Rede von
Franziska
Eichstädt-Bohlig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Töpfer! Frau Karwatzki! Wir haben soeben eine Trauerrede auf den Einzelplan 25 gehört.
Ich kann das nur bestätigen und vielleicht ein wenig deutlicher sagen: Wir haben eine wohnungs- und städtebaupolitische Bankrotterklärung vor uns liegen. Viel mehr braucht man dazu gar nicht zu sagen.
Es ist Fakt: Die Städtebauförderung ist völlig am Ende. Das halte ich für eine ganz große Tragödie. Die Wohnungsbauförderung ist fast am Ende; wir brauchen nur noch ein paar Jahre zuzuwarten, die Verpflichtungsermächtigungen kennen wir ja. Die
Franziska Eichstädt-Bohlig
Finanzierung der Wohngeldnovelle ist überhaupt nicht in Sicht. Das ist das Fazit dieses Etats.
Der einzige Töpfer-Etat, der momentan wächst, ist der Umzugsetat. Wir haben dazu einen Antrag gestellt, daß wir eine eindeutige Kostenkontrolle und ein Verfahren, das aufpaßt, daß aus diesem Etatwachsen kein Wuchern wird, erhalten. Wir sind gespannt, wie über diesen Antrag abgestimmt wird.
Aber ansonsten, denke ich, ist es überhaupt nicht mehr nötig, über den Einzelplan 25 zu reden. Wir müssen vielmehr darüber reden, daß der eigentliche Bauminister Herr Waigel ist. Ich sehe folgende Aspekte, und die halte ich für sehr wichtig: auf der einen Seite Sparpolitik, auf der anderen Seite Gießkannensubventionen und das Zerschlagen des Sparschweins an der falschen Stelle, nämlich beim Verkauf der bundeseigenen Wohnungen bzw. der Gesellschaftsanteile, nach wie vor große Verschwendungen in der Steuersubventionspolitik. Auch hierzu möchte ich etwas sagen.
Zunächst noch einmal zum Verkauf der Anteile. Ich habe mir die Mühe gemacht und einmal ausgerechnet, welche Kostenbelastung entsteht, wenn man diese 49 000 Wohnungen, das Stück zu 100 000 DM, verkauft. Man käme dann auf etwa 4 Milliarden DM. Wenn man einen Zinsanteil von 8 Prozent ansetzt, ergibt sich - egal, wie das finanziert wird, das ist zunächst noch offen - eine Wohnkostenbe-
lastung zwischen 7,50 DM und 8,50 DM. Das heißt, Sie kommen auf eine Kaltmiete von etwa 13 DM, die für diese Wohnungen finanziert werden muß. Vorhin wurde erwähnt, wer in diesen Wohnungen wohnt. Das sind nicht alles Leute, die diese Luxusmieten bezahlen können. Da ist kein Geld für eine umfassende Erneuerung eingerechnet, und da ist auch keine Gewinnspanne für die Gesellschafter eingerechnet. Das ist die bare Kostenmiete. Ich frage Sie, wie Sie zu diesem Preis die Belegrechte sichern wollen. Lügen Sie uns doch nichts in die Tasche!
Entweder Sie bekommen nur die Hälfte des Geldes, nämlich 2 Milliarden DM, heraus - dann können Sie auch noch über die Sicherung von Belegrechten und verträgliche Mieten reden -, oder es wird genauso, wie Herr Niese eben gesagt hat: Sie verkaufen die Wohnungen zu Bedingungen, die eine Kapitalverwertung erzwingen, und dann kommt es zu Mieterhöhungen, zu einem Vertreiben der ansässigen Mieter, und zur Eigentumsumwandlung. Erzählen Sie mir, die ich in den letzten Jahren in Berlin Zehntausende von Privatisierungen nach dem Altschuldenhilfegesetz erlebt habe, nicht, daß das bei bundeseigenen Wohnungen sauberer läuft, als es in Berlin läuft. Das glaube ich Ihnen beim besten Willen nicht.
- Wir werden es sehen. Aber ich darf das einmal so voraussagen.
Wir werden über kurz oder lang Gelegenheit haben, das zu prüfen.
Jetzt möchte ich gerne auf die Verschwendung zu sprechen kommen. In diesem Zusammenhang sind mir drei Punkte wichtig. Einen davon möchte ich ausführlicher ansprechen. Ich finde es sehr wichtig, daß endlich über den Skandal der Altschuldenfinanzierung diskutiert werden darf. Bisher war das ja ein völliges Tabu. Hier gehen viel zuviel Zinslasten hinein, hier ist den privaten Banken viel zuviel öffentliches Geld in den Rachen geworfen worden.
Das müssen wir alle, die Steuerzahler, die Mieter und die Kommunen, mitbezahlen. Das ist skandalös. Darüber werden wir ausführlicher reden.
Nun zum zweiten Punkt. Ich sage es nach wie vor - ich habe es bereits in der letzten Sitzungswoche gesagt -: Ich halte die Wohneigentumsförderung für überzogen. Zu viele Haushalte im Hocheinkommensbereich werden subventioniert. Das ist nicht nötig, und es ist angesichts der Probleme bei Wohngeld, Obdachlosigkeit, Wohnungsnot, Städtebauförderung skandalös.
Den dritten Punkt möchte ich heute noch etwas genauer ausführen. Er betrifft das Fördergebietsge-
setz Ost, das im Zuge des Jahressteuergesetzes 1996 leicht modifiziert bis 1998 fortgeschrieben worden
ist.
Sie wissen, ich komme aus Berlin. In diesem Falle ist es inzwischen wirklich bekannt, daß es sich nicht oder in höchstens 30 Prozent der Fälle um eine Förderung des Aufbaus Ost handelt und daß ein Großteil dieser Subventionen Übersubventionen sind für die Berliner und Leipziger Büroleerstände, für überhöhte Preise, für Verbrauchermärkte, für Gewerbeparks, die niemand braucht. Zu großen Teilen sind dies also eher kontraproduktive Subventionen, die dem Aufbau Ost mehr schaden als nutzen.
Ich fordere Sie dringend auf, über dieses Gesetz noch einmal im Sinne unseres Antrags, den wir im Juni gestellt hatten, nachzudenken und die Förderung gezielt auf kleines und mittleres Gewerbe und auf eine Förderung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft zu konzentrieren und nicht auf diesen Vermögenstransfer von Ost nach West.
Wir unterstützen den Aufbau Ost und auch eine nachhaltige Förderung des Aufbaus Ost mit allen Mitteln und mit allen Instrumenten, aber nicht mit einer solchen Fehlsubvention. Um es in Zahlen zu sagen: Nach Ihren Angaben, die Sie uns zum Jahressteuergesetz gemacht haben, kostet diese Förderung rund 9 Milliarden DM. Bei unserem Modell, das wir dagegengerechnet haben, würden Bund, Länder und
Franziska Eichstädt-Bohlig
Gemeinden zusammen 2,6 Milliarden DM sparen, der Bund alleine 1,4 Milliarden DM. Von daher fordere ich Sie dringend auf, diese Verschwendungssubvention endlich zur Debatte zu stellen und nicht herumzulamentieren, daß wir kein Geld mehr haben für die Städtebauförderung. Es ist doch völlig klar: Das ist wie bei kommunizierenden Röhren. Die Steuermindereinnahmen hängen doch damit zusammen, daß den Zahnärzten das Geld hinterhergeworfen wird.
Ich komme zum Schluß. Wir alle haben die Zahlen zur Städtebauförderung, zum Wohngeld, zum Wohnungsbau zur Genüge gehört. Es ist im wesentlichen Herrn Kansy zu verdanken, daß bescheidene 40 Millionen DM für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit durch einen Haushaltsvermerk reserviert' werden. Diese kleine, bescheidene Summe steht, wenn ich den Bundesanteil nehme, letztlich den mehr als 7 Milliarden DM für die Eigenheimzulage und den 9 Milliarden DM für Maßnahmen nach dem Fördergebietsgesetz gegenüber. Ich halte es für einen Skandal, für verschiedene gesellschaftliche Gruppen so extrem unterschiedlich Geld bereitzustellen. Trotzdem möchte ich mich bei Herrn Kansy bedanken, daß es immerhin gelungen ist, diesen Ansatz durchzusetzen; denn ich weiß, wie schwer das ist, und ich weiß auch, wie sehr die Länder sich sträuben, die bescheidenen Mittel in diesem Sinne einzusetzen. Wir müssen uns aber Mühe geben, daß die Proportionen im Etat - insbesondere im Steueretat, nicht nur im Einzelplan 25 - anders werden.
der PDS)