Rede von
Dr.
Max
Stadler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Recht war neulich im „Spiegel" die Rede davon, daß es eine völlig irrige Meinung wäre, wollte man das Amt des Bundespostministers als bequemen politischen Austrag für einen verdienten ehemaligen CSU-Landesgruppenchef betrachten. Vielmehr stehen wir vor dem Paradoxon, daß die Bedeutung dieses Amtes umgekehrt proportional zur noch verbleibenden Dauer seiner Existenz zu sehen ist.
Demgemäß besagt es auch wenig, daß wir es beim Einzelplan 13 mit dem kleinsten Teilhaushalt zu tun haben. Vielmehr steht die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Bereichs Post und Telekommunikation manchem klassischen Ressort keineswegs nach.
Bei dieser Ausgangslage verwundert es nicht, daß sich in den wenigen Wochen seit der ersten Lesung
des Haushalts zu einigen wichtigen Fragen der bevorstehenden Reformen eine heftige öffentliche Diskussion ergeben hat. Bekanntlich vertritt die F.D.P. dabei sehr dezidiert eigenständige Positionen.
Wir registrieren mit Befriedigung die Zustimmung, die wir hier vielfach aus der Fachwelt und der Publizistik erhalten.
Lassen Sie mich einige wichtige Aspekte kurz beleuchten: Erstens. Für die F.D.P. gilt die Devise: Soviel Markt wie möglich, soviel Regulierung wie nötig. Dieser Grundsatz hat für den Telekommunikationsbereich besondere Bedeutung; denn es geht darum, in diesem entscheidenden Wirtschaftssektor neue wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in Deutschland entstehen zu lassen. Ein preisgünstiges und qualitativ gutes Angebot an Telekommunikation setzt aber Wettbewerb voraus, der insbesondere dem Mittelstand seine Chance eröffnet.
Daher ist für uns die Organisation der Regulierung mehr als eine bloße Kompetenzfrage. Unsere sachlich begründete Skepsis gegenüber einer eigenen Regulierungsbehörde ist nicht nur vom Präsidenten des Bundeskartellamts unterstützt worden,
der als Leiter einer unabhängigen Behörde
Dr. Max Stadler
sehr wohl das Recht hat, zu Fragen des Wettbewerbs in Deutschland Stellung zu beziehen, sondern diese Skepsis ist auch von der unabhängigen Publizistik - Sie können das in der letzten Ausgabe der „Welt am Sonntag" nachlesen - eindrucksvoll unterstrichen worden.
Wir werden uns in der Koalition einigen, aber keinesfalls darf es dazu kommen, ausgerechnet in einer Zeit, in der der „schlanke Staat" als Zielsetzung allgemein anerkannt ist, eine sehr große, neue oberste Bundesbehörde zu installieren.
Zweitens. Die Postreformen I und II waren notwendig und erfolgreich. Die F.D.P. hat daher erhebliche ordnungspolitische Bedenken dagegen, die gewollte Trennung von Postdienst und Postbank de facto durch eine beherrschende Kapitalbeteiligung der Deutschen Post AG an der Postbank wieder rückgängig zu machen. Professor Möschel, Mitglied der Monopolkommission, sprach in diesem Zusammenhang in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 24. Oktober 1995 sogar von einer „ordnungspolitischen Posse".
Auch wir von der F.D.P. verkennen selbstverständlich den Nutzen und die Synergieeffekte einer Kooperation zwischen der Deutschen Post AG und der Postbank nicht. Auch wir stehen zum Infrastrukturauftrag des Art. 87f des Grundgesetzes. Ich sage das als Politiker, der aus einem Flächenstaat kommt,
in dieser Debatte ganz bewußt. Es mag auch durchaus zutreffen, daß dieser Infrastrukturauftrag nur in der Kooperation von Post AG und Postbank hinreichend erfüllt werden kann. Daraus folgt aber noch nicht zwingend die Notwendigkeit einer 40prozentigen Kapitalbeteiligung der Deutschen Post AG an der Postbank. Die Lösung kann, wie - im Gegensatz zum Modell Frankreich - das Beispiel zahlreicher anderer europäischer Länder zeigt, durchaus auch im Abschluß eines langfristigen Kooperationsvertrags liegen. Wir erwarten, daß die bevorstehende Gutachtenserstattung durch eine Investmentbank der Politik die maßgebliche Entscheidungshilfe liefern wird. Letztlich bleibt die Lösung dieser Frage aber eine politische Entscheidung.
Drittens. Die Öffnung der Telekommunikationsmärkte setzt klare ordnungspolitische Rahmenbedingungen voraus, damit die Macht einzelner Großunternehmen durch Wettbewerb beschränkt wird und Innovationen sich lohnen. Es ist erfreulich, daß die interfraktionellen Verhandlungen zu dieser Frage gestern und heute einen entscheidenden Fortschritt erbracht haben. Die vorliegende Vereinbarung zum neuen Telekommunikationsgesetz ist eine Grundlage, mit der wir jetzt zügig in das Gesetzgebungsverfahren gehen können.
Ich überlasse es dem Kollegen Bury, der sich heute dazu schriftlich schon sehr umfänglich ausgelassen hat, auf die Kritik des Kollegen Kiper im Detail einzugehen. Das ist ja ein Wettbewerb innerhalb der Oppositionsfraktionen.
Lassen Sie mich an einem kleinen - wirtschaftlich aber nicht unbedeutenden - Beispiel zeigen, wie wichtig der Wettbewerb in diesem Sektor ist: Der Noch-Monopolist Telekom hat eine neue Tarifstruktur ab 1. Januar 1996 vorgesehen, welche die Nutzung der Online-Dienste erheblich verteuert. Zu Recht hat sich der Regulierungsrat auf seiner letzten Sitzung am 23. Oktober 1995 auf Initiative meines Parteifreundes Rainer Brüderle sowie des Kollegen Bury gegen diese unverständliche Tarifgestaltung gewandt.
Ein anderes Ereignis, das in die Zeit zwischen erster und zweiter Lesung dieses Haushaltes gefallen ist, ist dagegen mit großer Befriedigung zur Kenntnis zu nehmen: die Entscheidung der EU-Kommission, die geplante Kooperation von France Télécom und der deutschen Telekom - Projekt „Atlas" - genehmigen zu wollen.
Lassen Sie mich in der verbleibenden kurzen Redezeit noch auf ein relativ neues Thema eingehen, das meiner Überzeugung nach künftig stärker in den Blickpunkt der Diskussion rücken wird, nämlich die Abgrenzung, welche neuen Techniken als „Rundfunk" im herkömmlichen Sinne anzusehen sind und welche neuen Techniken dem Bereich „Fernmeldewesen" zuzuordnen sind. Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten hat am 10. Oktober 1995 in Stuttgart die Befürchtung geäußert, die Kompetenzen und Interessen der Bundesländer würden im Hinblick auf die Konzessionierung von Rundfunk und gleichgestellten Diensten durch das neue Telekommunikationsgesetz beeinträchtigt. Mir erscheint umgekehrt die Befürchtung berechtigt, daß eine allzu weite Ausdehnung des Rundfunkbegriffs die Entwicklung neuer Dienste den schwerfälligen Entscheidungsmechanismen der Bundesländer, insbesondere der Bundesländer untereinander, aussetzt, so daß dadurch eine vielversprechende wirtschaftliche Entwicklung gehemmt werden könnte.
Hier sehe ich die Lösung freilich eher in einer engen Definition des Rundfunkbegriffs als in der Ansiedlung der Landesmedienanstalten bei der Regulierungsbehörde, wie dies Kollege Börnsen kürzlich vorgeschlagen hat.
Wir sehen: Vieles ist noch im Fluß. Insgesamt stimmt aber die Richtung der Post- und Telekommunikationspolitik. Die F.D.P. wird daher dem Einzelplan 13 zustimmen.
Vielen Dank.