auch den Firmenvertretern klar gesagt - sind wir der Meinung, daß die Firmen sehr genau überlegen sollten, was sie in einer Situation, in der alle Anstrengungen der Politik darauf gerichtet sind, Schiffahrtsförderung bei knappen Mitteln zu ermöglichen, tun können, um die Flagge zu sichern. Auf der anderen Seite - das muß aber mit der gleichen Deutlichkeit gesagt werden - kann man nur begrüßen, wenn jetzt Stimmen aus dem DGB und der ÖTV - ich sage: endlich - bereit sind, sich auf das Angebot des Zweitregisters, das wir gegen heftigen Widerstand geschaffen haben, einzulassen
und damit die deutsche Flagge auch bei einem Unternehmen wie Hapag-Lloyd in der Zukunft zu sichern.
Ich sage es ganz klar für die Bundesregierung: Unser Ziel ist, daß es nicht zur Ausflaggung kommt, sondern daß dort, wo notwendig, die Chance des Zweitregisters ergriffen wird, um auch in Zukunft unter deutscher Flagge Schiffahrt betreiben zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, daß auch die großen Technikprojekte umstritten bleiben. Wir haben das in früheren Debatten gespürt. Aber ich frage auch: Was für eine Politik, was für eine Industriepolitik, was für eine Wirtschaftspolitik und was für eine Verkehrspolitik, Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen, stehen eigentlich hinter der Vorstellung, das Transrapid-Projekt doch noch abtöten zu wollen?
Vor wenigen Wochen hörten wir aus Japan die Nachricht, daß die Japaner jetzt alle Anstrengungen darauf richten, einen Probebetrieb einer Magnetschwebebahn vorzubereiten. Sie nahmen und nehmen insgesamt fast 5 Milliarden DM in die Hand, um ein Magnetschwebebahnprojekt voranzubringen.
Wir haben 20 Jahre lang geforscht, wir haben getestet und entwickelt, wir haben gemeinsam zweieinhalb Milliarden DM aus Industrie und Politik in den Transrapid gesteckt. Es wäre ein Schildbürgerstreich,
Bundesminister Matthias Wissmann
wenn wir in einem internationalen Wettbewerb um Schienen- und Magnetbahnsysteme jetzt nicht den Mut hätten, ein Projekt zwischen Hamburg und Berlin in die Realität umzusetzen.
Die Entscheidung wäre industrie- und beschäftigungspolitisch kontraproduktiv. Die letzte Frage dieser Art haben wir schon einmal in einer früheren Debatte diskutiert: Wie will die Sozialdemokratie eine neue, eine aufgeschlossene und eine unter der Flagge der Modernisierung laufende Wirtschaftspolitik glaubwürdig begründen, wenn Herr Voscherau für den Transrapid votiert und arbeitet, wenn die Bundestagsfraktion bis heute keine klare und eindeutige Position zu diesem wichtigen technischen Projekt beschlossen hat?
Meine Damen und Herren, wenn Sie im Grundsatz zur Technik ja sagen,
aber immer dann, wenn Ihnen der innerparteiliche Wind um die Ohren pfeift, kneifen, dann werden Sie keine glaubwürdige wirtschafts- und industriepolitische Strategie entwickeln können.
Ich kann nur sagen: Lernen Sie von Tony Blair aus Großbritannien, der in seiner eigenen Partei um eine
modernere wirtschaftspolitische Ausrichtung kämpft! Wenn Sie vor den Fragen, die in Ihren eigenen Reihen gestellt sind, immer wieder kneifen, um das kleinste gemeinschaftliche Vielfache in den eigenen Reihen zu formulieren, dann versagen Sie vor der riesigen wirtschaftspolitischen Aufgabe, für Beschäftigung und Arbeitsplätze große Technikprojekte durchzusetzen.
Wir bleiben bei dieser Linie. Wir sehen Verkehrspolitik in ihrem wirtschafts- und umweltpolitischen Zusammenhang. Wir wissen, daß der größte Investitionshaushalt des Bundes sich dieser Herausforderung auch in Zukunft stellen muß.