Rede von
Dr.
Manuel
Kiper
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das ist heute der Tag, an dem man eigentlich dem Bundespostminister geradezu gratulieren muß, daß es ihm gelungen ist, im Rahmen der Postreform III
die SPD nicht nur über den Tisch, sondern sogar unter die Regierungsbank zu ziehen.
Heute morgen ist die Vereinbarung zum Telekommunikationsgesetz geschlossen worden. Herr Bury,
Sie waren doch dabei. Das ist jetzt unter Dach und Fach.
Es ist ganz klar, daß die SPD hier natürlich nicht die Mehrheit, die sie im Bundesrat und auch im Postregulierungsrat hat, dazu eingesetzt hat, maßgeblich an diesem Telekommunikationsgesetz und der geplanten Postreform III etwas zu ändern,
sondern es ist darauf hinausgelaufen, daß das Telekommunikationsgesetz im Entwurf des Bundespostministeriums Anfang Dezember nunmehr unverändert eingebracht werden wird. Das Einknicken der früher großen Oppositionspartei ist bedauerlich,
aber hat Methode.
Meine Damen und Herren, die großkoalitionäre „politische Vereinbarung zum neuen Telekommunikationsgesetz" entwickelt in gewisser Weise das, was Herr Bötsch zuerst vorgelegt hat, nämlich ein Telekomstrafgesetz, jetzt weiter zu einem EVU-Fördergesetz mit einer asymmetrischen Lizenzierung.
War es am Anfang das, was Sie, Herr Bury, immer angegriffen haben, die asymmetrische Regulierung, die auch wir angegriffen haben, daß in Zukunft einseitig die Telekom mit Universaldienstlasten belegt werden sollte, so wird es zukünftig so sein, daß kein fairer Wettbewerb gegeben ist. Denn Sie haben
heute morgen in der Vereinbarung mit der Regie- rungskoalition festgeschrieben, daß zukünftig gerade die interessanten DECT-Frequenzen für drahtloses Telefonieren bundesweit tätigen Anbietern, den Telekommunikationsgesellschaften der großen monopolistischen EVUs, reserviert werden, so
daß - ich zitiere - „andere Anbieter zunächst von der Vergabe von Frequenzen ausgeschlossen bleiben".
Damit sind, ähnlich wie in der vereinbarten Rundfunkpolitik zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen, auch in der Telekommunikationspolitik die Länderinteressen, die Telekom-Interessen der EVUs zum Maßstab der Politik der SPD-Fraktion geworden. Die habem da die Hand geführt. Ich kann nur sagen: Statt einen fairen Wettbewerb und eine Marktöffnung zu ermöglichen, wird eine Marktbeschränkung vorgenommen. Nach unserer Auffassung sollten vielfältige Telekommunikationsnetze und Telekommunikationsdienste lizenziert, einheitlich reguliert und anteilsmäßig zur Ausweitung und Finanzierung eines Universaldienstes herangezogen werden.
Mit der Beschränkung auf Sprachtelefondienst und Notrufmöglichkeiten fällt die heute morgen geschlossene Vereinbarung - was die Universaldienstauflage anbelangt - sogar noch hinter die von Herrn Bundespostminister vorgelegte Universaldienstleistungsverordnung zurück.
- Der Zeitrahmen, Herr Bury, für das Wirksamwerden
von Lizenzauflagen wie der vorgeschriebene Versor-
Dr. Manuel Kiper
gungsgrad bleiben undefiniert, die Tarifeinheit im Raum bleibt bei dieser Vereinbarung unberücksichtigt. Die Frage einer unabhängigen Regulierungsbehörde wurde sogar ausgeklammert.
- Herr Börnsen, auch Sie wissen, daß der F.D.P. noch die Chance eingeräumt wird, ihre Schmalspurlösung
- Regulierungsabteilung des Bundeskartellamts - einzuführen. Diese Schmalspurlösung ist noch immer im Gespräch. Sie möchten sie vielleicht nicht; das weiß auch ich. Der F.D.P. wird hier aber diese Chance noch eingeräumt.
Damit hat die SPD mit der CDU/CSU die Chance verschlafen, über eine zukunftsweisende Ausgestaltung des Universaldienstes einen sozialen und demokratischen Weg in die Informationsgesellschaft zu eröffnen. Universaldienstauflagen zum kostengünstigen Anschluß von Schulen, Bibliotheken und anderen öffentlichen Einrichtungen, entsprechend der Praxis des Liberalisierungsvorbildes USA, wird es in Deutschland bedauerlicherweise nicht geben.
Darüber hinaus gibt es noch eine Menge zur Postpolitik zu sagen. Insbesondere muß natürlich über die soziale Schieflage der augenblicklichen Liberalisierung gesprochen werden. Wenn wir uns das Telekomtarifkonzept 1996 ansehen, stellen wir fest: Es wird überdeutlich, daß es im Zuge der Liberalisierung auch Verlierer gibt. Es ist ganz klar: Sozial Schwache, Arme, Behinderte, aber auch Kinder werden die Benachteiligten dieser Liberalisierung sein.
Das Tarifkonzept 1996 muß deshalb nach Auffassung unserer Fraktion sozialer komponiert werden.
Weiterhin ist festzuhalten, daß den Kommunen von Regierungskoalition und SPD zwar die Vermarktung ihrer eigenen Netze zugestanden wird, die Wegerechte aber enteignet werden. Die Postreform III sollte demgegenüber so angelegt werden, daß sie die Kompensation von Wegerechten mit dem kostengünstigen bzw. kostenlosen Anschluß öffentlicher Einrichtungen an die Datenautobahnen ermöglicht bzw. in die Gänge leitet.
Zum Verkauf der Postbank ist schon vom Kollegen Rübenkönig einiges gesagt worden, was ich unterstützen will.
Ich möchte noch ein Wort zu dem sagen, was mit dem Tarifkonzept 1996 bedauerlicherweise in die Wege geleitet worden ist. Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft werden Stolpersteine gelegt. Man kann fast sagen: Es werden geradezu Nagelbretter auf die Datenautobahn gelegt. Das wird noch vielfältige Proteste hervorrufen, genauso wie die soziale Schieflage der zukünftigen Tarife und die geplante Benachteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen.
Die SPD scheint mir jetzt über den Tisch oder unter die Regierungsbank gezogen zu sein. Die Grundzüge der Postreform III sind damit zementiert. Wir bedauern das. Wir können jetzt nur darauf setzen - und damit möchte ich schließen -, daß sich Protest gegen diese Art von Regulierung im Lande erheben
wird, so daß auf diese Weise noch einige Korrekturen an der geplanten Postreform möglich werden.
Ich danke Ihnen.